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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Tukanbartvogel.
einstimmenden geographischen Verbreitung beider Thiergestalten. Tukane bewohnen nur die Wende-
kreisländer Amerikas, gehen aber als Vögel leichter und weiter in die benachbarten Gegenden über:
Tukane streifen bis Mejiko und Buenos Ayres, woselbst Faulthiere nicht mehr gefunden werden,
Tukane bewohnen auch die westlichen Abhänge der Cordilleren, wohin die Faulthiere nicht gehen.
Schon Berglehnen von über 5000 Fuß Höhe betreten sie nicht mehr; auch ist das Naturell der Vögel
kein so langsames, wie das der Faulthiere. Ein Vogel muß behender sein, sonst ist er kein Vogel
mehr. Aber stumpffinnig sind auch die Tukane, wenn auch nicht in dem Grade, wie die Faulthiere."

Jch muß sagen, daß mir diese Auseinandersetzung des geistreichen Burmeister unverständlich ist;
denn das Leben der Tukane bietet, so weit es mir bekannt, nicht die geringste Veranlassung zu einem
derartigen Vergleiche. Keiner der anderen Beobachter spricht von Stumpfsinnigkeit der Pfefferfresser,
keiner hat in ihrem Wesen Etwas entdeckt, was an das der Faulthiere erinnert. Man rühmt unsere
Vögel im Gegentheil als muntere und kluge Gesellen, deren Betragen Vergnügen gewährt, weil es
eine gewisse Vielseitigkeit des Geistes bekundet. Doch bescheide ich mich. Burmeister hat die
Tukans in ihren Wäldern, ich habe nur wenige im Käfig gesehen.

"Der ausgezeichnetste Theil des Tukans", fährt Burmeister fort, "ist sein Schnabel, ein großer,
gebogener, seitlich mehr oder weniger zusammengedrückter Hornkegel, welcher an der Wurzel die
Breite des ganzen Kopfes besitzt und in der Länge dem eigentlichen Rumpfe nicht nachsteht. Er ist
überall mit einer dünnen Hornschicht bekleidet, welche bis an den Grund reicht. Daher fehlen ihm
die Nasengrube und die Wachshaut. Selbst die Nasenlöcher sind versteckt und bis an die äußerste
Grenze gegen das Kopfgefieder zurückgebogen, woselbst sie nach oben, dicht vor der Stirn, zu beiden
Seiten des Schnabelrückens liegt. Eine starkhakige Spitze oder Zähne hat der Schnabel nicht. Jst
er am Rande zackig, so sind das nur später entstandene Kerben (?). Die Gegend des Kopfes um das
Auge und am Oberschnabel vom Mundwinkel bis zur Stirn ist in der Regel nackt, ohne alle Federn,
selbst ohne die Bürstenfedern, welche häufig diesen Ort bekleiden. Auch die Augenlider sind wimper-
los; ein Charakter, welchen die Tukane mit den Papageien gemein haben."

"Das Federkleid der Tukane ist voll, aber nicht reichlich; es besteht vielmehr aus wenigen
großen, weichen, laxen Federn, welche breit, rund und ziemlich kurz sind. Das erstreckt sich auch
auf die Flügel, welche einen runden Schnitt haben und nie weiter als bis auf den Anfang des
Schwanzes reichen, auch so breite, große, selbst lange Armschwingen besitzen, daß sich die bezüglich
viel kleineren, besonders kürzeren Handschwingen darunter in der Ruhe fast vollständig bedecken. Die
erste Schwinge ist beträchtlich, die zweite mäßig verkürzt, die vierte in der Regel die längste, doch
wenig länger als die dritte und fünfte, welchen auch die sechste kaum nachsteht. Der Schwanz
dagegen ist groß, öfters breit, in den meisten Fällen lang, keilförmig zugespitzt und stufig. Er besteht
aus zehn Federn. Die Beine sind groß und stark, aber nicht fleischig; der Lauf ist ziemlich lang,
dünn und vorn wie hinten mit tafelförmigen Gürtelschildern, deren Zahl sieben zu sein pflegt,
bekleidet. Die Zehen haben über den Gelenkungen zwei kurze, dazwischen auf den Gliedern ein
langes Tafelschild, sind aber sonst mit einer warzigen Sohle mit mächtigen Ballen bekleidet und
enden mit langen, stark gebogenen, aber nicht sehr kräftigen Krallen, von denen die beiden vorderen
nur wenig größer sind als die entsprechenden hinteren, übrigens aber am Jnnenrande einen
erweiterten vorspringenden Saum besitzen."

