rasch auf demselben dahin, oder taucht, wenn es sein muß, in die Tiefe, rudert mit den Flügeln sehr schnell ein Stück weg und erscheint an einer ganz anderen Stelle wieder.
Wer den zierlichen Vogel in seinem täglichen Treiben beobachten will, hat zunächst auf solche Stellen zu achten, welche durch Gebüsch oder das überhängende Ufer gedeckt werden. Hier erkennt man an dem regelmäßig vorhandenen weißen Kothe seine Spuren. Er treibt, wie Naumann sagt, sein Wesen gern im Stillen; halb und halb im Verborgenen, obwohl er sich eigentlich niemals ver- kriecht und noch weniger im Grase versteckt. Selbst die erhabensten Plätzchen, welche er betritt, liegen fast immer so, daß er wenigstens vom nächsten Ufer aus nicht schon aus der Ferne gesehen werden kann. "Auf einem alten, verstümmelten, aus anderen dichtbelaubten Bäumen, Gebüsch und einem Zaune hervorragenden und über das Wasser hängenden Birnbaume, am Teiche neben meinem Garten, war ein Stand und Sitz von Bretern für eine Person, wenigstens vier Fuß hoch über dem Wasser- spiegel angebracht; dieser wurde von allen Sandpfeifern, welche in der Zugzeit unsere Teiche besuchten, zum Ruheplätzchen benutzt, obgleich am entgegengesetzten Ufer, nicht vierzig Schritte ent- fernt, ein sehr betretener Fußweg vorbeiging, von wo aus sie durch Vorübergehende sehr oft verscheucht wurden." Solche Stellen liebt der Vogel ganz besonders; denn er ist nicht blos vorsichtig und scheu, sondern auch im höchsten Grade furchtsam und, obgleich er sich oft in der Nähe der Ortschaften und selbst in ihnen aufhält, doch jederzeit auf seiner Hut. Dabei besitzt er Verstand genug, gefährliche Menschen von ungefährlichen zu unterscheiden, oder Thieren, welchen er nicht trauen darf, rechtzeitig auszuweichen. Selten gelingt es den Raubvögeln, ihn zu überlisten; selbst der hartnäckige Sperber wird oft durch ihn getäuscht, da er, sobald er jenen fürchterlichen Feind gewahrt, so eilig als möglich in dichtes Gebüsch oder nöthigenfalls ins Wasser flüchtet und sich durch Tauchen zu retten sucht. Mit anderen Strandvögeln macht er sich wenig zu schaffen; nicht einmal die Paare hängen treuinnig an einander, sobald die Brutzeit vorüber. Eine günstige Oertlichkeit trägt mehr zur Vereinigung bei, als der Trieb der Geselligkeit. Die Stimme, ein zartes, helles, hohes und weitschallendes Pfeifen, ähnelt der des Eisvogels und klingt ungefähr wie "Hididi" oder "Jiht" und "Jhdihdihd", wird aber während der Paarungszeit in einen Triller zusammengeschmolzen, welcher sanft beginnt, anschwillt und wieder abfallend endet, unendlich oft sich wiederholt und wenigstens nicht unangenehm ins Ohr fällt.
Die Fortpflanzung geschieht bald nach Ankunft der Pärchen, welche gewöhnlich vereinigt ein- treffen, und sich da, wo sie sich festsetzen, bald sehr bemerklich machen. Jedes einzelne wählt sich seinen Stand und duldet in der Nähe, wenigstens auf demselben Ufer, kein zweites. Das Männchen zeigt sich sehr erregt, streicht in sonderbaren Zickzackflügen hin und her, trillert, singt und umgeht das Weibchen mit zierlichen Schritten. Dieses wählt sich an einer den Hochfluten voraussichtlich nicht ausgesetzten Uferstelle, näher oder entfernter vom Wasser, ein geeignetes Plätzchen im Gebüsch und baut unter dem Gezweige, am Liebsten im Weidicht, ein einfaches Nest aus Reisern, Schilf, Stoppeln und dürren Blättern so versteckt, daß man es trotz der verrätherischen Unruhe der Alten gewöhnlich erst nach langem Suchen auffindet. Die vier Eier, welche das Gelege bilden, sind bald kürzer, bald gestreckter, birnförmig, feinschalig, glänzend, auf bleichrostgelbem Grunde mit grauen Unter-, roth- braunen Mittel- und schwarzbraunen Oberflecken gezeichnet und bepunktet. Jede Störung am Neste ist den Alten ungemein verhaßt; sie merken es auch, wenn ihnen ein Ei genommen wird und ver- lassen dann das Gelege sofort. Beide Geschlechter brüten. Die Jungen entschlüpfen nach etwa zweiwöchentlicher Bebrütung, werden noch eine kurze Zeit von der Mutter erwärmt und nun den Weidehegern zugeführt. Hier wissen sie sich so vortrefflich zu verstecken, daß man sie ohne gute Hunde selten auffindet, obgleich die Alten den Suchenden unter ängstlichem Geschrei umflattern. Nach acht Tagen brechen die Flügel- und Schwanzfedern hervor; nach vier Wochen sind sie flügge und der Pflege der Eltern entwachsen.
