an. Einzelne vereinigen sich zuweilen mit fremdartigen Vögeln und streifen mit diesen längere Zeit gemeinschaftlich im Walde umher; andere scheinen jede Geselligkeit zu meiden. Die größeren Arten haben eine laute, spechtartige Stimme, die kleineren lassen hauptsächlich leise Laute vernehmen. Wirklich zu singen vermag kein einziger von ihnen. Kerbthiere, deren Eier, Larven und Puppen, Spinnen und ähnliche Geschöpfe bilden ihre Nahrung. Zufällig verschlucken sie auch Samenkörner mit. Die größeren Arten arbeiten mit ihrem Schnabel nach Art der Spechte, die kleineren sind wegen der Schwächlichkeit dieses Werkzeugs nur im Stande, Ritzen und Spalten zu durchstöbern, nicht aber zu meiseln. Fast alle Arten brüten in Baumhöhlen und bauen hier ein ziemlich großes Nest.
Die Sippe der Baumläufer(Certhia), deren Kennzeichen oben bereits gegeben sind, ver- breitet sich über die alte Welt und den Norden Amerikas, wird aber schon in Mittel- und Südafrika nicht mehr gefunden. Alle Arten, welche bis jetzt unterschieden wurden, ähneln sich in hohem Grade und haben deshalb auch viel Streit unter den Kundigen hervorgerufen.
Unser Baumläufer oder Baumrutscher, Baumreiter, Baumsteiger, Baumhäckel, Baumgrille, Rindenkleber, Krüper(Certhia familiaris) ist auf der Oberseite dunkelgrau, weißlich betropft, auf der Unterseite weiß. Die Zügel sind braungrau; ein Streifen, welcher über das Auge verläuft, ist weiß, der Bürzel braungrau, gelblichrostfarben überlaufen; die Schwingen sind schwarzbraungrau, mit Ausnahme der vordersten durch einen weißen Spitzenfleck und eine weiß- gelbliche Mittelbinde gezeichnet; die Schwanzfedern sind braungrau, nach außen lichtgelb gesäumt. Das Auge ist dunkelbraun, der Oberschnabel schwarz, der Unterschnabel röthlichhornfarben, der Fuß röthlichgrau. Das Gefieder ist haarartig zerschlissen und seidenweich. Die Länge beträgt 5, die Breite 7, die Fittiglänge 21/2, die Schwanzlänge 2 1/6 Zoll.
Fast ganz Europa und Sibirien sind die Heimat, Waldungen und Baumgärten die Aufenthalts- orte des Baumläufers. Er geht weit nach Norden hinauf und steigt auch im Gebirge hoch empor, findet sich aber nur da, wo es Bäume gibt. Nach Art anderer Strichvögel bewohnt er während der Fortpflanzungszeit ein sehr kleines Gebiet; nach derselben streicht er oft in Gesellschaft mit Meisen, Goldhähnchen, Kleibern und Spechten umher; immer aber unternimmt er nur kleinere Wanderungen. Wie alle Klettervögel ist er fortwährend in Thätigkeit und demzufolge auch in beständiger Bewegung. Geschäftig und gewandt klettert er an den Bäumen empor, oft in gerader Linie, oft auch in Schrauben- windungen, untersucht dabei jede Spalte und jede Ritze der Rinde, steckt sein feines Schnäbelchen zwischen das Mos und die Flechten und weiß so überall ein wenig Nahrung zu erbeuten. Sein Klettern geschieht hüpfend, aber mit größter Leichtigkeit, und er ist fähig, auch auf der untern Seite der Aeste dahinzulaufen. Zum Boden herab kommt er selten, und wenn es geschieht, hüpft er hier sehr ungeschickt herum. Sein Flug ist ungleichförmig, aber ziemlich schnell; doch überfliegt auch er ungern weite Strecken, sondern lieber von dem Wipfel des einen Baumes zum Stammende des nächsten herab, indem er sich mit einem Schwung von oben nach unten stürzt, kurze Zeit hart über dem Boden dahinschießt, sich wieder etwas hebt und einen Augenblick später wie früher an dem Baume klebt. Die gewöhnliche Stimme ist ein leises "Sit", dem Laute, welchen die Meisen und Gold- hähnchen hören lassen, sehr ähnlich; der Lockton klingt stärker, wie "Sri"; der Ausdruck seines Ver- gnügens ist eine Zusammensetzung des "Sit, Sri" und eines kurzen, scharfen "Zi". Bei schönem Frühlingswetter setzt das Männchen diese verschiedenen Laute in einförmiger und langweiliger Weise zusammen; man ist jedoch kaum berechtigt, das ganze Tonstück Gesang zu nennen.
