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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Haselhuhn.

Hinsichtlich der Sinnesanlagen und geistigen Fähigkeiten steht das Haselhuhn mit dem Birk-
huhne ungefähr auf gleicher Stufe; sein Wesen und seine Lebensart unterscheidet es aber wesentlich
von letzterem. Es gehört nicht zu den Hühnern, welche in Vielehigkeit leben, sondern hält sich paar-
und familienweise zusammen. Schon im September wählt sich der junge Hahn eine Gefährtin, ohne
jedoch die Kette zu verlassen; gegen das Frühjahr hin trennt er sich mit ihr, um zur Fortpflanzung
zu schreiten. Auch er hat eine Balze, wie Auer- und Birkhahn, tanzt aber nicht in der ausdrucks-
vollen Weise, wie die genannten, sondern begnügt sich, durch Aufrichten seiner Scheitel-, Ohr- und
Kehlfedern und sehr lebhaftes Trillern und Pfeifen der Gattin seine Gefühle kundzugeben. Wenn
er recht hitzig ist, pfeift und trillert er von Sonnenuntergang an fast die ganze Nacht hindurch bis
zum späten Morgen; dabei steht er gewöhnlich auf einem geeigneten Baume in mittlerer Höhe der
Krone und die Hennen auf einem benachbarten; denn zum Boden herab kommt der balzende Hahn
nur unmittelbar vor der Begattung. Die Henne soll um diese Zeit den Hahn so an sich zu
fesseln wissen, daß er sie keinen Augenblick verläßt und sich nicht einmal durch das Pfeifen anderer
Hähne zu Kampf und Streit verlocken läßt, während er sonst einer derartigen Aufforderung unter
allen Umständen nachkommt. Erst wenn die Henne brütet, wird seine Kampflust wieder rege oder
doch bemerklich.

Am Fortpflanzungsgeschäft nimmt der Hahn wenigstens in einem gewissen Grade Antheil.
Nach der ersten Begattung sucht sich die Henne einen möglichst gut versteckten Platz unter Gebüsch
und Reisern, hinter Steinblöcken, im Farrenkraut u. s. w., und legt in eine Mulde ihre sehr kleinen,
glattschaligen, glänzenden, auf röthlichbraungelbem Grunde roth und dunkelbraun gefleckten und
getüpfelten Eier, acht bis zehn, auch wohl zwölf und mehr an der Zahl, und bebrütet sie drei volle
Wochen lang so eifrig, daß man in ihre unmittelbare Nähe kommen kann, ehe man sie verscheucht.
Während sie sitzt, und solange die Jungen noch klein sind, treibt sich der Hahn nach eigenem Belieben
umher, zumeist allerdings in der Nähe der Gattin, zuweilen aber auch in entfernteren Strichen, zu
denen ihn der Lockton eines anderen Hahnes gerufen, und erst wenn die Jungen größer geworden,
findet er sich wieder bei der Familie ein, um fortan derselben als treuer Führer und Wächter zu
dienen. Das Nest ist äußerst schwer zu finden, weil sein Standort stets mit größter Vorsicht
gewählt wird, und die Henne bei Annäherung eines Feindes nicht davon hinkt und flattert, sondern
sich still und geräuschlos hinwegschleicht, ja förmlich hinwegstiehlt, während sie, wenn sie die Eier
aus freien Stücken verläßt, nie verfehlt, dieselben mit den Niststoffen sorgfältig zu bedecken. Auch
die ausgeschlüpften Jungen werden nur zufällig einmal bemerkt. Nach ihrem Eintritt ins Leben
hudert sie die Henne noch eine Zeit lang im Neste, bis sie vollkommen abgetrocknet sind; dann führt
sie die Kinderschar baldmöglichst geeigneten Weideplätzen zu. Sobald sie Gefahr wittert, gebraucht
sie alle Verstellungskünste, welche in ihrer Familie üblich sind, und die kleinen, den Erdboden
täuschend ähnlich gefärbten Küchlein drücken sich so geschickt zwischen Mos und Kraut, Steine,
Baumwurzeln und dergleichen, daß wohl die feine Nase eines Fuchses oder Hühnerhundes, nicht
aber das Auge eines Menschen sie wahrnehmen kann.

