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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Läufer. Scharrvögel. Rauchfußhühner. Feldhühner.
feder stets die bunte Sommerfeder, nie die weiße Winterfeder fand, und oft Gelegenheit hatte, zu
beobachten, daß jene Winterfeder nach und nach von der Wurzel zur Spitze weiß wurde. Radde
berichtet die ihm auffallende Thatsache, daß einige von ihm erlegte Alpenschneehühner im östlichen
Sajangebirge schon am 12. Juni Federn der Unterseite, des Bauches und der Brust erneuerten und
bereits die Wintertracht anlegten. "Man sah besonders auf der Brust und am Halse die weißen
frischen, meistens noch blutspuligen Federn das bunte Sommerkleid durchsetzen; dagegen schoben sich
auf dem Rücken immer noch viel blutspulige Federn vor." Jch glaube, daß sich die scheinbar sich
widersprechenden Beobachtungen vereinigen lassen; denn ich habe neuerdings erfahren, daß gleichzeitig
mit der Mauser auch eine Verfärbung der Federn stattfinden kann, und wage es, diese Erfahrungen
auf das Schneehuhn zu beziehen, selbstverständlich ohne mir im Entferntesten den Anschein der Un-
fehlbarbeit geben zu wollen. Somit nehme ich an, daß die Hauptmauser des Alpenschneehuhnes in
den Herbst fällt, daß jedoch wahrscheinlich nicht alle Federn neu gebildet, sondern die im Laufe des
Sommers hervorgesproßten wenigstens theilweise umgefärbt werden; im Frühling erneuert sich dann
das Kleingefieder, und zwar geschieht Dies bei den Weibchen früher, als bei den Männchen. Die
Färbung dieser jetzt neugebildeten Federn ist jedoch keine bleibende, sondern im Gegentheil einem
mehrfachen Wechsel unterworfen. Uebrigens scheint soviel festzustehen, daß die Heimat des Schnee-
huhnes allerdings einen Einfluß auf die Mauser ausübt, da das Winterkleid mit Beginn des Winters,
das Sommerkleid mit Beginn des Sommers, das eine wie das andere also, je nach der Oertlichkeit,
früher oder später angelegt wird. Kurz vor der Herbstmauser wechseln die Alpenschneehühner auch
ihre Krallen.

Die Armuth und Unwirthlichkeit der Wohnplätze des Alpenschneehuhnes wird diesem nicht selten
verderblich. So anspruchlos es auch sein mag, so geschickt es Sturm und Wetter zu begegnen weiß:
aller Unbill der Witterung ist es doch nicht gewachsen. Wenn im Winter bei ruhiger Luft Tage lang
Schnee herunterfällt, wird unser Huhn kaum gefährdet: es läßt sich, wie schon bemerkt, einschneien,
oder es gräbt sich seine Gänge unter der weißen Decke, welche ihm dann noch zum Schutze werden
muß; wenn aber Lauinen von den Bergen herabrollen, wird manches von den Schneemassen erdrückt,
und wenn sich eine harte Eiskruste über die Schneedecke legt, muß manches verkümmern und dem
Hunger erliegen. Aber nicht blos die Natur tritt den harmlosen Vögeln hart, ja fast feindlich
entgegen, sondern auch und in viel höherem Grade der Mensch und das gesammte Raubgezücht. Jm
Auge der nordischen Völkerschaften erscheinen die Schneehühner als ein ihnen gespendeter Segen, wie
vom Himmel herabgeträufeltes Manna oder vom Ostwind herbeigewehte Wachteln einstmals den
Kindern Jsraels. Tausende und Hunderttausende werden alljährlich gefangen und zwar auf die
leichteste Art, welche es geben kann, dadurch, daß der Fänger sie einfach in die von ihm aufgestellte
Schlinge treibt; nicht wenige fallen dem mit dem Gewehre ausgerüsteten Jäger zur Beute, und
ebensoviele, wie die Menschen für sich beanspruchen mögen, müssen unter dem Zahne der Füchse und des
Vielfraßes oder in der Klaue der Jagdfalken und Schneeeulen verbluten. Ein Glück für die Hühner,
daß ihre Heimat ihnen ein großes Gebiet sichert, nach dem sich wenigstens ihr Hauptfeind, Mensch,
nicht verirrt.

