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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Küstenhuhn.
ihrer Verwandten. Der Hahn ließ sich nicht sehen; doch zweifle ich nicht, daß auch er sich in der
Nähe befand."

"Die Küstenbewohner stellen gerade dieses Huhn sehr häufig, und zwar in Schlingen, wie man
mir sagte. Jn den Häusern mancher Europäer findet man es in der Gefangenschaft. Diese erträgt
es recht gut, bleibt aber immer wild und unbändig. Jch brachte einen Hahn mit mir nach
Europa. Die Jagd hat keine besonderen Schwierigkeiten und dürfte vor dem Hunde noch leichter
sein, als sie uns wurde. Wenn man im Halbmonde die Regenstrombetten abgeht, kann man dieses
Huhn in Menge erlegen; denn soviele auch in den Büschen sich wegstehlen, soviele kommen im Auf-
stehen dem Jäger vors Rohr. Sie vertragen aber einen sehr starken Schuß und entkommen
selbst todtwund noch häufig. Jhr Wildpret ist im höchsten Grade schmackhaft: es steht dem des
Perlhuhnes vollständig gleich."



Die Stelle der altweltlichen Feldhühner vertreten in Amerika die ihnen sehr ähnlichen Baum-
hühner
(Odontophori). Mit diesem Namen bezeichnen wir eine zahlreiche Familie, deren Mit-
glieder, bei aller Aehnlichkeit mit den altweltlichen Verwandten, doch etwas Selbständiges haben, obgleich
sich Das leichter ersehen als beschreiben läßt.

Die Baumhühner sind klein oder mittelgroß, zierlich gebaut, mittellang- oder kurzschwänzig, durch
kurzen, sehr hohen, seitlich zusammengedrückten, an der Schneide des Kiefers oft gezahnten Schnabel
und den hochläufigen, langzehigen, unbespornten Fuß ausgezeichnet. Jn dem mittellangen, aber noch
sehr zugerundeten Flügel pflegt die vierte, fünfte oder sechste Schwinge die längste zu sein; der
Schwanz wird gebildet von zwölf Federn, deren äußere mehr oder weniger verkürzt sind. Warzige,
lebhaft gefärbte Augenbrauen fehlen den Mitgliedern dieser Familie; eine nackte Stelle ums Auge
findet sich bei vielen. Das Gefieder ist reichhaltig, bei den meisten Arten nicht besonders lebhaft, bei
vielen aber doch sehr schön gefärbt und immer ansprechend gezeichnet.

Bis in die neuere Zeit war die Familie der Baumhühner noch wenig bekannt, und wir verdanken
erst' Gould eine genügende Kunde der verschiedenen Arten. Jn einem Prachtwerke des genannten
Forschers, welches die Schilderung unserer Hühner bezweckt, sind fünf und dreißig verschiedene Arten
dargestellt, und wenn auch die Selbständigkeit einiger von ihnen angezweifelt werden kann, so steht
uns doch andererseits die Entdeckung bisher noch unbekannter mit Sicherheit bevor: die angegebene
Artenzahl dürfte also eher zu niedrig als zu hoch gegriffen sein.

Mittelamerika ist als die eigentliche Heimat der Baumhühner zu betrachten; im Süden und im
Norden kommen verhältnißmäßig wenige von ihnen vor. Auch sie bewohnen die verschiedensten
Oertlichkeiten. Einige leben im Felde und in der Ebene, andere im Gebüsch, einzelne auch im Hoch-
walde; diese erinnern durch ihre Lebensweise an das Haselwild, jene an die Rebhühner, obwohl hierbei
fest gehalten werden muß, daß sie sämmtlich ihren Namen verdienen. Wesen und Eigenschaften
kennzeichnen den Kern der Familie als nahe Verwandte der Feldhühner, während diejenigen, welche
in ihrer Gestalt an die Haselhühner erinnern, diesen auch in der Lebensweise ähneln. Alle Baum-
hühner, ohne Ausnahme, sind hochbegabte, bewegliche, scharfsinnige und geistig befähigte Geschöpfe.
Sie laufen rasch und gewandt, fliegen leicht, wenn auch nicht ausdauernd, benehmen sich im Gezweig
der Bäume mit Geschick, sehen und hören scharf, bekunden eine verständige Beurtheilung wechselnder
Verhältnisse, lassen sich deshalb auch ohne besondere Schwierigkeit zähmen und an den Menschen
gewöhnen. Jhre Anmuth und Zierlichkeit wirbt ihnen in Jedem, der sie kennen lernt, einen Freund;
ihre Fruchtbarkeit und Unschädlichkeit hat bereits wohl begründete Hoffnungen für weitere Nutzung
erweckt. Mit vollständigem Rechte richtet sich gegenwärtig die allgemeine Aufmerksamkeit auf diese
Hühner. Man versucht diejenigen, welche den Norden Amerikas bewohnen, bei uns heimisch zu

Küſtenhuhn.
ihrer Verwandten. Der Hahn ließ ſich nicht ſehen; doch zweifle ich nicht, daß auch er ſich in der
Nähe befand.“