Anfänglich werden die Küchlein an sonnige Stellen geführt, und hier fast ausschließlich mit
Kerbthieren ernährt; später nehmen sie dieselbe Nahrung zu sich, wie die Alten, noch immer viele
Kerbthiere, aber auch Beeren, Grasspitzen, Blätterknospen und Blüthenblättchen der verschiedenen
Pflanzen. Sie lernen sehr bald fliegen und vertauschen dann ihren nächtlichen Ruheplatz unter der
Mutterbrust mit niederen und höheren Baumästen, auf denen sie sich dicht neben und noch theilweise
unter die Mutter niederzusetzen pflegen. Mit dem Flugbarwerden trifft nun auch der Vater wieder
bei der Familie ein, und nunmehr bildet die ganze Gesellschaft ein Gesperre, welches bis zum Herbste
treu zusammenhält.

Leider wird das Haselhuhn von Jahr zu Jahr seltener, wenigstens bei uns zu Lande, trotz des
ihm abseitens der Menschen gern gewährten Schutzes. Die Raubsäugethiere und Raubvögel mögen
viele Jungen wegnehmen; es müssen aber auch noch andere Ursachen zu dieser in mancher Hinsicht auf-

Haſelhuhn.

Hinſichtlich der Sinnesanlagen und geiſtigen Fähigkeiten ſteht das Haſelhuhn mit dem Birk-
huhne ungefähr auf gleicher Stufe; ſein Weſen und ſeine Lebensart unterſcheidet es aber weſentlich
von letzterem. Es gehört nicht zu den Hühnern, welche in Vielehigkeit leben, ſondern hält ſich paar-
und familienweiſe zuſammen. Schon im September wählt ſich der junge Hahn eine Gefährtin, ohne
jedoch die Kette zu verlaſſen; gegen das Frühjahr hin trennt er ſich mit ihr, um zur Fortpflanzung
zu ſchreiten. Auch er hat eine Balze, wie Auer- und Birkhahn, tanzt aber nicht in der ausdrucks-
vollen Weiſe, wie die genannten, ſondern begnügt ſich, durch Aufrichten ſeiner Scheitel-, Ohr- und
Kehlfedern und ſehr lebhaftes Trillern und Pfeifen der Gattin ſeine Gefühle kundzugeben. Wenn
er recht hitzig iſt, pfeift und trillert er von Sonnenuntergang an faſt die ganze Nacht hindurch bis
zum ſpäten Morgen; dabei ſteht er gewöhnlich auf einem geeigneten Baume in mittlerer Höhe der
Krone und die Hennen auf einem benachbarten; denn zum Boden herab kommt der balzende Hahn
nur unmittelbar vor der Begattung. Die Henne ſoll um dieſe Zeit den Hahn ſo an ſich zu
feſſeln wiſſen, daß er ſie keinen Augenblick verläßt und ſich nicht einmal durch das Pfeifen anderer
Hähne zu Kampf und Streit verlocken läßt, während er ſonſt einer derartigen Aufforderung unter
allen Umſtänden nachkommt. Erſt wenn die Henne brütet, wird ſeine Kampfluſt wieder rege oder
doch bemerklich.