Alt eingefangene Alpenschneehühner lassen sich zähmen, d. h. an ein Ersatzfutter und an den
Käfig gewöhnen, halten auch längere Zeit in der Gefangenschaft aus; junge hingegen sollen eine
so sorgfältige Pflege beanspruchen, daß ihre Aufzucht selten gelingt. Mehr weiß ich hierüber nicht
mitzutheilen; denn ich selbst habe niemals ein lebendes Alpenschneehuhn im Käfige gesehen.



Die Feldhühner (Perdices), welche eine der zahlreichsten Familien oder wenigstens Gruppen
der Ordnung bilden, unterscheiden sich von den Rauchfußhühnern durch ihre gestreckte Gestalt, den
verhältnißmäßig kleinen Kopf und die unbefiederten Läufe. Der Flügel, in welchem die dritte oder

Die Läufer. Scharrvögel. Rauchfußhühner. Feldhühner.
feder ſtets die bunte Sommerfeder, nie die weiße Winterfeder fand, und oft Gelegenheit hatte, zu
beobachten, daß jene Winterfeder nach und nach von der Wurzel zur Spitze weiß wurde. Radde
berichtet die ihm auffallende Thatſache, daß einige von ihm erlegte Alpenſchneehühner im öſtlichen
Sajangebirge ſchon am 12. Juni Federn der Unterſeite, des Bauches und der Bruſt erneuerten und
bereits die Wintertracht anlegten. „Man ſah beſonders auf der Bruſt und am Halſe die weißen
friſchen, meiſtens noch blutſpuligen Federn das bunte Sommerkleid durchſetzen; dagegen ſchoben ſich
auf dem Rücken immer noch viel blutſpulige Federn vor.“ Jch glaube, daß ſich die ſcheinbar ſich
widerſprechenden Beobachtungen vereinigen laſſen; denn ich habe neuerdings erfahren, daß gleichzeitig
mit der Mauſer auch eine Verfärbung der Federn ſtattfinden kann, und wage es, dieſe Erfahrungen
auf das Schneehuhn zu beziehen, ſelbſtverſtändlich ohne mir im Entfernteſten den Anſchein der Un-
fehlbarbeit geben zu wollen. Somit nehme ich an, daß die Hauptmauſer des Alpenſchneehuhnes in
den Herbſt fällt, daß jedoch wahrſcheinlich nicht alle Federn neu gebildet, ſondern die im Laufe des
Sommers hervorgeſproßten wenigſtens theilweiſe umgefärbt werden; im Frühling erneuert ſich dann
das Kleingefieder, und zwar geſchieht Dies bei den Weibchen früher, als bei den Männchen. Die
Färbung dieſer jetzt neugebildeten Federn iſt jedoch keine bleibende, ſondern im Gegentheil einem
mehrfachen Wechſel unterworfen. Uebrigens ſcheint ſoviel feſtzuſtehen, daß die Heimat des Schnee-
huhnes allerdings einen Einfluß auf die Mauſer ausübt, da das Winterkleid mit Beginn des Winters,
das Sommerkleid mit Beginn des Sommers, das eine wie das andere alſo, je nach der Oertlichkeit,
früher oder ſpäter angelegt wird. Kurz vor der Herbſtmauſer wechſeln die Alpenſchneehühner auch
ihre Krallen.

