wird dort in allen Wäldern gefunden; der Mutung bewohnt das Urwaldgebiet der Ostküste des genannten Kaiserreichs von Rio de Janeiro bis Bahia; der Zimmthokko gehört Peru und Mejiko an; der Helmhokko lebt in allen großen Waldungen des östlichen Peru, besonders häufig in der Provinz Maynas, seltener in den Gebirgen Mittelperus und ebenso im Westen Brasiliens.
Jnwiefern sich die Lebensweise der einzelnen Arten unterscheidet, vermögen wir zur Zeit nicht mit Bestimmtheit zu sagen, da die Mittheilungen der Reisenden hierüber noch immer sehr dürftig sind. Aus den mir bekannten Berichten der Naturforscher, welche an Ort und Stelle beobachteten, und den Erfahrungen, welche wir an gefangenen Vögeln sammeln konnten, scheint übrigens hervorzu- gehen, daß sich die verschiedenen Arten im wesentlichen ähneln. Alle sind, wie schon gesagt, Bewohner der Waldungen Süd- und Mittelamerikas und an Bäume gebunden; den eigentlichen Wald verlassen sie höchstens auf kurze Zeit. Man trifft sie zwar oft auch auf dem Boden an und beobachtete, daß sie hier mit großer Schnelligkeit einher rennen, falls der Grund eben; in der Regel aber sieht man sie im Gezweige der Bäume, während der Brutzeit paarweise, außerdem zu drei, vier und mehr Stücken beisammen. Jm Gezweige bewegen sie sich langsam, obschon mit verhältnißmäßigem Geschick; der Flug hingegen ist niedrig, geschieht in wagrechter Richtung und hat keine lange Dauer. Sämmtliche Arten fallen auf durch ihre Stimme, welche immer etwas Eigenthümliches hat, aber je nach der Art sehr verschieden ist. Einige brummen, andere pfeifen, andere knurren, andere schreien ein "Hu, hu, hu, hu" aus tiefer Brust hervor, andere lassen Laute vernehmen, welche durch die Silben "Racka, racka" wieder- gegeben werden mögen. Jhre Stimme vernimmt man am häufigsten während der Paarungszeit und insbesondere in den frühen Morgenstunden, bald nachdem sie aus dem Schlafe erwachten und aus dem Jnnern der Waldungen nach den Lichtungen an den Stromufern hervorgekommen sind. Die Jndianer aber erzählten Schomburgk, daß eine Art unserer Vögel (Urax tomentosa) regelmäßig zu schreien beginne, wenn das Sternbild des südlichen Kreuzes seine größte Höhe erreicht habe, und Schom- burgk fand diese auffallende Angabe bestätigt. Er hatte, wie er erzählt, zu dieser Versicherung lange ungläubig gelächelt, weil er beobachtete, daß das südliche Kreuz gerade dann seine größte Höhe erreichte, wenn der Vogel ohnehin seine dumpfe klägliche Stimme erschallen läßt, um vier Uhr des Morgens nämlich. "Am 4. April aber hatte der Anfang des Kreuzes fünfundzwanzig Minuten nach elf Uhr nachts eben den Meridian erreicht, und in demselben Augenblicke schallten die hohlen Töne der Hokkos durch die stille Nacht. Nach Verlauf einer Viertelstunde lag wieder tiefe Ruhe auf unserer Umgebung. Da wir während dieser Zeit die Stimme des Vogels niemals gehört hatten, zeigte sich in diesem Falle die Angabe als so sicher und schlagend, daß alle Zweifel an der merkwürdigen Thatsache bei uns verschwanden."
