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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Läufer. Scharrvögel. Hokkos.
langen, die kräftigen Beine zu beschäftigen, auszudrücken, als mit der Ernährung im Zusammenhange
zu stehen. Jn der Nacht war der Gefangene so unruhig und gab sich so große Mühe zu entfliehen,
daß sein Pfleger vor dem von ihm verursachten Lärm nicht schlafen konnte.

Jch weiß nicht, ob man erwachsene Großfüße jemals in Gefangenschaft hielt und längere Zeit
beobachtete, habe auch nirgends gehört oder gelesen, daß einer dieser merkwürdigen Vögel lebend nach
Europa gekommen wäre.



Der Name "Scharrvögel" wird von allen Mitgliedern der Ordnung, welche bis jetzt Erwähnung
fanden, bethätigt, paßt aber nicht für die, welche wir noch zu erwähnen haben. Aber ebensowenig
wird man sie "Hühner" nennen dürfen; denn sie unterscheiden sich von solchen nicht blos in der Gestalt,
sondern auch in der Lebensweise sehr wesentlich. Diese Behauptung gilt insbesondere für die Hokko-
vögel,
welche wir unter Berücksichtigung des weiter oben Gesagten als eine Abtheilung oder Zunft
der Ordnung ansehen. Man pflegt zu sagen, daß sie in den Waldungen Südamerikas unsere Rauch-
fußhühner und Fasanen vertreten, verlangt aber schwerlich, daß dieser Ausspruch wörtlich genommen
werden müsse, da es Demjenigen, welcher die einen und die anderen kennt und vergleichend betrachtet,
recht schwer wird, irgend welche Aehnlichkeit zwischen beiden wahrzunehmen. Reichenbach zählt die
Hokkovögel zu den Tauben und unterstützt seine Ansicht, welche von Andern für eine Gewaltthat
erklärt wird, mit Gründen, deren Triftigkeit gar nicht unterschätzt werden darf. Es fehlt den Hokko-
vögeln, meiner Ansicht nach, jedoch ein Merkmal der Tauben: sie sind keine Nesthocker, sondern Nest-
flüchter; sie kommen nicht blind und fast unbekleidet, sondern in einem Zustande zur Welt, welcher
dem junger Hühner ähnlicher ist als dem junger Tauben. Aber im übrigen hat Reichenbach
gewiß Recht, wenn er zur Unterscheidung der Hokkos und eigentlichen Hühner hervorhebt, daß ihr Lauf
sporenlos, die Hinterzehe ebenso tief wie die übrigen eingelenkt, ihre Erscheinung und Benehmen nicht
wie bei den Hühnern, sondern wie bei den Lauftauben ist, daß sie nicht in Vielehigkeit, sondern in
Einweibigkeit leben, auf Bäumen nisten und aus dünnen Zweigen ein lockeres Taubennest bauen,
nicht aber eine Vertiefung auf der Erde scharren, blos zwei, mindestens sehr wenige, nicht aber viele
Eier legen wie die Hühner, daß ihre Jungen wahrscheinlich längere Zeit im Neste bleiben und geätzt
werden müssen u. s. w. Die Gestalt der Hokkovögel hat mit der der eigentlichen Hühner streng
genommen nicht größere Aehnlichkeit als mit der der Tauben; ihr Gefieder ähnelt dem der letztgenannten
Vögel mehr als dem der Hühner; ihr innerer Leibesbau weicht sehr wesentlich von dem der Hühner ab.
Aber eigentliche Tauben sind sie freilich ebensowenig. Sie bilden eine jener Gruppen, welche keine
wirkliche Verwandtschaft mit andern Vögeln zeigen.

