wieder tief nach unten herab, worauf er das Aufsteigen von neuem beginnt. Jn der Nähe eines Baumes angelangt, pflegt er sich tief herabzusenken, wenige Fuß über dem Boden an den Stamm sich anzuhängen, und nunmehr klettert er mit großen rasch auf einander folgenden Sprüngen aufwärts, manchmal auch seitwärts oder in Schraubenlinien vorwärts und nach oben, selten auf wagerechte Aeste hinaus, bisweilen wohl ein wenig rücklings, niemals aber kopfabwärts nach unten. Beim Anhängen beugt er Brust, Hals und Kopf weit nach hinten; beim Sprunge nickt er mit dem Haupte. Mit dem Schnabel hämmernd oder meiselnd arbeitet er je nach Verhältniß seiner Stärke größere oder geringere Stücke der Borke los, deckt dadurch die Schlupfwinkel der Kerbthiere auf, spießt dieselben mit der Zunge an und verschlingt sie.
Kerbthiere bilden ihre hauptsächliche Nahrung, sehr viele Arten fressen aber nebenbei größere Sämereien, und einige legen sich von diesen Vorrathskammern an. Die amerikanischen Arten sollen auch Eier aussaufen und selbst kleine Vögel ihren Jungen zutragen.
Die gewöhnliche Stimme ist ein kurzer, wohllautender Ruf, der Ausruf des Vergnügens bei vielen ein laut lachendes Geschrei. Außerdem bringen die Spechte noch eine eigenthümliche Musik im Walde hervor: sie "trommeln, schnurren, dröhnen oder knarren", wie man zu sagen pflegt, indem sie sich an einen dürren Ast hängen und diesen durch sehr schnelle Schläge mit dem Schnabel in eine zit- ternde Bewegung bringen. Hierdurch bewirken sie ein laut schallendes Geräusch, welches nach der Stärke des Zweiges bald höher, bald feiner klingt, aber auf weithin im Walde gehört wird. Wiese vermuthet, daß die Veranlassung zu dieser eigenthümlichen Musik im Zusammenhange mit der Witte- rung steht, weil er überhaupt die Spechte für die besten Wetterpropheten hält; er meint auch, daß es bisweilen geschehen könne, um die Kerbthiere aus dem stark bewegten Aste herauszutreiben, irrt sich aber unzweifelhaft; denn alle Beobachtungen deuten darauf hin, daß es geschieht, um das Weibchen zu erfreuen. So viel ist sicher, daß der männliche Specht damit zu Kampf und Streit herausfordert, daß andere auf dieses Trommeln hin von fern herbeieilen, um einen Strauß mit dem Nebenbuhler auszufechten und daß man durch Nachahmung dieses Trommelns viele Spechte leicht zu sich heranlocken kann. Der Specht bekundet also gewissermaßen auch seine Gefühle durch den Gebrauch des ihm wichtigsten Werkzeugs.
Das Nest steht stets in einer Baumhöhlung und regelmäßig in einer, welche von den Spechten selbst gezimmert wurde. Es ist im Grunde genommen nichts Anderes als der mit einigen Spänen ausgekleidete Boden der Höhle selbst. Das Gelege besteht aus drei bis acht sehr glänzenden, rein- weißen Eiern, welche von beiden Geschlechtern ausgebrütet werden. Die Jungen, überaus häßliche Geschöpfe, welche anfangs mit ihren Eltern kaum Aehnlichkeit zeigen und deren hauptsächlichste Fer- tigkeit, das Klettern, früher ausüben, als sie deren Gestalt und Bekleidung erhalten, werden nach dem Ausfliegen noch einige Zeit lang von ihren Eltern geführt, dann aber rücksichtslos aus deren Nähe vertrieben.
Es kann gar nicht oft genug wiederholt und eindringlich genug versichert werden, daß uns die Spechte nur Nutzen, niemals aber Schaden bringen. Bechstein war der erste Naturforscher, welcher der unsinnigen Vernichtungswuth entgegentrat und mit Recht behauptete, daß er nach vieljähriger Untersuchung und Beobachtung schlechterdings keine schädliche Eigenschaft an unsern Spechten habe entdecken können. Alle späteren Forscher, welche das Leben der Thiere beobachteten, oder wenigstens den Beobachtern Glauben schenkten, haben nach ihm Dasselbe versichert, und gleichwohl gibt es heutigen Tages noch thörichte Leute, welche meinen, daß ein Specht durch sein Arbeiten an den Bäumen diesen Schaden zufügen könnte. Wahrhaft überraschen muß es, wenn man erfährt, daß ein gewisser König, welcher ein Buch über die Waldpflege geschrieben hat, noch in unsern Zeiten eine, wenn auch keines- wegs begründete, so doch deutlich genug ausgesprochene Anklage gegen die Spechte zu schleudern wagt. Diese Vögel sind unfähig, uns zu schaden; sie können uns nur nützen! Und dieser Nutzen ist nicht blos ein unmittelbarer, ein solcher, welcher sich einfach durch die Worte "Vertilgung der schädlichen Forstkerfe" ausdrücken läßt, sondern wie bereits Gloger treffend hervorgehoben und Forstmeister
Allgemeines.