Die Nahrung der freilebenden Hokkos besteht vorzugsweise, vielleicht ausschließlich in Früchten. Azara sagt zwar, daß sie sich von denselben Stoffen ernähren, welche die Hühner fressen, fügt aber ausdrücklich hinzu, daß sie schon Maiskörner nicht verdauen, sondern sie mit ihrem Kothe wieder aus- scheiden, und alle übrigen Beobachter stimmen darin überein, daß Früchte ihr natürliches Futter sind. "Jn ihrem Magen", sagt der Prinz, "fand ich halb und gänzlich verdaute Früchte und Nüsse, welche zum Theil so stark waren, daß man sie mit einem Messer nicht ritzen konnte." Martius behauptet, daß sie mit jeder Art von Futter zufrieden sind, auch Kerbthiere und Würmer fressen, gelegentlich sogar Thon verschlucken. Schomburgk bestätigt die Angabe jener Beobachter und fügt noch außerdem hinzu, daß ihr Fleisch zuweilen einen durchdringenden zwiebelartigen Geruch und gleichzeitig einen erhöhten oder veränderten Geschmack annimmt, unzweifelhaft in Folge einer zeitweilig von ihnen bevorzugten Nährpflanze, in welcher gedachter Forscher ein Schlinggewächs vermuthet. "Als die Jndianer", erzählt er, "mit dem Reinigen eines Platzes zum Aufhängen der Hängematten beschäftigt waren und mit dem Waldmesser das im Wege stehende Gebüsch und die Schlingpflanzen niederhieben, traf meine Geruchsnerven jener schon früher erwähnte Geruch in einem solchen Maße, als wären die Leute in einem Zwiebelfelde beschäftigt. Bei der Untersuchung fand ich, daß dieser Geruch dem Stamme und den Blättern einer Schlingpflanze eigenthümlich war. Ohne Zweifel fressen
Lebensweiſe der Hokkos.
wird dort in allen Wäldern gefunden; der Mutung bewohnt das Urwaldgebiet der Oſtküſte des genannten Kaiſerreichs von Rio de Janeiro bis Bahia; der Zimmthokko gehört Peru und Mejiko an; der Helmhokko lebt in allen großen Waldungen des öſtlichen Peru, beſonders häufig in der Provinz Maynas, ſeltener in den Gebirgen Mittelperus und ebenſo im Weſten Braſiliens.
Jnwiefern ſich die Lebensweiſe der einzelnen Arten unterſcheidet, vermögen wir zur Zeit nicht mit Beſtimmtheit zu ſagen, da die Mittheilungen der Reiſenden hierüber noch immer ſehr dürftig ſind. Aus den mir bekannten Berichten der Naturforſcher, welche an Ort und Stelle beobachteten, und den Erfahrungen, welche wir an gefangenen Vögeln ſammeln konnten, ſcheint übrigens hervorzu- gehen, daß ſich die verſchiedenen Arten im weſentlichen ähneln. Alle ſind, wie ſchon geſagt, Bewohner der Waldungen Süd- und Mittelamerikas und an Bäume gebunden; den eigentlichen Wald verlaſſen ſie höchſtens auf kurze Zeit. Man trifft ſie zwar oft auch auf dem Boden an und beobachtete, daß ſie hier mit großer Schnelligkeit einher rennen, falls der Grund eben; in der Regel aber ſieht man ſie im Gezweige der Bäume, während der Brutzeit paarweiſe, außerdem zu drei, vier und mehr Stücken beiſammen. Jm Gezweige bewegen ſie ſich langſam, obſchon mit verhältnißmäßigem Geſchick; der Flug hingegen iſt niedrig, geſchieht in wagrechter Richtung und hat keine lange Dauer. Sämmtliche Arten fallen auf durch ihre Stimme, welche immer etwas Eigenthümliches hat, aber je nach der Art ſehr verſchieden iſt. Einige brummen, andere pfeifen, andere knurren, andere ſchreien ein „Hu, hu, hu, hu“ aus tiefer Bruſt hervor, andere laſſen Laute vernehmen, welche durch die Silben „Racka, racka“ wieder- gegeben werden mögen. Jhre Stimme vernimmt man am häufigſten während der Paarungszeit und insbeſondere in den frühen Morgenſtunden, bald nachdem ſie aus dem Schlafe erwachten und aus dem Jnnern der Waldungen nach den Lichtungen an den Stromufern hervorgekommen ſind. Die Jndianer aber erzählten Schomburgk, daß eine Art unſerer Vögel (Urax tomentosa) regelmäßig zu ſchreien beginne, wenn das Sternbild des ſüdlichen Kreuzes ſeine größte Höhe erreicht habe, und Schom- burgk fand dieſe auffallende Angabe beſtätigt. Er hatte, wie er erzählt, zu dieſer Verſicherung lange ungläubig gelächelt, weil er beobachtete, daß das ſüdliche Kreuz gerade dann ſeine größte Höhe erreichte, wenn der Vogel ohnehin ſeine dumpfe klägliche Stimme erſchallen läßt, um vier Uhr des Morgens nämlich. „Am 4. April aber hatte der Anfang des Kreuzes fünfundzwanzig Minuten nach elf Uhr nachts eben den Meridian erreicht, und in demſelben Augenblicke ſchallten die hohlen Töne der Hokkos durch die ſtille Nacht. Nach Verlauf einer Viertelſtunde lag wieder tiefe Ruhe auf unſerer Umgebung. Da wir während dieſer Zeit die Stimme des Vogels niemals gehört hatten, zeigte ſich in dieſem Falle die Angabe als ſo ſicher und ſchlagend, daß alle Zweifel an der merkwürdigen Thatſache bei uns verſchwanden.“
Die Nahrung der freilebenden Hokkos beſteht vorzugsweiſe, vielleicht ausſchließlich in Früchten. Azara ſagt zwar, daß ſie ſich von denſelben Stoffen ernähren, welche die Hühner freſſen, fügt aber ausdrücklich hinzu, daß ſie ſchon Maiskörner nicht verdauen, ſondern ſie mit ihrem Kothe wieder aus- ſcheiden, und alle übrigen Beobachter ſtimmen darin überein, daß Früchte ihr natürliches Futter ſind. „Jn ihrem Magen“, ſagt der Prinz, „fand ich halb und gänzlich verdaute Früchte und Nüſſe, welche zum Theil ſo ſtark waren, daß man ſie mit einem Meſſer nicht ritzen konnte.“ Martius behauptet, daß ſie mit jeder Art von Futter zufrieden ſind, auch Kerbthiere und Würmer freſſen, gelegentlich ſogar Thon verſchlucken. Schomburgk beſtätigt die Angabe jener Beobachter und fügt noch außerdem hinzu, daß ihr Fleiſch zuweilen einen durchdringenden zwiebelartigen Geruch und gleichzeitig einen erhöhten oder veränderten Geſchmack annimmt, unzweifelhaft in Folge einer zeitweilig von ihnen bevorzugten Nährpflanze, in welcher gedachter Forſcher ein Schlinggewächs vermuthet. „Als die Jndianer“, erzählt er, „mit dem Reinigen eines Platzes zum Aufhängen der Hängematten beſchäftigt waren und mit dem Waldmeſſer das im Wege ſtehende Gebüſch und die Schlingpflanzen niederhieben, traf meine Geruchsnerven jener ſchon früher erwähnte Geruch in einem ſolchen Maße, als wären die Leute in einem Zwiebelfelde beſchäftigt. Bei der Unterſuchung fand ich, daß dieſer Geruch dem Stamme und den Blättern einer Schlingpflanze eigenthümlich war. Ohne Zweifel freſſen
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[503/0533]
Lebensweiſe der Hokkos.
wird dort in allen Wäldern gefunden; der Mutung bewohnt das Urwaldgebiet der Oſtküſte des
genannten Kaiſerreichs von Rio de Janeiro bis Bahia; der Zimmthokko gehört Peru und Mejiko an;
der Helmhokko lebt in allen großen Waldungen des öſtlichen Peru, beſonders häufig in der Provinz
Maynas, ſeltener in den Gebirgen Mittelperus und ebenſo im Weſten Braſiliens.
