Hardy zerbrach die Eier und fand in ihnen drei Keime, deren Entwicklung schon ziemlich weit vor- geschritten war. Der kleine Strauß wuchs prächtig heran und erreichte seine volle Ausbildung.
Am achtzehnten Januar begann die Straußin wieder zu legen und zwar genau in derselben Weise wie früher. Nachdem zwölf Eier im Neste waren, schickte sie sich Anfangs März zum Brüten an, indem sie über Mittag bald längere, bald kürzere Zeit darauf saß. Vom zwölften März ab blieb sie fest auf den Eiern sitzen; dann theilte der Strauß das Brutgeschäft mit ihr, namentlich bei Nacht, harrte immer länger aus, und gegen das Ende der Brütezeit hin saß er mehr als die Straußin selbst. Jedesmal, wenn sich beide ablösten, untersuchte dasjenige, welches sich zu setzen im Begriff war, die Eier eins nach dem andern, indem es sie umdrehte und einzeln an einen andern Ort legte. Bei Regenwetter legte sich derjenige Strauß, welcher nicht auf den Eiern saß, dem andern an die Seite, um ihm im Schutze der Eier beizustehen. Schon in den ersten Tagen des Brütens war ein Ei aus dem Neste geworfen worden. Es blieb unberührt und wurde von den Straußen nicht zertrümmert. Am elften Mai sah man einige kleine Sträußchen den Kopf unter den Flügeln der brütenden Alten hervorstrecken, am Morgen des dreizehnten Männchen und Weibchen das Nest verlassen und eine Herde von neun Jungen anführen. Die kleinsten wankten noch mit sehr unsichern Schritten, die ältesten liefen schon rasch umher und pflückten die zarten Kräuter ab. Vater und Mutter wachten über ihnen mit großer Sorgfalt; insbesondere der Vater bekundete die größte Zärtlichkeit gegen sie und nahm sie bei Nacht unter seine Flügel.
Jn Folge dieser gelungenen Zucht gab man sich in den südeuropäischen Thiergärten Mühe, ein ähnliches Ergebniß zu erzielen, und hatte das Glück, diese Bestrebungen vom besten Erfolge gekrönt zu sehen. Herr Desmeure, welcher dem Thiergarten des Fürsten Demidoff in St. Donato bei Florenz vorsteht, brachte im Januar 1859 eine Straußin zu einem älteren Männchen, beobachtete Ende März die erste Vereinigung der beiden Vögel und sah, daß das Männchen einige Tage nachher anfing, ein Nest an dem dazu bestimmten Orte zu graben. Es verstrich jedoch der ganze Monat April, ohne daß etwas Bemerkenswerthes eintrat. Am sechsten Mai fand man ein Ei ohne Schale, und vom zwölften ab begann die Straußin regelmäßig zu legen, sodaß sich am achtzehnten Juni dreizehn Eier im Neste befanden. Das Männchen stattete täglich den Eiern seinen Besuch ab, drehte sie um, streichelte sie mit den Flügeln, setzte sich aber noch nicht zum Brüten nieder. Erst am ein- undzwanzigsten Juni bebrütete es sie, nachdem es sie sorgfältig umgewendet, zwei Stunden lang und ebenso an den drei folgenden Tagen. Da man bemerkte, daß es die Eier nur verließ, um in seine Hütte zum Schlafen zu gehen, wurde die letztere geschlossen und der Strauß blieb nun auch nachts auf den Eiern sitzen, erhob sich erst am Morgen um acht Uhr auf eine Viertelstunde zum Fressen und hielt nachmittags eine zweite Mahlzeit. Ohne die geringste Unterbrechung befolgte er diese Zeit- eintheilung einundfunfzig Tage lang, und zwar so regelmäßig, daß man ihn, wenn man ihm die Nahrung zehn Minuten vor seiner Essensstunde reichte, stets noch brütend antraf. Am sechszehnten August verließ er die Brut eine Stunde lang, und am folgenden Morgen sah man zwei junge, sehr lebhafte Sträußchen quer durch den Park laufen und Sand aufnehmen. Es wurde ihnen eilig eine Mischung aus untereinander gehackten Eiern, Salat und Brot, kurz ein Fasanenfutter zubereitet. Sie waren sehr begierig danach, sättigten sich und kehrten sodann zu ihrem Vater zurück, welcher seinen Posten nicht verlassen hatte und jetzt nur die Flügel hob, um sie wieder darunter zu nehmen. Bis drei Uhr nachmittags blieben sie versteckt; da erhob sich der Alte nach seiner Gewohnheit und lief mit den Jungen dem Futtertroge zu. Man sah ihn hier das Futter schnabelweise nehmen, es zerkleinern und zärtlich jedem seiner Kinder davon vorlegen. Nachdem die Küchlein ihren Hunger gestillt hatten, begaben sie sich wieder unter die väterlichen Fittige. Jn dieser Weise wurden sie die ersten Tage behandelt. Das Weibchen nahm bei dem ganzen Brutgeschäfte keinen andern Antheil, als daß es einige Male, während das Männchen zum Fressen ging, zu den Eiern kam und dieselben vorsichtig umwendete. Sobald es Dies gethan, entfernte es sich wieder. Später liebkoste es die
Die Läufer. Kurzflügler. Strauße.
