Die Läufer. Girrvögel. Kukukstauben. Turteltauben.
Weibchen brütet, ernährt es das Männchen, erweist ihm überhaupt eine wahrhaft rührende Zärtlichkeit und Zuneigung. Es verdient bemerkt zu werden, daß die Jungen regelmäßig ein Pärchen sind. Die Alten füttern ihre Sprossen, bis diese sich selbst ernähren können; dann verlassen sie die Eltern und bilden bis zu ihrer Reife gesonderte Schwärme. Nach sechs Monaten sind sie fortpflanzungsfähig."
"Sobald die Jungen ausgekrochen sind, beginnt der Gewaltherrscher, Mensch genannt, die Bruten zu vernichten. Er zieht aus mit Aexten und andern Waffen und haut Aeste und Bäume nieder, den Frieden der harmlosen Ansiedler zu stören. Beim Zusammenstürzen der gefällten Stämme und Aeste werden die Jungen aus den Nestern geschleudert und Massen von ihnen vertilgt."
Wilson schildert den Brutplatz ausführlicher. "Wenn die Wandertauben einen Brutplatz länger im Besitz gehabt haben, bietet er einen überraschenden Anblick dar. Der Boden ist zollhoch mit Mist bedeckt, alles weiche Gras und Buschholz ist zerstört. Massen von Aesten liegen unten, wirr durch einander, und die Bäume selbst sind in einer Strecke von mehr als tausend Ackern so völlig kahl, als ob sie mit der Art behandelt worden wären. Die Spuren einer solchen Verwüstung bleiben jahrelang sichtbar, und man stößt auf viele Stellen, wo in mehreren nachfolgenden Jahren keine Pflanze zum Vorschein kommt. Die Jndianer betrachten einen solchen Brutplatz als eine wichtige Quelle für ihren Wohlstand und Lebensunterhalt. Sobald die Jungen völlig ausgewachsen sind, erscheinen die Bewohner der umliegenden Gegenden mit Wagen, Betten und Kochgeräthschaften, viele vom größten Theil ihrer Familie begleitet, und bringen mehrere Tage auf dem Brutplatze zu. Augenzeugen erzählten mir, das Geräusch und Gekreisch in den Wäldern sei so groß gewesen, daß die Pferde scheu geworden wären und keiner dem andern, ohne ihm ins Ohr zu schreien, sich verständlich hätte machen können. Der Boden war bedeckt mit zerbrochenen Aesten, herabgestürzten Eiern und Jungen, von denen Herden von Schweinen sich mästeten. Habichte, Falken und Adler kreisten scharenweise in hoher Luft und holten sich nach Belieben junge Tauben aus den Nestern; das Auge sah Nichts als eine ununterbrochene, sich tummelnde, drängende, durch einander flatternde Taubenmasse; das Rauschen der Fittige glich dem Rollen des Donners. Dazwischen vernahm man das Prasseln der stürzenden Bäume; denn die Holzschläger waren jetzt beschäftigt, diejenigen umzuhauen, welche am dichtesten mit Nestern bedeckt waren."
Man sollte glauben, daß die Tauben durch derartige Anstalten vertilgt werden müßten. "Jch habe mich aber", bemerkt Audubon, "durch jahrelange Beobachtungen überzeugt, daß sie nichts Anderes als die Rodung der Wälder zu vermindern vermag." Jm Jahre 1805 kamen in Newyork Schooner an, welche mit Wandertauben beladen waren. Das Stück wurde zu einem Cent verkauft. Ein Mann in Pennsylvanien fing, wie Andubon uns mittheilt, in seinem Schlaggarn an einem Tage fünfhundert Dutzend und zog zuweilen zwanzig Dutzenden von ihnen das Netz mit einem Male über den Kopf. Noch im Jahre 1830 kamen sie so häufig auf den Markt zu Newyork, daß man sie überall massenweise sah. Die vorstehenden Zahlen dünken uns entsetzlich zu sein, wir dürfen dabei aber nicht verkennen, daß bei uns zu Lande unter den Drosseln und Meisen noch heutigen Tags eine ähnliche Schlächterei geübt wird. Die Wandertauben werden nur da in Menge vertilgt, wo sie millionenweise auftreten, auf die Drosseln macht halb Europa Jagd. Die Farben des uns von Audubon und Wilson aufgerollten Bildes erscheinen uns greller, als sie es sollten.
