Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite

Lebensweise der Hokkos.
wird dort in allen Wäldern gefunden; der Mutung bewohnt das Urwaldgebiet der Ostküste des
genannten Kaiserreichs von Rio de Janeiro bis Bahia; der Zimmthokko gehört Peru und Mejiko an;
der Helmhokko lebt in allen großen Waldungen des östlichen Peru, besonders häufig in der Provinz
Maynas, seltener in den Gebirgen Mittelperus und ebenso im Westen Brasiliens.

Jnwiefern sich die Lebensweise der einzelnen Arten unterscheidet, vermögen wir zur Zeit
nicht mit Bestimmtheit zu sagen, da die Mittheilungen der Reisenden hierüber noch immer sehr dürftig
sind. Aus den mir bekannten Berichten der Naturforscher, welche an Ort und Stelle beobachteten,
und den Erfahrungen, welche wir an gefangenen Vögeln sammeln konnten, scheint übrigens hervorzu-
gehen, daß sich die verschiedenen Arten im wesentlichen ähneln. Alle sind, wie schon gesagt, Bewohner
der Waldungen Süd- und Mittelamerikas und an Bäume gebunden; den eigentlichen Wald verlassen
sie höchstens auf kurze Zeit. Man trifft sie zwar oft auch auf dem Boden an und beobachtete, daß
sie hier mit großer Schnelligkeit einher rennen, falls der Grund eben; in der Regel aber sieht man
sie im Gezweige der Bäume, während der Brutzeit paarweise, außerdem zu drei, vier und mehr Stücken
beisammen. Jm Gezweige bewegen sie sich langsam, obschon mit verhältnißmäßigem Geschick; der Flug
hingegen ist niedrig, geschieht in wagrechter Richtung und hat keine lange Dauer. Sämmtliche Arten
fallen auf durch ihre Stimme, welche immer etwas Eigenthümliches hat, aber je nach der Art sehr
verschieden ist. Einige brummen, andere pfeifen, andere knurren, andere schreien ein "Hu, hu, hu, hu"
aus tiefer Brust hervor, andere lassen Laute vernehmen, welche durch die Silben "Racka, racka" wieder-
gegeben werden mögen. Jhre Stimme vernimmt man am häufigsten während der Paarungszeit und
insbesondere in den frühen Morgenstunden, bald nachdem sie aus dem Schlafe erwachten und aus dem
Jnnern der Waldungen nach den Lichtungen an den Stromufern hervorgekommen sind. Die Jndianer
aber erzählten Schomburgk, daß eine Art unserer Vögel (Urax tomentosa) regelmäßig zu schreien
beginne, wenn das Sternbild des südlichen Kreuzes seine größte Höhe erreicht habe, und Schom-
burgk
fand diese auffallende Angabe bestätigt. Er hatte, wie er erzählt, zu dieser Versicherung lange
ungläubig gelächelt, weil er beobachtete, daß das südliche Kreuz gerade dann seine größte Höhe erreichte,
wenn der Vogel ohnehin seine dumpfe klägliche Stimme erschallen läßt, um vier Uhr des Morgens
nämlich. "Am 4. April aber hatte der Anfang des Kreuzes fünfundzwanzig Minuten nach elf Uhr
nachts eben den Meridian erreicht, und in demselben Augenblicke schallten die hohlen Töne der Hokkos
durch die stille Nacht. Nach Verlauf einer Viertelstunde lag wieder tiefe Ruhe auf unserer Umgebung.
Da wir während dieser Zeit die Stimme des Vogels niemals gehört hatten, zeigte sich in diesem Falle
die Angabe als so sicher und schlagend, daß alle Zweifel an der merkwürdigen Thatsache bei uns
verschwanden."

Die Nahrung der freilebenden Hokkos besteht vorzugsweise, vielleicht ausschließlich in Früchten.
