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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Auerhuhn.

Wenn der Auerhahn zu balzen beginnt, ist es noch still im Walde. Höchstens die Amsel und
in günstigen Jahren vielleicht auch die Singdrossel lassen sich bereits vernehmen; für die übrigen
Sänger ist der Frühling noch nicht erschienen. Jm Hochgebirge liegt der Wald im Schnee begraben;
selbst in der Tiefe hat er nur hie und da von ihm sich befreit. Jst der März reich an schönen
Tagen, so hört man schon um diese Zeit einen und den andern Hahn balzen; folgt den schönen
Tagen schlechte Witterung, so gefriert den Hähnen, wie sich Gadamer passend ausdrückt, auch der
Schnabel wieder zu. Jm Mittelgebirge balzt der Auerhahn vom zehnten oder zwölften April an
regelmäßig, während die eisige Kälte des Hochgebirges seine Liebe manchmal noch einen ganzen Monat
in Banden legt. Die Balze selbst geschieht folgendermaßen: Mit Beginn der Zeit sammeln sich die
Auerhähne, welche vorher sich vereinzelt hatten, auf bestimmten Waldplätzen, gewöhnlich auf Berg-
lehnen, welche gegen Morgen abhängen und mit jungem und altem Holze bewachsen sind. Hier finden
sich auch die Hennen aus der Umgegend abends ein, in der löblichen Absicht, den ihnen zu Ehren
stattfindenden Liebesspielen beizuwohnen. Beide Geschlechter kommen abends gegen sieben Uhr stumm
gestrichen und schwingen sich auf einzelne Bäume unter starkem Geprassel ein. Hartig hat manchmal
beobachtet, daß die Hennen im Fluge einen hell kläffenden Ton, wie ein kleiner Jagdhund, von sich
geben; Geyer sagt, daß der Hahn, nachdem er sich eingeschwungen, mehrere Minuten bewegungslos
steht, Alles um sich mit außergewöhnlicher Aufmerksamkeit mustert und beobachtet, auch durch das
geringste Geräusch, welches ihm verdächtig vorkommt, zum Abstehen bewogen wird. Bleibt Alles
ruhig, so gibt er gewöhnlich unter sonderbarem Halsbewegen einen Laut von sich, welchen man mit
dem Ausdruck "Worgen" oder "Kröpfen" bezeichnet, mit dem Grunzen eines jungen Schweines ver-
gleicht und als ein gutes Zeichen für die nächstmorgige Balze hält. Damit ist jedoch noch nicht gesagt,
daß diese am nächsten Morgen auch wirklich stattfinden wird; denn der Hahn beweist, wie alle selbst
beobachtenden Jäger behaupten, ein außerordentlich feines Vorgefühl für kommende Witterung.
"Man bemerkt nicht selten", sagt Geyer, "während der Zeit der Balze, daß oft beim schönsten
Morgen, an welchem dem Jäger ohnehin schon das Herz vor Freude lacht und er seiner Sache sicher
zu sein glaubt, eine arge Täuschung der gehegten Erwartungen folgt, nämlich, daß kein Hahn sich
meldet. Tritt ein solcher Fall ein, so kann man überzeugt sein, binnen vierundzwanzig Stunden
schlechtes Wetter zu haben. Namentlich scheint der Hahn das Herannahen von Schnee zu wittern.
Ebenso tritt oft der umgekehrte Fall ein. Jch beobachtete, daß in der Nacht ein heftiges Schnee-
gestöber begann, bis Mitternacht fortdauerte und dann aufhörte, und daß die Hähne am nächsten
Morgen sich dennoch meldeten, wie in der besten Zeit der Balze. Auf ein derartiges Vorkommniß
folgt gewöhnlich anhaltend schönes Wetter." Nicht selten geschieht es auch, daß der Hahn schon am
Abend förmlich balzt, d. h. gleich nach dem Einschwingen sich meldet, dann auch wohl auf die Erde
herab fällt, hier spielt, die Hennen, wenn solche in der Nähe sind, unter allen möglichen, höchst
possirlichen Sprüngen vor sich hertreibt und sie schließlich betritt. Dies aber sind Ausnahmen. Bei
schlechtem Wetter, namentlich bei Schneegestöber, balzt der Hahn nur in seltenen Fällen, und wahr-
scheinlich hat Geyer Recht, wenn er annimmt, daß solche Liebestollheit blos durch die Jugend der
betreffenden Hähne erklärt werden kann. Regelmäßig beginnt der Hahn bei günstiger Witterung,
sobald sich am Morgen weiße Streifen im Osten zeigen, ungefähr gegen drei oder etwas nach
drei Uhr in der Frühe: Derjenige also, welcher das Schauspiel sehen will, muß sich schon nach
Mitternacht den Armen des Schlafs entwinden und nach guter Jäger Art bereits um zwei Uhr,
spätestens um zwei und ein halb, zur Stelle sein.