„Die Küſtenbewohner ſtellen gerade dieſes Huhn ſehr häufig, und zwar in Schlingen, wie man
mir ſagte. Jn den Häuſern mancher Europäer findet man es in der Gefangenſchaft. Dieſe erträgt
es recht gut, bleibt aber immer wild und unbändig. Jch brachte einen Hahn mit mir nach
Europa. Die Jagd hat keine beſonderen Schwierigkeiten und dürfte vor dem Hunde noch leichter
ſein, als ſie uns wurde. Wenn man im Halbmonde die Regenſtrombetten abgeht, kann man dieſes
Huhn in Menge erlegen; denn ſoviele auch in den Büſchen ſich wegſtehlen, ſoviele kommen im Auf-
ſtehen dem Jäger vors Rohr. Sie vertragen aber einen ſehr ſtarken Schuß und entkommen
ſelbſt todtwund noch häufig. Jhr Wildpret iſt im höchſten Grade ſchmackhaft: es ſteht dem des
Perlhuhnes vollſtändig gleich.“



Die Stelle der altweltlichen Feldhühner vertreten in Amerika die ihnen ſehr ähnlichen Baum-
hühner
(Odontophori). Mit dieſem Namen bezeichnen wir eine zahlreiche Familie, deren Mit-
glieder, bei aller Aehnlichkeit mit den altweltlichen Verwandten, doch etwas Selbſtändiges haben, obgleich
ſich Das leichter erſehen als beſchreiben läßt.

Die Baumhühner ſind klein oder mittelgroß, zierlich gebaut, mittellang- oder kurzſchwänzig, durch
kurzen, ſehr hohen, ſeitlich zuſammengedrückten, an der Schneide des Kiefers oft gezahnten Schnabel
und den hochläufigen, langzehigen, unbeſpornten Fuß ausgezeichnet. Jn dem mittellangen, aber noch
ſehr zugerundeten Flügel pflegt die vierte, fünfte oder ſechste Schwinge die längſte zu ſein; der
Schwanz wird gebildet von zwölf Federn, deren äußere mehr oder weniger verkürzt ſind. Warzige,
lebhaft gefärbte Augenbrauen fehlen den Mitgliedern dieſer Familie; eine nackte Stelle ums Auge
findet ſich bei vielen. Das Gefieder iſt reichhaltig, bei den meiſten Arten nicht beſonders lebhaft, bei
vielen aber doch ſehr ſchön gefärbt und immer anſprechend gezeichnet.

Bis in die neuere Zeit war die Familie der Baumhühner noch wenig bekannt, und wir verdanken
erſt’ Gould eine genügende Kunde der verſchiedenen Arten. Jn einem Prachtwerke des genannten
Forſchers, welches die Schilderung unſerer Hühner bezweckt, ſind fünf und dreißig verſchiedene Arten
dargeſtellt, und wenn auch die Selbſtändigkeit einiger von ihnen angezweifelt werden kann, ſo ſteht
uns doch andererſeits die Entdeckung bisher noch unbekannter mit Sicherheit bevor: die angegebene
Artenzahl dürfte alſo eher zu niedrig als zu hoch gegriffen ſein.

Mittelamerika iſt als die eigentliche Heimat der Baumhühner zu betrachten; im Süden und im
Norden kommen verhältnißmäßig wenige von ihnen vor. Auch ſie bewohnen die verſchiedenſten
Oertlichkeiten. Einige leben im Felde und in der Ebene, andere im Gebüſch, einzelne auch im Hoch-
walde; dieſe erinnern durch ihre Lebensweiſe an das Haſelwild, jene an die Rebhühner, obwohl hierbei
feſt gehalten werden muß, daß ſie ſämmtlich ihren Namen verdienen. Weſen und Eigenſchaften
kennzeichnen den Kern der Familie als nahe Verwandte der Feldhühner, während diejenigen, welche
in ihrer Geſtalt an die Haſelhühner erinnern, dieſen auch in der Lebensweiſe ähneln. Alle Baum-
hühner, ohne Ausnahme, ſind hochbegabte, bewegliche, ſcharfſinnige und geiſtig befähigte Geſchöpfe.
Sie laufen raſch und gewandt, fliegen leicht, wenn auch nicht ausdauernd, benehmen ſich im Gezweig
der Bäume mit Geſchick, ſehen und hören ſcharf, bekunden eine verſtändige Beurtheilung wechſelnder
Verhältniſſe, laſſen ſich deshalb auch ohne beſondere Schwierigkeit zähmen und an den Menſchen
gewöhnen. Jhre Anmuth und Zierlichkeit wirbt ihnen in Jedem, der ſie kennen lernt, einen Freund;
ihre Fruchtbarkeit und Unſchädlichkeit hat bereits wohl begründete Hoffnungen für weitere Nutzung
erweckt. Mit vollſtändigem Rechte richtet ſich gegenwärtig die allgemeine Aufmerkſamkeit auf dieſe
Hühner. Man verſucht diejenigen, welche den Norden Amerikas bewohnen, bei uns heimiſch zu

