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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Prairiehuhn.
Kentucky verlassen und ziehen sich, wie die Jndianer, weiter und weiter nach Westen zurück, um den
Mordgelüsten des weißen Mannes zu entgehen. Jn den östlichen Staaten, wo sie noch vorhanden
sind, danken sie ihr Bestehen nur Jagdgesetzen, welche man zu ihrem Schutze erlassen hat. Der
Jäger, welcher sie noch in Masse finden will, muß weit nach Westen ziehen; denn auch gegen-
wärtig noch währt die Verfolgung fort, und dieselbe Klage, welche Audubon aussprach, gilt
heute noch.

Abweichend von den bisher beschriebenen Familienverwandten bevorzugt das Prairiehuhn wald-
und baumlose Ebenen allen übrigen Strichen und verdient also den ihm ertheilten Namen. Dürre,
sandige Strecken, welche nur spärlich mit Buschwerk bestanden, aber mit Gras bewachsen sind, bilden
seinen Aufenthaltsort; von dem bebauten Lande zieht es sich jedoch nicht zurück, sondern sucht Felder
eher auf, weil sie ihm reichliche Nahrung gewähren. Mehr als andere Rauchfußhühner gleicher
Größe ist es auf den Boden gebannt; es bäumt höchstens, um Beeren und Früchte von Büschen und
Bäumen abzupflücken oder bei sehr schwerem Wetter; denn auch die Nacht verbringt es in der Tiefe
zwischen Gras und Gestrüpp. Jm Winter tritt es Streifzüge an, welche man in gewissem Sinne
Wanderungen nennen kann, weil sie einigermaßen regelmäßig geschehen; doch haben sie blos den
Zweck, günstige Weideplätze aufzusuchen und werden deshalb auch keineswegs überall, sondern nur
hier und da und in gewissen Wintern ausgeführt, sodaß viele Jäger unsere Hühner mit Recht als
Standwild ansehen.

Jn seinen Bewegungen erinnert dieses Geflügel vielfach an unser Haushuhn; es ist plumper
und schwerfälliger als das zierliche Haselhuhn. Wenn es plötzlich gestört wird, erhebt es sich; wenn
es aber den Verfolger von fern wahrnimmt, und der Raum vor ihm offen ist, läuft es mit größter
Eile davon, einem der nächsten Grasbüsche oder Buschdickichte zu, verbirgt sich hier und drückt sich,
bis ihm der Jäger sehr nahe kommt. Auf frisch gepflügten Feldern sah es Audubon mit aller
Macht unter Zuhilfenahme der Flügel dahinrennen, hinter größeren Schollen sich niederdrücken und
dann wie durch Zauberei aus dem Auge verschwinden. Auf dicken Baumzweigen bewegt es sich mit
Geschick, auf schwächeren erhält es sich nur mit Hilfe der Flügel im Gleichgewicht. Der Flug ist
kräftig, regelmäßig und ziemlich schnell, auch recht anhaltend -- zuweilen fliegt das Prairiehuhn
mehrere Meilen weit in einem Zuge -- das Schwingengeräusch minder laut als bei andern Rauch-
fußhühnern. Es bewegt sich durch die Luft mit wiederholten Flügelschlägen, auf welche dann ein
langsames Gleiten, bei stark niedergebeugten Schwingen, folgt; währenddem pflegt es das unter
ihm liegende Gebiet zu übersehen. Beim Aufstehen ruft es gewöhnlich vier- oder fünfmal nach
einander. Von dem Hunde läßt es sich nicht stellen; es sucht lieber sein Heil in der Flucht, und
erhebt sich wo möglich in weiter Entfernung von dem Schützen.