Hardy zerbrach die Eier und fand in ihnen drei Keime, deren Entwicklung ſchon ziemlich weit vor- geſchritten war. Der kleine Strauß wuchs prächtig heran und erreichte ſeine volle Ausbildung.
Am achtzehnten Januar begann die Straußin wieder zu legen und zwar genau in derſelben Weiſe wie früher. Nachdem zwölf Eier im Neſte waren, ſchickte ſie ſich Anfangs März zum Brüten an, indem ſie über Mittag bald längere, bald kürzere Zeit darauf ſaß. Vom zwölften März ab blieb ſie feſt auf den Eiern ſitzen; dann theilte der Strauß das Brutgeſchäft mit ihr, namentlich bei Nacht, harrte immer länger aus, und gegen das Ende der Brütezeit hin ſaß er mehr als die Straußin ſelbſt. Jedesmal, wenn ſich beide ablöſten, unterſuchte dasjenige, welches ſich zu ſetzen im Begriff war, die Eier eins nach dem andern, indem es ſie umdrehte und einzeln an einen andern Ort legte. Bei Regenwetter legte ſich derjenige Strauß, welcher nicht auf den Eiern ſaß, dem andern an die Seite, um ihm im Schutze der Eier beizuſtehen. Schon in den erſten Tagen des Brütens war ein Ei aus dem Neſte geworfen worden. Es blieb unberührt und wurde von den Straußen nicht zertrümmert. Am elften Mai ſah man einige kleine Sträußchen den Kopf unter den Flügeln der brütenden Alten hervorſtrecken, am Morgen des dreizehnten Männchen und Weibchen das Neſt verlaſſen und eine Herde von neun Jungen anführen. Die kleinſten wankten noch mit ſehr unſichern Schritten, die älteſten liefen ſchon raſch umher und pflückten die zarten Kräuter ab. Vater und Mutter wachten über ihnen mit großer Sorgfalt; insbeſondere der Vater bekundete die größte Zärtlichkeit gegen ſie und nahm ſie bei Nacht unter ſeine Flügel.