Die Hokkovögel (Cracidae) sind groß oder mittelgroß, gestreckt gebaut, ihre Flügel stark
abgerundet, die vier bis fünf vordersten Handschwingen stufig gekürzt, auch wohl abgesetzt lang-
spitzig, ihre Armschwingen lang, den Handtheil des Flügels in der Ruhe überdeckend, ihre zwölf Steuer-
federn sehr lang, stark, kräftig, seitlich etwas verkürzt oder ziemlich gleichlang; der Schnabel ist in der
Regel länger als bei den meisten Hühnern, aber verhältnißmäßig kürzer als bei den Tauben, an der
Spitzenkuppe gewölbt, am Ende breithakig herabgebogen, hinten mit einer Wachshaut überzogen, welche
sich über die ganze Nasengrube, gewöhnlich auch über die Zügel der Augengegend erstreckt und den oft
sich findenden Höcker auf der Schnabelwurzel überkleidet; der Fuß ist mittelstark und mittelhoch, lang
und dünnzehig; alle Zehen laufen von ein und derselben Ebene aus; ihre Krallen sind lang, ziemlich
schmal, scharf zugespitzt und sanft gebogen. Das Gefieder ist derb und großfedrig, jedoch nicht dicht;
die einzelnen Federn pflegen breit, abgerundet, ihre Schäfte aber bei einer Familie eigenthümlich ver-
dickt zu sein, indem sie von der Wurzel an allseitig aufschwellen und erst gegen die Spitze hin sich
verdünnen und verschwächen. Bei einzelnen Arten erscheint diese eigenthümliche Bildung so ausgeprägt,
daß der Schaft in der Mitte seiner Verdickung um das Zehn- und Zwanzigfache dicker ist als an der

Die Läufer. Scharrvögel. Hokkos.
langen, die kräftigen Beine zu beſchäftigen, auszudrücken, als mit der Ernährung im Zuſammenhange
zu ſtehen. Jn der Nacht war der Gefangene ſo unruhig und gab ſich ſo große Mühe zu entfliehen,
daß ſein Pfleger vor dem von ihm verurſachten Lärm nicht ſchlafen konnte.

Jch weiß nicht, ob man erwachſene Großfüße jemals in Gefangenſchaft hielt und längere Zeit
beobachtete, habe auch nirgends gehört oder geleſen, daß einer dieſer merkwürdigen Vögel lebend nach
Europa gekommen wäre.



Der Name „Scharrvögel“ wird von allen Mitgliedern der Ordnung, welche bis jetzt Erwähnung
fanden, bethätigt, paßt aber nicht für die, welche wir noch zu erwähnen haben. Aber ebenſowenig
wird man ſie „Hühner“ nennen dürfen; denn ſie unterſcheiden ſich von ſolchen nicht blos in der Geſtalt,
ſondern auch in der Lebensweiſe ſehr weſentlich. Dieſe Behauptung gilt insbeſondere für die Hokko-
vögel,
welche wir unter Berückſichtigung des weiter oben Geſagten als eine Abtheilung oder Zunft
der Ordnung anſehen. Man pflegt zu ſagen, daß ſie in den Waldungen Südamerikas unſere Rauch-
fußhühner und Faſanen vertreten, verlangt aber ſchwerlich, daß dieſer Ausſpruch wörtlich genommen
werden müſſe, da es Demjenigen, welcher die einen und die anderen kennt und vergleichend betrachtet,
recht ſchwer wird, irgend welche Aehnlichkeit zwiſchen beiden wahrzunehmen. Reichenbach zählt die
Hokkovögel zu den Tauben und unterſtützt ſeine Anſicht, welche von Andern für eine Gewaltthat
erklärt wird, mit Gründen, deren Triftigkeit gar nicht unterſchätzt werden darf. Es fehlt den Hokko-
vögeln, meiner Anſicht nach, jedoch ein Merkmal der Tauben: ſie ſind keine Neſthocker, ſondern Neſt-
flüchter; ſie kommen nicht blind und faſt unbekleidet, ſondern in einem Zuſtande zur Welt, welcher
dem junger Hühner ähnlicher iſt als dem junger Tauben. Aber im übrigen hat Reichenbach
gewiß Recht, wenn er zur Unterſcheidung der Hokkos und eigentlichen Hühner hervorhebt, daß ihr Lauf
ſporenlos, die Hinterzehe ebenſo tief wie die übrigen eingelenkt, ihre Erſcheinung und Benehmen nicht
wie bei den Hühnern, ſondern wie bei den Lauftauben iſt, daß ſie nicht in Vielehigkeit, ſondern in
Einweibigkeit leben, auf Bäumen niſten und aus dünnen Zweigen ein lockeres Taubenneſt bauen,
nicht aber eine Vertiefung auf der Erde ſcharren, blos zwei, mindeſtens ſehr wenige, nicht aber viele
Eier legen wie die Hühner, daß ihre Jungen wahrſcheinlich längere Zeit im Neſte bleiben und geätzt
werden müſſen u. ſ. w. Die Geſtalt der Hokkovögel hat mit der der eigentlichen Hühner ſtreng
genommen nicht größere Aehnlichkeit als mit der der Tauben; ihr Gefieder ähnelt dem der letztgenannten
Vögel mehr als dem der Hühner; ihr innerer Leibesbau weicht ſehr weſentlich von dem der Hühner ab.
Aber eigentliche Tauben ſind ſie freilich ebenſowenig. Sie bilden eine jener Gruppen, welche keine
wirkliche Verwandtſchaft mit andern Vögeln zeigen.