"Von dem innern Bau der Tukane ist das Wichtigste ebenfalls bekannt. Man weiß, daß der
so große und scheinbar plumpe Schnabel hohl ist, mit einem schmalen großmaschigen Knochennetz
erfüllt, welches Luft von der Nase her in sich aufnimmt und dadurch den Schnabel ganz leicht macht.
Man weiß ferner, daß die Nasengänge Sförmig gebogene Röhren sind, welche von der Stirn im
Schnabelgrunde zur Rachenhöhle hinabsteigen, und daß die Zunge ein schmales, horniges, am Rande
gefasertes Band, einem Grasblatte vergleichbar, darstellt, ohne alle fleischigen Bestandtheile. Der
Schlund hat keinen Kropf und der Magen keine dicken Muskelkörper, sondern nur eine fleischige
Wand. Die Leber besteht aus zwei Lappen, die Gallenblase und die Blinddärme fehlen. Am

Tukanbartvogel.
einſtimmenden geographiſchen Verbreitung beider Thiergeſtalten. Tukane bewohnen nur die Wende-
kreisländer Amerikas, gehen aber als Vögel leichter und weiter in die benachbarten Gegenden über:
Tukane ſtreifen bis Mejiko und Buenos Ayres, woſelbſt Faulthiere nicht mehr gefunden werden,
Tukane bewohnen auch die weſtlichen Abhänge der Cordilleren, wohin die Faulthiere nicht gehen.
Schon Berglehnen von über 5000 Fuß Höhe betreten ſie nicht mehr; auch iſt das Naturell der Vögel
kein ſo langſames, wie das der Faulthiere. Ein Vogel muß behender ſein, ſonſt iſt er kein Vogel
mehr. Aber ſtumpffinnig ſind auch die Tukane, wenn auch nicht in dem Grade, wie die Faulthiere.“

Jch muß ſagen, daß mir dieſe Auseinanderſetzung des geiſtreichen Burmeiſter unverſtändlich iſt;
denn das Leben der Tukane bietet, ſo weit es mir bekannt, nicht die geringſte Veranlaſſung zu einem
derartigen Vergleiche. Keiner der anderen Beobachter ſpricht von Stumpfſinnigkeit der Pfefferfreſſer,
keiner hat in ihrem Weſen Etwas entdeckt, was an das der Faulthiere erinnert. Man rühmt unſere
Vögel im Gegentheil als muntere und kluge Geſellen, deren Betragen Vergnügen gewährt, weil es
eine gewiſſe Vielſeitigkeit des Geiſtes bekundet. Doch beſcheide ich mich. Burmeiſter hat die
Tukans in ihren Wäldern, ich habe nur wenige im Käfig geſehen.

„Der ausgezeichnetſte Theil des Tukans“, fährt Burmeiſter fort, „iſt ſein Schnabel, ein großer,
gebogener, ſeitlich mehr oder weniger zuſammengedrückter Hornkegel, welcher an der Wurzel die
Breite des ganzen Kopfes beſitzt und in der Länge dem eigentlichen Rumpfe nicht nachſteht. Er iſt
überall mit einer dünnen Hornſchicht bekleidet, welche bis an den Grund reicht. Daher fehlen ihm
die Naſengrube und die Wachshaut. Selbſt die Naſenlöcher ſind verſteckt und bis an die äußerſte
Grenze gegen das Kopfgefieder zurückgebogen, woſelbſt ſie nach oben, dicht vor der Stirn, zu beiden
Seiten des Schnabelrückens liegt. Eine ſtarkhakige Spitze oder Zähne hat der Schnabel nicht. Jſt
er am Rande zackig, ſo ſind das nur ſpäter entſtandene Kerben (?). Die Gegend des Kopfes um das
Auge und am Oberſchnabel vom Mundwinkel bis zur Stirn iſt in der Regel nackt, ohne alle Federn,
ſelbſt ohne die Bürſtenfedern, welche häufig dieſen Ort bekleiden. Auch die Augenlider ſind wimper-
los; ein Charakter, welchen die Tukane mit den Papageien gemein haben.“

