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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Läufer. Kurzflügler. Kasuare.
aussah. Jch bin der Ansicht, daß die meisten gefangenen Emus, welche sterben, gerade deshalb zu
Grunde gehen, weil man sie während des Winters in einen engen Raum sperrt und ihnen die für ihr
Gedeihen unbedingt nöthige Bewegung versagt; wahrscheinlich würden sie sich viel besser halten, wenn
man es ihnen selbst überlassen wollte, sich zu der ihnen geeignet erscheinenden Zeit in einen gegen
Schneefall geschützten Raum zurückzuziehen. Die Ernährung verursacht keine Schwierigkeiten; denn
der Emu gehört zu den genügsamsten Vögeln, welche ich kenne. Er nimmt seine Nahrung vorzugs-
weise aus dem Pflanzenreiche, obwohl er thierische Stoffe nicht gänzlich verschmäht; aber er verlangt
keineswegs eine ausgesuchte Kost, sondern nimmt mit dem einfachsten Körnerfutter und mit Grün-
zeug aller Art vorlieb. Jn Australien soll er sich zeitweilig fast ausschließlich von Früchten ernähren.

Unter seinen Familienverwandten ist der Emu der langweiligste. Bewegung, Haltung, Wesen
oder das Betragen überhaupt sind einförmiger als bei jedem andern Strauße und seine Stimmlaute
auch nicht gerade anziehend; denn sie lassen sich eben nur mit dem dumpfen Geräusche vergleichen, welches
man hervorbringen kann, wenn man in tiefem Tone durch das Spundloch einer hohlen Tonne spricht,
wie Knaben zu ihrer Belustigung es zu thun pflegen. Männchen und Weibchen unterscheiden sich
durch die Stimme; es gehört aber das Ohr eines Bodinus dazu, um diese Unterschiede immer richtig
zu deuten. Jch habe es nie vermocht, aber freilich auch niemals die verschiedenen Geschlechter längere
Zeit neben einander beobachten können. Die Langweiligkeit des Emu spricht sich übrigens auch in
seiner Gutmüthigkeit aus. Es muß arg kommen, wenn dieser dumme Vogel einmal aus seiner Rolle
fällt und sich wirklich erregt zeigt. Andere Strauße bekunden wenigstens zeitweilig ein Selbst-
bewußtsein, einen Muth, welcher förmlich in Uebermuth ausarten und den Menschen gefährden kann,
bekunden Stolz und Rauflust: der Emu zeigt von allen diesen Eigenschaften nur höchst selten
eine Spur. Zu dem tollen Jagen mit pfeilschnellen Wendungen und sonderbaren Geberden, wie wir
es bei andern Straußen bemerken, läßt er sich kaum herbei. Er durchläuft Schritt für Schritt sein
Gehege, pumpt zuweilen seinen Stimmlaut hervor, wendet den Kopf langsam und gemächlich nach
rechts und links und läuft und pumpt weiter, scheinbar ohne sich um die Außenwelt zu kümmern.
Bei keinem mir bekannten Vogel täuscht der Ausdruck des schönen hellen Auges mehr als bei ihm.
Wer dem Emu ins Gesicht sieht, wird ihn für einen klugen Vogel halten; wer ihn länger beobachtet,
erkennt in ihm einen Ausbund von Dummheit.



