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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Goldfasan.

Von dem Betragen des gefangenen Goldfasans darf man schließen, daß er in der Freiheit im
wesentlichen dieselbe Lebensweise führen wird wie andere seiner Verwandtschaft. Seine Vorliebe für
dichte Gebüsche, hohes Gras oder überhaupt schützende Pflanzen läßt vermuthen, daß er sich ähnliche
Orte wie der gemeine Fasan zu seinem Aufenthalte erwählt und hier ein ziemlich verstecktes Leben
führt. Unzweifelhaft aber zeigt er sich gewandter, behender und benimmt sich klüger und ver-
ständiger als der tölpelhafte Edelfasan; denn alle diese Eigenschaften bekundet er in der Gefangen-
schaft. Jch möchte ihn für den behendesten und klügsten unter sämmtlichen Fasanen erklären. Seine
Bewegungen sind höchst anmuthig. Der Lauf zeichnet sich durch schnelle und plötzliche Wendungen
aus. Er ist im Stande, Sätze auszuführen, welche wegen ihrer Leichtigkeit und Zierlichkeit wahrhaft
überraschen; er weiß sich durch die dichtesten Verzweigungen mit einer Behendigkeit hindurchzuwinden,
welche in Erstaunen setzt; er erhebt sich fliegend auch mit viel größerer Leichtigkeit als andere Fasanen.
Die Stimme, welche man übrigens selten vernimmt, ist ein sonderbares Zischen.

Von Hochgeistigkeit darf man auch beim Goldfasan nicht reden; insbesondere scheint die in
seiner Familie übliche Aengstlichkeit ihm in hohem Grade eigen zu sein. Wohl aber kann man
behaupten, daß er sich eher als andere in veränderte Verhältnisse fügt und sich leichter als diese
zähmen läßt. Jung Aufgezogene gewöhnen sich bald an ihren Pfleger und unterscheiden ihn, was
andere Fasanen nicht thun, mit untrüglicher Sicherheit von fremden Leuten. Alle diese Vorzüge des
Goldfasans werden Dem, der sich mit ihm genauer beschäftigt, sehr bald klar; gleichwohl ist er bei
weitem nicht Das, was er sein könnte. Es scheint fast, als ob die Liebhaber sich einbilden, daß
seine Zucht und Pflege besondere Schwierigkeiten habe, während Dies doch durchaus nicht der Fall
ist. Aber es hat sich eine falsche Ansicht über den Goldfasan nun einmal geltend gemacht und
förmlich eingebürgert. "Jn dem ziemlich allgemein verbreiteten Glauben", sagt Bodinus, "daß
unser Prachtvogel, aus dem warmen Asien stammend, durchaus nicht die Einflüsse der Witterung
unter unserm deutschen Himmel ertragen könne, sperren Viele denselben ein, wählen für sein Unter-
kommen eine Behausung aus, welche den Strahlen der Sonne möglichst ausgesetzt ist, vermeiden
ängstlich jede Nässe, suchen den Mangel der Sonnenwärme womöglich durch einen heißen Ofen zu
ersetzen und reichen, um hinreichende Kraft und Körperfülle zu erzielen, viel und schweres Körner-
futter. Bewegung hat der arme Vogel blos in geringem Maße; denn ein größerer Raum ist nur
mit vermehrtem Kostenaufwande abzusperren und in einem kleineren wird es eben möglich, die
Strahlen der Sonne recht kräftig auf denselben fallen zu lassen. Beobachtet man den Goldfasan
jedoch genauer, so wird man bald finden, daß eine solche Behandlung ihm gewiß nicht zusagen kann,
daß der trockene, von der Sonne ausgedörrte, heiße Sand, mit welchem man seinen Zwinger füllt,
durchaus keinen geeigneten Boden für ihn abgibt... Es ist also vollkommen verkehrt, wenn man
meint, der Vogel könne nur gesund bleiben, wenn er recht warm sitzt und womöglich den größten
Theil des Tages von den Strahlen der Sonne getroffen wird; es ist erst recht verkehrt, wenn man
meint, unter solchen Verhältnissen denselben mit dem kräftigsten und hitzigsten Körnerfutter pflegen
zu müssen. Jm allgemeinen liebt der Goldfasan eine gemäßigte Temperatur, er leidet sowohl bei
zu großer Hitze, wie bei zu großer Kälte, und ist nach meiner Erfahrung die erstere wegen Veran-
lassung unausbleiblicher Krankheiten noch mehr zu fürchten als letztere." Gewährt man unserm
Vogel einen verhältnißmäßig großen, theilweise mit Rasen belegten und ebenso mit dichtem Gebüsche
bepflanzten Raum, und reicht man ihm ein passendes, d. h. möglichst gemischtes, ebensowohl aus
thierischen als pflanzlichen Stoffen bestehendes Futter, so wird man ihn ebensoleicht erhalten und zur
Fortpflanzung bringen können wie jeden andern Fasan. Dabei hat man festzuhalten, daß er sich im
Frühlinge und Sommer vorzugsweise von grünen Pflanzenstoffen und Kerbthieren, im Winter aber
hauptsächlich von Körnern ernährt. Das Grünzeug kann feingeschnittener Kohl, Gras, Getreidesaat,
Salat und Wasserlinsen sein; die Kerbthiere kann man durch süßen, ausgepreßten Quark oder frischen
Käse, feingehacktes, mit aufgeweichtem Weißbrod vermischtes, rohes Fleisch ersetzen. Das Körnerfutter
muß soviel als möglich gemischt werden. Beeren und Obst der verschiedensten Art sind sehr zu empfehlen.

