anstatt des Hahnes eine Henne als Lockvogel und verfährt ganz in der eben beschriebenen Weise. Es erscheinen jetzt nur die ungetreuen oder unbeweibten Hähne, nähern sich mit hängenden Flügeln und gesträubten Kopf- und Nackenfedern, kurz, in der Balzstellung, dem Verstecke des Schützen, führen vor der Henne, die sie wohl hören, aber nicht sehen können, zierliche Tänze auf und werden dabei in der vollsten Jubellust des Lebens meuchlings getödtet. Der Jäger wartet, wenn ein Hahn erlegt wurde, ob sich ein zweiter zeigen will, und kann sicher darauf rechnen, daß, wenn noch ein Hahn im Umkreise einer Viertelstunde vorhanden ist, derselbe ebenfalls bald erscheinen wird; ja, es kommt vor, daß zwei, drei Hähne zu gleicher Zeit erscheinen, sich heftig bekämpfen und oft zugleich dem tödtlichen Schrot erliegen. Antwortet kein Hahn auf das fortgesetzte Rufen des Lockvogels, so verläßt der Jäger ruhig seinen Anstand, nähert sich langsam dem Käfige und zieht die Hülle darüber, liest die todten Hähne zusammen und sucht einen andern Platz zur Jagd auf. Man muß sorgfältig vermeiden, unmittelbar nach dem Schusse aus dem Verstecke hervorzuspringen, um etwa den getödteten Hahn aufzunehmen; denn dadurch wird der Lockvogel schen, ruft in der Regel nicht wieder, verliert sogar zuweilen seine Brauchbarkeit für immer. Hauptsächlich dieser Jagdart wegen wird das Rothhuhn in Spanien allgemein zahm gehalten. Jn gewissen Gegenden fehlt wohl in keinem Hause eine "Perdiz", und eifrige Jäger halten deren mehrere nach den Geschlechtern in verschiedenen Räumen und Käfigen. Ein guter Lockvogel wird theuer bezahlt, oft mit 140 bis 150 Thaler unseres Geldes; in ihm besteht zuweilen der gesammte Reichthum eines Jagdkundigen; denn gar nicht selten kommt es vor, daß ein einziger Schütze während der Zeit der "Reclamo" sechszig bis achtzig Paare Rothhühner erlegt. Zwar ist diese Jagd verboten; doch kümmert sich der Spanier um jedes andere Gesetz noch mehr als um das, welches gegeben wurde, um seiner Vernichtungswuth entgegenzutreten."
"Die zur Jagd bestimmten Rothhühner werden jahraus, jahrein in denselben kleinen Gebauern gehalten, in denen man sie später mit sich zur Jagd hinaus nimmt, und nur die eifrigsten Jäger lassen ihnen eigentliche Pflege angedeihen. Die große Menge behandelt sie nach unserer Ansicht ganz erbärmlich. Demungeachtet halten die Lockvögel jahrelang in solcher traurigen Gefangenschaft aus."
"Wirklich auffallend ist, daß man während des Hochsommers die so gewandten und behenden Rothhühner mit den Händen fangen kann. Ein mir bekannter Jäger verstand es ausgezeichnet, sich in dieser Weise ihrer zu bemächtigen. Er näherte sich in den Mittagsstunden einem vorher erkundeten Volke, jagte es auf, beobachtete dessen Flug und lief dann eilig nach der Gegend hin, auf welcher die Rebhühner einstiebten. Hier verfolgte er sie von neuem, brachte sie wiederum zum Fluge, ging ihnen zum zweiten Male nach und fuhr so fort, bis die Hühner gar nicht mehr sich erhoben, sondern laufend ihr Heil versuchten oder angstvoll sich zu Boden drückten und sich greifen ließen. Dieses Ergebniß wurde gewöhnlich schon nach drei- oder viermaligem Auftreiben erreicht!"