Die Balze hebt mit dem sogenannten Schnalzen oder Schnappen an, "und von jetzt steigert
sich die Aufmerksamkeit des Jägers, bis der erste Schlag hörbar wird, welcher für so Viele Sphären-
musik ist und Jedem, der die Balze kennt, die Pulsschläge beschleunigt." "Der Hahn streckt", wie
mein Vater sagt, "bei der Balze den Kopf vor, jedoch nicht jedes Mal gegen Morgen, wie behauptet
worden ist, hält ihn in schräger Richtung nach vorn, sträubt die Kopf- und Kehlfedern und gibt
nun die schnalzenden Töne von sich, welche immer schneller auf einander folgen, bis der Hauptschlag

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Auerhuhn.

Wenn der Auerhahn zu balzen beginnt, iſt es noch ſtill im Walde. Höchſtens die Amſel und
in günſtigen Jahren vielleicht auch die Singdroſſel laſſen ſich bereits vernehmen; für die übrigen
Sänger iſt der Frühling noch nicht erſchienen. Jm Hochgebirge liegt der Wald im Schnee begraben;
ſelbſt in der Tiefe hat er nur hie und da von ihm ſich befreit. Jſt der März reich an ſchönen
Tagen, ſo hört man ſchon um dieſe Zeit einen und den andern Hahn balzen; folgt den ſchönen
Tagen ſchlechte Witterung, ſo gefriert den Hähnen, wie ſich Gadamer paſſend ausdrückt, auch der
Schnabel wieder zu. Jm Mittelgebirge balzt der Auerhahn vom zehnten oder zwölften April an
regelmäßig, während die eiſige Kälte des Hochgebirges ſeine Liebe manchmal noch einen ganzen Monat
in Banden legt. Die Balze ſelbſt geſchieht folgendermaßen: Mit Beginn der Zeit ſammeln ſich die
Auerhähne, welche vorher ſich vereinzelt hatten, auf beſtimmten Waldplätzen, gewöhnlich auf Berg-
lehnen, welche gegen Morgen abhängen und mit jungem und altem Holze bewachſen ſind. Hier finden
ſich auch die Hennen aus der Umgegend abends ein, in der löblichen Abſicht, den ihnen zu Ehren
ſtattfindenden Liebesſpielen beizuwohnen. Beide Geſchlechter kommen abends gegen ſieben Uhr ſtumm
geſtrichen und ſchwingen ſich auf einzelne Bäume unter ſtarkem Gepraſſel ein. Hartig hat manchmal
beobachtet, daß die Hennen im Fluge einen hell kläffenden Ton, wie ein kleiner Jagdhund, von ſich
geben; Geyer ſagt, daß der Hahn, nachdem er ſich eingeſchwungen, mehrere Minuten bewegungslos
ſteht, Alles um ſich mit außergewöhnlicher Aufmerkſamkeit muſtert und beobachtet, auch durch das
geringſte Geräuſch, welches ihm verdächtig vorkommt, zum Abſtehen bewogen wird. Bleibt Alles
ruhig, ſo gibt er gewöhnlich unter ſonderbarem Halsbewegen einen Laut von ſich, welchen man mit
dem Ausdruck „Worgen“ oder „Kröpfen“ bezeichnet, mit dem Grunzen eines jungen Schweines ver-
gleicht und als ein gutes Zeichen für die nächſtmorgige Balze hält. Damit iſt jedoch noch nicht geſagt,
daß dieſe am nächſten Morgen auch wirklich ſtattfinden wird; denn der Hahn beweiſt, wie alle ſelbſt
beobachtenden Jäger behaupten, ein außerordentlich feines Vorgefühl für kommende Witterung.
„Man bemerkt nicht ſelten“, ſagt Geyer, „während der Zeit der Balze, daß oft beim ſchönſten
Morgen, an welchem dem Jäger ohnehin ſchon das Herz vor Freude lacht und er ſeiner Sache ſicher
zu ſein glaubt, eine arge Täuſchung der gehegten Erwartungen folgt, nämlich, daß kein Hahn ſich
meldet. Tritt ein ſolcher Fall ein, ſo kann man überzeugt ſein, binnen vierundzwanzig Stunden
ſchlechtes Wetter zu haben. Namentlich ſcheint der Hahn das Herannahen von Schnee zu wittern.
Ebenſo tritt oft der umgekehrte Fall ein. Jch beobachtete, daß in der Nacht ein heftiges Schnee-
geſtöber begann, bis Mitternacht fortdauerte und dann aufhörte, und daß die Hähne am nächſten
Morgen ſich dennoch meldeten, wie in der beſten Zeit der Balze. Auf ein derartiges Vorkommniß
folgt gewöhnlich anhaltend ſchönes Wetter.“ Nicht ſelten geſchieht es auch, daß der Hahn ſchon am
Abend förmlich balzt, d. h. gleich nach dem Einſchwingen ſich meldet, dann auch wohl auf die Erde
herab fällt, hier ſpielt, die Hennen, wenn ſolche in der Nähe ſind, unter allen möglichen, höchſt
poſſirlichen Sprüngen vor ſich hertreibt und ſie ſchließlich betritt. Dies aber ſind Ausnahmen. Bei
ſchlechtem Wetter, namentlich bei Schneegeſtöber, balzt der Hahn nur in ſeltenen Fällen, und wahr-
ſcheinlich hat Geyer Recht, wenn er annimmt, daß ſolche Liebestollheit blos durch die Jugend der
betreffenden Hähne erklärt werden kann. Regelmäßig beginnt der Hahn bei günſtiger Witterung,
ſobald ſich am Morgen weiße Streifen im Oſten zeigen, ungefähr gegen drei oder etwas nach
drei Uhr in der Frühe: Derjenige alſo, welcher das Schauſpiel ſehen will, muß ſich ſchon nach
Mitternacht den Armen des Schlafs entwinden und nach guter Jäger Art bereits um zwei Uhr,
ſpäteſtens um zwei und ein halb, zur Stelle ſein.