Am Fortpflanzungsgeſchäft nimmt der Hahn wenigſtens in einem gewiſſen Grade Antheil.
Nach der erſten Begattung ſucht ſich die Henne einen möglichſt gut verſteckten Platz unter Gebüſch
und Reiſern, hinter Steinblöcken, im Farrenkraut u. ſ. w., und legt in eine Mulde ihre ſehr kleinen,
glattſchaligen, glänzenden, auf röthlichbraungelbem Grunde roth und dunkelbraun gefleckten und
getüpfelten Eier, acht bis zehn, auch wohl zwölf und mehr an der Zahl, und bebrütet ſie drei volle
Wochen lang ſo eifrig, daß man in ihre unmittelbare Nähe kommen kann, ehe man ſie verſcheucht.
Während ſie ſitzt, und ſolange die Jungen noch klein ſind, treibt ſich der Hahn nach eigenem Belieben
umher, zumeiſt allerdings in der Nähe der Gattin, zuweilen aber auch in entfernteren Strichen, zu
denen ihn der Lockton eines anderen Hahnes gerufen, und erſt wenn die Jungen größer geworden,
findet er ſich wieder bei der Familie ein, um fortan derſelben als treuer Führer und Wächter zu
dienen. Das Neſt iſt äußerſt ſchwer zu finden, weil ſein Standort ſtets mit größter Vorſicht
gewählt wird, und die Henne bei Annäherung eines Feindes nicht davon hinkt und flattert, ſondern
ſich ſtill und geräuſchlos hinwegſchleicht, ja förmlich hinwegſtiehlt, während ſie, wenn ſie die Eier
aus freien Stücken verläßt, nie verfehlt, dieſelben mit den Niſtſtoffen ſorgfältig zu bedecken. Auch
die ausgeſchlüpften Jungen werden nur zufällig einmal bemerkt. Nach ihrem Eintritt ins Leben
hudert ſie die Henne noch eine Zeit lang im Neſte, bis ſie vollkommen abgetrocknet ſind; dann führt
ſie die Kinderſchar baldmöglichſt geeigneten Weideplätzen zu. Sobald ſie Gefahr wittert, gebraucht
ſie alle Verſtellungskünſte, welche in ihrer Familie üblich ſind, und die kleinen, den Erdboden
täuſchend ähnlich gefärbten Küchlein drücken ſich ſo geſchickt zwiſchen Mos und Kraut, Steine,
Baumwurzeln und dergleichen, daß wohl die feine Naſe eines Fuchſes oder Hühnerhundes, nicht
aber das Auge eines Menſchen ſie wahrnehmen kann.

Anfänglich werden die Küchlein an ſonnige Stellen geführt, und hier faſt ausſchließlich mit
Kerbthieren ernährt; ſpäter nehmen ſie dieſelbe Nahrung zu ſich, wie die Alten, noch immer viele
Kerbthiere, aber auch Beeren, Grasſpitzen, Blätterknospen und Blüthenblättchen der verſchiedenen
Pflanzen. Sie lernen ſehr bald fliegen und vertauſchen dann ihren nächtlichen Ruheplatz unter der
Mutterbruſt mit niederen und höheren Baumäſten, auf denen ſie ſich dicht neben und noch theilweiſe
unter die Mutter niederzuſetzen pflegen. Mit dem Flugbarwerden trifft nun auch der Vater wieder
bei der Familie ein, und nunmehr bildet die ganze Geſellſchaft ein Geſperre, welches bis zum Herbſte
treu zuſammenhält.

Leider wird das Haſelhuhn von Jahr zu Jahr ſeltener, wenigſtens bei uns zu Lande, trotz des
ihm abſeitens der Menſchen gern gewährten Schutzes. Die Raubſäugethiere und Raubvögel mögen
viele Jungen wegnehmen; es müſſen aber auch noch andere Urſachen zu dieſer in mancher Hinſicht auf-