Die Kasuare (Casuarii) vertreten nach meiner Auffassung eine eigene Familie der Straußen-
vögel. Das ihnen eigenthümliche Gepräge der Gestalt ist in dem Emu zwar bereits angedeutet, die
Unterschiede zwischen ihren Merkmalen und denen der echten Strauße erscheinen mir aber doch so
bedeutend, daß ich meine Anschauung für berechtigt halte. Von den bisher genannten Straußenvögeln
unterscheiden sich die Kasuare durch ihren gedrungenen Leib, den kurzen, dicken Hals, die niedern, dicken
Läufe, die Form des Schnabels, die Bildung und Benagelung der Zehen, den Helm und das Gefieder.
Der Schnabel ist gerade, seitlich zusammengedrückt, sodaß er rundlich erscheint, auf der Firste gewölbt,
vor der etwas übergekrümmten Spitze oben und unten gezahnt, die Nasenlöcher, deren Furchen fast
über den ganzen Schnabel verlaufen, öffnen sich nahe an der Spitze, sind klein und länglich eiförmig;
der Kopf trägt einen knochigen, bei allen bis jetzt bekannten Arten verschieden gestalteten Helm, der
Hals, welcher an seiner obern Hälfte nackt bleibt und in lebhaften Farben prangt, vorn gewöhnlich
eine oder zwei Klunkern; die kurzen Flügel haben keine eigentlichen Schwungfedern, an ihrer Stelle
aber fünf runde fahnenlose Kiele, welche großen Hornstacheln gleichen; die kurzen, dicken Füße sind
dreizehig und die innern Zehen mit Nägeln bewehrt, welche die der übrigen an Länge um mehr als
das Doppelte übertreffen; eigentliche Steuerfedern sind nicht vorhanden und auch die Gebilde, welche
den Leib bekleiden, eher Haare als Federn zu nennen, da die kurzen, steifen Fahnenstrahlen weit von

Die Läufer. Kurzflügler. Kaſuare.
ausſah. Jch bin der Anſicht, daß die meiſten gefangenen Emus, welche ſterben, gerade deshalb zu
Grunde gehen, weil man ſie während des Winters in einen engen Raum ſperrt und ihnen die für ihr
Gedeihen unbedingt nöthige Bewegung verſagt; wahrſcheinlich würden ſie ſich viel beſſer halten, wenn
man es ihnen ſelbſt überlaſſen wollte, ſich zu der ihnen geeignet erſcheinenden Zeit in einen gegen
Schneefall geſchützten Raum zurückzuziehen. Die Ernährung verurſacht keine Schwierigkeiten; denn
der Emu gehört zu den genügſamſten Vögeln, welche ich kenne. Er nimmt ſeine Nahrung vorzugs-
weiſe aus dem Pflanzenreiche, obwohl er thieriſche Stoffe nicht gänzlich verſchmäht; aber er verlangt
keineswegs eine ausgeſuchte Koſt, ſondern nimmt mit dem einfachſten Körnerfutter und mit Grün-
zeug aller Art vorlieb. Jn Auſtralien ſoll er ſich zeitweilig faſt ausſchließlich von Früchten ernähren.

Unter ſeinen Familienverwandten iſt der Emu der langweiligſte. Bewegung, Haltung, Weſen
oder das Betragen überhaupt ſind einförmiger als bei jedem andern Strauße und ſeine Stimmlaute
auch nicht gerade anziehend; denn ſie laſſen ſich eben nur mit dem dumpfen Geräuſche vergleichen, welches
man hervorbringen kann, wenn man in tiefem Tone durch das Spundloch einer hohlen Tonne ſpricht,
wie Knaben zu ihrer Beluſtigung es zu thun pflegen. Männchen und Weibchen unterſcheiden ſich
durch die Stimme; es gehört aber das Ohr eines Bodinus dazu, um dieſe Unterſchiede immer richtig
zu deuten. Jch habe es nie vermocht, aber freilich auch niemals die verſchiedenen Geſchlechter längere
Zeit neben einander beobachten können. Die Langweiligkeit des Emu ſpricht ſich übrigens auch in
ſeiner Gutmüthigkeit aus. Es muß arg kommen, wenn dieſer dumme Vogel einmal aus ſeiner Rolle
fällt und ſich wirklich erregt zeigt. Andere Strauße bekunden wenigſtens zeitweilig ein Selbſt-
bewußtſein, einen Muth, welcher förmlich in Uebermuth ausarten und den Menſchen gefährden kann,
bekunden Stolz und Raufluſt: der Emu zeigt von allen dieſen Eigenſchaften nur höchſt ſelten
eine Spur. Zu dem tollen Jagen mit pfeilſchnellen Wendungen und ſonderbaren Geberden, wie wir
es bei andern Straußen bemerken, läßt er ſich kaum herbei. Er durchläuft Schritt für Schritt ſein
Gehege, pumpt zuweilen ſeinen Stimmlaut hervor, wendet den Kopf langſam und gemächlich nach
rechts und links und läuft und pumpt weiter, ſcheinbar ohne ſich um die Außenwelt zu kümmern.
Bei keinem mir bekannten Vogel täuſcht der Ausdruck des ſchönen hellen Auges mehr als bei ihm.
Wer dem Emu ins Geſicht ſieht, wird ihn für einen klugen Vogel halten; wer ihn länger beobachtet,
erkennt in ihm einen Ausbund von Dummheit.