Jn Folge dieſer gelungenen Zucht gab man ſich in den ſüdeuropäiſchen Thiergärten Mühe, ein ähnliches Ergebniß zu erzielen, und hatte das Glück, dieſe Beſtrebungen vom beſten Erfolge gekrönt zu ſehen. Herr Desmeure, welcher dem Thiergarten des Fürſten Demidoff in St. Donato bei Florenz vorſteht, brachte im Januar 1859 eine Straußin zu einem älteren Männchen, beobachtete Ende März die erſte Vereinigung der beiden Vögel und ſah, daß das Männchen einige Tage nachher anfing, ein Neſt an dem dazu beſtimmten Orte zu graben. Es verſtrich jedoch der ganze Monat April, ohne daß etwas Bemerkenswerthes eintrat. Am ſechſten Mai fand man ein Ei ohne Schale, und vom zwölften ab begann die Straußin regelmäßig zu legen, ſodaß ſich am achtzehnten Juni dreizehn Eier im Neſte befanden. Das Männchen ſtattete täglich den Eiern ſeinen Beſuch ab, drehte ſie um, ſtreichelte ſie mit den Flügeln, ſetzte ſich aber noch nicht zum Brüten nieder. Erſt am ein- undzwanzigſten Juni bebrütete es ſie, nachdem es ſie ſorgfältig umgewendet, zwei Stunden lang und ebenſo an den drei folgenden Tagen. Da man bemerkte, daß es die Eier nur verließ, um in ſeine Hütte zum Schlafen zu gehen, wurde die letztere geſchloſſen und der Strauß blieb nun auch nachts auf den Eiern ſitzen, erhob ſich erſt am Morgen um acht Uhr auf eine Viertelſtunde zum Freſſen und hielt nachmittags eine zweite Mahlzeit. Ohne die geringſte Unterbrechung befolgte er dieſe Zeit- eintheilung einundfunfzig Tage lang, und zwar ſo regelmäßig, daß man ihn, wenn man ihm die Nahrung zehn Minuten vor ſeiner Eſſensſtunde reichte, ſtets noch brütend antraf. Am ſechszehnten Auguſt verließ er die Brut eine Stunde lang, und am folgenden Morgen ſah man zwei junge, ſehr lebhafte Sträußchen quer durch den Park laufen und Sand aufnehmen. Es wurde ihnen eilig eine Miſchung aus untereinander gehackten Eiern, Salat und Brot, kurz ein Faſanenfutter zubereitet. Sie waren ſehr begierig danach, ſättigten ſich und kehrten ſodann zu ihrem Vater zurück, welcher ſeinen Poſten nicht verlaſſen hatte und jetzt nur die Flügel hob, um ſie wieder darunter zu nehmen. Bis drei Uhr nachmittags blieben ſie verſteckt; da erhob ſich der Alte nach ſeiner Gewohnheit und lief mit den Jungen dem Futtertroge zu. Man ſah ihn hier das Futter ſchnabelweiſe nehmen, es zerkleinern und zärtlich jedem ſeiner Kinder davon vorlegen. Nachdem die Küchlein ihren Hunger geſtillt hatten, begaben ſie ſich wieder unter die väterlichen Fittige. Jn dieſer Weiſe wurden ſie die erſten Tage behandelt. Das Weibchen nahm bei dem ganzen Brutgeſchäfte keinen andern Antheil, als daß es einige Male, während das Männchen zum Freſſen ging, zu den Eiern kam und dieſelben vorſichtig umwendete. Sobald es Dies gethan, entfernte es ſich wieder. Später liebkoſte es die
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[530/0560]
Die Läufer. Kurzflügler. Strauße.
Hardy zerbrach die Eier und fand in ihnen drei Keime, deren Entwicklung ſchon ziemlich weit vor-
geſchritten war. Der kleine Strauß wuchs prächtig heran und erreichte ſeine volle Ausbildung.
Am achtzehnten Januar begann die Straußin wieder zu legen und zwar genau in derſelben
Weiſe wie früher. Nachdem zwölf Eier im Neſte waren, ſchickte ſie ſich Anfangs März zum Brüten
an, indem ſie über Mittag bald längere, bald kürzere Zeit darauf ſaß. Vom zwölften März ab blieb
ſie feſt auf den Eiern ſitzen; dann theilte der Strauß das Brutgeſchäft mit ihr, namentlich bei Nacht,
harrte immer länger aus, und gegen das Ende der Brütezeit hin ſaß er mehr als die Straußin ſelbſt.
Jedesmal, wenn ſich beide ablöſten, unterſuchte dasjenige, welches ſich zu ſetzen im Begriff war, die
Eier eins nach dem andern, indem es ſie umdrehte und einzeln an einen andern Ort legte. Bei
Regenwetter legte ſich derjenige Strauß, welcher nicht auf den Eiern ſaß, dem andern an die Seite,
um ihm im Schutze der Eier beizuſtehen. Schon in den erſten Tagen des Brütens war ein Ei aus
dem Neſte geworfen worden. Es blieb unberührt und wurde von den Straußen nicht zertrümmert.