Die Balze hebt mit dem ſogenannten Schnalzen oder Schnappen an, „und von jetzt ſteigert
ſich die Aufmerkſamkeit des Jägers, bis der erſte Schlag hörbar wird, welcher für ſo Viele Sphären-
muſik iſt und Jedem, der die Balze kennt, die Pulsſchläge beſchleunigt.“ „Der Hahn ſtreckt“, wie
mein Vater ſagt, „bei der Balze den Kopf vor, jedoch nicht jedes Mal gegen Morgen, wie behauptet
worden iſt, hält ihn in ſchräger Richtung nach vorn, ſträubt die Kopf- und Kehlfedern und gibt
nun die ſchnalzenden Töne von ſich, welche immer ſchneller auf einander folgen, bis der Hauptſchlag

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[339/0367] Auerhuhn. Wenn der Auerhahn zu balzen beginnt, iſt es noch ſtill im Walde. Höchſtens die Amſel und in günſtigen Jahren vielleicht auch die Singdroſſel laſſen ſich bereits vernehmen; für die übrigen Sänger iſt der Frühling noch nicht erſchienen. Jm Hochgebirge liegt der Wald im Schnee begraben; ſelbſt in der Tiefe hat er nur hie und da von ihm ſich befreit. Jſt der März reich an ſchönen Tagen, ſo hört man ſchon um dieſe Zeit einen und den andern Hahn balzen; folgt den ſchönen Tagen ſchlechte Witterung, ſo gefriert den Hähnen, wie ſich Gadamer paſſend ausdrückt, auch der Schnabel wieder zu. Jm Mittelgebirge balzt der Auerhahn vom zehnten oder zwölften April an regelmäßig, während die eiſige Kälte des Hochgebirges ſeine Liebe manchmal noch einen ganzen Monat in Banden legt. Die Balze ſelbſt geſchieht folgendermaßen: Mit Beginn der Zeit ſammeln ſich die Auerhähne, welche vorher ſich vereinzelt hatten, auf beſtimmten Waldplätzen, gewöhnlich auf Berg- lehnen, welche gegen Morgen abhängen und mit jungem und altem Holze bewachſen ſind. Hier finden ſich auch die Hennen aus der Umgegend abends ein, in der löblichen Abſicht, den ihnen zu Ehren ſtattfindenden Liebesſpielen beizuwohnen. Beide Geſchlechter kommen abends gegen ſieben Uhr ſtumm geſtrichen und ſchwingen ſich auf einzelne Bäume unter ſtarkem Gepraſſel ein. Hartig hat manchmal beobachtet, daß die Hennen im Fluge einen hell kläffenden Ton, wie ein kleiner Jagdhund, von ſich geben; Geyer ſagt, daß der Hahn, nachdem er ſich eingeſchwungen, mehrere Minuten bewegungslos ſteht, Alles um ſich mit außergewöhnlicher Aufmerkſamkeit muſtert und beobachtet, auch durch das geringſte Geräuſch, welches ihm verdächtig vorkommt, zum Abſtehen bewogen wird. Bleibt Alles ruhig, ſo gibt er gewöhnlich unter ſonderbarem Halsbewegen einen Laut von ſich, welchen man mit dem Ausdruck „Worgen“ oder „Kröpfen“ bezeichnet, mit dem Grunzen eines jungen Schweines ver- gleicht und als ein gutes Zeichen für die nächſtmorgige Balze hält. Damit iſt jedoch