Leider hat man bei uns zu Lande dem Rothhuhne die Beachtung, welche es verdient, noch nicht geschenkt. Es ist durch den in Großbritannien angestellten Versuch zur Genüge bewiesen, daß dieses schöne, nützliche Wild sich in ihm ursprünglich fremden Gegenden einbürgern läßt; man hat auch erfahren, daß die Eier, wenn sie gut verpackt werden, den Versand von Südfrankreich bis zu uns aushalten, und ebenso die Fortpflanzung von Südeuropa eingeführter Paare im Käfige erzielt. Zwar hat man mehrere Male alte und junge Rothhühner bei uns ausgesetzt, sich aber durch die ersten ungünstigen Versuche abschrecken lassen. Die wenigen Vögel dieser Art, welche man freiließ, wurden regelmäßig schon nach einigen Tagen nicht mehr gesehen; sie hatten sich auf dem ihnen fremden Boden nicht zurechtfinden können oder waren durch Raubzeug verstört und gesprengt worden. Meiner Ansicht nach sind diese Versuche für die Möglichkeit der Einbürgerung in keiner Weise entscheidend, und deshalb kann es nur wünschenswerth sein, wenn sie bald und in großartigem Maßstabe erneuert werden. Diese Angelegenheit verdient mit Eifer betrieben zu werden, weil Roth- und Rebhühner einander wahrscheinlich nicht vertreiben oder stören, sondern im Gegentheile friedlich neben und zwischen einander leben dürften, und weil die Rothhühner gerade diejenigen Stellen, welche das Rebhuhn meidet, bevorzugen, also Gebiete, welche bis jetzt keinen Jagdertrag gaben, für uns nutzbar
Die Läufer. Scharrvögel. Feldhühner.
anſtatt des Hahnes eine Henne als Lockvogel und verfährt ganz in der eben beſchriebenen Weiſe. Es erſcheinen jetzt nur die ungetreuen oder unbeweibten Hähne, nähern ſich mit hängenden Flügeln und geſträubten Kopf- und Nackenfedern, kurz, in der Balzſtellung, dem Verſtecke des Schützen, führen vor der Henne, die ſie wohl hören, aber nicht ſehen können, zierliche Tänze auf und werden dabei in der vollſten Jubelluſt des Lebens meuchlings getödtet. Der Jäger wartet, wenn ein Hahn erlegt wurde, ob ſich ein zweiter zeigen will, und kann ſicher darauf rechnen, daß, wenn noch ein Hahn im Umkreiſe einer Viertelſtunde vorhanden iſt, derſelbe ebenfalls bald erſcheinen wird; ja, es kommt vor, daß zwei, drei Hähne zu gleicher Zeit erſcheinen, ſich heftig bekämpfen und oft zugleich dem tödtlichen Schrot erliegen. Antwortet kein Hahn auf das fortgeſetzte Rufen des Lockvogels, ſo verläßt der Jäger ruhig ſeinen Anſtand, nähert ſich langſam dem Käfige und zieht die Hülle darüber, lieſt die todten Hähne zuſammen und ſucht einen andern Platz zur Jagd auf. Man muß ſorgfältig vermeiden, unmittelbar nach dem Schuſſe aus dem Verſtecke hervorzuſpringen, um etwa den getödteten Hahn aufzunehmen; denn dadurch wird der Lockvogel ſchen, ruft in der Regel nicht wieder, verliert ſogar zuweilen ſeine Brauchbarkeit für immer. Hauptſächlich dieſer Jagdart wegen wird das Rothhuhn in Spanien allgemein zahm gehalten. Jn gewiſſen Gegenden fehlt wohl in keinem Hauſe eine „Perdiz“, und eifrige Jäger halten deren mehrere nach den Geſchlechtern in verſchiedenen Räumen und Käfigen. Ein guter Lockvogel wird theuer bezahlt, oft mit 140 bis 150 Thaler unſeres Geldes; in ihm beſteht zuweilen der geſammte Reichthum eines Jagdkundigen; denn gar nicht ſelten kommt es vor, daß ein einziger Schütze während der Zeit der „Reclamo“ ſechszig bis achtzig Paare Rothhühner erlegt. Zwar iſt dieſe Jagd verboten; doch kümmert ſich der Spanier um jedes andere Geſetz noch mehr als um das, welches gegeben wurde, um ſeiner Vernichtungswuth entgegenzutreten.“
„Die zur Jagd beſtimmten Rothhühner werden jahraus, jahrein in denſelben kleinen Gebauern gehalten, in denen man ſie ſpäter mit ſich zur Jagd hinaus nimmt, und nur die eifrigſten Jäger laſſen ihnen eigentliche Pflege angedeihen. Die große Menge behandelt ſie nach unſerer Anſicht ganz erbärmlich. Demungeachtet halten die Lockvögel jahrelang in ſolcher traurigen Gefangenſchaft aus.“