Kerbthierlarven, Gewürm und Kerbthiere im Fliegenzustande, namentlich Netz- und Zweiflügler, bilden die Nahrung. Sie wird entweder vom Strande aufgelesen oder im Fluge weggeschnappt, auch
Die Läufer. Stelzvögel. Waſſerläufer.
raſch auf demſelben dahin, oder taucht, wenn es ſein muß, in die Tiefe, rudert mit den Flügeln ſehr ſchnell ein Stück weg und erſcheint an einer ganz anderen Stelle wieder.
Wer den zierlichen Vogel in ſeinem täglichen Treiben beobachten will, hat zunächſt auf ſolche Stellen zu achten, welche durch Gebüſch oder das überhängende Ufer gedeckt werden. Hier erkennt man an dem regelmäßig vorhandenen weißen Kothe ſeine Spuren. Er treibt, wie Naumann ſagt, ſein Weſen gern im Stillen; halb und halb im Verborgenen, obwohl er ſich eigentlich niemals ver- kriecht und noch weniger im Graſe verſteckt. Selbſt die erhabenſten Plätzchen, welche er betritt, liegen faſt immer ſo, daß er wenigſtens vom nächſten Ufer aus nicht ſchon aus der Ferne geſehen werden kann. „Auf einem alten, verſtümmelten, aus anderen dichtbelaubten Bäumen, Gebüſch und einem Zaune hervorragenden und über das Waſſer hängenden Birnbaume, am Teiche neben meinem Garten, war ein Stand und Sitz von Bretern für eine Perſon, wenigſtens vier Fuß hoch über dem Waſſer- ſpiegel angebracht; dieſer wurde von allen Sandpfeifern, welche in der Zugzeit unſere Teiche beſuchten, zum Ruheplätzchen benutzt, obgleich am entgegengeſetzten Ufer, nicht vierzig Schritte ent- fernt, ein ſehr betretener Fußweg vorbeiging, von wo aus ſie durch Vorübergehende ſehr oft verſcheucht wurden.“ Solche Stellen liebt der Vogel ganz beſonders; denn er iſt nicht blos vorſichtig und ſcheu, ſondern auch im höchſten Grade furchtſam und, obgleich er ſich oft in der Nähe der Ortſchaften und ſelbſt in ihnen aufhält, doch jederzeit auf ſeiner Hut. Dabei beſitzt er Verſtand genug, gefährliche Menſchen von ungefährlichen zu unterſcheiden, oder Thieren, welchen er nicht trauen darf, rechtzeitig auszuweichen. Selten gelingt es den Raubvögeln, ihn zu überliſten; ſelbſt der hartnäckige Sperber wird oft durch ihn getäuſcht, da er, ſobald er jenen fürchterlichen Feind gewahrt, ſo eilig als möglich in dichtes Gebüſch oder nöthigenfalls ins Waſſer flüchtet und ſich durch Tauchen zu retten ſucht. Mit anderen Strandvögeln macht er ſich wenig zu ſchaffen; nicht einmal die Paare hängen treuinnig an einander, ſobald die Brutzeit vorüber. Eine günſtige Oertlichkeit trägt mehr zur Vereinigung bei, als der Trieb der Geſelligkeit. Die Stimme, ein zartes, helles, hohes und weitſchallendes Pfeifen, ähnelt der des Eisvogels und klingt ungefähr wie „Hididi“ oder „Jiht“ und „Jhdihdihd“, wird aber während der Paarungszeit in einen Triller zuſammengeſchmolzen, welcher ſanft beginnt, anſchwillt und wieder abfallend endet, unendlich oft ſich wiederholt und wenigſtens nicht unangenehm ins Ohr fällt.