Die Kaſuare (Casuarii) vertreten nach meiner Auffaſſung eine eigene Familie der Straußen-
vögel. Das ihnen eigenthümliche Gepräge der Geſtalt iſt in dem Emu zwar bereits angedeutet, die
Unterſchiede zwiſchen ihren Merkmalen und denen der echten Strauße erſcheinen mir aber doch ſo
bedeutend, daß ich meine Anſchauung für berechtigt halte. Von den bisher genannten Straußenvögeln
unterſcheiden ſich die Kaſuare durch ihren gedrungenen Leib, den kurzen, dicken Hals, die niedern, dicken
Läufe, die Form des Schnabels, die Bildung und Benagelung der Zehen, den Helm und das Gefieder.
Der Schnabel iſt gerade, ſeitlich zuſammengedrückt, ſodaß er rundlich erſcheint, auf der Firſte gewölbt,
vor der etwas übergekrümmten Spitze oben und unten gezahnt, die Naſenlöcher, deren Furchen faſt
über den ganzen Schnabel verlaufen, öffnen ſich nahe an der Spitze, ſind klein und länglich eiförmig;
der Kopf trägt einen knochigen, bei allen bis jetzt bekannten Arten verſchieden geſtalteten Helm, der
Hals, welcher an ſeiner obern Hälfte nackt bleibt und in lebhaften Farben prangt, vorn gewöhnlich
eine oder zwei Klunkern; die kurzen Flügel haben keine eigentlichen Schwungfedern, an ihrer Stelle
aber fünf runde fahnenloſe Kiele, welche großen Hornſtacheln gleichen; die kurzen, dicken Füße ſind
dreizehig und die innern Zehen mit Nägeln bewehrt, welche die der übrigen an Länge um mehr als
das Doppelte übertreffen; eigentliche Steuerfedern ſind nicht vorhanden und auch die Gebilde, welche
den Leib bekleiden, eher Haare als Federn zu nennen, da die kurzen, ſteifen Fahnenſtrahlen weit von