noch nicht geſagt, daß dieſe am nächſten Morgen auch wirklich ſtattfinden wird; denn der Hahn beweiſt, wie alle ſelbſt beobachtenden Jäger behaupten, ein außerordentlich feines Vorgefühl für kommende Witterung. „Man bemerkt nicht ſelten“, ſagt Geyer, „während der Zeit der Balze, daß oft beim ſchönſten Morgen, an welchem dem Jäger ohnehin ſchon das Herz vor Freude lacht und er ſeiner Sache ſicher zu ſein glaubt, eine arge Täuſchung der gehegten Erwartungen folgt, nämlich, daß kein Hahn ſich meldet. Tritt ein ſolcher Fall ein, ſo kann man überzeugt ſein, binnen vierundzwanzig Stunden ſchlechtes Wetter zu haben. Namentlich ſcheint der Hahn das Herannahen von Schnee zu wittern. Ebenſo tritt oft der umgekehrte Fall ein. Jch beobachtete, daß in der Nacht ein heftiges Schnee- geſtöber begann, bis Mitternacht fortdauerte und dann aufhörte, und daß die Hähne am nächſten Morgen ſich dennoch meldeten, wie in der beſten Zeit der Balze. Auf ein derartiges Vorkommniß folgt gewöhnlich anhaltend ſchönes Wetter.“ Nicht ſelten geſchieht es auch, daß der Hahn ſchon am Abend förmlich balzt, d. h. gleich nach dem Einſchwingen ſich meldet, dann auch wohl auf die Erde herab fällt, hier ſpielt, die Hennen, wenn ſolche in der Nähe ſind, unter allen möglichen, höchſt poſſirlichen Sprüngen vor ſich hertreibt und ſie ſchließlich betritt. Dies aber ſind Ausnahmen. Bei ſchlechtem Wetter, namentlich bei Schneegeſtöber, balzt der Hahn nur in ſeltenen Fällen, und wahr- ſcheinlich hat Geyer Recht, wenn er annimmt, daß ſolche Liebestollheit blos durch die Jugend der betreffenden Hähne erklärt werden kann. Regelmäßig beginnt der Hahn bei günſtiger Witterung, ſobald ſich am Morgen weiße Streifen im Oſten zeigen, ungefähr gegen drei oder etwas nach drei Uhr in der Frühe: Derjenige alſo, welcher das Schauſpiel ſehen will, muß ſich ſchon nach Mitternacht den Armen des Schlafs entwinden und nach guter Jäger Art bereits um zwei Uhr, ſpäteſtens um zwei und ein halb, zur Stelle ſein. Die Balze hebt mit dem ſogenannten Schnalzen oder Schnappen an, „und von jetzt ſteigert ſich die Aufmerkſamkeit des Jägers, bis der erſte Schlag hörbar wird, welcher für ſo Viele Sphären- muſik iſt und Jedem, der die Balze kennt, die Pulsſchläge beſchleunigt.“ „Der Hahn ſtreckt“, wie mein Vater ſagt, „bei der Balze den Kopf vor, jedoch nicht jedes Mal gegen Morgen, wie behauptet worden iſt, hält ihn in ſchräger Richtung nach vorn, ſträubt die Kopf- und Kehlfedern und gibt nun die ſchnalzenden Töne von ſich, welche immer ſchneller auf einander folgen, bis der Hauptſchlag 22*

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/367>, abgerufen am 18.05.2024.