Azara sagt zwar, daß sie sich von denselben Stoffen ernähren, welche die Hühner fressen, fügt aber
ausdrücklich hinzu, daß sie schon Maiskörner nicht verdauen, sondern sie mit ihrem Kothe wieder aus-
scheiden, und alle übrigen Beobachter stimmen darin überein, daß Früchte ihr natürliches Futter
sind. "Jn ihrem Magen", sagt der Prinz, "fand ich halb und gänzlich verdaute Früchte und Nüsse,
welche zum Theil so stark waren, daß man sie mit einem Messer nicht ritzen konnte." Martius
behauptet, daß sie mit jeder Art von Futter zufrieden sind, auch Kerbthiere und Würmer fressen,
gelegentlich sogar Thon verschlucken. Schomburgk bestätigt die Angabe jener Beobachter und
fügt noch außerdem hinzu, daß ihr Fleisch zuweilen einen durchdringenden zwiebelartigen Geruch und
gleichzeitig einen erhöhten oder veränderten Geschmack annimmt, unzweifelhaft in Folge einer zeitweilig
von ihnen bevorzugten Nährpflanze, in welcher gedachter Forscher ein Schlinggewächs vermuthet.
"Als die Jndianer", erzählt er, "mit dem Reinigen eines Platzes zum Aufhängen der Hängematten
beschäftigt waren und mit dem Waldmesser das im Wege stehende Gebüsch und die Schlingpflanzen
niederhieben, traf meine Geruchsnerven jener schon früher erwähnte Geruch in einem solchen Maße,
als wären die Leute in einem Zwiebelfelde beschäftigt. Bei der Untersuchung fand ich, daß dieser
Geruch dem Stamme und den Blättern einer Schlingpflanze eigenthümlich war. Ohne Zweifel fressen

Lebensweiſe der Hokkos.
wird dort in allen Wäldern gefunden; der Mutung bewohnt das Urwaldgebiet der Oſtküſte des
genannten Kaiſerreichs von Rio de Janeiro bis Bahia; der Zimmthokko gehört Peru und Mejiko an;
der Helmhokko lebt in allen großen Waldungen des öſtlichen Peru, beſonders häufig in der Provinz
Maynas, ſeltener in den Gebirgen Mittelperus und ebenſo im Weſten Braſiliens.

Jnwiefern ſich die Lebensweiſe der einzelnen Arten unterſcheidet, vermögen wir zur Zeit
nicht mit Beſtimmtheit zu ſagen, da die Mittheilungen der Reiſenden hierüber noch immer ſehr dürftig
ſind. Aus den mir bekannten Berichten der Naturforſcher, welche an Ort und Stelle beobachteten,
und den Erfahrungen, welche wir an gefangenen Vögeln ſammeln konnten, ſcheint übrigens hervorzu-
gehen, daß ſich die verſchiedenen Arten im weſentlichen ähneln. Alle ſind, wie ſchon geſagt, Bewohner
der Waldungen Süd- und Mittelamerikas und an Bäume gebunden; den eigentlichen Wald verlaſſen
ſie höchſtens auf kurze Zeit. Man trifft ſie zwar oft auch auf dem Boden an und beobachtete, daß
ſie hier mit großer Schnelligkeit einher rennen, falls der Grund eben; in der Regel aber ſieht man
ſie im Gezweige der Bäume, während der Brutzeit paarweiſe, außerdem zu drei, vier und mehr Stücken
beiſammen. Jm Gezweige bewegen ſie ſich langſam, obſchon mit verhältnißmäßigem Geſchick; der Flug
hingegen iſt niedrig, geſchieht in wagrechter Richtung und hat keine lange Dauer. Sämmtliche Arten
fallen auf durch ihre Stimme, welche immer etwas Eigenthümliches hat, aber je nach der Art ſehr
verſchieden iſt. Einige brummen, andere pfeifen, andere knurren, andere ſchreien ein „Hu, hu, hu, hu“
aus tiefer Bruſt hervor, andere laſſen Laute vernehmen, welche durch die Silben „Racka, racka“ wieder-
gegeben werden mögen. Jhre Stimme vernimmt man am häufigſten während der Paarungszeit und
insbeſondere in den frühen Morgenſtunden, bald nachdem ſie aus dem Schlafe erwachten und aus dem
Jnnern der Waldungen nach den Lichtungen an den Stromufern hervorgekommen ſind. Die Jndianer
aber erzählten Schomburgk, daß eine Art unſerer Vögel (Urax tomentosa) regelmäßig zu ſchreien
beginne, wenn das Sternbild des ſüdlichen Kreuzes ſeine größte Höhe erreicht habe, und Schom-
burgk
fand dieſe auffallende Angabe beſtätigt. Er hatte, wie er erzählt, zu dieſer Verſicherung lange
ungläubig gelächelt, weil er beobachtete, daß das ſüdliche Kreuz gerade dann ſeine größte Höhe erreichte,
wenn der Vogel ohnehin ſeine dumpfe klägliche Stimme erſchallen läßt, um vier Uhr des Morgens
nämlich. „Am 4. April aber hatte der Anfang des Kreuzes fünfundzwanzig Minuten nach elf Uhr
nachts eben den Meridian erreicht, und in demſelben Augenblicke ſchallten die hohlen Töne der Hokkos
durch die ſtille Nacht. Nach Verlauf einer Viertelſtunde lag wieder tiefe Ruhe auf unſerer Umgebung.