Brehm, Thierleben. IV. 30
Goldfaſan.

Von dem Betragen des gefangenen Goldfaſans darf man ſchließen, daß er in der Freiheit im
weſentlichen dieſelbe Lebensweiſe führen wird wie andere ſeiner Verwandtſchaft. Seine Vorliebe für
dichte Gebüſche, hohes Gras oder überhaupt ſchützende Pflanzen läßt vermuthen, daß er ſich ähnliche
Orte wie der gemeine Faſan zu ſeinem Aufenthalte erwählt und hier ein ziemlich verſtecktes Leben
führt. Unzweifelhaft aber zeigt er ſich gewandter, behender und benimmt ſich klüger und ver-
ſtändiger als der tölpelhafte Edelfaſan; denn alle dieſe Eigenſchaften bekundet er in der Gefangen-
ſchaft. Jch möchte ihn für den behendeſten und klügſten unter ſämmtlichen Faſanen erklären. Seine
Bewegungen ſind höchſt anmuthig. Der Lauf zeichnet ſich durch ſchnelle und plötzliche Wendungen
aus. Er iſt im Stande, Sätze auszuführen, welche wegen ihrer Leichtigkeit und Zierlichkeit wahrhaft
überraſchen; er weiß ſich durch die dichteſten Verzweigungen mit einer Behendigkeit hindurchzuwinden,
welche in Erſtaunen ſetzt; er erhebt ſich fliegend auch mit viel größerer Leichtigkeit als andere Faſanen.
Die Stimme, welche man übrigens ſelten vernimmt, iſt ein ſonderbares Ziſchen.