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[359/0387] Haſelhuhn. Hinſichtlich der Sinnesanlagen und geiſtigen Fähigkeiten ſteht das Haſelhuhn mit dem Birk- huhne ungefähr auf gleicher Stufe; ſein Weſen und ſeine Lebensart unterſcheidet es aber weſentlich von letzterem. Es gehört nicht zu den Hühnern, welche in Vielehigkeit leben, ſondern hält ſich paar- und familienweiſe zuſammen. Schon im September wählt ſich der junge Hahn eine Gefährtin, ohne jedoch die Kette zu verlaſſen; gegen das Frühjahr hin trennt er ſich mit ihr, um zur Fortpflanzung zu ſchreiten. Auch er hat eine Balze, wie Auer- und Birkhahn, tanzt aber nicht in der ausdrucks- vollen Weiſe, wie die genannten, ſondern begnügt ſich, durch Aufrichten ſeiner Scheitel-, Ohr- und Kehlfedern und ſehr lebhaftes Trillern und Pfeifen der Gattin ſeine Gefühle kundzugeben. Wenn er recht hitzig iſt, pfeift und trillert er von Sonnenuntergang an faſt die ganze Nacht hindurch bis zum ſpäten Morgen; dabei ſteht er gewöhnlich auf einem geeigneten Baume in mittlerer Höhe der Krone und die Hennen auf einem benachbarten; denn zum Boden herab kommt der balzende Hahn nur unmittelbar vor der Begattung. Die Henne ſoll um dieſe Zeit den Hahn ſo an ſich zu feſſeln wiſſen, daß er ſie keinen Augenblick verläßt und ſich nicht einmal durch das Pfeifen anderer Hähne zu Kampf und Streit verlocken läßt, während er ſonſt einer derartigen Aufforderung unter allen Umſtänden nachkommt. Erſt wenn die Henne brütet, wird ſeine Kampfluſt wieder rege oder doch bemerklich. Am Fortpflanzungsgeſchäft nimmt der Hahn wenigſtens in einem gewiſſen Grade Antheil. Nach der erſten Begattung ſucht ſich die Henne einen möglichſt gut verſteckten Platz unter Gebüſch und Reiſern, hinter Steinblöcken, im Farrenkraut u. ſ. w., und legt in eine Mulde ihre ſehr kleinen, glattſchaligen, glänzenden, auf röthlichbraungelbem Grunde roth und dunkelbraun gefleckten und getüpfelten Eier, acht bis zehn, auch wohl zwölf und mehr an der Zahl, und bebrütet ſie drei volle Wochen lang ſo eifrig, daß man in ihre unmittelbare Nähe kommen kann, ehe man ſie verſcheucht. Während ſie ſitzt, und ſolange die Jungen noch klein ſind, treibt ſich der Hahn nach eigenem Belieben umher, zumeiſt allerdings in der Nähe der Gattin, zuweilen aber auch in entfernteren Strichen, zu denen ihn der Lockton eines anderen Hahnes gerufen, und erſt wenn die Jungen größer geworden, findet er ſich wieder bei der Familie ein, um fortan derſelben als treuer Führer und Wächter zu dienen. Das Neſt iſt äußerſt ſchwer zu finden, weil ſein Standort ſtets mit größter Vorſicht gewählt wird, und die Henne bei Annäherung eines Feindes nicht davon hinkt und flattert, ſondern ſich ſtill und geräuſchlos hinwegſchleicht, ja förmlich hinwegſtiehlt, während ſie, wenn ſie die Eier aus freien Stücken verläßt, nie verfehlt, dieſelben mit den Niſtſtoffen ſorgfältig zu bedecken. Auch die ausgeſchlüpften Jungen werden nur zufällig einmal bemerkt. Nach ihrem Eintritt ins Leben hudert ſie die Henne noch eine Zeit lang im Neſte, bis ſie vollkommen abgetrocknet ſind; dann führt ſie die Kinderſchar baldmöglichſt geeigneten Weideplätzen zu. Sobald ſie Gefahr wittert, gebraucht ſie alle Verſtellungskünſte, welche in ihrer Familie üblich ſind, und die kleinen, den Erdboden täuſchend ähnlich gefärbten Küchlein drücken ſich ſo geſchickt zwiſchen Mos und Kraut, Steine, Baumwurzeln und dergleichen, daß wohl die feine Naſe eines Fuchſes oder Hühnerhundes, nicht aber das Auge eines Menſchen ſie wahrnehmen kann. Anfänglich werden die Küchlein an ſonnige Stellen geführt, und hier faſt ausſchließlich mit Kerbthieren ernährt; ſpäter nehmen ſie dieſelbe Nahrung zu ſich, wie die Alten, noch immer viele Kerbthiere, aber auch Beeren, Grasſpitzen, Blätterknospen und Blüthenblättchen der verſchiedenen Pflanzen. Sie lernen ſehr bald fliegen und vertauſchen dann ihren nächtlichen Ruheplatz unter der Mutterbruſt mit niederen und höheren Baumäſten, auf denen ſie ſich dicht neben und noch theilweiſe unter die Mutter niederzuſetzen pflegen. Mit dem Flugbarwerden trifft nun auch der Vater wieder bei der Familie ein, und nunmehr bildet die ganze Geſellſchaft ein Geſperre, welches bis zum Herbſte treu zuſammenhält. Leider wird das Haſelhuhn von Jahr zu Jahr ſeltener, wenigſtens bei uns zu Lande, trotz des ihm abſeitens der Menſchen gern gewährten Schutzes. Die Raubſäugethiere und Raubvögel mögen viele Jungen wegnehmen; es müſſen aber auch noch andere Urſachen zu dieſer in mancher Hinſicht auf-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/387>, abgerufen am 28.11.2024.