Die Armuth und Unwirthlichkeit der Wohnplätze des Alpenſchneehuhnes wird dieſem nicht ſelten
verderblich. So anſpruchlos es auch ſein mag, ſo geſchickt es Sturm und Wetter zu begegnen weiß:
aller Unbill der Witterung iſt es doch nicht gewachſen. Wenn im Winter bei ruhiger Luft Tage lang
Schnee herunterfällt, wird unſer Huhn kaum gefährdet: es läßt ſich, wie ſchon bemerkt, einſchneien,
oder es gräbt ſich ſeine Gänge unter der weißen Decke, welche ihm dann noch zum Schutze werden
muß; wenn aber Lauinen von den Bergen herabrollen, wird manches von den Schneemaſſen erdrückt,
und wenn ſich eine harte Eiskruſte über die Schneedecke legt, muß manches verkümmern und dem
Hunger erliegen. Aber nicht blos die Natur tritt den harmloſen Vögeln hart, ja faſt feindlich
entgegen, ſondern auch und in viel höherem Grade der Menſch und das geſammte Raubgezücht. Jm
Auge der nordiſchen Völkerſchaften erſcheinen die Schneehühner als ein ihnen geſpendeter Segen, wie
vom Himmel herabgeträufeltes Manna oder vom Oſtwind herbeigewehte Wachteln einſtmals den
Kindern Jsraels. Tauſende und Hunderttauſende werden alljährlich gefangen und zwar auf die
leichteſte Art, welche es geben kann, dadurch, daß der Fänger ſie einfach in die von ihm aufgeſtellte
Schlinge treibt; nicht wenige fallen dem mit dem Gewehre ausgerüſteten Jäger zur Beute, und
ebenſoviele, wie die Menſchen für ſich beanſpruchen mögen, müſſen unter dem Zahne der Füchſe und des
Vielfraßes oder in der Klaue der Jagdfalken und Schneeeulen verbluten. Ein Glück für die Hühner,
daß ihre Heimat ihnen ein großes Gebiet ſichert, nach dem ſich wenigſtens ihr Hauptfeind, Menſch,
nicht verirrt.

Alt eingefangene Alpenſchneehühner laſſen ſich zähmen, d. h. an ein Erſatzfutter und an den
Käfig gewöhnen, halten auch längere Zeit in der Gefangenſchaft aus; junge hingegen ſollen eine
ſo ſorgfältige Pflege beanſpruchen, daß ihre Aufzucht ſelten gelingt. Mehr weiß ich hierüber nicht
mitzutheilen; denn ich ſelbſt habe niemals ein lebendes Alpenſchneehuhn im Käfige geſehen.



Die Feldhühner (Perdices), welche eine der zahlreichſten Familien oder wenigſtens Gruppen
der Ordnung bilden, unterſcheiden ſich von den Rauchfußhühnern durch ihre geſtreckte Geſtalt, den
verhältnißmäßig kleinen Kopf und die unbefiederten Läufe. Der Flügel, in welchem die dritte oder

