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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Läufer. Stelzvögel. Schnepfen. Strandläufer.
Wintergäste den Süden und reisen nun, wie die übrigen Arten des Nachts, der eigentlichen
Heimat zu.

Von der Bekassine unterscheidet sich die Halbschnepfe nicht unwesentlich. Sie ähnelt zwar
in ihrer Stellung der Verwandten, läuft auch ungefähr wie diese auf dem Boden umher, fliegt aber
viel weniger gut, d. h. unsicherer, obgleich sie noch immer schnell genug dahineilt und die
verschiedensten Schwenkungen ausführen kann, erhebt sich ungern hoch in die Luft, sondern flattert
zuweilen förmlich über dem Sumpfe fort, sodaß sie wirklich einer Fledermans ähnlich wird, und
schreit endlich beim Auffliegen nur selten, während die Bekassine Dies regelmäßig thut. Dazu
kommt, daß sie sich den Störenfried unter allen Umständen bis auf wenige Schritte nahen läßt,
bevor sie sich überhaupt zum Fliegen entschließt, daß also der Name "Filzlaus" ebenfalls seine
Berechtigung hat. Bei heftigem Winde wagt sie kaum aufzustehen, weil sie dann wie ein Spielball
fortgeschleudert wird. Jhre Stimme, welche man am häufigsten noch gegen Abend vernimmt, ist ein
feiner, scharfer, wie "Kiz" klingender Laut, welcher zuweilen dumpf betont wird und dann wie
"Aehtch" klingt; der Balzlaut läßt sich wiedergeben durch die Silben "Tettettettettet", welche zuweilen
vier bis sechs Sekunden ununterbrochen ausgestoßen werden. Uebrigens ist auch sie höchst unge-
sellig, bekümmert sich überhaupt nur gezwungen um andere Thierarten.

Es hält, wie bei allen Verwandten, schwer, die Nahrung der Halbschnepfe zu bestimmen, weil
die kleinen Thierchen, welche die Hauptmasse der Mahlzeiten ausmachen, des Nachts gesammelt und
bereits verdaut sind, wenn man den Vogel zur Untersuchung erhält. Demungeachtet hat man
erfahren, daß sie sich mehr als andere Arten auch von Grassämereien nährt, die Muskelkraft ihres
Magens also verwerthet. Die Nahrung wird übrigens in derselben Weise erworben, wie von
anderen Schnepfen. Aus Bädecker's Prachtwerke: "Die Eier der europäischen Vögel", einem für
Vogelkundige ganz unentbehrlichen Buche, ersehe ich, daß man neuerdings Nest und Eier auch in
Deutschland gefunden hat. E. von Homeyer erhielt letztere aus Pommern, Stöter in Westfalen.
Das Nest ist eine mit wenig Grashälmchen belegte Grube auf einem Hügelchen. Die vier Eier
sind kleiner und glattschaliger als die Eier der Bekassine, ihnen aber sonst sehr ähnlich. Sie haben
auf mattolivengrünem Grunde violetgraue Schalenflecke, gelbliche oder röthlichbraune in der Mitte
und schwarzbraune Tüpfel zur Oberzeichnung. Ueber das Jugendleben der Jungen ist mir keine
sichere Angabe bekannt.

Dieselben Feinde, welche der Bekassine nachstellen, gefährden auch die Halbschnepfe, und
wahrscheinlich werden von dieser durch das Raubzeug noch viel mehr abgewürgt, als Bekassinen.
Die Jagd bietet kaum erhebliche Schwierigkeiten, weil der Vogel, wie bemerkt, den Schützen sehr
nahe an sich herankommen läßt und dann auch nur verhältnißmäßig langsam dahinfliegt. Jm
Spätherbste, wenn sie sehr feist geworden, zeigt sie sich zuweilen so träge, daß man sie vor dem
Vorstehhunde mit der Hand wegnehmen oder mit dem Netze überdecken kann. Das Wildpret gilt
für noch vorzüglicher als das der Bekassine.