Die Fortpflanzung geſchieht bald nach Ankunft der Pärchen, welche gewöhnlich vereinigt ein- treffen, und ſich da, wo ſie ſich feſtſetzen, bald ſehr bemerklich machen. Jedes einzelne wählt ſich ſeinen Stand und duldet in der Nähe, wenigſtens auf demſelben Ufer, kein zweites. Das Männchen zeigt ſich ſehr erregt, ſtreicht in ſonderbaren Zickzackflügen hin und her, trillert, ſingt und umgeht das Weibchen mit zierlichen Schritten. Dieſes wählt ſich an einer den Hochfluten vorausſichtlich nicht ausgeſetzten Uferſtelle, näher oder entfernter vom Waſſer, ein geeignetes Plätzchen im Gebüſch und baut unter dem Gezweige, am Liebſten im Weidicht, ein einfaches Neſt aus Reiſern, Schilf, Stoppeln und dürren Blättern ſo verſteckt, daß man es trotz der verrätheriſchen Unruhe der Alten gewöhnlich erſt nach langem Suchen auffindet. Die vier Eier, welche das Gelege bilden, ſind bald kürzer, bald geſtreckter, birnförmig, feinſchalig, glänzend, auf bleichroſtgelbem Grunde mit grauen Unter-, roth- braunen Mittel- und ſchwarzbraunen Oberflecken gezeichnet und bepunktet. Jede Störung am Neſte iſt den Alten ungemein verhaßt; ſie merken es auch, wenn ihnen ein Ei genommen wird und ver- laſſen dann das Gelege ſofort. Beide Geſchlechter brüten. Die Jungen entſchlüpfen nach etwa zweiwöchentlicher Bebrütung, werden noch eine kurze Zeit von der Mutter erwärmt und nun den Weidehegern zugeführt. Hier wiſſen ſie ſich ſo vortrefflich zu verſtecken, daß man ſie ohne gute Hunde ſelten auffindet, obgleich die Alten den Suchenden unter ängſtlichem Geſchrei umflattern. Nach acht Tagen brechen die Flügel- und Schwanzfedern hervor; nach vier Wochen ſind ſie flügge und der Pflege der Eltern entwachſen.
Kerbthierlarven, Gewürm und Kerbthiere im Fliegenzuſtande, namentlich Netz- und Zweiflügler, bilden die Nahrung. Sie wird entweder vom Strande aufgeleſen oder im Fluge weggeſchnappt, auch
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[636/0676]
Die Läufer. Stelzvögel. Waſſerläufer.
raſch auf demſelben dahin, oder taucht, wenn es ſein muß, in die Tiefe, rudert mit den Flügeln ſehr
ſchnell ein Stück weg und erſcheint an einer ganz anderen Stelle wieder.
Wer den zierlichen Vogel in ſeinem täglichen Treiben beobachten will, hat zunächſt auf ſolche
Stellen zu achten, welche durch Gebüſch oder das überhängende Ufer gedeckt werden. Hier erkennt
man an dem regelmäßig vorhandenen weißen Kothe ſeine Spuren. Er treibt, wie Naumann ſagt,
ſein Weſen gern im Stillen; halb und halb im Verborgenen, obwohl er ſich eigentlich niemals ver-
kriecht und noch weniger im Graſe verſteckt. Selbſt die erhabenſten Plätzchen, welche er betritt, liegen
faſt immer ſo, daß er wenigſtens vom nächſten Ufer aus nicht ſchon aus der Ferne geſehen werden
kann. „Auf einem alten, verſtümmelten, aus anderen dichtbelaubten Bäumen, Gebüſch und einem
Zaune hervorragenden und über das Waſſer hängenden Birnbaume, am Teiche neben meinem Garten,
war ein Stand und Sitz von Bretern für eine Perſon, wenigſtens vier Fuß hoch über dem Waſſer-
ſpiegel angebracht; dieſer wurde von allen Sandpfeifern, welche in der Zugzeit unſere Teiche
beſuchten, zum Ruheplätzchen benutzt, obgleich am entgegengeſetzten Ufer, nicht vierzig Schritte ent-
fernt, ein ſehr betretener Fußweg vorbeiging, von wo aus ſie durch Vorübergehende ſehr oft verſcheucht