Die gewöhnliche Stimme des Prairiehuhnes unterscheidet sich wenig von der unseres Haus-
huhnes; während der Paarungszeit aber läßt der Hahn höchst eigenthümliche Laute vernehmen. Er
bläst die Luftsäcke zu beiden Seiten des Halses auf, sodaß sie in Gestalt, Farbe und Größe einer
kleinen Orange ähneln, biegt den Kopf zum Boden herab, öffnet den Schnabel und stößt nach
einander mehrere, bald lauter, bald schwächer rollende Töne aus, welche denen einer großen
Trommel nicht ganz unähnlich sind; hierauf erhebt er sich, füllt die Luftsäcke von neuem und beginnt
wiederum zu "tuten". An einem Prairiehahne, welchen Audubon zahm hielt, bemerkte er, daß die
Luftsäcke nach dem Ausstoßen jener Töne ihre Rundung verloren und einen Augenblick lang wie
geborstene Blasen aussahen, aber nach wenigen Sekunden wieder ihre Fülle erlangt hatten. Dies
veranlaßte ihn, die Luftsäcke vermittelst einer Nadel zu öffnen, und das Ergebniß war, daß der Vogel
jene Laute nicht mehr hervorbringen konnte. Ein Hahn, bei welchem unser Forscher nur eine Zelle
geöffnet hatte, vermochte noch zu tuten; die Laute waren aber viel schwächer als früher. Sobald die
Paarungs- und Kampfzeit vorüber ist, schrumpfen die Luftsäcke zusammen, und während des Herbstes
und Winters haben sie sich bedeutend verringert. Bei jungen Hähnen treten sie mit Ausgang des
ersten Winters in Thätigkeit, vergrößern sich aber noch mit den Jahren mehr und mehr.

Prairiehuhn.
Kentucky verlaſſen und ziehen ſich, wie die Jndianer, weiter und weiter nach Weſten zurück, um den
Mordgelüſten des weißen Mannes zu entgehen. Jn den öſtlichen Staaten, wo ſie noch vorhanden
ſind, danken ſie ihr Beſtehen nur Jagdgeſetzen, welche man zu ihrem Schutze erlaſſen hat. Der
Jäger, welcher ſie noch in Maſſe finden will, muß weit nach Weſten ziehen; denn auch gegen-
wärtig noch währt die Verfolgung fort, und dieſelbe Klage, welche Audubon ausſprach, gilt
heute noch.

Abweichend von den bisher beſchriebenen Familienverwandten bevorzugt das Prairiehuhn wald-
und baumloſe Ebenen allen übrigen Strichen und verdient alſo den ihm ertheilten Namen. Dürre,
ſandige Strecken, welche nur ſpärlich mit Buſchwerk beſtanden, aber mit Gras bewachſen ſind, bilden
ſeinen Aufenthaltsort; von dem bebauten Lande zieht es ſich jedoch nicht zurück, ſondern ſucht Felder
eher auf, weil ſie ihm reichliche Nahrung gewähren. Mehr als andere Rauchfußhühner gleicher
Größe iſt es auf den Boden gebannt; es bäumt höchſtens, um Beeren und Früchte von Büſchen und
Bäumen abzupflücken oder bei ſehr ſchwerem Wetter; denn auch die Nacht verbringt es in der Tiefe
zwiſchen Gras und Geſtrüpp. Jm Winter tritt es Streifzüge an, welche man in gewiſſem Sinne
Wanderungen nennen kann, weil ſie einigermaßen regelmäßig geſchehen; doch haben ſie blos den
Zweck, günſtige Weideplätze aufzuſuchen und werden deshalb auch keineswegs überall, ſondern nur
hier und da und in gewiſſen Wintern ausgeführt, ſodaß viele Jäger unſere Hühner mit Recht als
Standwild anſehen.

Jn ſeinen Bewegungen erinnert dieſes Geflügel vielfach an unſer Haushuhn; es iſt plumper
und ſchwerfälliger als das zierliche Haſelhuhn. Wenn es plötzlich geſtört wird, erhebt es ſich; wenn
es aber den Verfolger von fern wahrnimmt, und der Raum vor ihm offen iſt, läuft es mit größter
Eile davon, einem der nächſten Grasbüſche oder Buſchdickichte zu, verbirgt ſich hier und drückt ſich,
bis ihm der Jäger ſehr nahe kommt. Auf friſch gepflügten Feldern ſah es Audubon mit aller
Macht unter Zuhilfenahme der Flügel dahinrennen, hinter größeren Schollen ſich niederdrücken und
dann wie durch Zauberei aus dem Auge verſchwinden. Auf dicken Baumzweigen bewegt es ſich mit
Geſchick, auf ſchwächeren erhält es ſich nur mit Hilfe der Flügel im Gleichgewicht. Der Flug iſt
kräftig, regelmäßig und ziemlich ſchnell, auch recht anhaltend — zuweilen fliegt das Prairiehuhn
mehrere Meilen weit in einem Zuge — das Schwingengeräuſch minder laut als bei andern Rauch-
fußhühnern. Es bewegt ſich durch die Luft mit wiederholten Flügelſchlägen, auf welche dann ein
langſames Gleiten, bei ſtark niedergebeugten Schwingen, folgt; währenddem pflegt es das unter
ihm liegende Gebiet zu überſehen. Beim Aufſtehen ruft es gewöhnlich vier- oder fünfmal nach
einander. Von dem Hunde läßt es ſich nicht ſtellen; es ſucht lieber ſein Heil in der Flucht, und
erhebt ſich wo möglich in weiter Entfernung von dem Schützen.