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[382/0410] Die Läufer. Scharrvögel. Rauchfußhühner. Feldhühner. feder ſtets die bunte Sommerfeder, nie die weiße Winterfeder fand, und oft Gelegenheit hatte, zu beobachten, daß jene Winterfeder nach und nach von der Wurzel zur Spitze weiß wurde. Radde berichtet die ihm auffallende Thatſache, daß einige von ihm erlegte Alpenſchneehühner im öſtlichen Sajangebirge ſchon am 12. Juni Federn der Unterſeite, des Bauches und der Bruſt erneuerten und bereits die Wintertracht anlegten. „Man ſah beſonders auf der Bruſt und am Halſe die weißen friſchen, meiſtens noch blutſpuligen Federn das bunte Sommerkleid durchſetzen; dagegen ſchoben ſich auf dem Rücken immer noch viel blutſpulige Federn vor.“ Jch glaube, daß ſich die ſcheinbar ſich widerſprechenden Beobachtungen vereinigen laſſen; denn ich habe neuerdings erfahren, daß gleichzeitig mit der Mauſer auch eine Verfärbung der Federn ſtattfinden kann, und wage es, dieſe Erfahrungen auf das Schneehuhn zu beziehen, ſelbſtverſtändlich ohne mir im Entfernteſten den Anſchein der Un- fehlbarbeit geben zu wollen. Somit nehme ich an, daß die Hauptmauſer des Alpenſchneehuhnes in den Herbſt fällt, daß jedoch wahrſcheinlich nicht alle Federn neu gebildet, ſondern die im Laufe des Sommers hervorgeſproßten wenigſtens theilweiſe umgefärbt werden; im Frühling erneuert ſich dann das Kleingefieder, und zwar geſchieht Dies bei den Weibchen früher, als bei den Männchen. Die Färbung dieſer jetzt neugebildeten Federn iſt jedoch keine bleibende, ſondern im Gegentheil einem mehrfachen Wechſel unterworfen. Uebrigens ſcheint ſoviel feſtzuſtehen, daß die Heimat des Schnee- huhnes allerdings einen Einfluß auf die Mauſer ausübt, da das Winterkleid mit Beginn des Winters, das Sommerkleid mit Beginn des Sommers, das eine wie das andere alſo, je nach der Oertlichkeit, früher oder ſpäter angelegt wird. Kurz vor der Herbſtmauſer wechſeln die Alpenſchneehühner auch ihre Krallen. Die Armuth und Unwirthlichkeit der Wohnplätze des Alpenſchneehuhnes wird dieſem nicht ſelten verderblich. So anſpruchlos es auch ſein mag, ſo geſchickt es Sturm und Wetter zu begegnen weiß: aller Unbill der Witterung iſt es doch nicht gewachſen. Wenn im Winter bei ruhiger Luft Tage lang Schnee herunterfällt, wird unſer Huhn kaum gefährdet: es läßt ſich, wie ſchon bemerkt, einſchneien, oder es gräbt ſich ſeine Gänge unter der weißen Decke, welche ihm dann noch zum Schutze werden muß; wenn aber Lauinen von den Bergen herabrollen, wird manches von den Schneemaſſen erdrückt, und wenn ſich eine harte Eiskruſte über die Schneedecke legt, muß manches verkümmern und dem Hunger erliegen. Aber nicht blos die Natur tritt den harmloſen Vögeln hart, ja faſt feindlich entgegen, ſondern auch und in viel höherem Grade der Menſch und das geſammte Raubgezücht. Jm Auge der nordiſchen Völkerſchaften erſcheinen die Schneehühner als ein ihnen geſpendeter Segen, wie vom Himmel herabgeträufeltes Manna oder vom Oſtwind herbeigewehte Wachteln einſtmals den Kindern Jsraels. Tauſende und Hunderttauſende werden alljährlich gefangen und zwar auf die leichteſte Art, welche es geben kann, dadurch, daß der Fänger ſie einfach in die von ihm aufgeſtellte Schlinge treibt; nicht wenige fallen dem mit dem Gewehre ausgerüſteten Jäger zur Beute, und ebenſoviele, wie die Menſchen für ſich beanſpruchen mögen, müſſen unter dem Zahne der Füchſe und des Vielfraßes oder in der Klaue der Jagdfalken und Schneeeulen verbluten. Ein Glück für die Hühner, daß ihre Heimat ihnen ein großes Gebiet ſichert, nach dem ſich wenigſtens ihr Hauptfeind, Menſch, nicht verirrt. Alt eingefangene Alpenſchneehühner laſſen ſich zähmen, d. h. an ein Erſatzfutter und an den Käfig gewöhnen, halten auch längere Zeit in der Gefangenſchaft aus; junge hingegen ſollen eine ſo ſorgfältige Pflege beanſpruchen, daß ihre Aufzucht ſelten gelingt. Mehr weiß ich hierüber nicht mitzutheilen; denn ich ſelbſt habe niemals ein lebendes Alpenſchneehuhn im Käfige geſehen. Die Feldhühner (Perdices), welche eine der zahlreichſten Familien oder wenigſtens Gruppen der Ordnung bilden, unterſcheiden ſich von den Rauchfußhühnern durch ihre geſtreckte Geſtalt, den verhältnißmäßig kleinen Kopf und die unbefiederten Läufe. Der Flügel, in welchem die dritte oder

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/410>, abgerufen am 18.05.2024.