wieder tief nach unten herab, worauf er das Aufſteigen von neuem beginnt. Jn der Nähe eines Baumes angelangt, pflegt er ſich tief herabzuſenken, wenige Fuß über dem Boden an den Stamm ſich anzuhängen, und nunmehr klettert er mit großen raſch auf einander folgenden Sprüngen aufwärts, manchmal auch ſeitwärts oder in Schraubenlinien vorwärts und nach oben, ſelten auf wagerechte Aeſte hinaus, bisweilen wohl ein wenig rücklings, niemals aber kopfabwärts nach unten. Beim Anhängen beugt er Bruſt, Hals und Kopf weit nach hinten; beim Sprunge nickt er mit dem Haupte. Mit dem Schnabel hämmernd oder meiſelnd arbeitet er je nach Verhältniß ſeiner Stärke größere oder geringere Stücke der Borke los, deckt dadurch die Schlupfwinkel der Kerbthiere auf, ſpießt dieſelben mit der Zunge an und verſchlingt ſie.
Kerbthiere bilden ihre hauptſächliche Nahrung, ſehr viele Arten freſſen aber nebenbei größere Sämereien, und einige legen ſich von dieſen Vorrathskammern an. Die amerikaniſchen Arten ſollen auch Eier ausſaufen und ſelbſt kleine Vögel ihren Jungen zutragen.
Die gewöhnliche Stimme iſt ein kurzer, wohllautender Ruf, der Ausruf des Vergnügens bei vielen ein laut lachendes Geſchrei. Außerdem bringen die Spechte noch eine eigenthümliche Muſik im Walde hervor: ſie „trommeln, ſchnurren, dröhnen oder knarren“, wie man zu ſagen pflegt, indem ſie ſich an einen dürren Aſt hängen und dieſen durch ſehr ſchnelle Schläge mit dem Schnabel in eine zit- ternde Bewegung bringen. Hierdurch bewirken ſie ein laut ſchallendes Geräuſch, welches nach der Stärke des Zweiges bald höher, bald feiner klingt, aber auf weithin im Walde gehört wird. Wieſe vermuthet, daß die Veranlaſſung zu dieſer eigenthümlichen Muſik im Zuſammenhange mit der Witte- rung ſteht, weil er überhaupt die Spechte für die beſten Wetterpropheten hält; er meint auch, daß es bisweilen geſchehen könne, um die Kerbthiere aus dem ſtark bewegten Aſte herauszutreiben, irrt ſich aber unzweifelhaft; denn alle Beobachtungen deuten darauf hin, daß es geſchieht, um das Weibchen zu erfreuen. So viel iſt ſicher, daß der männliche Specht damit zu Kampf und Streit herausfordert, daß andere auf dieſes Trommeln hin von fern herbeieilen, um einen Strauß mit dem Nebenbuhler auszufechten und daß man durch Nachahmung dieſes Trommelns viele Spechte leicht zu ſich heranlocken kann. Der Specht bekundet alſo gewiſſermaßen auch ſeine Gefühle durch den Gebrauch des ihm wichtigſten Werkzeugs.
Das Neſt ſteht ſtets in einer Baumhöhlung und regelmäßig in einer, welche von den Spechten ſelbſt gezimmert wurde. Es iſt im Grunde genommen nichts Anderes als der mit einigen Spänen ausgekleidete Boden der Höhle ſelbſt. Das Gelege beſteht aus drei bis acht ſehr glänzenden, rein- weißen Eiern, welche von beiden Geſchlechtern ausgebrütet werden. Die Jungen, überaus häßliche Geſchöpfe, welche anfangs mit ihren Eltern kaum Aehnlichkeit zeigen und deren hauptſächlichſte Fer- tigkeit, das Klettern, früher ausüben, als ſie deren Geſtalt und Bekleidung erhalten, werden nach dem Ausfliegen noch einige Zeit lang von ihren Eltern geführt, dann aber rückſichtslos aus deren Nähe vertrieben.