„Das Federkleid der Tukane iſt voll, aber nicht reichlich; es beſteht vielmehr aus wenigen
großen, weichen, laxen Federn, welche breit, rund und ziemlich kurz ſind. Das erſtreckt ſich auch
auf die Flügel, welche einen runden Schnitt haben und nie weiter als bis auf den Anfang des
Schwanzes reichen, auch ſo breite, große, ſelbſt lange Armſchwingen beſitzen, daß ſich die bezüglich
viel kleineren, beſonders kürzeren Handſchwingen darunter in der Ruhe faſt vollſtändig bedecken. Die
erſte Schwinge iſt beträchtlich, die zweite mäßig verkürzt, die vierte in der Regel die längſte, doch
wenig länger als die dritte und fünfte, welchen auch die ſechste kaum nachſteht. Der Schwanz
dagegen iſt groß, öfters breit, in den meiſten Fällen lang, keilförmig zugeſpitzt und ſtufig. Er beſteht
aus zehn Federn. Die Beine ſind groß und ſtark, aber nicht fleiſchig; der Lauf iſt ziemlich lang,
dünn und vorn wie hinten mit tafelförmigen Gürtelſchildern, deren Zahl ſieben zu ſein pflegt,
bekleidet. Die Zehen haben über den Gelenkungen zwei kurze, dazwiſchen auf den Gliedern ein
langes Tafelſchild, ſind aber ſonſt mit einer warzigen Sohle mit mächtigen Ballen bekleidet und
enden mit langen, ſtark gebogenen, aber nicht ſehr kräftigen Krallen, von denen die beiden vorderen
nur wenig größer ſind als die entſprechenden hinteren, übrigens aber am Jnnenrande einen
erweiterten vorſpringenden Saum beſitzen.“

„Von dem innern Bau der Tukane iſt das Wichtigſte ebenfalls bekannt. Man weiß, daß der
ſo große und ſcheinbar plumpe Schnabel hohl iſt, mit einem ſchmalen großmaſchigen Knochennetz
erfüllt, welches Luft von der Naſe her in ſich aufnimmt und dadurch den Schnabel ganz leicht macht.
Man weiß ferner, daß die Naſengänge Sförmig gebogene Röhren ſind, welche von der Stirn im
Schnabelgrunde zur Rachenhöhle hinabſteigen, und daß die Zunge ein ſchmales, horniges, am Rande
gefaſertes Band, einem Grasblatte vergleichbar, darſtellt, ohne alle fleiſchigen Beſtandtheile. Der
Schlund hat keinen Kropf und der Magen keine dicken Muskelkörper, ſondern nur eine fleiſchige
Wand. Die Leber beſteht aus zwei Lappen, die Gallenblaſe und die Blinddärme fehlen. Am

