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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Läufer. Stelzvögel. Strandläufer. Wassertreter.
jedes für sich, zugleich kämpfen und ihre Stechbahnen sich durchkreuzen, welches ein so wunderliches
Durcheinanderrennen und Gegeneinanderspringen gibt, daß der Zuschauer aus der Ferne glauben
möchte, diese Vögel wären alle toll und vom bösen Geiste besessen. Wenn sich zwei Männchen gegen-
seitig aufs Korn genommen haben, fangen sie zuerst, noch aufrecht stehend, zu zittern und mit dem
Kopfe zu nicken an, biegen nun die Brust tief nieder, sodaß der Hinterleib höher steht als sie, zielen
mit dem Schnabel nach einander, sträuben dazu die großen Brust- und Rückenfedern, richten den
Nackenkragen aufwärts und spannen den Halskragen schildförmig aus: so rennen und springen sie
auf einander los, versetzen sich Schnabelstöße, die der mit Warzen bepanzerte Kopf wie ein Helm und
der dichte Halskragen wie ein Schild auffangen, und dies Alles folgt so schnell auf einander, und
sie sind dabei so hitzig, daß sie vor Wuth zittern, wie man besonders in den kleinen Zwischenräumen
der mehrmaligen Anläufe, die auch schnell auf einander folgen, deutlich bemerkt, und deren mehr oder
weniger, je nachdem die Kampflust bei den Parteien gerade heftiger oder gemäßigter ist, zu einem
Gange gehören, auf welchen eine länger Pause folgt. Der Kampf schließt fast, wie er anfängt, aber
noch mit heftigerem Zittern und Kopfnicken; letzteres ist jedoch auch von anderer Art, ein Zucken mit dem
Schnabel gegen den Gegner, welches wie Luftstöße aussieht und Drohung vorzustellen scheint. Zuletzt
schütteln beide ihr Gefieder und stellen sich wieder auf ihren Stand, wenn sie es nicht etwa überdrüßig
sind und sich auf einige Zeit ganz vom Schauplatze ihrer Tollheiten entfernen."

"Sie haben keine andere Waffe, als ihren weichen, an der Spitze kolbigen, übrigens stumpf-
schneidigen Schnabel, ein sehr schwaches Werkzeug, mit welchem sie sich nie verletzen oder blutrüstig
beißen können, weshalb bei ihren Raufereien auch nur selten Federn verloren gehen, und das höchste
Unglück, was einem begegnen kann, darin besteht, daß er vom Gegner bei der Zunge erfaßt und eine
Weile daran herum gezerrt wird. Daß ihr Schnabel bei zu heftigen Stößen gegen einander sich
zuweilen zur Ungebühr biegen mag, ist nicht unwahrscheinlich und wohl möglich, daß dadurch an den
zu arg gebogenen oder fast geknickten Stellen desselben jene Auswüchse oder Knollen entstehen, die
namentlich alte Vögel, welche die wüthendsten Kämpfer sind, öfters an den Schnäbeln haben."

Zuweilen findet sich ein Weibchen auf dem Kampfplatze ein, nimmt ähnliche Stellungen an wie
die kämpfenden Männchen und läuft unter diesen herum, mischt sich aber sonst nicht in den Streit und
fliegt bald wieder davon. Dann kann es geschehen, daß ein Männchen es begleitet und ihm eine Zeit
lang Gesellschaft leistet. Bald aber kehrt es wieder zum Kampfplatze zurück, ohne sich um das Weibchen
zu kümmern. Niemals kommt es vor, daß zwei Männchen einander fliegend verfolgen. Der Streit
wird auf dem einen Platze abgemacht, und außerhalb desselben herrscht Frieden. Daß die sonderbare
Rauflust sich nicht eigentlich auf Eifersucht begründet, bemerkt man sehr bald; der Zweck der Kämpfe
bleibt also ein Räthsel.