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[407/0435] Küſtenhuhn. ihrer Verwandten. Der Hahn ließ ſich nicht ſehen; doch zweifle ich nicht, daß auch er ſich in der Nähe befand.“ „Die Küſtenbewohner ſtellen gerade dieſes Huhn ſehr häufig, und zwar in Schlingen, wie man mir ſagte. Jn den Häuſern mancher Europäer findet man es in der Gefangenſchaft. Dieſe erträgt es recht gut, bleibt aber immer wild und unbändig. Jch brachte einen Hahn mit mir nach Europa. Die Jagd hat keine beſonderen Schwierigkeiten und dürfte vor dem Hunde noch leichter ſein, als ſie uns wurde. Wenn man im Halbmonde die Regenſtrombetten abgeht, kann man dieſes Huhn in Menge erlegen; denn ſoviele auch in den Büſchen ſich wegſtehlen, ſoviele kommen im Auf- ſtehen dem Jäger vors Rohr. Sie vertragen aber einen ſehr ſtarken Schuß und entkommen ſelbſt todtwund noch häufig. Jhr Wildpret iſt im höchſten Grade ſchmackhaft: es ſteht dem des Perlhuhnes vollſtändig gleich.“ Die Stelle der altweltlichen Feldhühner vertreten in Amerika die ihnen ſehr ähnlichen Baum- hühner (Odontophori). Mit dieſem Namen bezeichnen wir eine zahlreiche Familie, deren Mit- glieder, bei aller Aehnlichkeit mit den altweltlichen Verwandten, doch etwas Selbſtändiges haben, obgleich ſich Das leichter erſehen als beſchreiben läßt. Die Baumhühner ſind klein oder mittelgroß, zierlich gebaut, mittellang- oder kurzſchwänzig, durch kurzen, ſehr hohen, ſeitlich zuſammengedrückten, an der Schneide des Kiefers oft gezahnten Schnabel und den hochläufigen, langzehigen, unbeſpornten Fuß ausgezeichnet. Jn dem mittellangen, aber noch ſehr zugerundeten Flügel pflegt die vierte, fünfte oder ſechste Schwinge die längſte zu ſein; der Schwanz wird gebildet von zwölf Federn, deren äußere mehr oder weniger verkürzt ſind. Warzige, lebhaft gefärbte Augenbrauen fehlen den Mitgliedern dieſer Familie; eine nackte Stelle ums Auge findet ſich bei vielen. Das Gefieder iſt reichhaltig, bei den meiſten Arten nicht beſonders lebhaft, bei vielen aber doch ſehr ſchön gefärbt und immer anſprechend gezeichnet. Bis in die neuere Zeit war die Familie der Baumhühner noch wenig bekannt, und wir verdanken erſt’ Gould eine genügende Kunde der verſchiedenen Arten. Jn einem Prachtwerke des genannten Forſchers, welches die Schilderung unſerer Hühner bezweckt, ſind fünf und dreißig verſchiedene Arten dargeſtellt, und wenn auch die Selbſtändigkeit einiger von ihnen angezweifelt werden kann, ſo ſteht uns doch andererſeits die Entdeckung bisher noch unbekannter mit Sicherheit bevor: die angegebene Artenzahl dürfte alſo eher zu niedrig als zu hoch gegriffen ſein. Mittelamerika iſt als die eigentliche Heimat der Baumhühner zu betrachten; im Süden und im Norden kommen verhältnißmäßig wenige von ihnen vor. Auch ſie bewohnen die verſchiedenſten Oertlichkeiten. Einige leben im Felde und in der Ebene, andere im Gebüſch, einzelne auch im Hoch- walde; dieſe erinnern durch ihre Lebensweiſe an das Haſelwild, jene an die Rebhühner, obwohl hierbei feſt gehalten werden muß, daß ſie ſämmtlich ihren Namen verdienen. Weſen und Eigenſchaften kennzeichnen den Kern der Familie als nahe Verwandte der Feldhühner, während diejenigen, welche in ihrer Geſtalt an die Haſelhühner erinnern, dieſen auch in der Lebensweiſe ähneln. Alle Baum- hühner, ohne Ausnahme, ſind hochbegabte, bewegliche, ſcharfſinnige und geiſtig befähigte Geſchöpfe. Sie laufen raſch und gewandt, fliegen leicht, wenn auch nicht ausdauernd, benehmen ſich im Gezweig der Bäume mit Geſchick, ſehen und hören ſcharf, bekunden eine verſtändige Beurtheilung wechſelnder Verhältniſſe, laſſen ſich deshalb auch ohne beſondere Schwierigkeit zähmen und an den Menſchen gewöhnen. Jhre Anmuth und Zierlichkeit wirbt ihnen in Jedem, der ſie kennen lernt, einen Freund; ihre Fruchtbarkeit und Unſchädlichkeit hat bereits wohl begründete Hoffnungen für weitere Nutzung erweckt. Mit vollſtändigem Rechte richtet ſich gegenwärtig die allgemeine Aufmerkſamkeit auf dieſe Hühner. Man verſucht diejenigen, welche den Norden Amerikas bewohnen, bei uns heimiſch zu

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/435>, abgerufen am 18.05.2024.