Da wir während dieſer Zeit die Stimme des Vogels niemals gehört hatten, zeigte ſich in dieſem Falle
die Angabe als ſo ſicher und ſchlagend, daß alle Zweifel an der merkwürdigen Thatſache bei uns
verſchwanden.“

Die Nahrung der freilebenden Hokkos beſteht vorzugsweiſe, vielleicht ausſchließlich in Früchten.
Azara ſagt zwar, daß ſie ſich von denſelben Stoffen ernähren, welche die Hühner freſſen, fügt aber
ausdrücklich hinzu, daß ſie ſchon Maiskörner nicht verdauen, ſondern ſie mit ihrem Kothe wieder aus-
ſcheiden, und alle übrigen Beobachter ſtimmen darin überein, daß Früchte ihr natürliches Futter
ſind. „Jn ihrem Magen“, ſagt der Prinz, „fand ich halb und gänzlich verdaute Früchte und Nüſſe,
welche zum Theil ſo ſtark waren, daß man ſie mit einem Meſſer nicht ritzen konnte.“ Martius
behauptet, daß ſie mit jeder Art von Futter zufrieden ſind, auch Kerbthiere und Würmer freſſen,
gelegentlich ſogar Thon verſchlucken. Schomburgk beſtätigt die Angabe jener Beobachter und
fügt noch außerdem hinzu, daß ihr Fleiſch zuweilen einen durchdringenden zwiebelartigen Geruch und
gleichzeitig einen erhöhten oder veränderten Geſchmack annimmt, unzweifelhaft in Folge einer zeitweilig
von ihnen bevorzugten Nährpflanze, in welcher gedachter Forſcher ein Schlinggewächs vermuthet.
„Als die Jndianer“, erzählt er, „mit dem Reinigen eines Platzes zum Aufhängen der Hängematten
beſchäftigt waren und mit dem Waldmeſſer das im Wege ſtehende Gebüſch und die Schlingpflanzen
niederhieben, traf meine Geruchsnerven jener ſchon früher erwähnte Geruch in einem ſolchen Maße,
als wären die Leute in einem Zwiebelfelde beſchäftigt. Bei der Unterſuchung fand ich, daß dieſer
Geruch dem Stamme und den Blättern einer Schlingpflanze eigenthümlich war. Ohne Zweifel freſſen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0533" n="503"/><fw place="top" type="header">Lebenswei&#x017F;e der Hokkos.</fw><lb/>
wird dort in allen Wäldern gefunden; der Mutung bewohnt das Urwaldgebiet der O&#x017F;tkü&#x017F;te des<lb/>
genannten Kai&#x017F;erreichs von Rio de Janeiro bis Bahia; der Zimmthokko gehört Peru und Mejiko an;<lb/>
der Helmhokko lebt in allen großen Waldungen des ö&#x017F;tlichen Peru, be&#x017F;onders häufig in der Provinz<lb/>
Maynas, &#x017F;eltener in den Gebirgen Mittelperus und eben&#x017F;o im We&#x017F;ten Bra&#x017F;iliens.</p><lb/>
          <p>Jnwiefern &#x017F;ich die Lebenswei&#x017F;e der einzelnen Arten unter&#x017F;cheidet, vermögen wir zur Zeit<lb/>
nicht mit Be&#x017F;timmtheit zu &#x017F;agen, da die Mittheilungen der Rei&#x017F;enden hierüber noch immer &#x017F;ehr dürftig<lb/>
&#x017F;ind. Aus den mir bekannten Berichten der Naturfor&#x017F;cher, welche an Ort und Stelle beobachteten,<lb/>
und den Erfahrungen, welche wir an gefangenen Vögeln &#x017F;ammeln konnten, &#x017F;cheint übrigens hervorzu-<lb/>
gehen, daß &#x017F;ich die ver&#x017F;chiedenen Arten im we&#x017F;entlichen ähneln. Alle &#x017F;ind, wie &#x017F;chon ge&#x017F;agt, Bewohner<lb/>
der Waldungen Süd- und Mittelamerikas und an Bäume gebunden; den eigentlichen Wald verla&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x017F;ie höch&#x017F;tens auf kurze Zeit. Man trifft &#x017F;ie zwar oft auch auf dem Boden an und beobachtete, daß<lb/>