Strandläufer (Tringae) nennt man eine Abtheilung kleiner Schnepfenvögel, deren Kenn-
zeichen zu suchen sind in dem gedrungenen, seitlich etwas zusammengedrückten Leibe, dem mittellangen
Halse, kleinen Kopfe, den mittellangen spitzen Flügeln, unter deren Schwingen die erste die längste,
deren Schulterfedern aber Afterflügel bilden, dem aus zwölf Federn bestehenden kurzen, am Ende
spitz zugerundeten oder doppelt ausgeschnittenen Schwanze, dem kopflangen oder noch etwas längeren,
geraden oder gegen die Spitze sanft abwärts gebogenen, an ihr auch wohl löffelförmig verbreiterten,
schwachen, weichen, biegsamen Schnabel, den ziemlich hohen, schlanken, schmächtigen, über der
Ferse theilweise nackten Füßen, mit vier, ausnahmsweise drei Zehen, deren drei vordere lang,
dünn und vollständig getrennt sind, während die sehr kurze, schwächliche, kleine Hinterzehe sich so

Die Läufer. Stelzvögel. Schnepfen. Strandläufer.
Wintergäſte den Süden und reiſen nun, wie die übrigen Arten des Nachts, der eigentlichen
Heimat zu.

Von der Bekaſſine unterſcheidet ſich die Halbſchnepfe nicht unweſentlich. Sie ähnelt zwar
in ihrer Stellung der Verwandten, läuft auch ungefähr wie dieſe auf dem Boden umher, fliegt aber
viel weniger gut, d. h. unſicherer, obgleich ſie noch immer ſchnell genug dahineilt und die
verſchiedenſten Schwenkungen ausführen kann, erhebt ſich ungern hoch in die Luft, ſondern flattert
zuweilen förmlich über dem Sumpfe fort, ſodaß ſie wirklich einer Fledermans ähnlich wird, und
ſchreit endlich beim Auffliegen nur ſelten, während die Bekaſſine Dies regelmäßig thut. Dazu
kommt, daß ſie ſich den Störenfried unter allen Umſtänden bis auf wenige Schritte nahen läßt,
bevor ſie ſich überhaupt zum Fliegen entſchließt, daß alſo der Name „Filzlaus“ ebenfalls ſeine
Berechtigung hat. Bei heftigem Winde wagt ſie kaum aufzuſtehen, weil ſie dann wie ein Spielball
fortgeſchleudert wird. Jhre Stimme, welche man am häufigſten noch gegen Abend vernimmt, iſt ein
feiner, ſcharfer, wie „Kiz“ klingender Laut, welcher zuweilen dumpf betont wird und dann wie
„Aehtch“ klingt; der Balzlaut läßt ſich wiedergeben durch die Silben „Tettettettettet“, welche zuweilen
vier bis ſechs Sekunden ununterbrochen ausgeſtoßen werden. Uebrigens iſt auch ſie höchſt unge-
ſellig, bekümmert ſich überhaupt nur gezwungen um andere Thierarten.

Es hält, wie bei allen Verwandten, ſchwer, die Nahrung der Halbſchnepfe zu beſtimmen, weil
die kleinen Thierchen, welche die Hauptmaſſe der Mahlzeiten ausmachen, des Nachts geſammelt und
bereits verdaut ſind, wenn man den Vogel zur Unterſuchung erhält. Demungeachtet hat man
erfahren, daß ſie ſich mehr als andere Arten auch von Grasſämereien nährt, die Muskelkraft ihres
Magens alſo verwerthet. Die Nahrung wird übrigens in derſelben Weiſe erworben, wie von
anderen Schnepfen. Aus Bädecker’s Prachtwerke: „Die Eier der europäiſchen Vögel“, einem für
Vogelkundige ganz unentbehrlichen Buche, erſehe ich, daß man neuerdings Neſt und Eier auch in
Deutſchland gefunden hat. E. von Homeyer erhielt letztere aus Pommern, Stöter in Weſtfalen.
Das Neſt iſt eine mit wenig Grashälmchen belegte Grube auf einem Hügelchen. Die vier Eier
ſind kleiner und glattſchaliger als die Eier der Bekaſſine, ihnen aber ſonſt ſehr ähnlich. Sie haben
auf mattolivengrünem Grunde violetgraue Schalenflecke, gelbliche oder röthlichbraune in der Mitte
und ſchwarzbraune Tüpfel zur Oberzeichnung. Ueber das Jugendleben der Jungen iſt mir keine
ſichere Angabe bekannt.