Von Hochgeiſtigkeit darf man auch beim Goldfaſan nicht reden; insbeſondere ſcheint die in
ſeiner Familie übliche Aengſtlichkeit ihm in hohem Grade eigen zu ſein. Wohl aber kann man
behaupten, daß er ſich eher als andere in veränderte Verhältniſſe fügt und ſich leichter als dieſe
zähmen läßt. Jung Aufgezogene gewöhnen ſich bald an ihren Pfleger und unterſcheiden ihn, was
andere Faſanen nicht thun, mit untrüglicher Sicherheit von fremden Leuten. Alle dieſe Vorzüge des
Goldfaſans werden Dem, der ſich mit ihm genauer beſchäftigt, ſehr bald klar; gleichwohl iſt er bei
weitem nicht Das, was er ſein könnte. Es ſcheint faſt, als ob die Liebhaber ſich einbilden, daß
ſeine Zucht und Pflege beſondere Schwierigkeiten habe, während Dies doch durchaus nicht der Fall
iſt. Aber es hat ſich eine falſche Anſicht über den Goldfaſan nun einmal geltend gemacht und
förmlich eingebürgert. „Jn dem ziemlich allgemein verbreiteten Glauben“, ſagt Bodinus, „daß
unſer Prachtvogel, aus dem warmen Aſien ſtammend, durchaus nicht die Einflüſſe der Witterung
unter unſerm deutſchen Himmel ertragen könne, ſperren Viele denſelben ein, wählen für ſein Unter-
kommen eine Behauſung aus, welche den Strahlen der Sonne möglichſt ausgeſetzt iſt, vermeiden
ängſtlich jede Näſſe, ſuchen den Mangel der Sonnenwärme womöglich durch einen heißen Ofen zu
erſetzen und reichen, um hinreichende Kraft und Körperfülle zu erzielen, viel und ſchweres Körner-
futter. Bewegung hat der arme Vogel blos in geringem Maße; denn ein größerer Raum iſt nur
mit vermehrtem Koſtenaufwande abzuſperren und in einem kleineren wird es eben möglich, die
Strahlen der Sonne recht kräftig auf denſelben fallen zu laſſen. Beobachtet man den Goldfaſan
jedoch genauer, ſo wird man bald finden, daß eine ſolche Behandlung ihm gewiß nicht zuſagen kann,
daß der trockene, von der Sonne ausgedörrte, heiße Sand, mit welchem man ſeinen Zwinger füllt,
durchaus keinen geeigneten Boden für ihn abgibt... Es iſt alſo vollkommen verkehrt, wenn man
meint, der Vogel könne nur geſund bleiben, wenn er recht warm ſitzt und womöglich den größten
Theil des Tages von den Strahlen der Sonne getroffen wird; es iſt erſt recht verkehrt, wenn man
meint, unter ſolchen Verhältniſſen denſelben mit dem kräftigſten und hitzigſten Körnerfutter pflegen
zu müſſen. Jm allgemeinen liebt der Goldfaſan eine gemäßigte Temperatur, er leidet ſowohl bei
zu großer Hitze, wie bei zu großer Kälte, und iſt nach meiner Erfahrung die erſtere wegen Veran-
laſſung unausbleiblicher Krankheiten noch mehr zu fürchten als letztere.“ Gewährt man unſerm
Vogel einen verhältnißmäßig großen, theilweiſe mit Raſen belegten und ebenſo mit dichtem Gebüſche
bepflanzten Raum, und reicht man ihm ein paſſendes, d. h. möglichſt gemiſchtes, ebenſowohl aus
thieriſchen als pflanzlichen Stoffen beſtehendes Futter, ſo wird man ihn ebenſoleicht erhalten und zur
Fortpflanzung bringen können wie jeden andern Faſan. Dabei hat man feſtzuhalten, daß er ſich im
Frühlinge und Sommer vorzugsweiſe von grünen Pflanzenſtoffen und Kerbthieren, im Winter aber
hauptſächlich von Körnern ernährt. Das Grünzeug kann feingeſchnittener Kohl, Gras, Getreideſaat,
Salat und Waſſerlinſen ſein; die Kerbthiere kann man durch ſüßen, ausgepreßten Quark oder friſchen
Käſe, feingehacktes, mit aufgeweichtem Weißbrod vermiſchtes, rohes Fleiſch erſetzen. Das Körnerfutter
muß ſoviel als möglich gemiſcht werden. Beeren und Obſt der verſchiedenſten Art ſind ſehr zu empfehlen.