Die gewöhnliche Stimme des Prairiehuhnes unterſcheidet ſich wenig von der unſeres Haus-
huhnes; während der Paarungszeit aber läßt der Hahn höchſt eigenthümliche Laute vernehmen. Er
bläſt die Luftſäcke zu beiden Seiten des Halſes auf, ſodaß ſie in Geſtalt, Farbe und Größe einer
kleinen Orange ähneln, biegt den Kopf zum Boden herab, öffnet den Schnabel und ſtößt nach
einander mehrere, bald lauter, bald ſchwächer rollende Töne aus, welche denen einer großen
Trommel nicht ganz unähnlich ſind; hierauf erhebt er ſich, füllt die Luftſäcke von neuem und beginnt
wiederum zu „tuten“. An einem Prairiehahne, welchen Audubon zahm hielt, bemerkte er, daß die
Luftſäcke nach dem Ausſtoßen jener Töne ihre Rundung verloren und einen Augenblick lang wie
geborſtene Blaſen ausſahen, aber nach wenigen Sekunden wieder ihre Fülle erlangt hatten. Dies
veranlaßte ihn, die Luftſäcke vermittelſt einer Nadel zu öffnen, und das Ergebniß war, daß der Vogel
jene Laute nicht mehr hervorbringen konnte. Ein Hahn, bei welchem unſer Forſcher nur eine Zelle
geöffnet hatte, vermochte noch zu tuten; die Laute waren aber viel ſchwächer als früher. Sobald die
Paarungs- und Kampfzeit vorüber iſt, ſchrumpfen die Luftſäcke zuſammen, und während des Herbſtes
und Winters haben ſie ſich bedeutend verringert. Bei jungen Hähnen treten ſie mit Ausgang des
erſten Winters in Thätigkeit, vergrößern ſich aber noch mit den Jahren mehr und mehr.

