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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Läufer. Scharrvögel. Rauchfußhühner.
ein plumper, schwerfälliger und schener Vogel. Sein Gang ist geschwind, jedoch lange nicht so
schnell wie der der Feldhühner, Trappen, Regenpfeifer und Läufer. Es trägt den Leib fast wagrecht,
nur wenig nach hinten gesenkt, und den Hals etwas vorgelegt. Auf den Bäumen ist seine Stellung
verschieden. Der Körper wird bald wagrecht gehalten, bald aufgerichtet, der Hals bald vor-, bald
in die Höhe gestreckt. Es steht übrigens auf den Bäumen nicht blos auf den unteren Aesten, sondern,
wenn die Wipfel stark genug sind, auch weit oben: ich habe Hähne und Hennen auf den Baum-
spitzen gesehen. Auf der Erde läuft es herum, wenn es Nahrung sucht. Der Flug ist schwer-
fällig, rauschend, durch schnelle Schwingenschläge beschleunigt, fast geradeaus und nicht anhaltend.
Hahn und Henne fliegen nur kurze Strecken und stellen sich dann stets auf die Bäume. Beim Auf-
schwingen des Auerwildes von der Erde auf einen Baum ist das Getöse der rauschenden Schwingen
sehr stark. Hahn und Henne sind in der Regel ungemein scheu. Jhr Gesicht und Gehör, nicht
aber ihr Geruch, sind äußerst scharf, und sie benutzen diese Feinheit ihrer Sinne, um einer Gefahr
von weitem zu entgehen." Geyer sagt genau Dasselbe und fügt zum Beleg Folgendes hinzu:
"Um mich von der Feinheit der Geruchswerkzeuge zu überzeugen, habe ich während der Balze
Auerhähne unter allen möglichen Winden angesprungen, ohne jemals bemerkt zu haben, daß sie mich
mittels des Windes wahrgenommen hätten; hieraus schloß ich also, daß ihre Geruchswerkzeuge
weniger ausgebildet sein müssen." Schlechtes Wetter, auch bevorstehende Stürme scheinen die
Scheuheit des Auerwildes zu vermindern. "Wir wissen ein Beispiel", fährt mein Vater fort, "daß
nach einem Auerhahne, welcher im Winter einige Tage auf einem Baume gestanden hatte, mehrere
Schüsse gethan wurden, ohne daß er fortflog; überhaupt kommt man im Winter oft viel leichter als
im Sommer schußrecht an dieses scheue Wild an. Die Hennen sind, weil sie geschont werden,
weniger vorsichtig als die Hähne und zur Paarungszeit oft so kirr, daß sie sehr gut aushalten."
Jn seinem Wesen zeigt sich das Auerwild als ein echtes Huhn. Der Hahn ist ein unverträglicher,
jähzorniger, streitsüchtiger Vogel, welcher, falls man von gefangenen auf freilebende schließen darf,
jahraus, jahrein mit andern Hähnen im Streite liegt und deshalb nothwendiger Weise ein ein-
siedlerisches Leben führen muß. Er zeigt sich aber auch den Hennen gegenüber herrschsüchtig und
zornwüthig; denn so liebestoll er sich während der Paarungszeit geberdet, so gleichgiltig scheint er
außerdem gegen seine Gemahlin zu sein. Gefangene haben mich belehrt, daß es gefährlich sein kann,
ein Paar Auerhühner zusammenzuhalten, weil der Hahn manchmal, ohne erklärliche Veranlassung,
über die Henne herfällt und sie in abscheulicher Weise mißhandelt. Birkhennen darf man noch
weniger mit ihm zusammenbringen, weil sie von ihm nicht allein beständig gequält, sondern unter
Umständen getödtet werden. Das Gegentheil eines solchen Betragens ist allerdings auch beobachtet
worden: hat man ja doch in der Gefangenschaft schon Blendlinge von Auerhahn und Birkhennen
erhalten. Zwischen zwei Hähnen entspinnen sich sehr leicht ernste Kämpfe; aber auch in dieser Hin-
sicht finden Ausnahmen statt: es kommt vor, daß da, wo das Auerhuhn häufig ist, sich im Spät-
sommer und Herbst zuweilen viele Hähne zusammenscharen und, wie es scheint, längere Zeit gemein-
schaftlich sich umhertreiben.