Jnwiefern ſich die Lebensweiſe der einzelnen Arten unterſcheidet, vermögen wir zur Zeit
nicht mit Beſtimmtheit zu ſagen, da die Mittheilungen der Reiſenden hierüber noch immer ſehr dürftig
ſind. Aus den mir bekannten Berichten der Naturforſcher, welche an Ort und Stelle beobachteten,
und den Erfahrungen, welche wir an gefangenen Vögeln ſammeln konnten, ſcheint übrigens hervorzu-
gehen, daß ſich die verſchiedenen Arten im weſentlichen ähneln. Alle ſind, wie ſchon geſagt, Bewohner
der Waldungen Süd- und Mittelamerikas und an Bäume gebunden; den eigentlichen Wald verlaſſen
ſie höchſtens auf kurze Zeit. Man trifft ſie zwar oft auch auf dem Boden an und beobachtete, daß
ſie hier mit großer Schnelligkeit einher rennen, falls der Grund eben; in der Regel aber ſieht man
ſie im Gezweige der Bäume, während der Brutzeit paarweiſe, außerdem zu drei, vier und mehr Stücken
beiſammen. Jm Gezweige bewegen ſie ſich langſam, obſchon mit verhältnißmäßigem Geſchick; der Flug
hingegen iſt niedrig, geſchieht in wagrechter Richtung und hat keine lange Dauer. Sämmtliche Arten
fallen auf durch ihre Stimme, welche immer etwas Eigenthümliches hat, aber je nach der Art ſehr
verſchieden iſt. Einige brummen, andere pfeifen, andere knurren, andere ſchreien ein „Hu, hu, hu, hu“
aus tiefer Bruſt hervor, andere laſſen Laute vernehmen, welche durch die Silben „Racka, racka“ wieder-
gegeben werden mögen. Jhre Stimme vernimmt man am häufigſten während der Paarungszeit und
insbeſondere in den frühen Morgenſtunden, bald nachdem ſie aus dem Schlafe erwachten und aus dem
Jnnern der Waldungen nach den Lichtungen an den Stromufern hervorgekommen ſind. Die Jndianer
aber erzählten Schomburgk, daß eine Art unſerer Vögel (Urax tomentosa) regelmäßig zu ſchreien
beginne, wenn das Sternbild des ſüdlichen Kreuzes ſeine größte Höhe erreicht habe, und Schom-
burgk fand dieſe auffallende Angabe beſtätigt. Er hatte, wie er erzählt, zu dieſer Verſicherung lange
ungläubig gelächelt, weil er beobachtete, daß das ſüdliche Kreuz gerade dann ſeine größte Höhe erreichte,
wenn der Vogel ohnehin ſeine dumpfe klägliche Stimme erſchallen läßt, um vier Uhr des Morgens
nämlich. „Am 4. April aber hatte der Anfang des Kreuzes fünfundzwanzig Minuten nach elf Uhr
nachts eben den Meridian erreicht, und in demſelben Augenblicke ſchallten die hohlen Töne der Hokkos
durch die ſtille Nacht. Nach Verlauf einer Viertelſtunde lag wieder tiefe Ruhe auf unſerer Umgebung.
Da wir während dieſer Zeit die Stimme des Vogels niemals gehört hatten, zeigte ſich in dieſem Falle
die Angabe als ſo ſicher und ſchlagend, daß alle Zweifel an der merkwürdigen Thatſache bei uns
verſchwanden.“
Die Nahrung der freilebenden Hokkos beſteht vorzugsweiſe, vielleicht ausſchließlich in Früchten.
Azara ſagt zwar, daß ſie ſich von denſelben Stoffen ernähren, welche die Hühner freſſen, fügt aber
ausdrücklich hinzu, daß ſie ſchon Maiskörner nicht verdauen, ſondern ſie mit ihrem Kothe wieder aus-
ſcheiden, und alle übrigen Beobachter ſtimmen darin überein, daß Früchte ihr natürliches Futter
ſind. „Jn ihrem Magen“, ſagt der Prinz, „fand ich halb und gänzlich verdaute Früchte und Nüſſe,
welche zum Theil ſo ſtark waren, daß man ſie mit einem Meſſer nicht ritzen konnte.“ Martius
behauptet, daß ſie mit jeder Art von Futter zufrieden ſind, auch Kerbthiere und Würmer freſſen,
gelegentlich ſogar Thon verſchlucken. Schomburgk beſtätigt die Angabe jener Beobachter und
fügt noch außerdem hinzu, daß ihr Fleiſch zuweilen einen durchdringenden zwiebelartigen Geruch und
gleichzeitig einen erhöhten oder veränderten Geſchmack annimmt, unzweifelhaft in Folge einer zeitweilig
von ihnen bevorzugten Nährpflanze, in welcher gedachter Forſcher ein Schlinggewächs vermuthet.
„Als die Jndianer“, erzählt er, „mit dem Reinigen eines Platzes zum Aufhängen der Hängematten
beſchäftigt waren und mit dem Waldmeſſer das im Wege ſtehende Gebüſch und die Schlingpflanzen
niederhieben, traf meine Geruchsnerven jener ſchon früher erwähnte Geruch in einem ſolchen Maße,
als wären die Leute in einem Zwiebelfelde beſchäftigt. Bei der Unterſuchung fand ich, daß dieſer
Geruch dem Stamme und den Blättern einer Schlingpflanze eigenthümlich war. Ohne Zweifel freſſen
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 503. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/533>, abgerufen am 22.11.2024.
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