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[363/0391] Prairiehuhn. Kentucky verlaſſen und ziehen ſich, wie die Jndianer, weiter und weiter nach Weſten zurück, um den Mordgelüſten des weißen Mannes zu entgehen. Jn den öſtlichen Staaten, wo ſie noch vorhanden ſind, danken ſie ihr Beſtehen nur Jagdgeſetzen, welche man zu ihrem Schutze erlaſſen hat. Der Jäger, welcher ſie noch in Maſſe finden will, muß weit nach Weſten ziehen; denn auch gegen- wärtig noch währt die Verfolgung fort, und dieſelbe Klage, welche Audubon ausſprach, gilt heute noch. Abweichend von den bisher beſchriebenen Familienverwandten bevorzugt das Prairiehuhn wald- und baumloſe Ebenen allen übrigen Strichen und verdient alſo den ihm ertheilten Namen. Dürre, ſandige Strecken, welche nur ſpärlich mit Buſchwerk beſtanden, aber mit Gras bewachſen ſind, bilden ſeinen Aufenthaltsort; von dem bebauten Lande zieht es ſich jedoch nicht zurück, ſondern ſucht Felder eher auf, weil ſie ihm reichliche Nahrung gewähren. Mehr als andere Rauchfußhühner gleicher Größe iſt es auf den Boden gebannt; es bäumt höchſtens, um Beeren und Früchte von Büſchen und Bäumen abzupflücken oder bei ſehr ſchwerem Wetter; denn auch die Nacht verbringt es in der Tiefe zwiſchen Gras und Geſtrüpp. Jm Winter tritt es Streifzüge an, welche man in gewiſſem Sinne Wanderungen nennen kann, weil ſie einigermaßen regelmäßig geſchehen; doch haben ſie blos den Zweck, günſtige Weideplätze aufzuſuchen und werden deshalb auch keineswegs überall, ſondern nur hier und da und in gewiſſen Wintern ausgeführt, ſodaß viele Jäger unſere Hühner mit Recht als Standwild anſehen. Jn ſeinen Bewegungen erinnert dieſes Geflügel vielfach an unſer Haushuhn; es iſt plumper und ſchwerfälliger als das zierliche Haſelhuhn. Wenn es plötzlich geſtört wird, erhebt es ſich; wenn es aber den Verfolger von fern wahrnimmt, und der Raum vor ihm offen iſt, läuft es mit größter Eile davon, einem der nächſten Grasbüſche oder Buſchdickichte zu, verbirgt ſich hier und drückt ſich, bis ihm der Jäger ſehr nahe kommt. Auf friſch gepflügten Feldern ſah es Audubon mit aller Macht unter Zuhilfenahme der Flügel dahinrennen, hinter größeren Schollen ſich niederdrücken und dann wie durch Zauberei aus dem Auge verſchwinden. Auf dicken Baumzweigen bewegt es ſich mit Geſchick, auf ſchwächeren erhält es ſich nur mit Hilfe der Flügel im Gleichgewicht. Der Flug iſt kräftig, regelmäßig und ziemlich ſchnell, auch recht anhaltend — zuweilen fliegt das Prairiehuhn mehrere Meilen weit in einem Zuge — das Schwingengeräuſch minder laut als bei andern Rauch- fußhühnern. Es bewegt ſich durch die Luft mit wiederholten Flügelſchlägen, auf welche dann ein langſames Gleiten, bei ſtark niedergebeugten Schwingen, folgt; währenddem pflegt es das unter ihm liegende Gebiet zu überſehen. Beim Aufſtehen ruft es gewöhnlich vier- oder fünfmal nach einander. Von dem Hunde läßt es ſich nicht ſtellen; es ſucht lieber ſein Heil in der Flucht, und erhebt ſich wo möglich in weiter Entfernung von dem Schützen. Die gewöhnliche Stimme des Prairiehuhnes unterſcheidet ſich wenig von der unſeres Haus- huhnes; während der Paarungszeit aber läßt der Hahn höchſt eigenthümliche Laute vernehmen. Er bläſt die Luftſäcke zu beiden Seiten des Halſes auf, ſodaß ſie in Geſtalt, Farbe und Größe einer kleinen Orange ähneln, biegt den Kopf zum Boden herab, öffnet den Schnabel und ſtößt nach einander mehrere, bald lauter, bald ſchwächer rollende Töne aus, welche denen einer großen Trommel nicht ganz unähnlich ſind; hierauf erhebt er ſich, füllt die Luftſäcke von neuem und beginnt wiederum zu „tuten“. An einem Prairiehahne, welchen Audubon zahm hielt, bemerkte er, daß die Luftſäcke nach dem Ausſtoßen jener Töne ihre Rundung verloren und einen Augenblick lang wie geborſtene Blaſen ausſahen, aber nach wenigen Sekunden wieder ihre Fülle erlangt hatten. Dies veranlaßte ihn, die Luftſäcke vermittelſt einer Nadel zu öffnen, und das Ergebniß war, daß der Vogel jene Laute nicht mehr hervorbringen konnte. Ein Hahn, bei welchem unſer Forſcher nur eine Zelle geöffnet hatte, vermochte noch zu tuten; die Laute waren aber viel ſchwächer als früher. Sobald die Paarungs- und Kampfzeit vorüber iſt, ſchrumpfen die Luftſäcke zuſammen, und während des Herbſtes und Winters haben ſie ſich bedeutend verringert. Bei jungen Hähnen treten ſie mit Ausgang des erſten Winters in Thätigkeit, vergrößern ſich aber noch mit den Jahren mehr und mehr.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/391>, abgerufen am 25.11.2024.