Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite

Truthuhn. Pfauentruthuhn.
folgen abgesondert denselben Weg. So geht es weiter, immer zu Fuße; solange nicht ein Jagdhund
oder ein anderes vierfüßiges Raubthier störend dazwischentritt oder ein breiter Fluß den Weg
abschneidet. Gelangt eine Truthahngesellschaft ans Ufer eines solchen, so sammelt sie sich zunächst
auf dem höchsten-Punkte und verweilt hier manchmal Tage lang, gleichsam berathend, ehe sie sich ent-
schließt, überzusetzen. Die Männchen blähen sich auf und kollern, als ob sie sich selbst Muth einzu-
sprechen hätten, und die Weibchen und Jungen ahmen ihnen nach, so gut sie können, bis schließlich bei
ruhigem Wetter das Wagstück unternommen und der Strom überflogen wird. Ein einziges "Gluck"
[Abbildung] Das Pfauentruthuhn (Meleagris ocellata). [ 1/5 ] der nat. Größe.
des Leithahnes gibt das Zeichen, und die Flugreise beginnt. Den alten Vögeln wird es nicht schwer,
überzusetzen, selbst wenn der Fluß eine Meile breit sein sollte; die jüngeren und minder kräftigen aber
fallen oft unterwegs auf das Wasser herab und müssen dann versuchen, das Ufer schwimmend zu
erreichen. Sie schließen dabei die Flügel fest an den Leib, breiten den Schwanz, strecken den Hals
nach vorn und greifen mit ihren Füßen soweit aus als sie können, kurz sie erreichen gewöhnlich das
feste Land. Die glückliche Rettung scheint sie aber förmlich zu verwirren; denn sie laufen anfänglich
wie betäubt umher und vergessen die ihnen sonst eigene Vorsicht oft so, daß sie dem Jäger leicht zur
Beute fallen. Wenn sie in eine Gegend kommen, in welcher sie reichliche Beute finden, pflegen sie sich

Truthuhn. Pfauentruthuhn.
folgen abgeſondert denſelben Weg. So geht es weiter, immer zu Fuße; ſolange nicht ein Jagdhund
oder ein anderes vierfüßiges Raubthier ſtörend dazwiſchentritt oder ein breiter Fluß den Weg
abſchneidet. Gelangt eine Truthahngeſellſchaft ans Ufer eines ſolchen, ſo ſammelt ſie ſich zunächſt
auf dem höchſten-Punkte und verweilt hier manchmal Tage lang, gleichſam berathend, ehe ſie ſich ent-
ſchließt, überzuſetzen. Die Männchen blähen ſich auf und kollern, als ob ſie ſich ſelbſt Muth einzu-
ſprechen hätten, und die Weibchen und Jungen ahmen ihnen nach, ſo gut ſie können, bis ſchließlich bei
ruhigem Wetter das Wagſtück unternommen und der Strom überflogen wird. Ein einziges „Gluck“
[Abbildung] Das Pfauentruthuhn (Meleagris ocellata). [⅕] der nat. Größe.
des Leithahnes gibt das Zeichen, und die Flugreiſe beginnt. Den alten Vögeln wird es nicht ſchwer,
überzuſetzen, ſelbſt wenn der Fluß eine Meile breit ſein ſollte; die jüngeren und minder kräftigen aber
fallen oft unterwegs auf das Waſſer herab und müſſen dann verſuchen, das Ufer ſchwimmend zu
erreichen. Sie ſchließen dabei die Flügel feſt an den Leib, breiten den Schwanz, ſtrecken den Hals
nach vorn und greifen mit ihren Füßen ſoweit aus als ſie können, kurz ſie erreichen gewöhnlich das
feſte Land. Die glückliche Rettung ſcheint ſie aber förmlich zu verwirren; denn ſie laufen anfänglich
wie betäubt umher und vergeſſen die ihnen ſonſt eigene Vorſicht oft ſo, daß ſie dem Jäger leicht zur
Beute fallen. Wenn ſie in eine Gegend kommen, in welcher ſie reichliche Beute finden, pflegen ſie ſich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0515" n="485"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Truthuhn. Pfauentruthuhn.</hi></fw><lb/>
folgen abge&#x017F;ondert den&#x017F;elben Weg. So geht es weiter, immer zu Fuße; &#x017F;olange nicht ein Jagdhund<lb/>
oder ein anderes vierfüßiges Raubthier &#x017F;törend dazwi&#x017F;chentritt oder ein breiter Fluß den Weg<lb/>
ab&#x017F;chneidet. Gelangt eine Truthahnge&#x017F;ell&#x017F;chaft ans Ufer eines &#x017F;olchen, &#x017F;o &#x017F;ammelt &#x017F;ie &#x017F;ich zunäch&#x017F;t<lb/>