Vor dem Menschen zeigt der Baumläufer nicht die geringste Scheu. Er kommt furchtlos in die Gärten herein, beklettert die Mauern der Gebäude ebensowohl wie die Baumstämme und nistet gar nicht selten in passenden Höhlungen des Gebälkes der Häuser. Doch merkt auch er bald, ob der Mensch ihm wohl will oder nicht. Da, wo er des Schutzes sicher ist, läßt er den Erzfeind der Thiere bis auf wenige Schritte herankommen; an andern Orten sucht er der Beobachtung sich zu entziehen, indem er so viel als möglich auf die dem Menschen abgekehrte Seite des Baumes hüpft. So lange
Baumläufer.
an. Einzelne vereinigen ſich zuweilen mit fremdartigen Vögeln und ſtreifen mit dieſen längere Zeit gemeinſchaftlich im Walde umher; andere ſcheinen jede Geſelligkeit zu meiden. Die größeren Arten haben eine laute, ſpechtartige Stimme, die kleineren laſſen hauptſächlich leiſe Laute vernehmen. Wirklich zu ſingen vermag kein einziger von ihnen. Kerbthiere, deren Eier, Larven und Puppen, Spinnen und ähnliche Geſchöpfe bilden ihre Nahrung. Zufällig verſchlucken ſie auch Samenkörner mit. Die größeren Arten arbeiten mit ihrem Schnabel nach Art der Spechte, die kleineren ſind wegen der Schwächlichkeit dieſes Werkzeugs nur im Stande, Ritzen und Spalten zu durchſtöbern, nicht aber zu meiſeln. Faſt alle Arten brüten in Baumhöhlen und bauen hier ein ziemlich großes Neſt.
Die Sippe der Baumläufer(Certhia), deren Kennzeichen oben bereits gegeben ſind, ver- breitet ſich über die alte Welt und den Norden Amerikas, wird aber ſchon in Mittel- und Südafrika nicht mehr gefunden. Alle Arten, welche bis jetzt unterſchieden wurden, ähneln ſich in hohem Grade und haben deshalb auch viel Streit unter den Kundigen hervorgerufen.
Unſer Baumläufer oder Baumrutſcher, Baumreiter, Baumſteiger, Baumhäckel, Baumgrille, Rindenkleber, Krüper(Certhia familiaris) iſt auf der Oberſeite dunkelgrau, weißlich betropft, auf der Unterſeite weiß. Die Zügel ſind braungrau; ein Streifen, welcher über das Auge verläuft, iſt weiß, der Bürzel braungrau, gelblichroſtfarben überlaufen; die Schwingen ſind ſchwarzbraungrau, mit Ausnahme der vorderſten durch einen weißen Spitzenfleck und eine weiß- gelbliche Mittelbinde gezeichnet; die Schwanzfedern ſind braungrau, nach außen lichtgelb geſäumt. Das Auge iſt dunkelbraun, der Oberſchnabel ſchwarz, der Unterſchnabel röthlichhornfarben, der Fuß röthlichgrau. Das Gefieder iſt haarartig zerſchliſſen und ſeidenweich. Die Länge beträgt 5, die Breite 7, die Fittiglänge 2½, die Schwanzlänge 2⅙ Zoll.