Am elften Mai ſah man einige kleine Sträußchen den Kopf unter den Flügeln der brütenden Alten
hervorſtrecken, am Morgen des dreizehnten Männchen und Weibchen das Neſt verlaſſen und eine
Herde von neun Jungen anführen. Die kleinſten wankten noch mit ſehr unſichern Schritten, die
älteſten liefen ſchon raſch umher und pflückten die zarten Kräuter ab. Vater und Mutter wachten
über ihnen mit großer Sorgfalt; insbeſondere der Vater bekundete die größte Zärtlichkeit gegen ſie
und nahm ſie bei Nacht unter ſeine Flügel.
Jn Folge dieſer gelungenen Zucht gab man ſich in den ſüdeuropäiſchen Thiergärten Mühe,
ein ähnliches Ergebniß zu erzielen, und hatte das Glück, dieſe Beſtrebungen vom beſten Erfolge gekrönt
zu ſehen. Herr Desmeure, welcher dem Thiergarten des Fürſten Demidoff in St. Donato bei
Florenz vorſteht, brachte im Januar 1859 eine Straußin zu einem älteren Männchen, beobachtete
Ende März die erſte Vereinigung der beiden Vögel und ſah, daß das Männchen einige Tage nachher
anfing, ein Neſt an dem dazu beſtimmten Orte zu graben. Es verſtrich jedoch der ganze Monat
April, ohne daß etwas Bemerkenswerthes eintrat. Am ſechſten Mai fand man ein Ei ohne Schale,
und vom zwölften ab begann die Straußin regelmäßig zu legen, ſodaß ſich am achtzehnten Juni
dreizehn Eier im Neſte befanden. Das Männchen ſtattete täglich den Eiern ſeinen Beſuch ab, drehte
ſie um, ſtreichelte ſie mit den Flügeln, ſetzte ſich aber noch nicht zum Brüten nieder. Erſt am ein-
undzwanzigſten Juni bebrütete es ſie, nachdem es ſie ſorgfältig umgewendet, zwei Stunden lang und
ebenſo an den drei folgenden Tagen. Da man bemerkte, daß es die Eier nur verließ, um in ſeine
Hütte zum Schlafen zu gehen, wurde die letztere geſchloſſen und der Strauß blieb nun auch nachts
auf den Eiern ſitzen, erhob ſich erſt am Morgen um acht Uhr auf eine Viertelſtunde zum Freſſen und
hielt nachmittags eine zweite Mahlzeit. Ohne die geringſte Unterbrechung befolgte er dieſe Zeit-
eintheilung einundfunfzig Tage lang, und zwar ſo regelmäßig, daß man ihn, wenn man ihm die
Nahrung zehn Minuten vor ſeiner Eſſensſtunde reichte, ſtets noch brütend antraf. Am ſechszehnten
Auguſt verließ er die Brut eine Stunde lang, und am folgenden Morgen ſah man zwei junge, ſehr
lebhafte Sträußchen quer durch den Park laufen und Sand aufnehmen. Es wurde ihnen eilig eine
Miſchung aus untereinander gehackten Eiern, Salat und Brot, kurz ein Faſanenfutter zubereitet.
Sie waren ſehr begierig danach, ſättigten ſich und kehrten ſodann zu ihrem Vater zurück, welcher
ſeinen Poſten nicht verlaſſen hatte und jetzt nur die Flügel hob, um ſie wieder darunter zu nehmen.
Bis drei Uhr nachmittags blieben ſie verſteckt; da erhob ſich der Alte nach ſeiner Gewohnheit und
lief mit den Jungen dem Futtertroge zu. Man ſah ihn hier das Futter ſchnabelweiſe nehmen, es
zerkleinern und zärtlich jedem ſeiner Kinder davon vorlegen. Nachdem die Küchlein ihren Hunger
geſtillt hatten, begaben ſie ſich wieder unter die väterlichen Fittige. Jn dieſer Weiſe wurden ſie die
erſten Tage behandelt. Das Weibchen nahm bei dem ganzen Brutgeſchäfte keinen andern Antheil,
als daß es einige Male, während das Männchen zum Freſſen ging, zu den Eiern kam und dieſelben
vorſichtig umwendete. Sobald es Dies gethan, entfernte es ſich wieder. Später liebkoſte es die
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 530. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/560>, abgerufen am 22.11.2024.
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