Die Hokkovögel (Cracidae) ſind groß oder mittelgroß, geſtreckt gebaut, ihre Flügel ſtark
abgerundet, die vier bis fünf vorderſten Handſchwingen ſtufig gekürzt, auch wohl abgeſetzt lang-
ſpitzig, ihre Armſchwingen lang, den Handtheil des Flügels in der Ruhe überdeckend, ihre zwölf Steuer-
federn ſehr lang, ſtark, kräftig, ſeitlich etwas verkürzt oder ziemlich gleichlang; der Schnabel iſt in der
Regel länger als bei den meiſten Hühnern, aber verhältnißmäßig kürzer als bei den Tauben, an der
Spitzenkuppe gewölbt, am Ende breithakig herabgebogen, hinten mit einer Wachshaut überzogen, welche
ſich über die ganze Naſengrube, gewöhnlich auch über die Zügel der Augengegend erſtreckt und den oft
ſich findenden Höcker auf der Schnabelwurzel überkleidet; der Fuß iſt mittelſtark und mittelhoch, lang
und dünnzehig; alle Zehen laufen von ein und derſelben Ebene aus; ihre Krallen ſind lang, ziemlich
ſchmal, ſcharf zugeſpitzt und ſanft gebogen. Das Gefieder iſt derb und großfedrig, jedoch nicht dicht;
die einzelnen Federn pflegen breit, abgerundet, ihre Schäfte aber bei einer Familie eigenthümlich ver-
dickt zu ſein, indem ſie von der Wurzel an allſeitig aufſchwellen und erſt gegen die Spitze hin ſich
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[500/0530] Die Läufer. Scharrvögel. Hokkos. langen, die kräftigen Beine zu beſchäftigen, auszudrücken, als mit der Ernährung im Zuſammenhange zu ſtehen. Jn der Nacht war der Gefangene ſo unruhig und gab ſich ſo große Mühe zu entfliehen, daß ſein Pfleger vor dem von ihm verurſachten Lärm nicht ſchlafen konnte. Jch weiß nicht, ob man erwachſene Großfüße jemals in Gefangenſchaft hielt und längere Zeit beobachtete, habe auch nirgends gehört oder geleſen, daß einer dieſer merkwürdigen Vögel lebend nach Europa gekommen wäre. Der Name „Scharrvögel“ wird von allen Mitgliedern der Ordnung, welche bis jetzt Erwähnung fanden, bethätigt, paßt aber nicht für die, welche wir noch zu erwähnen haben. Aber ebenſowenig wird man ſie „Hühner“ nennen dürfen; denn ſie unterſcheiden ſich von ſolchen nicht blos in der Geſtalt, ſondern auch in der Lebensweiſe ſehr weſentlich. Dieſe Behauptung gilt insbeſondere für die Hokko- vögel, welche wir unter Berückſichtigung des weiter oben Geſagten als eine Abtheilung oder Zunft der Ordnung anſehen. Man pflegt zu ſagen, daß ſie in den Waldungen Südamerikas unſere Rauch- fußhühner und Faſanen vertreten, verlangt aber ſchwerlich, daß dieſer Ausſpruch wörtlich genommen werden müſſe, da es Demjenigen, welcher die einen und die anderen kennt und vergleichend betrachtet, recht ſchwer wird, irgend welche Aehnlichkeit zwiſchen beiden wahrzunehmen. Reichenbach zählt die Hokkovögel zu den Tauben und unterſtützt ſeine Anſicht, welche von Andern für eine Gewaltthat erklärt wird, mit Gründen, deren Triftigkeit gar nicht unterſchätzt werden darf. Es fehlt den Hokko- vögeln, meiner