Es kann gar nicht oft genug wiederholt und eindringlich genug verſichert werden, daß uns die Spechte nur Nutzen, niemals aber Schaden bringen. Bechſtein war der erſte Naturforſcher, welcher der unſinnigen Vernichtungswuth entgegentrat und mit Recht behauptete, daß er nach vieljähriger Unterſuchung und Beobachtung ſchlechterdings keine ſchädliche Eigenſchaft an unſern Spechten habe entdecken können. Alle ſpäteren Forſcher, welche das Leben der Thiere beobachteten, oder wenigſtens den Beobachtern Glauben ſchenkten, haben nach ihm Daſſelbe verſichert, und gleichwohl gibt es heutigen Tages noch thörichte Leute, welche meinen, daß ein Specht durch ſein Arbeiten an den Bäumen dieſen Schaden zufügen könnte. Wahrhaft überraſchen muß es, wenn man erfährt, daß ein gewiſſer König, welcher ein Buch über die Waldpflege geſchrieben hat, noch in unſern Zeiten eine, wenn auch keines- wegs begründete, ſo doch deutlich genug ausgeſprochene Anklage gegen die Spechte zu ſchleudern wagt. Dieſe Vögel ſind unfähig, uns zu ſchaden; ſie können uns nur nützen! Und dieſer Nutzen iſt nicht blos ein unmittelbarer, ein ſolcher, welcher ſich einfach durch die Worte „Vertilgung der ſchädlichen Forſtkerfe“ ausdrücken läßt, ſondern wie bereits Gloger treffend hervorgehoben und Forſtmeiſter
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0071"n="59"/><fwplace="top"type="header">Allgemeines.</fw><lb/>
wieder tief nach unten herab, worauf er das Aufſteigen von neuem beginnt. Jn der Nähe eines<lb/>
Baumes angelangt, pflegt er ſich tief herabzuſenken, wenige Fuß über dem Boden an den Stamm<lb/>ſich anzuhängen, und nunmehr klettert er mit großen raſch auf einander folgenden Sprüngen aufwärts,<lb/>
manchmal auch ſeitwärts oder in Schraubenlinien vorwärts und nach oben, ſelten auf wagerechte Aeſte<lb/>
hinaus, bisweilen wohl ein wenig rücklings, niemals aber kopfabwärts nach unten. Beim Anhängen<lb/>
beugt er Bruſt, Hals und Kopf weit nach hinten; beim Sprunge nickt er mit dem Haupte. Mit dem<lb/>
Schnabel hämmernd oder meiſelnd arbeitet er je nach Verhältniß ſeiner Stärke größere oder geringere<lb/>
Stücke der Borke los, deckt dadurch die Schlupfwinkel der Kerbthiere auf, ſpießt dieſelben mit der<lb/>
Zunge an und verſchlingt ſie.</p><lb/><p>Kerbthiere bilden ihre hauptſächliche Nahrung, ſehr viele Arten freſſen aber nebenbei größere<lb/>
Sämereien, und einige legen ſich von dieſen Vorrathskammern an. Die amerikaniſchen Arten ſollen<lb/>
auch Eier ausſaufen und ſelbſt kleine Vögel ihren Jungen zutragen.</p><lb/><p>Die gewöhnliche Stimme iſt ein kurzer, wohllautender Ruf, der Ausruf des Vergnügens bei<lb/>
vielen ein laut lachendes Geſchrei. Außerdem bringen die Spechte noch eine eigenthümliche Muſik im<lb/>
Walde hervor: ſie „trommeln, ſchnurren, dröhnen oder knarren“, wie man zu ſagen pflegt, indem ſie<lb/>ſich an einen dürren Aſt hängen und dieſen durch ſehr ſchnelle Schläge mit dem Schnabel in eine zit-<lb/>
ternde Bewegung bringen. Hierdurch bewirken ſie ein laut ſchallendes Geräuſch, welches nach der<lb/>
Stärke des Zweiges bald höher, bald feiner klingt, aber auf weithin im Walde gehört wird. <hirendition="#g">Wieſe</hi><lb/>
vermuthet, daß die Veranlaſſung zu dieſer eigenthümlichen Muſik im Zuſammenhange mit der Witte-<lb/>
rung ſteht, weil er überhaupt die Spechte für die beſten Wetterpropheten hält; er meint auch, daß es<lb/>
bisweilen geſchehen könne, um die Kerbthiere aus dem ſtark bewegten Aſte herauszutreiben, irrt ſich<lb/>