Brehm, Thierleben. IV. 30
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[465/0493] Goldfaſan. Von dem Betragen des gefangenen Goldfaſans darf man ſchließen, daß er in der Freiheit im weſentlichen dieſelbe Lebensweiſe führen wird wie andere ſeiner Verwandtſchaft. Seine Vorliebe für dichte Gebüſche, hohes Gras oder überhaupt ſchützende Pflanzen läßt vermuthen, daß er ſich ähnliche Orte wie der gemeine Faſan zu ſeinem Aufenthalte erwählt und hier ein ziemlich verſtecktes Leben führt. Unzweifelhaft aber zeigt er ſich gewandter, behender und benimmt ſich klüger und ver- ſtändiger als der tölpelhafte Edelfaſan; denn alle dieſe Eigenſchaften bekundet er in der Gefangen- ſchaft. Jch möchte ihn für den behendeſten und klügſten unter ſämmtlichen Faſanen erklären. Seine Bewegungen ſind höchſt anmuthig. Der Lauf zeichnet ſich durch ſchnelle und plötzliche Wendungen aus. Er iſt im Stande, Sätze auszuführen, welche wegen ihrer Leichtigkeit und Zierlichkeit wahrhaft überraſchen; er weiß ſich durch die dichteſten Verzweigungen mit einer Behendigkeit hindurchzuwinden, welche in Erſtaunen ſetzt; er erhebt ſich fliegend auch mit viel größerer Leichtigkeit als andere Faſanen. Die Stimme, welche man übrigens ſelten vernimmt, iſt ein ſonderbares Ziſchen. Von Hochgeiſtigkeit darf man auch beim Goldfaſan nicht reden; insbeſondere ſcheint die in ſeiner Familie übliche Aengſtlichkeit ihm in hohem Grade eigen zu ſein. Wohl aber kann man behaupten, daß er ſich eher als andere in veränderte Verhältniſſe fügt und ſich leichter als dieſe zähmen läßt. Jung Aufgezogene gewöhnen ſich bald an ihren Pfleger und unterſcheiden ihn, was andere Faſanen nicht thun, mit untrüglicher Sicherheit von fremden Leuten. Alle dieſe Vorzüge des Goldfaſans werden Dem, der ſich mit ihm genauer beſchäftigt, ſehr bald klar; gleichwohl iſt er bei weitem nicht Das, was er ſein könnte. Es ſcheint faſt, als ob die Liebhaber ſich einbilden, daß ſeine Zucht und Pflege beſondere Schwierigkeiten habe, während Dies doch durchaus nicht der Fall iſt. Aber es hat ſich eine falſche Anſicht über den Goldfaſan nun einmal geltend gemacht und förmlich eingebürgert. „Jn dem ziemlich allgemein verbreiteten Glauben“, ſagt Bodinus, „daß unſer Prachtvogel, aus dem warmen Aſien ſtammend, durchaus nicht die Einflüſſe der Witterung unter unſerm deutſchen Himmel ertragen könne, ſperren Viele denſelben ein, wählen für ſein Unter- kommen eine Behauſung aus, welche den Strahlen der Sonne möglichſt ausgeſetzt iſt, vermeiden ängſtlich jede Näſſe, ſuchen den Mangel der Sonnenwärme womöglich durch einen heißen Ofen zu erſetzen und reichen, um hinreichende Kraft und Körperfülle zu erzielen, viel und ſchweres Körner- futter. Bewegung hat der arme Vogel blos in geringem Maße; denn ein größerer Raum iſt nur mit vermehrtem Koſtenaufwande abzuſperren und in einem kleineren wird es eben möglich, die Strahlen der Sonne recht kräftig auf denſelben fallen zu laſſen. Beobachtet man den Goldfaſan jedoch genauer, ſo wird man bald finden, daß eine ſolche Behandlung ihm gewiß nicht zuſagen kann, daß der trockene, von der Sonne ausgedörrte, heiße Sand, mit welchem man ſeinen Zwinger füllt, durchaus keinen geeigneten Boden für ihn abgibt... Es iſt alſo vollkommen verkehrt, wenn man meint, der Vogel könne nur geſund bleiben, wenn er recht warm ſitzt und womöglich den größten Theil des Tages von den Strahlen der Sonne getroffen wird; es iſt erſt recht verkehrt, wenn man meint, unter ſolchen Verhältniſſen denſelben mit dem kräftigſten und hitzigſten Körnerfutter pflegen zu müſſen. Jm allgemeinen liebt der Goldfaſan eine gemäßigte Temperatur, er leidet ſowohl bei zu großer Hitze, wie bei zu großer Kälte, und iſt nach meiner Erfahrung die erſtere wegen Veran- laſſung unausbleiblicher Krankheiten noch mehr zu fürchten als letztere.“ Gewährt man unſerm Vogel einen verhältnißmäßig großen, theilweiſe mit Raſen belegten und ebenſo mit dichtem Gebüſche bepflanzten Raum, und reicht man ihm ein paſſendes, d. h. möglichſt gemiſchtes, ebenſowohl aus thieriſchen als pflanzlichen Stoffen beſtehendes Futter, ſo wird man ihn ebenſoleicht erhalten und zur Fortpflanzung bringen können wie jeden andern Faſan. Dabei hat man feſtzuhalten, daß er ſich im Frühlinge und Sommer vorzugsweiſe von grünen Pflanzenſtoffen und Kerbthieren, im Winter aber hauptſächlich von Körnern ernährt. Das Grünzeug kann feingeſchnittener Kohl, Gras, Getreideſaat, Salat und Waſſerlinſen ſein; die Kerbthiere kann man durch ſüßen, ausgepreßten Quark oder friſchen Käſe, feingehacktes, mit aufgeweichtem Weißbrod vermiſchtes, rohes Fleiſch erſetzen. Das Körnerfutter muß ſoviel als möglich gemiſcht werden. Beeren und Obſt der verſchiedenſten Art ſind ſehr zu empfehlen. Brehm, Thierleben. IV. 30

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 465. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/493>, abgerufen am 22.11.2024.