Faſt ganz Europa und Sibirien ſind die Heimat, Waldungen und Baumgärten die Aufenthalts- orte des Baumläufers. Er geht weit nach Norden hinauf und ſteigt auch im Gebirge hoch empor, findet ſich aber nur da, wo es Bäume gibt. Nach Art anderer Strichvögel bewohnt er während der Fortpflanzungszeit ein ſehr kleines Gebiet; nach derſelben ſtreicht er oft in Geſellſchaft mit Meiſen, Goldhähnchen, Kleibern und Spechten umher; immer aber unternimmt er nur kleinere Wanderungen. Wie alle Klettervögel iſt er fortwährend in Thätigkeit und demzufolge auch in beſtändiger Bewegung. Geſchäftig und gewandt klettert er an den Bäumen empor, oft in gerader Linie, oft auch in Schrauben- windungen, unterſucht dabei jede Spalte und jede Ritze der Rinde, ſteckt ſein feines Schnäbelchen zwiſchen das Mos und die Flechten und weiß ſo überall ein wenig Nahrung zu erbeuten. Sein Klettern geſchieht hüpfend, aber mit größter Leichtigkeit, und er iſt fähig, auch auf der untern Seite der Aeſte dahinzulaufen. Zum Boden herab kommt er ſelten, und wenn es geſchieht, hüpft er hier ſehr ungeſchickt herum. Sein Flug iſt ungleichförmig, aber ziemlich ſchnell; doch überfliegt auch er ungern weite Strecken, ſondern lieber von dem Wipfel des einen Baumes zum Stammende des nächſten herab, indem er ſich mit einem Schwung von oben nach unten ſtürzt, kurze Zeit hart über dem Boden dahinſchießt, ſich wieder etwas hebt und einen Augenblick ſpäter wie früher an dem Baume klebt. Die gewöhnliche Stimme iſt ein leiſes „Sit“, dem Laute, welchen die Meiſen und Gold- hähnchen hören laſſen, ſehr ähnlich; der Lockton klingt ſtärker, wie „Sri“; der Ausdruck ſeines Ver- gnügens iſt eine Zuſammenſetzung des „Sit, Sri“ und eines kurzen, ſcharfen „Zi“. Bei ſchönem Frühlingswetter ſetzt das Männchen dieſe verſchiedenen Laute in einförmiger und langweiliger Weiſe zuſammen; man iſt jedoch kaum berechtigt, das ganze Tonſtück Geſang zu nennen.
Vor dem Menſchen zeigt der Baumläufer nicht die geringſte Scheu. Er kommt furchtlos in die Gärten herein, beklettert die Mauern der Gebäude ebenſowohl wie die Baumſtämme und niſtet gar nicht ſelten in paſſenden Höhlungen des Gebälkes der Häuſer. Doch merkt auch er bald, ob der Menſch ihm wohl will oder nicht. Da, wo er des Schutzes ſicher iſt, läßt er den Erzfeind der Thiere bis auf wenige Schritte herankommen; an andern Orten ſucht er der Beobachtung ſich zu entziehen, indem er ſo viel als möglich auf die dem Menſchen abgekehrte Seite des Baumes hüpft. So lange
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[53/0065]
Baumläufer.
an. Einzelne vereinigen ſich zuweilen mit fremdartigen Vögeln und ſtreifen mit dieſen längere Zeit
gemeinſchaftlich im Walde umher; andere ſcheinen jede Geſelligkeit zu meiden. Die größeren Arten
haben eine laute, ſpechtartige Stimme, die kleineren laſſen hauptſächlich leiſe Laute vernehmen.
Wirklich zu ſingen vermag kein einziger von ihnen. Kerbthiere, deren Eier, Larven und Puppen,
Spinnen und ähnliche Geſchöpfe bilden ihre Nahrung. Zufällig verſchlucken ſie auch Samenkörner
mit. Die größeren Arten arbeiten mit ihrem Schnabel nach Art der Spechte, die kleineren ſind wegen
der Schwächlichkeit dieſes Werkzeugs nur im Stande, Ritzen und Spalten zu durchſtöbern, nicht aber
zu meiſeln. Faſt alle Arten brüten in Baumhöhlen und bauen hier ein ziemlich großes Neſt.
Die Sippe der Baumläufer (Certhia), deren Kennzeichen oben bereits gegeben ſind, ver-
breitet ſich über die alte Welt und den Norden Amerikas, wird aber ſchon in Mittel- und Südafrika
nicht mehr gefunden. Alle Arten, welche bis jetzt unterſchieden wurden, ähneln ſich in hohem Grade
und haben deshalb auch viel Streit unter den Kundigen hervorgerufen.