Wenn die eigentliche Legezeit herannaht, sieht man ein Männchen in Gesellschaft zweier Weibchen
oder umgekehrt, ein Weibchen in Gesellschaft mehrerer Männchen, auch fern vom Kampfplatze in der
Nähe der Stelle, welche später das Nest aufnehmen soll. Letzteres steht selten fern vom Wasser, oft
auf einer erhöhten Stelle im Sumpfe und ist eine mit wenigen dürren Hälmchen und Grasstoppeln aus-
gelegte Vertiefung. Vier, seltener drei Eier von bedeutender Größe, welche auf olivenbräunlichem
oder grünlichem Grunde röthlichbraun oder schwärzlich, am dickeren Ende gewöhnlich stärker als am
schwächeren gefleckt sind, bilden das Gelege. Das Weibchen brütet allein, siebzehn bis neunzehn Tage
lang, liebt die Brut sehr und geberdet sich am Neste ganz nach Art anderer Schnepfenvögel, wie
denn auch die Jungen in derselben Weise leben, wie ihre Verwandten. Das Männchen bekümmert
sich nicht um seine Nachkommenschaft: es kämpft mit anderen, solange es brünstige Weibchen gibt,
beendet die Kampfspiele in den letzten Tagen des Juni und treibt sich nun bis gegen die Zugzeit hin
nach Belieben im Lande umher.

Kein Schnepfenvogel läßt sich leichter fangen, keiner leichter an die Gefangenschaft gewöhnen, als
der Kampfläufer. Wenn man auf dem Kampfplatze Schlingen stellt, bekommt man die Männchen gewiß
in seine Gewalt; auch auf dem Wasserschnepfenherde fängt man sie ebenfalls oft in großer Anzahl.

Die Läufer. Stelzvögel. Strandläufer. Waſſertreter.
jedes für ſich, zugleich kämpfen und ihre Stechbahnen ſich durchkreuzen, welches ein ſo wunderliches
Durcheinanderrennen und Gegeneinanderſpringen gibt, daß der Zuſchauer aus der Ferne glauben
möchte, dieſe Vögel wären alle toll und vom böſen Geiſte beſeſſen. Wenn ſich zwei Männchen gegen-
ſeitig aufs Korn genommen haben, fangen ſie zuerſt, noch aufrecht ſtehend, zu zittern und mit dem
Kopfe zu nicken an, biegen nun die Bruſt tief nieder, ſodaß der Hinterleib höher ſteht als ſie, zielen
mit dem Schnabel nach einander, ſträuben dazu die großen Bruſt- und Rückenfedern, richten den
Nackenkragen aufwärts und ſpannen den Halskragen ſchildförmig aus: ſo rennen und ſpringen ſie
auf einander los, verſetzen ſich Schnabelſtöße, die der mit Warzen bepanzerte Kopf wie ein Helm und
der dichte Halskragen wie ein Schild auffangen, und dies Alles folgt ſo ſchnell auf einander, und
ſie ſind dabei ſo hitzig, daß ſie vor Wuth zittern, wie man beſonders in den kleinen Zwiſchenräumen
der mehrmaligen Anläufe, die auch ſchnell auf einander folgen, deutlich bemerkt, und deren mehr oder
weniger, je nachdem die Kampfluſt bei den Parteien gerade heftiger oder gemäßigter iſt, zu einem
Gange gehören, auf welchen eine länger Pauſe folgt. Der Kampf ſchließt faſt, wie er anfängt, aber
noch mit heftigerem Zittern und Kopfnicken; letzteres iſt jedoch auch von anderer Art, ein Zucken mit dem
Schnabel gegen den Gegner, welches wie Luftſtöße ausſieht und Drohung vorzuſtellen ſcheint. Zuletzt
ſchütteln beide ihr Gefieder und ſtellen ſich wieder auf ihren Stand, wenn ſie es nicht etwa überdrüßig
ſind und ſich auf einige Zeit ganz vom Schauplatze ihrer Tollheiten entfernen.“

„Sie haben keine andere Waffe, als ihren weichen, an der Spitze kolbigen, übrigens ſtumpf-
ſchneidigen Schnabel, ein ſehr ſchwaches Werkzeug, mit welchem ſie ſich nie verletzen oder blutrüſtig
beißen können, weshalb bei ihren Raufereien auch nur ſelten Federn verloren gehen, und das höchſte
Unglück, was einem begegnen kann, darin beſteht, daß er vom Gegner bei der Zunge erfaßt und eine
Weile daran herum gezerrt wird. Daß ihr Schnabel bei zu heftigen Stößen gegen einander ſich
zuweilen zur Ungebühr biegen mag, iſt nicht unwahrſcheinlich und wohl möglich, daß dadurch an den
zu arg gebogenen oder faſt geknickten Stellen deſſelben jene Auswüchſe oder Knollen entſtehen, die
namentlich alte Vögel, welche die wüthendſten Kämpfer ſind, öfters an den Schnäbeln haben.“