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[546/0578] Die Läufer. Kurzflügler. Kaſuare. ausſah. Jch bin der Anſicht, daß die meiſten gefangenen Emus, welche ſterben, gerade deshalb zu Grunde gehen, weil man ſie während des Winters in einen engen Raum ſperrt und ihnen die für ihr Gedeihen unbedingt nöthige Bewegung verſagt; wahrſcheinlich würden ſie ſich viel beſſer halten, wenn man es ihnen ſelbſt überlaſſen wollte, ſich zu der ihnen geeignet erſcheinenden Zeit in einen gegen Schneefall geſchützten Raum zurückzuziehen. Die Ernährung verurſacht keine Schwierigkeiten; denn der Emu gehört zu den genügſamſten Vögeln, welche ich kenne. Er nimmt ſeine Nahrung vorzugs- weiſe aus dem Pflanzenreiche, obwohl er thieriſche Stoffe nicht gänzlich verſchmäht; aber er verlangt keineswegs eine ausgeſuchte Koſt, ſondern nimmt mit dem einfachſten Körnerfutter und mit Grün- zeug aller Art vorlieb. Jn Auſtralien ſoll er ſich zeitweilig faſt ausſchließlich von Früchten ernähren. Unter ſeinen Familienverwandten iſt der Emu der langweiligſte. Bewegung, Haltung, Weſen oder das Betragen überhaupt ſind einförmiger als bei jedem andern Strauße und ſeine Stimmlaute auch nicht gerade anziehend; denn ſie laſſen ſich eben nur mit dem dumpfen Geräuſche vergleichen, welches man hervorbringen kann, wenn man in tiefem Tone durch das Spundloch einer hohlen Tonne ſpricht, wie Knaben zu ihrer Beluſtigung es zu thun pflegen. Männchen und Weibchen unterſcheiden ſich durch die Stimme; es gehört aber das Ohr eines Bodinus dazu, um dieſe Unterſchiede immer richtig zu deuten. Jch habe es nie vermocht, aber freilich auch niemals die verſchiedenen Geſchlechter längere Zeit neben einander beobachten können. Die Langweiligkeit des Emu ſpricht ſich übrigens auch in ſeiner Gutmüthigkeit aus. Es muß arg kommen, wenn dieſer dumme Vogel einmal aus ſeiner Rolle fällt und ſich wirklich erregt zeigt. Andere Strauße bekunden wenigſtens zeitweilig ein Selbſt- bewußtſein, einen Muth, welcher förmlich in Uebermuth ausarten und den Menſchen gefährden kann, bekunden Stolz und Raufluſt: der Emu zeigt von allen dieſen Eigenſchaften nur höchſt ſelten eine Spur. Zu dem tollen Jagen mit pfeilſchnellen Wendungen und ſonderbaren Geberden, wie wir es bei andern Straußen bemerken, läßt er ſich kaum herbei. Er durchläuft Schritt für Schritt ſein Gehege, pumpt zuweilen ſeinen Stimmlaut hervor, wendet den Kopf langſam und gemächlich nach rechts und links und läuft und pumpt weiter, ſcheinbar ohne ſich um die Außenwelt zu kümmern. Bei keinem mir bekannten Vogel täuſcht der Ausdruck des ſchönen hellen Auges mehr als bei ihm. Wer dem Emu ins Geſicht ſieht, wird ihn für einen klugen Vogel halten; wer ihn länger beobachtet, erkennt in ihm einen Ausbund von Dummheit. Die Kaſuare (Casuarii) vertreten nach meiner Auffaſſung eine eigene Familie der Straußen- vögel. Das ihnen eigenthümliche Gepräge der Geſtalt iſt in dem Emu zwar bereits angedeutet, die Unterſchiede zwiſchen ihren Merkmalen und denen der echten Strauße erſcheinen mir aber doch ſo bedeutend, daß ich meine Anſchauung für berechtigt halte. Von den bisher genannten Straußenvögeln unterſcheiden ſich die Kaſuare durch ihren gedrungenen Leib, den kurzen, dicken Hals, die niedern, dicken Läufe, die Form des Schnabels, die Bildung und Benagelung der Zehen, den Helm und das Gefieder. Der Schnabel iſt gerade, ſeitlich zuſammengedrückt, ſodaß er rundlich erſcheint, auf der Firſte gewölbt, vor der etwas übergekrümmten Spitze oben und unten gezahnt, die Naſenlöcher, deren Furchen faſt über den ganzen Schnabel verlaufen, öffnen ſich nahe an der Spitze, ſind klein und länglich eiförmig; der Kopf trägt einen knochigen, bei allen bis jetzt bekannten Arten verſchieden geſtalteten Helm, der Hals, welcher an ſeiner obern Hälfte nackt bleibt und in lebhaften Farben prangt, vorn gewöhnlich eine oder zwei Klunkern; die kurzen Flügel haben keine eigentlichen Schwungfedern, an ihrer Stelle aber fünf runde fahnenloſe Kiele, welche großen Hornſtacheln gleichen; die kurzen, dicken Füße ſind dreizehig und die innern Zehen mit Nägeln bewehrt, welche die der übrigen an Länge um mehr als das Doppelte übertreffen; eigentliche Steuerfedern ſind nicht vorhanden und auch die Gebilde, welche den Leib bekleiden, eher Haare als Federn zu nennen, da die kurzen, ſteifen Fahnenſtrahlen weit von

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 546. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/578>, abgerufen am 02.06.2024.