Dieſelben Feinde, welche der Bekaſſine nachſtellen, gefährden auch die Halbſchnepfe, und
wahrſcheinlich werden von dieſer durch das Raubzeug noch viel mehr abgewürgt, als Bekaſſinen.
Die Jagd bietet kaum erhebliche Schwierigkeiten, weil der Vogel, wie bemerkt, den Schützen ſehr
nahe an ſich herankommen läßt und dann auch nur verhältnißmäßig langſam dahinfliegt. Jm
Spätherbſte, wenn ſie ſehr feiſt geworden, zeigt ſie ſich zuweilen ſo träge, daß man ſie vor dem
Vorſtehhunde mit der Hand wegnehmen oder mit dem Netze überdecken kann. Das Wildpret gilt
für noch vorzüglicher als das der Bekaſſine.



Strandläufer (Tringae) nennt man eine Abtheilung kleiner Schnepfenvögel, deren Kenn-
zeichen zu ſuchen ſind in dem gedrungenen, ſeitlich etwas zuſammengedrückten Leibe, dem mittellangen
Halſe, kleinen Kopfe, den mittellangen ſpitzen Flügeln, unter deren Schwingen die erſte die längſte,
deren Schulterfedern aber Afterflügel bilden, dem aus zwölf Federn beſtehenden kurzen, am Ende
ſpitz zugerundeten oder doppelt ausgeſchnittenen Schwanze, dem kopflangen oder noch etwas längeren,
geraden oder gegen die Spitze ſanft abwärts gebogenen, an ihr auch wohl löffelförmig verbreiterten,
ſchwachen, weichen, biegſamen Schnabel, den ziemlich hohen, ſchlanken, ſchmächtigen, über der
Ferſe theilweiſe nackten Füßen, mit vier, ausnahmsweiſe drei Zehen, deren drei vordere lang,
dünn und vollſtändig getrennt ſind, während die ſehr kurze, ſchwächliche, kleine Hinterzehe ſich ſo