Jn der Gefangenschaft hält die Wandertaube bei geeigneter Pflege jahrelang aus und pflanzt sich auch ohne Umstände fort. Gegenwärtig fehlt sie in keinem unserer Thiergärten. Es ist sehr wahrscheinlich, daß diejenigen, welche in England geschossen wurden, der Gefangenschaft ent- kommen sind.
Die Turteltauben (Turtures) bilden eine zahlreiche, sehr übereinstimmende Gruppe. Sie sind schlank gebaut, kleinköpfig, langflügelig und langschwänzig, ihre Füße verhältnißmäßig
Die Läufer. Girrvögel. Kukukstauben. Turteltauben.
Weibchen brütet, ernährt es das Männchen, erweiſt ihm überhaupt eine wahrhaft rührende Zärtlichkeit und Zuneigung. Es verdient bemerkt zu werden, daß die Jungen regelmäßig ein Pärchen ſind. Die Alten füttern ihre Sproſſen, bis dieſe ſich ſelbſt ernähren können; dann verlaſſen ſie die Eltern und bilden bis zu ihrer Reife geſonderte Schwärme. Nach ſechs Monaten ſind ſie fortpflanzungsfähig.“
„Sobald die Jungen ausgekrochen ſind, beginnt der Gewaltherrſcher, Menſch genannt, die Bruten zu vernichten. Er zieht aus mit Aexten und andern Waffen und haut Aeſte und Bäume nieder, den Frieden der harmloſen Anſiedler zu ſtören. Beim Zuſammenſtürzen der gefällten Stämme und Aeſte werden die Jungen aus den Neſtern geſchleudert und Maſſen von ihnen vertilgt.“
Wilſon ſchildert den Brutplatz ausführlicher. „Wenn die Wandertauben einen Brutplatz länger im Beſitz gehabt haben, bietet er einen überraſchenden Anblick dar. Der Boden iſt zollhoch mit Miſt bedeckt, alles weiche Gras und Buſchholz iſt zerſtört. Maſſen von Aeſten liegen unten, wirr durch einander, und die Bäume ſelbſt ſind in einer Strecke von mehr als tauſend Ackern ſo völlig kahl, als ob ſie mit der Art behandelt worden wären. Die Spuren einer ſolchen Verwüſtung bleiben jahrelang ſichtbar, und man ſtößt auf viele Stellen, wo in mehreren nachfolgenden Jahren keine Pflanze zum Vorſchein kommt. Die Jndianer betrachten einen ſolchen Brutplatz als eine wichtige Quelle für ihren Wohlſtand und Lebensunterhalt. Sobald die Jungen völlig ausgewachſen ſind, erſcheinen die Bewohner der umliegenden Gegenden mit Wagen, Betten und Kochgeräthſchaften, viele vom größten Theil ihrer Familie begleitet, und bringen mehrere Tage auf dem Brutplatze zu. Augenzeugen erzählten mir, das Geräuſch und Gekreiſch in den Wäldern ſei ſo groß geweſen, daß die Pferde ſcheu geworden wären und keiner dem andern, ohne ihm ins Ohr zu ſchreien, ſich verſtändlich hätte machen können. Der Boden war bedeckt mit zerbrochenen Aeſten, herabgeſtürzten Eiern und Jungen, von denen Herden von Schweinen ſich mäſteten. Habichte, Falken und Adler kreiſten ſcharenweiſe in hoher Luft und holten ſich nach Belieben junge Tauben aus den Neſtern; das Auge ſah Nichts als eine ununterbrochene, ſich tummelnde, drängende, durch einander flatternde Taubenmaſſe; das Rauſchen der Fittige glich dem Rollen des Donners. Dazwiſchen vernahm man das Praſſeln der ſtürzenden Bäume; denn die Holzſchläger waren jetzt beſchäftigt, diejenigen umzuhauen, welche am dichteſten mit Neſtern bedeckt waren.“