Anſicht nach, jedoch ein Merkmal der Tauben: ſie ſind keine Neſthocker, ſondern Neſt- flüchter; ſie kommen nicht blind und faſt unbekleidet, ſondern in einem Zuſtande zur Welt, welcher dem junger Hühner ähnlicher iſt als dem junger Tauben. Aber im übrigen hat Reichenbach gewiß Recht, wenn er zur Unterſcheidung der Hokkos und eigentlichen Hühner hervorhebt, daß ihr Lauf ſporenlos, die Hinterzehe ebenſo tief wie die übrigen eingelenkt, ihre Erſcheinung und Benehmen nicht wie bei den Hühnern, ſondern wie bei den Lauftauben iſt, daß ſie nicht in Vielehigkeit, ſondern in Einweibigkeit leben, auf Bäumen niſten und aus dünnen Zweigen ein lockeres Taubenneſt bauen, nicht aber eine Vertiefung auf der Erde ſcharren, blos zwei, mindeſtens ſehr wenige, nicht aber viele Eier legen wie die Hühner, daß ihre Jungen wahrſcheinlich längere Zeit im Neſte bleiben und geätzt werden müſſen u. ſ. w. Die Geſtalt der Hokkovögel hat mit der der eigentlichen Hühner ſtreng genommen nicht größere Aehnlichkeit als mit der der Tauben; ihr Gefieder ähnelt dem der letztgenannten Vögel mehr als dem der Hühner; ihr innerer Leibesbau weicht ſehr weſentlich von dem der Hühner ab. Aber eigentliche Tauben ſind ſie freilich ebenſowenig. Sie bilden eine jener Gruppen, welche keine wirkliche Verwandtſchaft mit andern Vögeln zeigen. Die Hokkovögel (Cracidae) ſind groß oder mittelgroß, geſtreckt gebaut, ihre Flügel ſtark abgerundet, die vier bis fünf vorderſten Handſchwingen ſtufig gekürzt, auch wohl abgeſetzt lang- ſpitzig, ihre Armſchwingen lang, den Handtheil des Flügels in der Ruhe überdeckend, ihre zwölf Steuer- federn ſehr lang, ſtark, kräftig, ſeitlich etwas verkürzt oder ziemlich gleichlang; der Schnabel iſt in der Regel länger als bei den meiſten Hühnern, aber verhältnißmäßig kürzer als bei den Tauben, an der Spitzenkuppe gewölbt, am Ende breithakig herabgebogen, hinten mit einer Wachshaut überzogen, welche ſich über die ganze Naſengrube, gewöhnlich auch über die Zügel der Augengegend erſtreckt und den oft ſich findenden Höcker auf der Schnabelwurzel überkleidet; der Fuß iſt mittelſtark und mittelhoch, lang und dünnzehig; alle Zehen laufen von ein und derſelben Ebene aus; ihre Krallen ſind lang, ziemlich ſchmal, ſcharf zugeſpitzt und ſanft gebogen. Das Gefieder iſt derb und großfedrig, jedoch nicht dicht; die einzelnen Federn pflegen breit, abgerundet, ihre Schäfte aber bei einer Familie eigenthümlich ver- dickt zu ſein, indem ſie von der Wurzel an allſeitig aufſchwellen und erſt gegen die Spitze hin ſich verdünnen und verſchwächen. Bei einzelnen Arten erſcheint dieſe eigenthümliche Bildung ſo ausgeprägt, daß der Schaft in der Mitte ſeiner Verdickung um das Zehn- und Zwanzigfache dicker iſt als an der

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 500. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/530>, abgerufen am 02.06.2024.