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[618/0658] Die Läufer. Stelzvögel. Schnepfen. Strandläufer. Wintergäſte den Süden und reiſen nun, wie die übrigen Arten des Nachts, der eigentlichen Heimat zu. Von der Bekaſſine unterſcheidet ſich die Halbſchnepfe nicht unweſentlich. Sie ähnelt zwar in ihrer Stellung der Verwandten, läuft auch ungefähr wie dieſe auf dem Boden umher, fliegt aber viel weniger gut, d. h. unſicherer, obgleich ſie noch immer ſchnell genug dahineilt und die verſchiedenſten Schwenkungen ausführen kann, erhebt ſich ungern hoch in die Luft, ſondern flattert zuweilen förmlich über dem Sumpfe fort, ſodaß ſie wirklich einer Fledermans ähnlich wird, und ſchreit endlich beim Auffliegen nur ſelten, während die Bekaſſine Dies regelmäßig thut. Dazu kommt, daß ſie ſich den Störenfried unter allen Umſtänden bis auf wenige Schritte nahen läßt, bevor ſie ſich überhaupt zum Fliegen entſchließt, daß alſo der Name „Filzlaus“ ebenfalls ſeine Berechtigung hat. Bei heftigem Winde wagt ſie kaum aufzuſtehen, weil ſie dann wie ein Spielball fortgeſchleudert wird. Jhre Stimme, welche man am häufigſten noch gegen Abend vernimmt, iſt ein feiner, ſcharfer, wie „Kiz“ klingender Laut, welcher zuweilen dumpf betont wird und dann wie „Aehtch“ klingt; der Balzlaut läßt ſich wiedergeben durch die Silben „Tettettettettet“, welche zuweilen vier bis ſechs Sekunden ununterbrochen ausgeſtoßen werden. Uebrigens iſt auch ſie höchſt unge- ſellig, bekümmert ſich überhaupt nur gezwungen um andere Thierarten. Es hält, wie bei allen Verwandten, ſchwer, die Nahrung der Halbſchnepfe zu beſtimmen, weil die kleinen Thierchen, welche die Hauptmaſſe der Mahlzeiten ausmachen, des Nachts geſammelt und bereits verdaut ſind, wenn man den Vogel zur Unterſuchung erhält. Demungeachtet hat man erfahren, daß ſie ſich mehr als andere Arten auch von Grasſämereien nährt, die Muskelkraft ihres Magens alſo verwerthet. Die Nahrung wird übrigens in derſelben Weiſe erworben, wie von anderen Schnepfen. Aus Bädecker’s Prachtwerke: „Die Eier der europäiſchen Vögel“, einem für Vogelkundige ganz unentbehrlichen Buche, erſehe ich, daß man neuerdings Neſt und Eier auch in Deutſchland gefunden hat. E. von Homeyer erhielt letztere aus Pommern, Stöter in Weſtfalen. Das Neſt iſt eine mit wenig Grashälmchen belegte Grube auf einem Hügelchen. Die vier Eier ſind kleiner und glattſchaliger als die Eier der Bekaſſine, ihnen aber ſonſt ſehr ähnlich. Sie haben auf mattolivengrünem Grunde violetgraue Schalenflecke, gelbliche oder röthlichbraune in der Mitte und ſchwarzbraune Tüpfel zur Oberzeichnung. Ueber das Jugendleben der Jungen iſt mir keine ſichere Angabe bekannt. Dieſelben Feinde, welche der Bekaſſine nachſtellen, gefährden auch die Halbſchnepfe, und wahrſcheinlich werden von dieſer durch das Raubzeug noch viel mehr abgewürgt, als Bekaſſinen. Die Jagd bietet kaum erhebliche Schwierigkeiten, weil der Vogel, wie bemerkt, den Schützen ſehr nahe an ſich herankommen läßt und dann auch nur verhältnißmäßig langſam dahinfliegt. Jm Spätherbſte, wenn ſie ſehr feiſt geworden, zeigt ſie ſich zuweilen ſo träge, daß man ſie vor dem Vorſtehhunde mit der Hand wegnehmen oder mit dem Netze überdecken kann. Das Wildpret gilt für noch vorzüglicher als das der Bekaſſine. Strandläufer (Tringae) nennt man eine Abtheilung kleiner Schnepfenvögel, deren Kenn- zeichen zu ſuchen ſind in dem gedrungenen, ſeitlich etwas zuſammengedrückten Leibe, dem mittellangen Halſe, kleinen Kopfe, den mittellangen ſpitzen Flügeln, unter deren Schwingen die erſte die längſte, deren Schulterfedern aber Afterflügel bilden, dem aus zwölf Federn beſtehenden kurzen, am Ende ſpitz zugerundeten oder doppelt ausgeſchnittenen Schwanze, dem kopflangen oder noch etwas längeren, geraden oder gegen die Spitze ſanft abwärts gebogenen, an ihr auch wohl löffelförmig verbreiterten, ſchwachen, weichen, biegſamen Schnabel, den ziemlich hohen, ſchlanken, ſchmächtigen, über der Ferſe theilweiſe nackten Füßen, mit vier, ausnahmsweiſe drei Zehen, deren drei vordere lang, dünn und vollſtändig getrennt ſind, während die ſehr kurze, ſchwächliche, kleine Hinterzehe ſich ſo

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 618. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/658>, abgerufen am 22.11.2024.