&#x017F;ie hier mit großer Schnelligkeit einher rennen, falls der Grund eben; in der Regel aber &#x017F;ieht man<lb/>
&#x017F;ie im Gezweige der Bäume, während der Brutzeit paarwei&#x017F;e, außerdem zu drei, vier und mehr Stücken<lb/>
bei&#x017F;ammen. Jm Gezweige bewegen &#x017F;ie &#x017F;ich lang&#x017F;am, ob&#x017F;chon mit verhältnißmäßigem Ge&#x017F;chick; der Flug<lb/>
hingegen i&#x017F;t niedrig, ge&#x017F;chieht in wagrechter Richtung und hat keine lange Dauer. Sämmtliche Arten<lb/>
fallen auf durch ihre Stimme, welche immer etwas Eigenthümliches hat, aber je nach der Art &#x017F;ehr<lb/>
ver&#x017F;chieden i&#x017F;t. Einige brummen, andere pfeifen, andere knurren, andere &#x017F;chreien ein &#x201E;Hu, hu, hu, hu&#x201C;<lb/>
aus tiefer Bru&#x017F;t hervor, andere la&#x017F;&#x017F;en Laute vernehmen, welche durch die Silben &#x201E;Racka, racka&#x201C; wieder-<lb/>
gegeben werden mögen. Jhre Stimme vernimmt man am häufig&#x017F;ten während der Paarungszeit und<lb/>
insbe&#x017F;ondere in den frühen Morgen&#x017F;tunden, bald nachdem &#x017F;ie aus dem Schlafe erwachten und aus dem<lb/>
Jnnern der Waldungen nach den Lichtungen an den Stromufern hervorgekommen &#x017F;ind. Die Jndianer<lb/>
aber erzählten <hi rendition="#g">Schomburgk,</hi> daß eine Art un&#x017F;erer Vögel (<hi rendition="#aq">Urax tomentosa</hi>) regelmäßig zu &#x017F;chreien<lb/>
beginne, wenn das Sternbild des &#x017F;üdlichen Kreuzes &#x017F;eine größte Höhe erreicht habe, und <hi rendition="#g">Schom-<lb/>
burgk</hi> fand die&#x017F;e auffallende Angabe be&#x017F;tätigt. Er hatte, wie er erzählt, zu die&#x017F;er Ver&#x017F;icherung lange<lb/>
ungläubig gelächelt, weil er beobachtete, daß das &#x017F;üdliche Kreuz gerade dann &#x017F;eine größte Höhe erreichte,<lb/>
wenn der Vogel ohnehin &#x017F;eine dumpfe klägliche Stimme er&#x017F;challen läßt, um vier Uhr des Morgens<lb/>
nämlich. &#x201E;Am 4. April aber hatte der Anfang des Kreuzes fünfundzwanzig Minuten nach elf Uhr<lb/>
nachts eben den Meridian erreicht, und in dem&#x017F;elben Augenblicke &#x017F;challten die hohlen Töne der Hokkos<lb/>
durch die &#x017F;tille Nacht. Nach Verlauf einer Viertel&#x017F;tunde lag wieder tiefe Ruhe auf un&#x017F;erer Umgebung.<lb/>
Da wir während die&#x017F;er Zeit die Stimme des Vogels niemals gehört hatten, zeigte &#x017F;ich in die&#x017F;em Falle<lb/>
die Angabe als &#x017F;o &#x017F;icher und &#x017F;chlagend, daß alle Zweifel an der merkwürdigen That&#x017F;ache bei uns<lb/>
ver&#x017F;chwanden.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Die Nahrung der freilebenden Hokkos be&#x017F;teht vorzugswei&#x017F;e, vielleicht aus&#x017F;chließlich in Früchten.<lb/><hi rendition="#g">Azara</hi> &#x017F;agt zwar, daß &#x017F;ie &#x017F;ich von den&#x017F;elben Stoffen ernähren, welche die Hühner fre&#x017F;&#x017F;en, fügt aber<lb/>
ausdrücklich hinzu, daß &#x017F;ie &#x017F;chon Maiskörner nicht verdauen, &#x017F;ondern &#x017F;ie mit ihrem Kothe wieder aus-<lb/>
&#x017F;cheiden, und alle übrigen Beobachter &#x017F;timmen darin überein, daß Früchte ihr natürliches Futter<lb/>