„Wirklich auffallend iſt, daß man während des Hochſommers die ſo gewandten und behenden Rothhühner mit den Händen fangen kann. Ein mir bekannter Jäger verſtand es ausgezeichnet, ſich in dieſer Weiſe ihrer zu bemächtigen. Er näherte ſich in den Mittagsſtunden einem vorher erkundeten Volke, jagte es auf, beobachtete deſſen Flug und lief dann eilig nach der Gegend hin, auf welcher die Rebhühner einſtiebten. Hier verfolgte er ſie von neuem, brachte ſie wiederum zum Fluge, ging ihnen zum zweiten Male nach und fuhr ſo fort, bis die Hühner gar nicht mehr ſich erhoben, ſondern laufend ihr Heil verſuchten oder angſtvoll ſich zu Boden drückten und ſich greifen ließen. Dieſes Ergebniß wurde gewöhnlich ſchon nach drei- oder viermaligem Auftreiben erreicht!“
Leider hat man bei uns zu Lande dem Rothhuhne die Beachtung, welche es verdient, noch nicht geſchenkt. Es iſt durch den in Großbritannien angeſtellten Verſuch zur Genüge bewieſen, daß dieſes ſchöne, nützliche Wild ſich in ihm urſprünglich fremden Gegenden einbürgern läßt; man hat auch erfahren, daß die Eier, wenn ſie gut verpackt werden, den Verſand von Südfrankreich bis zu uns aushalten, und ebenſo die Fortpflanzung von Südeuropa eingeführter Paare im Käfige erzielt. Zwar hat man mehrere Male alte und junge Rothhühner bei uns ausgeſetzt, ſich aber durch die erſten ungünſtigen Verſuche abſchrecken laſſen. Die wenigen Vögel dieſer Art, welche man freiließ, wurden regelmäßig ſchon nach einigen Tagen nicht mehr geſehen; ſie hatten ſich auf dem ihnen fremden Boden nicht zurechtfinden können oder waren durch Raubzeug verſtört und geſprengt worden. Meiner Anſicht nach ſind dieſe Verſuche für die Möglichkeit der Einbürgerung in keiner Weiſe entſcheidend, und deshalb kann es nur wünſchenswerth ſein, wenn ſie bald und in großartigem Maßſtabe erneuert werden. Dieſe Angelegenheit verdient mit Eifer betrieben zu werden, weil Roth- und Rebhühner einander wahrſcheinlich nicht vertreiben oder ſtören, ſondern im Gegentheile friedlich neben und zwiſchen einander leben dürften, und weil die Rothhühner gerade diejenigen Stellen, welche das Rebhuhn meidet, bevorzugen, alſo Gebiete, welche bis jetzt keinen Jagdertrag gaben, für uns nutzbar
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Die Läufer. Scharrvögel. Feldhühner.
anſtatt des Hahnes eine Henne als Lockvogel und verfährt ganz in der eben beſchriebenen Weiſe. Es
erſcheinen jetzt nur die ungetreuen oder unbeweibten Hähne, nähern ſich mit hängenden Flügeln und
geſträubten Kopf- und Nackenfedern, kurz, in der Balzſtellung, dem Verſtecke des Schützen, führen vor
der Henne, die ſie wohl hören, aber nicht ſehen können, zierliche Tänze auf und werden dabei in der
vollſten Jubelluſt des Lebens meuchlings getödtet. Der Jäger wartet, wenn ein Hahn erlegt wurde, ob
ſich ein zweiter zeigen will, und kann ſicher darauf rechnen, daß, wenn noch ein Hahn im Umkreiſe
einer Viertelſtunde vorhanden iſt, derſelbe ebenfalls bald erſcheinen wird; ja, es kommt vor, daß zwei,
drei Hähne zu gleicher Zeit erſcheinen, ſich heftig bekämpfen und oft zugleich dem tödtlichen Schrot
erliegen. Antwortet kein Hahn auf das fortgeſetzte Rufen des Lockvogels, ſo verläßt der Jäger
ruhig ſeinen Anſtand, nähert ſich langſam dem Käfige und zieht die Hülle darüber, lieſt die todten
Hähne zuſammen und ſucht einen andern Platz zur Jagd auf. Man muß ſorgfältig vermeiden,
unmittelbar nach dem Schuſſe aus dem Verſtecke hervorzuſpringen, um etwa den getödteten Hahn
aufzunehmen; denn dadurch wird der Lockvogel ſchen, ruft in der Regel nicht wieder, verliert ſogar
zuweilen ſeine Brauchbarkeit für immer. Hauptſächlich dieſer Jagdart wegen wird das Rothhuhn in
Spanien allgemein zahm gehalten. Jn gewiſſen Gegenden fehlt wohl in keinem Hauſe eine „Perdiz“,
und eifrige Jäger halten deren mehrere nach den Geſchlechtern in verſchiedenen Räumen und Käfigen.