Man ſollte glauben, daß die Tauben durch derartige Anſtalten vertilgt werden müßten. „Jch habe mich aber“, bemerkt Audubon, „durch jahrelange Beobachtungen überzeugt, daß ſie nichts Anderes als die Rodung der Wälder zu vermindern vermag.“ Jm Jahre 1805 kamen in Newyork Schooner an, welche mit Wandertauben beladen waren. Das Stück wurde zu einem Cent verkauft. Ein Mann in Pennſylvanien fing, wie Andubon uns mittheilt, in ſeinem Schlaggarn an einem Tage fünfhundert Dutzend und zog zuweilen zwanzig Dutzenden von ihnen das Netz mit einem Male über den Kopf. Noch im Jahre 1830 kamen ſie ſo häufig auf den Markt zu Newyork, daß man ſie überall maſſenweiſe ſah. Die vorſtehenden Zahlen dünken uns entſetzlich zu ſein, wir dürfen dabei aber nicht verkennen, daß bei uns zu Lande unter den Droſſeln und Meiſen noch heutigen Tags eine ähnliche Schlächterei geübt wird. Die Wandertauben werden nur da in Menge vertilgt, wo ſie millionenweiſe auftreten, auf die Droſſeln macht halb Europa Jagd. Die Farben des uns von Audubon und Wilſon aufgerollten Bildes erſcheinen uns greller, als ſie es ſollten.
Jn der Gefangenſchaft hält die Wandertaube bei geeigneter Pflege jahrelang aus und pflanzt ſich auch ohne Umſtände fort. Gegenwärtig fehlt ſie in keinem unſerer Thiergärten. Es iſt ſehr wahrſcheinlich, daß diejenigen, welche in England geſchoſſen wurden, der Gefangenſchaft ent- kommen ſind.
Die Turteltauben (Turtures) bilden eine zahlreiche, ſehr übereinſtimmende Gruppe. Sie ſind ſchlank gebaut, kleinköpfig, langflügelig und langſchwänzig, ihre Füße verhältnißmäßig
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Die Läufer. Girrvögel. Kukukstauben. Turteltauben.
Weibchen brütet, ernährt es das Männchen, erweiſt ihm überhaupt eine wahrhaft rührende Zärtlichkeit
und Zuneigung. Es verdient bemerkt zu werden, daß die Jungen regelmäßig ein Pärchen ſind.
Die Alten füttern ihre Sproſſen, bis dieſe ſich ſelbſt ernähren können; dann verlaſſen ſie die Eltern und
bilden bis zu ihrer Reife geſonderte Schwärme. Nach ſechs Monaten ſind ſie fortpflanzungsfähig.“
„Sobald die Jungen ausgekrochen ſind, beginnt der Gewaltherrſcher, Menſch genannt, die
Bruten zu vernichten. Er zieht aus mit Aexten und andern Waffen und haut Aeſte und Bäume
nieder, den Frieden der harmloſen Anſiedler zu ſtören. Beim Zuſammenſtürzen der gefällten
Stämme und Aeſte werden die Jungen aus den Neſtern geſchleudert und Maſſen von ihnen vertilgt.“
Wilſon ſchildert den Brutplatz ausführlicher. „Wenn die Wandertauben einen Brutplatz
länger im Beſitz gehabt haben, bietet er einen überraſchenden Anblick dar. Der Boden iſt zollhoch
mit Miſt bedeckt, alles weiche Gras und Buſchholz iſt zerſtört. Maſſen von Aeſten liegen unten,
wirr durch einander, und die Bäume ſelbſt ſind in einer Strecke von mehr als tauſend Ackern ſo
völlig kahl, als ob ſie mit der Art behandelt worden wären. Die Spuren einer ſolchen Verwüſtung
bleiben jahrelang ſichtbar, und man ſtößt auf viele Stellen, wo in mehreren nachfolgenden Jahren
keine Pflanze zum Vorſchein kommt. Die Jndianer betrachten einen ſolchen Brutplatz als eine
wichtige Quelle für ihren Wohlſtand und Lebensunterhalt. Sobald die Jungen völlig ausgewachſen
ſind, erſcheinen die Bewohner der umliegenden Gegenden mit Wagen, Betten und Kochgeräthſchaften,
viele vom größten Theil ihrer Familie begleitet, und bringen mehrere Tage auf dem Brutplatze zu.