Es ist allgemein bekannt, daß die Paarungslust alle männlichen Hühner auf das höchste erregt;
so toll aber, wie es der Auerhahn treibt, geberdet sich kaum ein anderer Hahn. Andere Waldhühner
sind ebenfalls äußerst erregt; sie geben ihrem Gefühl aber wenigstens in anmuthiger Weise Aus-
druck, während der Auerhahn seine Schwerfälligkeit auch dann nicht verleugnen kann, und seine
Sonderbarkeit deshalb um so auffälliger erscheint. Bei jungen Hähnen regt sich das Bewußtsein
ihrer männlichen Würde bereits in den Herbstmonaten; wenigstens nimmt man an, daß sie es sind,
welche um diese Zeit balzen oder doch zu balzen versuchen; ältere hingegen zeigen sich nur im
Frühjahre sanfteren Gefühlen zugänglich. Jhr Liebestaumel beginnt und endet zu einer ganz
bestimmten Zeit. Da der echte Waidmann den stolzen Vogel nur während der Balze erlegt, hat er
diese auf das Genaueste erforscht, und deshalb danken wir nicht allein dem Naturforscher, sondern
auch dem Jäger eingehende Schilderungen dieses Liebesspieles.

Die Läufer. Scharrvögel. Rauchfußhühner.
ein plumper, ſchwerfälliger und ſchener Vogel. Sein Gang iſt geſchwind, jedoch lange nicht ſo
ſchnell wie der der Feldhühner, Trappen, Regenpfeifer und Läufer. Es trägt den Leib faſt wagrecht,
nur wenig nach hinten geſenkt, und den Hals etwas vorgelegt. Auf den Bäumen iſt ſeine Stellung
verſchieden. Der Körper wird bald wagrecht gehalten, bald aufgerichtet, der Hals bald vor-, bald
in die Höhe geſtreckt. Es ſteht übrigens auf den Bäumen nicht blos auf den unteren Aeſten, ſondern,
wenn die Wipfel ſtark genug ſind, auch weit oben: ich habe Hähne und Hennen auf den Baum-
ſpitzen geſehen. Auf der Erde läuft es herum, wenn es Nahrung ſucht. Der Flug iſt ſchwer-
fällig, rauſchend, durch ſchnelle Schwingenſchläge beſchleunigt, faſt geradeaus und nicht anhaltend.
Hahn und Henne fliegen nur kurze Strecken und ſtellen ſich dann ſtets auf die Bäume. Beim Auf-
ſchwingen des Auerwildes von der Erde auf einen Baum iſt das Getöſe der rauſchenden Schwingen
ſehr ſtark. Hahn und Henne ſind in der Regel ungemein ſcheu. Jhr Geſicht und Gehör, nicht
aber ihr Geruch, ſind äußerſt ſcharf, und ſie benutzen dieſe Feinheit ihrer Sinne, um einer Gefahr
von weitem zu entgehen.“ Geyer ſagt genau Daſſelbe und fügt zum Beleg Folgendes hinzu:
„Um mich von der Feinheit der Geruchswerkzeuge zu überzeugen, habe ich während der Balze
Auerhähne unter allen möglichen Winden angeſprungen, ohne jemals bemerkt zu haben, daß ſie mich
mittels des Windes wahrgenommen hätten; hieraus ſchloß ich alſo, daß ihre Geruchswerkzeuge
weniger ausgebildet ſein müſſen.“ Schlechtes Wetter, auch bevorſtehende Stürme ſcheinen die
Scheuheit des Auerwildes zu vermindern. „Wir wiſſen ein Beiſpiel“, fährt mein Vater fort, „daß
nach einem Auerhahne, welcher im Winter einige Tage auf einem Baume geſtanden hatte, mehrere
Schüſſe gethan wurden, ohne daß er fortflog; überhaupt kommt man im Winter oft viel leichter als
im Sommer ſchußrecht an dieſes ſcheue Wild an. Die Hennen ſind, weil ſie geſchont werden,
weniger vorſichtig als die Hähne und zur Paarungszeit oft ſo kirr, daß ſie ſehr gut aushalten.“
Jn ſeinem Weſen zeigt ſich das Auerwild als ein echtes Huhn. Der Hahn iſt ein unverträglicher,
jähzorniger, ſtreitſüchtiger Vogel, welcher, falls man von gefangenen auf freilebende ſchließen darf,
jahraus, jahrein mit andern Hähnen im Streite liegt und deshalb nothwendiger Weiſe ein ein-