Ein guter Lockvogel wird theuer bezahlt, oft mit 140 bis 150 Thaler unſeres Geldes; in ihm beſteht
zuweilen der geſammte Reichthum eines Jagdkundigen; denn gar nicht ſelten kommt es vor, daß ein
einziger Schütze während der Zeit der „Reclamo“ ſechszig bis achtzig Paare Rothhühner erlegt. Zwar
iſt dieſe Jagd verboten; doch kümmert ſich der Spanier um jedes andere Geſetz noch mehr als um
das, welches gegeben wurde, um ſeiner Vernichtungswuth entgegenzutreten.“
„Die zur Jagd beſtimmten Rothhühner werden jahraus, jahrein in denſelben kleinen Gebauern
gehalten, in denen man ſie ſpäter mit ſich zur Jagd hinaus nimmt, und nur die eifrigſten Jäger laſſen
ihnen eigentliche Pflege angedeihen. Die große Menge behandelt ſie nach unſerer Anſicht ganz
erbärmlich. Demungeachtet halten die Lockvögel jahrelang in ſolcher traurigen Gefangenſchaft aus.“
„Wirklich auffallend iſt, daß man während des Hochſommers die ſo gewandten und behenden
Rothhühner mit den Händen fangen kann. Ein mir bekannter Jäger verſtand es ausgezeichnet,
ſich in dieſer Weiſe ihrer zu bemächtigen. Er näherte ſich in den Mittagsſtunden einem vorher
erkundeten Volke, jagte es auf, beobachtete deſſen Flug und lief dann eilig nach der Gegend hin, auf
welcher die Rebhühner einſtiebten. Hier verfolgte er ſie von neuem, brachte ſie wiederum zum Fluge,
ging ihnen zum zweiten Male nach und fuhr ſo fort, bis die Hühner gar nicht mehr ſich erhoben,
ſondern laufend ihr Heil verſuchten oder angſtvoll ſich zu Boden drückten und ſich greifen ließen.
Dieſes Ergebniß wurde gewöhnlich ſchon nach drei- oder viermaligem Auftreiben erreicht!“
Leider hat man bei uns zu Lande dem Rothhuhne die Beachtung, welche es verdient, noch nicht
geſchenkt. Es iſt durch den in Großbritannien angeſtellten Verſuch zur Genüge bewieſen, daß dieſes
ſchöne, nützliche Wild ſich in ihm urſprünglich fremden Gegenden einbürgern läßt; man hat auch
erfahren, daß die Eier, wenn ſie gut verpackt werden, den Verſand von Südfrankreich bis zu uns
aushalten, und ebenſo die Fortpflanzung von Südeuropa eingeführter Paare im Käfige erzielt. Zwar
hat man mehrere Male alte und junge Rothhühner bei uns ausgeſetzt, ſich aber durch die erſten
ungünſtigen Verſuche abſchrecken laſſen. Die wenigen Vögel dieſer Art, welche man freiließ, wurden
regelmäßig ſchon nach einigen Tagen nicht mehr geſehen; ſie hatten ſich auf dem ihnen fremden Boden
nicht zurechtfinden können oder waren durch Raubzeug verſtört und geſprengt worden. Meiner
Anſicht nach ſind dieſe Verſuche für die Möglichkeit der Einbürgerung in keiner Weiſe entſcheidend,
und deshalb kann es nur wünſchenswerth ſein, wenn ſie bald und in großartigem Maßſtabe
erneuert werden. Dieſe Angelegenheit verdient mit Eifer betrieben zu werden, weil Roth- und
Rebhühner einander wahrſcheinlich nicht vertreiben oder ſtören, ſondern im Gegentheile friedlich neben
und zwiſchen einander leben dürften, und weil die Rothhühner gerade diejenigen Stellen, welche das
Rebhuhn meidet, bevorzugen, alſo Gebiete, welche bis jetzt keinen Jagdertrag gaben, für uns nutzbar
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/422>, abgerufen am 23.07.2024.
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