Zuweilen findet ſich ein Weibchen auf dem Kampfplatze ein, nimmt ähnliche Stellungen an wie
die kämpfenden Männchen und läuft unter dieſen herum, miſcht ſich aber ſonſt nicht in den Streit und
fliegt bald wieder davon. Dann kann es geſchehen, daß ein Männchen es begleitet und ihm eine Zeit
lang Geſellſchaft leiſtet. Bald aber kehrt es wieder zum Kampfplatze zurück, ohne ſich um das Weibchen
zu kümmern. Niemals kommt es vor, daß zwei Männchen einander fliegend verfolgen. Der Streit
wird auf dem einen Platze abgemacht, und außerhalb deſſelben herrſcht Frieden. Daß die ſonderbare
Raufluſt ſich nicht eigentlich auf Eiferſucht begründet, bemerkt man ſehr bald; der Zweck der Kämpfe
bleibt alſo ein Räthſel.

Wenn die eigentliche Legezeit herannaht, ſieht man ein Männchen in Geſellſchaft zweier Weibchen
oder umgekehrt, ein Weibchen in Geſellſchaft mehrerer Männchen, auch fern vom Kampfplatze in der
Nähe der Stelle, welche ſpäter das Neſt aufnehmen ſoll. Letzteres ſteht ſelten fern vom Waſſer, oft
auf einer erhöhten Stelle im Sumpfe und iſt eine mit wenigen dürren Hälmchen und Grasſtoppeln aus-
gelegte Vertiefung. Vier, ſeltener drei Eier von bedeutender Größe, welche auf olivenbräunlichem
oder grünlichem Grunde röthlichbraun oder ſchwärzlich, am dickeren Ende gewöhnlich ſtärker als am
ſchwächeren gefleckt ſind, bilden das Gelege. Das Weibchen brütet allein, ſiebzehn bis neunzehn Tage
lang, liebt die Brut ſehr und geberdet ſich am Neſte ganz nach Art anderer Schnepfenvögel, wie
denn auch die Jungen in derſelben Weiſe leben, wie ihre Verwandten. Das Männchen bekümmert
ſich nicht um ſeine Nachkommenſchaft: es kämpft mit anderen, ſolange es brünſtige Weibchen gibt,
beendet die Kampfſpiele in den letzten Tagen des Juni und treibt ſich nun bis gegen die Zugzeit hin
nach Belieben im Lande umher.

Kein Schnepfenvogel läßt ſich leichter fangen, keiner leichter an die Gefangenſchaft gewöhnen, als
der Kampfläufer. Wenn man auf dem Kampfplatze Schlingen ſtellt, bekommt man die Männchen gewiß
in ſeine Gewalt; auch auf dem Waſſerſchnepfenherde fängt man ſie ebenfalls oft in großer Anzahl.