aber unzweifelhaft; denn alle Beobachtungen deuten darauf hin, daß es geſchieht, um das Weibchen<lb/>
zu erfreuen. So viel iſt ſicher, daß der männliche Specht damit zu Kampf und Streit herausfordert,<lb/>
daß andere auf dieſes Trommeln hin von fern herbeieilen, um einen Strauß mit dem Nebenbuhler<lb/>
auszufechten und daß man durch Nachahmung dieſes Trommelns viele Spechte leicht zu ſich heranlocken<lb/>
kann. Der Specht bekundet alſo gewiſſermaßen auch ſeine Gefühle durch den Gebrauch des ihm<lb/>
wichtigſten Werkzeugs.</p><lb/><p>Das Neſt ſteht ſtets in einer Baumhöhlung und regelmäßig in einer, welche von den Spechten<lb/>ſelbſt gezimmert wurde. Es iſt im Grunde genommen nichts Anderes als der mit einigen Spänen<lb/>
ausgekleidete Boden der Höhle ſelbſt. Das Gelege beſteht aus drei bis acht ſehr glänzenden, rein-<lb/>
weißen Eiern, welche von beiden Geſchlechtern ausgebrütet werden. Die Jungen, überaus häßliche<lb/>
Geſchöpfe, welche anfangs mit ihren Eltern kaum Aehnlichkeit zeigen und deren hauptſächlichſte Fer-<lb/>
tigkeit, das Klettern, früher ausüben, als ſie deren Geſtalt und Bekleidung erhalten, werden nach dem<lb/>
Ausfliegen noch einige Zeit lang von ihren Eltern geführt, dann aber rückſichtslos aus deren Nähe<lb/>
vertrieben.</p><lb/><p>Es kann gar nicht oft genug wiederholt und eindringlich genug verſichert werden, daß uns die<lb/>
Spechte nur Nutzen, niemals aber Schaden bringen. <hirendition="#g">Bechſtein</hi> war der erſte Naturforſcher, welcher<lb/>
der unſinnigen Vernichtungswuth entgegentrat und mit Recht behauptete, daß er nach vieljähriger<lb/>
Unterſuchung und Beobachtung ſchlechterdings keine ſchädliche Eigenſchaft an unſern Spechten habe<lb/>
entdecken können. Alle ſpäteren Forſcher, welche das Leben der Thiere beobachteten, oder wenigſtens den<lb/>
Beobachtern Glauben ſchenkten, haben nach ihm Daſſelbe verſichert, und gleichwohl gibt es heutigen<lb/>
Tages noch thörichte Leute, welche meinen, daß ein Specht durch ſein Arbeiten an den Bäumen dieſen<lb/>
Schaden zufügen könnte. Wahrhaft überraſchen muß es, wenn man erfährt, daß ein gewiſſer <hirendition="#g">König,</hi><lb/>
welcher ein Buch über die Waldpflege geſchrieben hat, noch in unſern Zeiten eine, wenn auch keines-<lb/>
wegs begründete, ſo doch deutlich genug ausgeſprochene Anklage gegen die Spechte zu ſchleudern wagt.<lb/>
Dieſe Vögel ſind unfähig, uns zu ſchaden; ſie können uns nur nützen! Und dieſer Nutzen iſt nicht<lb/>
blos ein unmittelbarer, ein ſolcher, welcher ſich einfach durch die Worte „Vertilgung der ſchädlichen<lb/>
Forſtkerfe“ ausdrücken läßt, ſondern wie bereits <hirendition="#g">Gloger</hi> treffend hervorgehoben und Forſtmeiſter<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[59/0071]
Allgemeines.
wieder tief nach unten herab, worauf er das Aufſteigen von neuem beginnt. Jn der Nähe eines
Baumes angelangt, pflegt er ſich tief herabzuſenken, wenige Fuß über dem Boden an den Stamm
ſich anzuhängen, und nunmehr klettert er mit großen raſch auf einander folgenden Sprüngen aufwärts,
manchmal auch ſeitwärts oder in Schraubenlinien vorwärts und nach oben, ſelten auf wagerechte Aeſte
hinaus, bisweilen wohl ein wenig rücklings, niemals aber kopfabwärts nach unten. Beim Anhängen
beugt er Bruſt, Hals und Kopf weit nach hinten; beim Sprunge nickt er mit dem Haupte. Mit dem
Schnabel hämmernd oder meiſelnd arbeitet er je nach Verhältniß ſeiner Stärke größere oder geringere
Stücke der Borke los, deckt dadurch die Schlupfwinkel der Kerbthiere auf, ſpießt dieſelben mit der
Zunge an und verſchlingt ſie.