auf dem höch&#x017F;ten-Punkte und verweilt hier manchmal Tage lang, gleich&#x017F;am berathend, ehe &#x017F;ie &#x017F;ich ent-<lb/>
&#x017F;chließt, überzu&#x017F;etzen. Die Männchen blähen &#x017F;ich auf und kollern, als ob &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t Muth einzu-<lb/>
&#x017F;prechen hätten, und die Weibchen und Jungen ahmen ihnen nach, &#x017F;o gut &#x017F;ie können, bis &#x017F;chließlich bei<lb/>
ruhigem Wetter das Wag&#x017F;tück unternommen und der Strom überflogen wird. Ein einziges &#x201E;Gluck&#x201C;<lb/><figure><head><hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Das Pfauentruthuhn</hi> (<hi rendition="#aq">Meleagris ocellata</hi>). <supplied>&#x2155;</supplied> der nat. Größe.</hi></head></figure><lb/>
des Leithahnes gibt das Zeichen, und die Flugrei&#x017F;e beginnt. Den alten Vögeln wird es nicht &#x017F;chwer,<lb/>
überzu&#x017F;etzen, &#x017F;elb&#x017F;t wenn der Fluß eine Meile breit &#x017F;ein &#x017F;ollte; die jüngeren und minder kräftigen aber<lb/>
fallen oft unterwegs auf das Wa&#x017F;&#x017F;er herab und mü&#x017F;&#x017F;en dann ver&#x017F;uchen, das Ufer &#x017F;chwimmend zu<lb/>
erreichen. Sie &#x017F;chließen dabei die Flügel fe&#x017F;t an den Leib, breiten den Schwanz, &#x017F;trecken den Hals<lb/>
nach vorn und greifen mit ihren Füßen &#x017F;oweit aus als &#x017F;ie können, kurz &#x017F;ie erreichen gewöhnlich das<lb/>
fe&#x017F;te Land. Die glückliche Rettung &#x017F;cheint &#x017F;ie aber förmlich zu verwirren; denn &#x017F;ie laufen anfänglich<lb/>
wie betäubt umher und verge&#x017F;&#x017F;en die ihnen &#x017F;on&#x017F;t eigene Vor&#x017F;icht oft &#x017F;o, daß &#x017F;ie dem Jäger leicht zur<lb/>
Beute fallen. Wenn &#x017F;ie in eine Gegend kommen, in welcher &#x017F;ie reichliche Beute finden, pflegen &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[485/0515] Truthuhn. Pfauentruthuhn. folgen abgeſondert denſelben Weg. So geht es weiter, immer zu Fuße; ſolange nicht ein Jagdhund oder ein anderes vierfüßiges Raubthier ſtörend dazwiſchentritt oder ein breiter Fluß den Weg abſchneidet. Gelangt eine Truthahngeſellſchaft ans Ufer eines ſolchen, ſo ſammelt ſie ſich zunächſt auf dem höchſten-Punkte und verweilt hier manchmal Tage lang, gleichſam berathend, ehe ſie ſich ent- ſchließt, überzuſetzen. Die Männchen blähen ſich auf und kollern, als ob ſie ſich ſelbſt Muth einzu- ſprechen hätten, und die Weibchen und Jungen ahmen ihnen nach, ſo gut ſie können, bis ſchließlich bei ruhigem Wetter das Wagſtück unternommen und der Strom überflogen wird. Ein einziges „Gluck“ [Abbildung Das Pfauentruthuhn (Meleagris ocellata). ⅕ der nat. Größe.] des Leithahnes gibt das Zeichen, und die Flugreiſe beginnt. Den alten Vögeln wird es nicht ſchwer, überzuſetzen, ſelbſt wenn der Fluß eine Meile breit ſein ſollte; die jüngeren und minder kräftigen aber fallen oft unterwegs auf das Waſſer herab und müſſen dann verſuchen, das Ufer ſchwimmend zu erreichen. Sie ſchließen dabei die Flügel feſt an den Leib, breiten den Schwanz, ſtrecken den Hals nach vorn und greifen mit ihren Füßen ſoweit aus als ſie können, kurz ſie erreichen gewöhnlich das feſte Land. Die glückliche Rettung ſcheint ſie aber förmlich zu verwirren; denn ſie laufen anfänglich wie betäubt umher und vergeſſen die ihnen ſonſt eigene Vorſicht oft ſo, daß ſie dem Jäger leicht zur Beute fallen. Wenn ſie in eine Gegend kommen, in welcher ſie reichliche Beute finden, pflegen ſie ſich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/515
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 485. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/515>, abgerufen am 22.11.2024.