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[628/0668] Die Läufer. Stelzvögel. Strandläufer. Waſſertreter. jedes für ſich, zugleich kämpfen und ihre Stechbahnen ſich durchkreuzen, welches ein ſo wunderliches Durcheinanderrennen und Gegeneinanderſpringen gibt, daß der Zuſchauer aus der Ferne glauben möchte, dieſe Vögel wären alle toll und vom böſen Geiſte beſeſſen. Wenn ſich zwei Männchen gegen- ſeitig aufs Korn genommen haben, fangen ſie zuerſt, noch aufrecht ſtehend, zu zittern und mit dem Kopfe zu nicken an, biegen nun die Bruſt tief nieder, ſodaß der Hinterleib höher ſteht als ſie, zielen mit dem Schnabel nach einander, ſträuben dazu die großen Bruſt- und Rückenfedern, richten den Nackenkragen aufwärts und ſpannen den Halskragen ſchildförmig aus: ſo rennen und ſpringen ſie auf einander los, verſetzen ſich Schnabelſtöße, die der mit Warzen bepanzerte Kopf wie ein Helm und der dichte Halskragen wie ein Schild auffangen, und dies Alles folgt ſo ſchnell auf einander, und ſie ſind dabei ſo hitzig, daß ſie vor Wuth zittern, wie man beſonders in den kleinen Zwiſchenräumen der mehrmaligen Anläufe, die auch ſchnell auf einander folgen, deutlich bemerkt, und deren mehr oder weniger, je nachdem die Kampfluſt bei den Parteien gerade heftiger oder gemäßigter iſt, zu einem Gange gehören, auf welchen eine länger Pauſe folgt. Der Kampf ſchließt faſt, wie er anfängt, aber noch mit heftigerem Zittern und Kopfnicken; letzteres iſt jedoch auch von anderer Art, ein Zucken mit dem Schnabel gegen den Gegner, welches wie Luftſtöße ausſieht und Drohung vorzuſtellen ſcheint. Zuletzt ſchütteln beide ihr Gefieder und ſtellen ſich wieder auf ihren Stand, wenn ſie es nicht etwa überdrüßig ſind und ſich auf einige Zeit ganz vom Schauplatze ihrer Tollheiten entfernen.“ „Sie haben keine andere Waffe, als ihren weichen, an der Spitze kolbigen, übrigens ſtumpf- ſchneidigen Schnabel, ein ſehr ſchwaches Werkzeug, mit welchem ſie ſich nie verletzen oder blutrüſtig beißen können, weshalb bei ihren Raufereien auch nur ſelten Federn verloren gehen, und das höchſte Unglück, was einem begegnen kann, darin beſteht, daß er vom Gegner bei der Zunge erfaßt und eine Weile daran herum gezerrt wird. Daß ihr Schnabel bei zu heftigen Stößen gegen einander ſich zuweilen zur Ungebühr biegen mag, iſt nicht unwahrſcheinlich und wohl möglich, daß dadurch an den zu arg gebogenen oder faſt geknickten Stellen deſſelben jene Auswüchſe oder Knollen entſtehen, die namentlich alte Vögel, welche die wüthendſten Kämpfer ſind, öfters an den Schnäbeln haben.“ Zuweilen findet ſich ein Weibchen auf dem Kampfplatze ein, nimmt ähnliche Stellungen an wie die kämpfenden Männchen und läuft unter dieſen herum, miſcht ſich aber ſonſt nicht in den Streit und fliegt bald wieder davon. Dann kann es geſchehen, daß ein Männchen es begleitet und ihm eine Zeit lang Geſellſchaft leiſtet. Bald aber kehrt es wieder zum Kampfplatze zurück, ohne ſich um das Weibchen zu kümmern. Niemals kommt es vor, daß zwei Männchen einander fliegend verfolgen. Der Streit wird auf dem einen Platze abgemacht, und außerhalb deſſelben herrſcht Frieden. Daß die ſonderbare Raufluſt ſich nicht eigentlich auf Eiferſucht begründet, bemerkt man ſehr bald; der Zweck der Kämpfe bleibt alſo ein Räthſel. Wenn die eigentliche Legezeit herannaht, ſieht man ein Männchen in Geſellſchaft zweier Weibchen oder umgekehrt, ein Weibchen in Geſellſchaft mehrerer Männchen, auch fern vom Kampfplatze in der Nähe der Stelle, welche ſpäter das Neſt aufnehmen ſoll. Letzteres ſteht ſelten fern vom Waſſer, oft auf einer erhöhten Stelle im Sumpfe und iſt eine mit wenigen dürren Hälmchen und Grasſtoppeln aus- gelegte Vertiefung. Vier, ſeltener drei Eier von bedeutender Größe, welche auf olivenbräunlichem oder grünlichem Grunde röthlichbraun oder ſchwärzlich, am dickeren Ende gewöhnlich ſtärker als am ſchwächeren gefleckt ſind, bilden das Gelege. Das Weibchen brütet allein, ſiebzehn bis neunzehn Tage lang, liebt die Brut ſehr und geberdet ſich am Neſte ganz nach Art anderer Schnepfenvögel, wie denn auch die Jungen in derſelben Weiſe leben, wie ihre Verwandten. Das Männchen bekümmert ſich nicht um ſeine Nachkommenſchaft: es kämpft mit anderen, ſolange es brünſtige Weibchen gibt, beendet die Kampfſpiele in den letzten Tagen des Juni und treibt ſich nun bis gegen die Zugzeit hin nach Belieben im Lande umher. Kein Schnepfenvogel läßt ſich leichter fangen, keiner leichter an die Gefangenſchaft gewöhnen, als der Kampfläufer. Wenn man auf dem Kampfplatze Schlingen ſtellt, bekommt man die Männchen gewiß in ſeine Gewalt; auch auf dem Waſſerſchnepfenherde fängt man ſie ebenfalls oft in großer Anzahl.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 628. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/668>, abgerufen am 22.11.2024.