Kerbthiere bilden ihre hauptſächliche Nahrung, ſehr viele Arten freſſen aber nebenbei größere
Sämereien, und einige legen ſich von dieſen Vorrathskammern an. Die amerikaniſchen Arten ſollen
auch Eier ausſaufen und ſelbſt kleine Vögel ihren Jungen zutragen.
Die gewöhnliche Stimme iſt ein kurzer, wohllautender Ruf, der Ausruf des Vergnügens bei
vielen ein laut lachendes Geſchrei. Außerdem bringen die Spechte noch eine eigenthümliche Muſik im
Walde hervor: ſie „trommeln, ſchnurren, dröhnen oder knarren“, wie man zu ſagen pflegt, indem ſie
ſich an einen dürren Aſt hängen und dieſen durch ſehr ſchnelle Schläge mit dem Schnabel in eine zit-
ternde Bewegung bringen. Hierdurch bewirken ſie ein laut ſchallendes Geräuſch, welches nach der
Stärke des Zweiges bald höher, bald feiner klingt, aber auf weithin im Walde gehört wird. Wieſe
vermuthet, daß die Veranlaſſung zu dieſer eigenthümlichen Muſik im Zuſammenhange mit der Witte-
rung ſteht, weil er überhaupt die Spechte für die beſten Wetterpropheten hält; er meint auch, daß es
bisweilen geſchehen könne, um die Kerbthiere aus dem ſtark bewegten Aſte herauszutreiben, irrt ſich
aber unzweifelhaft; denn alle Beobachtungen deuten darauf hin, daß es geſchieht, um das Weibchen
zu erfreuen. So viel iſt ſicher, daß der männliche Specht damit zu Kampf und Streit herausfordert,
daß andere auf dieſes Trommeln hin von fern herbeieilen, um einen Strauß mit dem Nebenbuhler
auszufechten und daß man durch Nachahmung dieſes Trommelns viele Spechte leicht zu ſich heranlocken
kann. Der Specht bekundet alſo gewiſſermaßen auch ſeine Gefühle durch den Gebrauch des ihm
wichtigſten Werkzeugs.
Das Neſt ſteht ſtets in einer Baumhöhlung und regelmäßig in einer, welche von den Spechten
ſelbſt gezimmert wurde. Es iſt im Grunde genommen nichts Anderes als der mit einigen Spänen
ausgekleidete Boden der Höhle ſelbſt. Das Gelege beſteht aus drei bis acht ſehr glänzenden, rein-
weißen Eiern, welche von beiden Geſchlechtern ausgebrütet werden. Die Jungen, überaus häßliche
Geſchöpfe, welche anfangs mit ihren Eltern kaum Aehnlichkeit zeigen und deren hauptſächlichſte Fer-
tigkeit, das Klettern, früher ausüben, als ſie deren Geſtalt und Bekleidung erhalten, werden nach dem
Ausfliegen noch einige Zeit lang von ihren Eltern geführt, dann aber rückſichtslos aus deren Nähe
vertrieben.
Es kann gar nicht oft genug wiederholt und eindringlich genug verſichert werden, daß uns die
Spechte nur Nutzen, niemals aber Schaden bringen. Bechſtein war der erſte Naturforſcher, welcher
der unſinnigen Vernichtungswuth entgegentrat und mit Recht behauptete, daß er nach vieljähriger
Unterſuchung und Beobachtung ſchlechterdings keine ſchädliche Eigenſchaft an unſern Spechten habe
entdecken können. Alle ſpäteren Forſcher, welche das Leben der Thiere beobachteten, oder wenigſtens den
Beobachtern Glauben ſchenkten, haben nach ihm Daſſelbe verſichert, und gleichwohl gibt es heutigen
Tages noch thörichte Leute, welche meinen, daß ein Specht durch ſein Arbeiten an den Bäumen dieſen
Schaden zufügen könnte. Wahrhaft überraſchen muß es, wenn man erfährt, daß ein gewiſſer König,
welcher ein Buch über die Waldpflege geſchrieben hat, noch in unſern Zeiten eine, wenn auch keines-
wegs begründete, ſo doch deutlich genug ausgeſprochene Anklage gegen die Spechte zu ſchleudern wagt.
Dieſe Vögel ſind unfähig, uns zu ſchaden; ſie können uns nur nützen! Und dieſer Nutzen iſt nicht
blos ein unmittelbarer, ein ſolcher, welcher ſich einfach durch die Worte „Vertilgung der ſchädlichen
Forſtkerfe“ ausdrücken läßt, ſondern wie bereits Gloger treffend hervorgehoben und Forſtmeiſter
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/71>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.