ſiedleriſches Leben führen muß. Er zeigt ſich aber auch den Hennen gegenüber herrſchſüchtig und
zornwüthig; denn ſo liebestoll er ſich während der Paarungszeit geberdet, ſo gleichgiltig ſcheint er
außerdem gegen ſeine Gemahlin zu ſein. Gefangene haben mich belehrt, daß es gefährlich ſein kann,
ein Paar Auerhühner zuſammenzuhalten, weil der Hahn manchmal, ohne erklärliche Veranlaſſung,
über die Henne herfällt und ſie in abſcheulicher Weiſe mißhandelt. Birkhennen darf man noch
weniger mit ihm zuſammenbringen, weil ſie von ihm nicht allein beſtändig gequält, ſondern unter
Umſtänden getödtet werden. Das Gegentheil eines ſolchen Betragens iſt allerdings auch beobachtet
worden: hat man ja doch in der Gefangenſchaft ſchon Blendlinge von Auerhahn und Birkhennen
erhalten. Zwiſchen zwei Hähnen entſpinnen ſich ſehr leicht ernſte Kämpfe; aber auch in dieſer Hin-
ſicht finden Ausnahmen ſtatt: es kommt vor, daß da, wo das Auerhuhn häufig iſt, ſich im Spät-
ſommer und Herbſt zuweilen viele Hähne zuſammenſcharen und, wie es ſcheint, längere Zeit gemein-
ſchaftlich ſich umhertreiben.

Es iſt allgemein bekannt, daß die Paarungsluſt alle männlichen Hühner auf das höchſte erregt;
ſo toll aber, wie es der Auerhahn treibt, geberdet ſich kaum ein anderer Hahn. Andere Waldhühner
ſind ebenfalls äußerſt erregt; ſie geben ihrem Gefühl aber wenigſtens in anmuthiger Weiſe Aus-
druck, während der Auerhahn ſeine Schwerfälligkeit auch dann nicht verleugnen kann, und ſeine
Sonderbarkeit deshalb um ſo auffälliger erſcheint. Bei jungen Hähnen regt ſich das Bewußtſein
ihrer männlichen Würde bereits in den Herbſtmonaten; wenigſtens nimmt man an, daß ſie es ſind,
welche um dieſe Zeit balzen oder doch zu balzen verſuchen; ältere hingegen zeigen ſich nur im
Frühjahre ſanfteren Gefühlen zugänglich. Jhr Liebestaumel beginnt und endet zu einer ganz
beſtimmten Zeit. Da der echte Waidmann den ſtolzen Vogel nur während der Balze erlegt, hat er
dieſe auf das Genaueſte erforſcht, und deshalb danken wir nicht allein dem Naturforſcher, ſondern
auch dem Jäger eingehende Schilderungen dieſes Liebesſpieles.

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[338/0366] Die Läufer. Scharrvögel. Rauchfußhühner. ein plumper, ſchwerfälliger und ſchener Vogel. Sein Gang iſt geſchwind, jedoch lange nicht ſo ſchnell wie der der Feldhühner, Trappen, Regenpfeifer und Läufer. Es trägt den Leib faſt wagrecht, nur wenig nach hinten geſenkt, und den Hals etwas vorgelegt. Auf den Bäumen iſt ſeine Stellung verſchieden. Der Körper wird bald wagrecht gehalten, bald aufgerichtet, der Hals bald vor-, bald in die Höhe geſtreckt. Es ſteht übrigens auf den Bäumen nicht blos auf den unteren Aeſten, ſondern, wenn die Wipfel ſtark genug ſind, auch weit oben: ich habe Hähne und Hennen auf den Baum- ſpitzen geſehen. Auf der Erde läuft es herum, wenn es Nahrung ſucht. Der Flug iſt ſchwer- fällig, rauſchend, durch ſchnelle Schwingenſchläge beſchleunigt, faſt geradeaus und nicht anhaltend. Hahn und Henne fliegen nur kurze Strecken und ſtellen ſich dann ſtets auf die Bäume. Beim Auf- ſchwingen des Auerwildes von der Erde auf einen Baum iſt das Getöſe der rauſchenden Schwingen ſehr ſtark. Hahn und Henne ſind in der Regel ungemein ſcheu. Jhr Geſicht und Gehör, nicht aber ihr Geruch, ſind äußerſt ſcharf, und ſie benutzen dieſe Feinheit ihrer Sinne, um einer Gefahr von weitem zu entgehen.