wurden.“ Solche Stellen liebt der Vogel ganz beſonders; denn er iſt nicht blos vorſichtig und ſcheu,
ſondern auch im höchſten Grade furchtſam und, obgleich er ſich oft in der Nähe der Ortſchaften und
ſelbſt in ihnen aufhält, doch jederzeit auf ſeiner Hut. Dabei beſitzt er Verſtand genug, gefährliche
Menſchen von ungefährlichen zu unterſcheiden, oder Thieren, welchen er nicht trauen darf, rechtzeitig
auszuweichen. Selten gelingt es den Raubvögeln, ihn zu überliſten; ſelbſt der hartnäckige Sperber
wird oft durch ihn getäuſcht, da er, ſobald er jenen fürchterlichen Feind gewahrt, ſo eilig als möglich in
dichtes Gebüſch oder nöthigenfalls ins Waſſer flüchtet und ſich durch Tauchen zu retten ſucht. Mit
anderen Strandvögeln macht er ſich wenig zu ſchaffen; nicht einmal die Paare hängen treuinnig
an einander, ſobald die Brutzeit vorüber. Eine günſtige Oertlichkeit trägt mehr zur Vereinigung bei,
als der Trieb der Geſelligkeit. Die Stimme, ein zartes, helles, hohes und weitſchallendes Pfeifen,
ähnelt der des Eisvogels und klingt ungefähr wie „Hididi“ oder „Jiht“ und „Jhdihdihd“, wird aber
während der Paarungszeit in einen Triller zuſammengeſchmolzen, welcher ſanft beginnt, anſchwillt
und wieder abfallend endet, unendlich oft ſich wiederholt und wenigſtens nicht unangenehm ins
Ohr fällt.
Die Fortpflanzung geſchieht bald nach Ankunft der Pärchen, welche gewöhnlich vereinigt ein-
treffen, und ſich da, wo ſie ſich feſtſetzen, bald ſehr bemerklich machen. Jedes einzelne wählt ſich
ſeinen Stand und duldet in der Nähe, wenigſtens auf demſelben Ufer, kein zweites. Das Männchen
zeigt ſich ſehr erregt, ſtreicht in ſonderbaren Zickzackflügen hin und her, trillert, ſingt und umgeht das
Weibchen mit zierlichen Schritten. Dieſes wählt ſich an einer den Hochfluten vorausſichtlich nicht
ausgeſetzten Uferſtelle, näher oder entfernter vom Waſſer, ein geeignetes Plätzchen im Gebüſch und
baut unter dem Gezweige, am Liebſten im Weidicht, ein einfaches Neſt aus Reiſern, Schilf, Stoppeln
und dürren Blättern ſo verſteckt, daß man es trotz der verrätheriſchen Unruhe der Alten gewöhnlich
erſt nach langem Suchen auffindet. Die vier Eier, welche das Gelege bilden, ſind bald kürzer, bald
geſtreckter, birnförmig, feinſchalig, glänzend, auf bleichroſtgelbem Grunde mit grauen Unter-, roth-
braunen Mittel- und ſchwarzbraunen Oberflecken gezeichnet und bepunktet. Jede Störung am Neſte
iſt den Alten ungemein verhaßt; ſie merken es auch, wenn ihnen ein Ei genommen wird und ver-
laſſen dann das Gelege ſofort. Beide Geſchlechter brüten. Die Jungen entſchlüpfen nach etwa
zweiwöchentlicher Bebrütung, werden noch eine kurze Zeit von der Mutter erwärmt und nun den
Weidehegern zugeführt. Hier wiſſen ſie ſich ſo vortrefflich zu verſtecken, daß man ſie ohne gute Hunde
ſelten auffindet, obgleich die Alten den Suchenden unter ängſtlichem Geſchrei umflattern. Nach acht
Tagen brechen die Flügel- und Schwanzfedern hervor; nach vier Wochen ſind ſie flügge und der
Pflege der Eltern entwachſen.
Kerbthierlarven, Gewürm und Kerbthiere im Fliegenzuſtande, namentlich Netz- und Zweiflügler,
bilden die Nahrung. Sie wird entweder vom Strande aufgeleſen oder im Fluge weggeſchnappt, auch
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 636. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/676>, abgerufen am 22.11.2024.
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