&#x017F;ind. &#x201E;Jn ihrem Magen&#x201C;, &#x017F;agt der <hi rendition="#g">Prinz,</hi> &#x201E;fand ich halb und gänzlich verdaute Früchte und Nü&#x017F;&#x017F;e,<lb/>
welche zum Theil &#x017F;o &#x017F;tark waren, daß man &#x017F;ie mit einem Me&#x017F;&#x017F;er nicht ritzen konnte.&#x201C; <hi rendition="#g">Martius</hi><lb/>
behauptet, daß &#x017F;ie mit jeder Art von Futter zufrieden &#x017F;ind, auch Kerbthiere und Würmer fre&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
gelegentlich &#x017F;ogar Thon ver&#x017F;chlucken. <hi rendition="#g">Schomburgk</hi> be&#x017F;tätigt die Angabe jener Beobachter und<lb/>
fügt noch außerdem hinzu, daß ihr Flei&#x017F;ch zuweilen einen durchdringenden zwiebelartigen Geruch und<lb/>
gleichzeitig einen erhöhten oder veränderten Ge&#x017F;chmack annimmt, unzweifelhaft in Folge einer zeitweilig<lb/>
von ihnen bevorzugten Nährpflanze, in welcher gedachter For&#x017F;cher ein Schlinggewächs vermuthet.<lb/>
&#x201E;Als die Jndianer&#x201C;, erzählt er, &#x201E;mit dem Reinigen eines Platzes zum Aufhängen der Hängematten<lb/>
be&#x017F;chäftigt waren und mit dem Waldme&#x017F;&#x017F;er das im Wege &#x017F;tehende Gebü&#x017F;ch und die Schlingpflanzen<lb/>
niederhieben, traf meine Geruchsnerven jener &#x017F;chon früher erwähnte Geruch in einem &#x017F;olchen Maße,<lb/>
als wären die Leute in einem Zwiebelfelde be&#x017F;chäftigt. Bei der Unter&#x017F;uchung fand ich, daß die&#x017F;er<lb/>
Geruch dem Stamme und den Blättern einer Schlingpflanze eigenthümlich war. Ohne Zweifel fre&#x017F;&#x017F;en<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[503/0533] Lebensweiſe der Hokkos. wird dort in allen Wäldern gefunden; der Mutung bewohnt das Urwaldgebiet der Oſtküſte des genannten Kaiſerreichs von Rio de Janeiro bis Bahia; der Zimmthokko gehört Peru und Mejiko an; der Helmhokko lebt in allen großen Waldungen des öſtlichen Peru, beſonders häufig in der Provinz Maynas, ſeltener in den Gebirgen Mittelperus und ebenſo im Weſten Braſiliens. Jnwiefern ſich die Lebensweiſe der einzelnen Arten unterſcheidet, vermögen wir zur Zeit nicht mit Beſtimmtheit zu ſagen, da die Mittheilungen der Reiſenden hierüber noch immer ſehr dürftig ſind. Aus den mir bekannten Berichten der Naturforſcher, welche an Ort und Stelle beobachteten, und den Erfahrungen, welche wir an gefangenen Vögeln ſammeln konnten, ſcheint übrigens hervorzu- gehen, daß ſich die verſchiedenen Arten im weſentlichen ähneln. Alle ſind, wie ſchon geſagt, Bewohner der Waldungen Süd- und Mittelamerikas und an Bäume gebunden; den eigentlichen Wald verlaſſen ſie höchſtens auf kurze Zeit. Man trifft ſie zwar oft auch auf dem Boden an und beobachtete, daß ſie hier mit großer Schnelligkeit einher rennen, falls der Grund eben; in der Regel aber ſieht man ſie im Gezweige der Bäume, während der Brutzeit paarweiſe, außerdem zu drei, vier und mehr Stücken beiſammen. Jm Gezweige bewegen ſie ſich langſam, obſchon mit verhältnißmäßigem Geſchick; der Flug hingegen iſt niedrig, geſchieht in wagrechter Richtung und hat keine lange Dauer. Sämmtliche Arten fallen auf durch ihre Stimme, welche immer etwas Eigenthümliches hat, aber je nach der Art ſehr verſchieden iſt. Einige