Augenzeugen erzählten mir, das Geräuſch und Gekreiſch in den Wäldern ſei ſo groß geweſen, daß die
Pferde ſcheu geworden wären und keiner dem andern, ohne ihm ins Ohr zu ſchreien, ſich verſtändlich
hätte machen können. Der Boden war bedeckt mit zerbrochenen Aeſten, herabgeſtürzten Eiern und
Jungen, von denen Herden von Schweinen ſich mäſteten. Habichte, Falken und Adler kreiſten
ſcharenweiſe in hoher Luft und holten ſich nach Belieben junge Tauben aus den Neſtern; das
Auge ſah Nichts als eine ununterbrochene, ſich tummelnde, drängende, durch einander flatternde
Taubenmaſſe; das Rauſchen der Fittige glich dem Rollen des Donners. Dazwiſchen vernahm
man das Praſſeln der ſtürzenden Bäume; denn die Holzſchläger waren jetzt beſchäftigt, diejenigen
umzuhauen, welche am dichteſten mit Neſtern bedeckt waren.“
Man ſollte glauben, daß die Tauben durch derartige Anſtalten vertilgt werden müßten. „Jch
habe mich aber“, bemerkt Audubon, „durch jahrelange Beobachtungen überzeugt, daß ſie nichts
Anderes als die Rodung der Wälder zu vermindern vermag.“ Jm Jahre 1805 kamen in Newyork
Schooner an, welche mit Wandertauben beladen waren. Das Stück wurde zu einem Cent verkauft.
Ein Mann in Pennſylvanien fing, wie Andubon uns mittheilt, in ſeinem Schlaggarn an einem
Tage fünfhundert Dutzend und zog zuweilen zwanzig Dutzenden von ihnen das Netz mit einem Male
über den Kopf. Noch im Jahre 1830 kamen ſie ſo häufig auf den Markt zu Newyork, daß man ſie
überall maſſenweiſe ſah. Die vorſtehenden Zahlen dünken uns entſetzlich zu ſein, wir dürfen dabei
aber nicht verkennen, daß bei uns zu Lande unter den Droſſeln und Meiſen noch heutigen Tags
eine ähnliche Schlächterei geübt wird. Die Wandertauben werden nur da in Menge vertilgt, wo ſie
millionenweiſe auftreten, auf die Droſſeln macht halb Europa Jagd. Die Farben des uns von
Audubon und Wilſon aufgerollten Bildes erſcheinen uns greller, als ſie es ſollten.
Jn der Gefangenſchaft hält die Wandertaube bei geeigneter Pflege jahrelang aus und pflanzt
ſich auch ohne Umſtände fort. Gegenwärtig fehlt ſie in keinem unſerer Thiergärten. Es iſt
ſehr wahrſcheinlich, daß diejenigen, welche in England geſchoſſen wurden, der Gefangenſchaft ent-
kommen ſind.
Die Turteltauben (Turtures) bilden eine zahlreiche, ſehr übereinſtimmende Gruppe.
Sie ſind ſchlank gebaut, kleinköpfig, langflügelig und langſchwänzig, ihre Füße verhältnißmäßig
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/300>, abgerufen am 29.11.2024.
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