“ Geyer ſagt genau Daſſelbe und fügt zum Beleg Folgendes hinzu: „Um mich von der Feinheit der Geruchswerkzeuge zu überzeugen, habe ich während der Balze Auerhähne unter allen möglichen Winden angeſprungen, ohne jemals bemerkt zu haben, daß ſie mich mittels des Windes wahrgenommen hätten; hieraus ſchloß ich alſo, daß ihre Geruchswerkzeuge weniger ausgebildet ſein müſſen.“ Schlechtes Wetter, auch bevorſtehende Stürme ſcheinen die Scheuheit des Auerwildes zu vermindern. „Wir wiſſen ein Beiſpiel“, fährt mein Vater fort, „daß nach einem Auerhahne, welcher im Winter einige Tage auf einem Baume geſtanden hatte, mehrere Schüſſe gethan wurden, ohne daß er fortflog; überhaupt kommt man im Winter oft viel leichter als im Sommer ſchußrecht an dieſes ſcheue Wild an. Die Hennen ſind, weil ſie geſchont werden, weniger vorſichtig als die Hähne und zur Paarungszeit oft ſo kirr, daß ſie ſehr gut aushalten.“ Jn ſeinem Weſen zeigt ſich das Auerwild als ein echtes Huhn. Der Hahn iſt ein unverträglicher, jähzorniger, ſtreitſüchtiger Vogel, welcher, falls man von gefangenen auf freilebende ſchließen darf, jahraus, jahrein mit andern Hähnen im Streite liegt und deshalb nothwendiger Weiſe ein ein- ſiedleriſches Leben führen muß. Er zeigt ſich aber auch den Hennen gegenüber herrſchſüchtig und zornwüthig; denn ſo liebestoll er ſich während der Paarungszeit geberdet, ſo gleichgiltig ſcheint er außerdem gegen ſeine Gemahlin zu ſein. Gefangene haben mich belehrt, daß es gefährlich ſein kann, ein Paar Auerhühner zuſammenzuhalten, weil der Hahn manchmal, ohne erklärliche Veranlaſſung, über die Henne herfällt und ſie in abſcheulicher Weiſe mißhandelt. Birkhennen darf man noch weniger mit ihm zuſammenbringen, weil ſie von ihm nicht allein beſtändig gequält, ſondern unter Umſtänden getödtet werden. Das Gegentheil eines ſolchen Betragens iſt allerdings auch beobachtet worden: hat man ja doch in der Gefangenſchaft ſchon Blendlinge von Auerhahn und Birkhennen erhalten. Zwiſchen zwei Hähnen entſpinnen ſich ſehr leicht ernſte Kämpfe; aber auch in dieſer Hin- ſicht finden Ausnahmen ſtatt: es kommt vor, daß da, wo das Auerhuhn häufig iſt, ſich im Spät- ſommer und Herbſt zuweilen viele Hähne zuſammenſcharen und, wie es ſcheint, längere Zeit gemein- ſchaftlich ſich umhertreiben. Es iſt allgemein bekannt, daß die Paarungsluſt alle männlichen Hühner auf das höchſte erregt; ſo toll aber, wie es der Auerhahn treibt, geberdet ſich kaum ein anderer Hahn. Andere Waldhühner ſind ebenfalls äußerſt erregt; ſie geben ihrem Gefühl aber wenigſtens in anmuthiger Weiſe Aus- druck, während der Auerhahn ſeine Schwerfälligkeit auch dann nicht verleugnen kann, und ſeine Sonderbarkeit deshalb um ſo auffälliger erſcheint. Bei jungen Hähnen regt ſich das Bewußtſein ihrer männlichen Würde bereits in den Herbſtmonaten; wenigſtens nimmt man an, daß ſie es ſind, welche um dieſe Zeit balzen oder doch zu balzen verſuchen; ältere hingegen zeigen ſich nur im Frühjahre ſanfteren Gefühlen zugänglich. Jhr Liebestaumel beginnt und endet zu einer ganz beſtimmten Zeit. Da der echte Waidmann den ſtolzen Vogel nur während der Balze erlegt, hat er dieſe auf das Genaueſte erforſcht, und deshalb danken wir nicht allein dem Naturforſcher, ſondern auch dem Jäger eingehende Schilderungen dieſes Liebesſpieles.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/366>, abgerufen am 18.05.2024.