brummen, andere pfeifen, andere knurren, andere ſchreien ein „Hu, hu, hu, hu“ aus tiefer Bruſt hervor, andere laſſen Laute vernehmen, welche durch die Silben „Racka, racka“ wieder- gegeben werden mögen. Jhre Stimme vernimmt man am häufigſten während der Paarungszeit und insbeſondere in den frühen Morgenſtunden, bald nachdem ſie aus dem Schlafe erwachten und aus dem Jnnern der Waldungen nach den Lichtungen an den Stromufern hervorgekommen ſind. Die Jndianer aber erzählten Schomburgk, daß eine Art unſerer Vögel (Urax tomentosa) regelmäßig zu ſchreien beginne, wenn das Sternbild des ſüdlichen Kreuzes ſeine größte Höhe erreicht habe, und Schom- burgk fand dieſe auffallende Angabe beſtätigt. Er hatte, wie er erzählt, zu dieſer Verſicherung lange ungläubig gelächelt, weil er beobachtete, daß das ſüdliche Kreuz gerade dann ſeine größte Höhe erreichte, wenn der Vogel ohnehin ſeine dumpfe klägliche Stimme erſchallen läßt, um vier Uhr des Morgens nämlich. „Am 4. April aber hatte der Anfang des Kreuzes fünfundzwanzig Minuten nach elf Uhr nachts eben den Meridian erreicht, und in demſelben Augenblicke ſchallten die hohlen Töne der Hokkos durch die ſtille Nacht. Nach Verlauf einer Viertelſtunde lag wieder tiefe Ruhe auf unſerer Umgebung. Da wir während dieſer Zeit die Stimme des Vogels niemals gehört hatten, zeigte ſich in dieſem Falle die Angabe als ſo ſicher und ſchlagend, daß alle Zweifel an der merkwürdigen Thatſache bei uns verſchwanden.“ Die Nahrung der freilebenden Hokkos beſteht vorzugsweiſe, vielleicht ausſchließlich in Früchten. Azara ſagt zwar, daß ſie ſich von denſelben Stoffen ernähren, welche die Hühner freſſen, fügt aber ausdrücklich hinzu, daß ſie ſchon Maiskörner nicht verdauen, ſondern ſie mit ihrem Kothe wieder aus- ſcheiden, und alle übrigen Beobachter ſtimmen darin überein, daß Früchte ihr natürliches Futter ſind. „Jn ihrem Magen“, ſagt der Prinz, „fand ich halb und gänzlich verdaute Früchte und Nüſſe, welche zum Theil ſo ſtark waren, daß man ſie mit einem Meſſer nicht ritzen konnte.“ Martius behauptet, daß ſie mit jeder Art von Futter zufrieden ſind, auch Kerbthiere und Würmer freſſen, gelegentlich ſogar Thon verſchlucken. Schomburgk beſtätigt die Angabe jener Beobachter und fügt noch außerdem hinzu, daß ihr Fleiſch zuweilen einen durchdringenden zwiebelartigen Geruch und gleichzeitig einen erhöhten oder veränderten Geſchmack annimmt, unzweifelhaft in Folge einer zeitweilig von ihnen bevorzugten Nährpflanze, in welcher gedachter Forſcher ein Schlinggewächs vermuthet. „Als die Jndianer“, erzählt er, „mit dem Reinigen eines Platzes zum Aufhängen der Hängematten beſchäftigt waren und mit dem Waldmeſſer das im Wege ſtehende Gebüſch und die Schlingpflanzen niederhieben, traf meine Geruchsnerven jener ſchon früher erwähnte Geruch in einem ſolchen Maße, als wären die Leute in einem Zwiebelfelde beſchäftigt. Bei der Unterſuchung fand ich, daß dieſer Geruch dem Stamme und den Blättern einer Schlingpflanze eigenthümlich war. Ohne Zweifel freſſen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/533
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 503. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/533>, abgerufen am 29.06.2024.