Unſer Baumläufer oder Baumrutſcher, Baumreiter, Baumſteiger, Baumhäckel,
Baumgrille, Rindenkleber, Krüper (Certhia familiaris) iſt auf der Oberſeite dunkelgrau,
weißlich betropft, auf der Unterſeite weiß. Die Zügel ſind braungrau; ein Streifen, welcher über
das Auge verläuft, iſt weiß, der Bürzel braungrau, gelblichroſtfarben überlaufen; die Schwingen ſind
ſchwarzbraungrau, mit Ausnahme der vorderſten durch einen weißen Spitzenfleck und eine weiß-
gelbliche Mittelbinde gezeichnet; die Schwanzfedern ſind braungrau, nach außen lichtgelb geſäumt.
Das Auge iſt dunkelbraun, der Oberſchnabel ſchwarz, der Unterſchnabel röthlichhornfarben, der Fuß
röthlichgrau. Das Gefieder iſt haarartig zerſchliſſen und ſeidenweich. Die Länge beträgt 5, die
Breite 7, die Fittiglänge 2½, die Schwanzlänge 2⅙ Zoll.
Faſt ganz Europa und Sibirien ſind die Heimat, Waldungen und Baumgärten die Aufenthalts-
orte des Baumläufers. Er geht weit nach Norden hinauf und ſteigt auch im Gebirge hoch empor,
findet ſich aber nur da, wo es Bäume gibt. Nach Art anderer Strichvögel bewohnt er während der
Fortpflanzungszeit ein ſehr kleines Gebiet; nach derſelben ſtreicht er oft in Geſellſchaft mit Meiſen,
Goldhähnchen, Kleibern und Spechten umher; immer aber unternimmt er nur kleinere Wanderungen.
Wie alle Klettervögel iſt er fortwährend in Thätigkeit und demzufolge auch in beſtändiger Bewegung.
Geſchäftig und gewandt klettert er an den Bäumen empor, oft in gerader Linie, oft auch in Schrauben-
windungen, unterſucht dabei jede Spalte und jede Ritze der Rinde, ſteckt ſein feines Schnäbelchen
zwiſchen das Mos und die Flechten und weiß ſo überall ein wenig Nahrung zu erbeuten. Sein
Klettern geſchieht hüpfend, aber mit größter Leichtigkeit, und er iſt fähig, auch auf der untern Seite
der Aeſte dahinzulaufen. Zum Boden herab kommt er ſelten, und wenn es geſchieht, hüpft er hier
ſehr ungeſchickt herum. Sein Flug iſt ungleichförmig, aber ziemlich ſchnell; doch überfliegt auch er
ungern weite Strecken, ſondern lieber von dem Wipfel des einen Baumes zum Stammende des
nächſten herab, indem er ſich mit einem Schwung von oben nach unten ſtürzt, kurze Zeit hart über
dem Boden dahinſchießt, ſich wieder etwas hebt und einen Augenblick ſpäter wie früher an dem Baume
klebt. Die gewöhnliche Stimme iſt ein leiſes „Sit“, dem Laute, welchen die Meiſen und Gold-
hähnchen hören laſſen, ſehr ähnlich; der Lockton klingt ſtärker, wie „Sri“; der Ausdruck ſeines Ver-
gnügens iſt eine Zuſammenſetzung des „Sit, Sri“ und eines kurzen, ſcharfen „Zi“. Bei ſchönem
Frühlingswetter ſetzt das Männchen dieſe verſchiedenen Laute in einförmiger und langweiliger Weiſe
zuſammen; man iſt jedoch kaum berechtigt, das ganze Tonſtück Geſang zu nennen.
Vor dem Menſchen zeigt der Baumläufer nicht die geringſte Scheu. Er kommt furchtlos in die
Gärten herein, beklettert die Mauern der Gebäude ebenſowohl wie die Baumſtämme und niſtet gar
nicht ſelten in paſſenden Höhlungen des Gebälkes der Häuſer. Doch merkt auch er bald, ob der
Menſch ihm wohl will oder nicht. Da, wo er des Schutzes ſicher iſt, läßt er den Erzfeind der Thiere
bis auf wenige Schritte herankommen; an andern Orten ſucht er der Beobachtung ſich zu entziehen,
indem er ſo viel als möglich auf die dem Menſchen abgekehrte Seite des Baumes hüpft. So lange
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/65>, abgerufen am 26.11.2024.
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