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[229/0251] Tukanbartvogel. einſtimmenden geographiſchen Verbreitung beider Thiergeſtalten. Tukane bewohnen nur die Wende- kreisländer Amerikas, gehen aber als Vögel leichter und weiter in die benachbarten Gegenden über: Tukane ſtreifen bis Mejiko und Buenos Ayres, woſelbſt Faulthiere nicht mehr gefunden werden, Tukane bewohnen auch die weſtlichen Abhänge der Cordilleren, wohin die Faulthiere nicht gehen. Schon Berglehnen von über 5000 Fuß Höhe betreten ſie nicht mehr; auch iſt das Naturell der Vögel kein ſo langſames, wie das der Faulthiere. Ein Vogel muß behender ſein, ſonſt iſt er kein Vogel mehr. Aber ſtumpffinnig ſind auch die Tukane, wenn auch nicht in dem Grade, wie die Faulthiere.“ Jch muß ſagen, daß mir dieſe Auseinanderſetzung des geiſtreichen Burmeiſter unverſtändlich iſt; denn das Leben der Tukane bietet, ſo weit es mir bekannt, nicht die geringſte Veranlaſſung zu einem derartigen Vergleiche. Keiner der anderen Beobachter ſpricht von Stumpfſinnigkeit der Pfefferfreſſer, keiner hat in ihrem Weſen Etwas entdeckt, was an das der Faulthiere erinnert. Man rühmt unſere Vögel im Gegentheil als muntere und kluge Geſellen, deren Betragen Vergnügen gewährt, weil es eine gewiſſe Vielſeitigkeit des Geiſtes bekundet. Doch beſcheide ich mich. Burmeiſter hat die Tukans in ihren Wäldern, ich habe nur wenige im Käfig geſehen. „Der ausgezeichnetſte Theil des Tukans“, fährt Burmeiſter fort, „iſt ſein Schnabel, ein großer, gebogener, ſeitlich mehr oder weniger zuſammengedrückter Hornkegel, welcher an der Wurzel die Breite des ganzen Kopfes beſitzt und in der Länge dem eigentlichen Rumpfe nicht nachſteht. Er iſt überall mit einer dünnen Hornſchicht bekleidet, welche bis an den Grund reicht. Daher fehlen ihm die Naſengrube und die Wachshaut. Selbſt die Naſenlöcher ſind verſteckt und bis an die äußerſte Grenze gegen das Kopfgefieder zurückgebogen, woſelbſt ſie nach oben, dicht vor der Stirn, zu beiden Seiten des Schnabelrückens liegt. Eine ſtarkhakige Spitze oder Zähne hat der Schnabel nicht. Jſt er am Rande zackig, ſo ſind das nur ſpäter entſtandene Kerben (?). Die Gegend des Kopfes um das Auge und am Oberſchnabel vom Mundwinkel bis zur Stirn iſt in der Regel nackt, ohne alle Federn, ſelbſt ohne die Bürſtenfedern, welche häufig dieſen Ort bekleiden. Auch die Augenlider ſind wimper- los; ein Charakter, welchen die Tukane mit den Papageien gemein haben.“ „Das Federkleid der Tukane iſt voll, aber nicht reichlich; es beſteht vielmehr aus wenigen großen, weichen, laxen Federn, welche breit, rund und ziemlich kurz ſind. Das erſtreckt ſich auch auf die Flügel, welche einen runden Schnitt haben und nie weiter als bis auf den Anfang des Schwanzes reichen, auch ſo breite, große, ſelbſt lange Armſchwingen beſitzen, daß ſich die bezüglich viel kleineren, beſonders kürzeren Handſchwingen darunter in der Ruhe faſt vollſtändig bedecken. Die erſte Schwinge iſt beträchtlich, die zweite mäßig verkürzt, die vierte in der Regel die längſte, doch wenig länger als die dritte und fünfte, welchen auch die ſechste kaum nachſteht. Der Schwanz dagegen iſt groß, öfters breit, in den meiſten Fällen lang, keilförmig zugeſpitzt und ſtufig. Er beſteht aus zehn Federn. Die Beine ſind groß und ſtark, aber nicht fleiſchig; der Lauf iſt ziemlich lang, dünn und vorn wie hinten mit tafelförmigen Gürtelſchildern, deren Zahl ſieben zu ſein pflegt, bekleidet. Die Zehen haben über den Gelenkungen zwei kurze, dazwiſchen auf den Gliedern ein langes Tafelſchild, ſind aber ſonſt mit einer warzigen Sohle mit mächtigen Ballen bekleidet und enden mit langen, ſtark gebogenen, aber nicht ſehr kräftigen Krallen, von denen die beiden vorderen nur wenig größer ſind als die entſprechenden hinteren, übrigens aber am Jnnenrande einen erweiterten vorſpringenden Saum beſitzen.“ „Von dem innern Bau der Tukane iſt das Wichtigſte ebenfalls bekannt. Man weiß, daß der ſo große und ſcheinbar plumpe Schnabel hohl iſt, mit einem ſchmalen großmaſchigen Knochennetz erfüllt, welches Luft von der Naſe her in ſich aufnimmt und dadurch den Schnabel ganz leicht macht. Man weiß ferner, daß die Naſengänge Sförmig gebogene Röhren ſind, welche von der Stirn im Schnabelgrunde zur Rachenhöhle hinabſteigen, und daß die Zunge ein ſchmales, horniges, am Rande gefaſertes Band, einem Grasblatte vergleichbar, darſtellt, ohne alle fleiſchigen Beſtandtheile. Der Schlund hat keinen Kropf und der Magen keine dicken Muskelkörper, ſondern nur eine fleiſchige Wand. Die Leber beſteht aus zwei Lappen, die Gallenblaſe und die Blinddärme fehlen. Am

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/251>, abgerufen am 24.11.2024.