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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Coroya. Ani. Runzelschnabel.
plötzlich alle zusammen unter lautem Geschrei. Jm Fliegen sehen sie sonderbar aus; denn der
dünne Leib mit dem langen Schwanze, dem großen Kopfe und dem gewaltigen Schnabel wird gerade
ausgestreckt und die Schwingen selbst werden nur wenig bewegt, sodaß der dahingleitende Maden-
fresser, wie Gosse sagt, eher einem Fische, als einem Vogel ähnelt.

Der Ani und der Sperlingsfalk müssen, laut Newton, am meisten unter den Angriffen
eines Tyrannen leiden. Es ist schwer zu sagen, welcher von beiden, der Ani oder Tyrann, dem
Beobachter das meiste Vergnügen gewährt. Wenn eine frische Brise weht, ist der Ani wegen seines
langen Schwanzes und der kurzen Flügel geradezu hilflos. Er verliert dann gänzlich seine Geistes-
gegenwart und fliegt mit dem Winde, während das Gegentheil das Beste wäre. Dann erscheint der
Tyrann und versetzt ihm derartige Stöße, daß ihm Nichts übrig bleibt, als sich in eine unerquicklich
ausschende Dornhecke oder in das Gras herabzustürzen. Eine Folge dieser Abenteuer ist, daß das
Gefieder des Ani, namentlich das des Schwanzes, sehr leidet. Man kann wirklich kaum einen
einzigen bekommen, dessen Steuer in gutem Zustande ist.

Der sonderbare Nuf, welcher alle Augenblicke vernommen wird, klingt wie der Name des
Vogels durch die Nase gesprochen, nach Kittlitz wie "Tru- i tru- i", nach Azara wie "Dooi"
oder "Aaai", nach Prinz von Wied wie "Ani" oder "Ai", angenehm aber sicher nicht, da die
Ansiedler den Vogel deshalb, laut Schomburgk, "alte Here" zu nennen pflegen.

Die Nahrung ist gemischter Art. Kerbthiere und Würmer, zumal Zecken, bilden wahrscheinlich
das Hauptfutter; zeitweilig aber halten sich die Madenfresser fast ausschließlich an Früchte. Die
Forscher fanden in dem Magen der von ihnen Getödteten die Reste verschiedener Kerbthiere,
namentlich der Heuschrecken, Schmetterlinge, Fliegen und dergleichen, aber auch Beeren verschiedener
Art und andere Früchte. Den Kühen lesen sie die Schmarotzer ab, und deshalb eben halten sie sich
gern auf Weiden auf. Man sieht sie auf dem Vieh umherlaufen, ohne daß dieses Unwillen
bekundet; zuweilen hängen sogar mehrere Vögel zu gleicher Zeit auf ein und demselben Rinde,
gleichviel ob es liegt oder sich bewegt. Der Prinz von Wied sah sie in Gesellschaft der
Schwarzvögel und des weißen Caracara auf dem Rücken des Rindviehs sitzen; Gosse beobachtete,
wie sie eifrig beschäftigt waren, eine Kuh von ihren Quälgeistern zu befreien, und auch alle übrigen
Reisenden erwähnen der Freundschaft zwischen ihnen und den Rindern. Uebrigens bedrohen sie nicht
blos die laufenden Kerbthiere, sondern jagen auch den fliegenden nach. "Jm Dezember", sagt
Gosse, "habe ich kleine Gesellschaften von ihnen abends beschäftigt gesehen, von einem Zweige aus
in die Luft zu fliegen, unzweifelhaft, um schwirrende Kerbthiere zu fangen. Eines Tages im März
und Mai wurde meine Aufmerksamkeit auf einige Madenfresser gelenkt, welche einen großen
Schmetterling verfolgten, und ein drittes Mal sah ich einen mit einer Wasserjungfer im Schnabel.
Jch habe auch gesehen, daß sie gelegentlich kleine Eidechsen bedrohen."

Ueber die Fortpflanzung liegen ausführliche, aber nicht ganz übereinstimmende Berichte vor.
Azara bemerkt, daß der Ani, nicht aber die Coroya, gesellschaftlich niste; Richard Schomburgk
behauptet das Gegentheil, und Orbigny bestätigt Schomburgk's Angaben. "Die Eigenthüm-
lichkeit", sagt der Letztgenannte, "daß sich mehrere Weibchen bei der Leg- und Brütezeit vereinigen,
ein gemeinschaftliches Nest bauen, gemeinschaftlich dort ihre Eier legen und diese ebenfalls gemein-
schaftlich ausbrüten, findet nicht beim Ani statt, da ich immer nur fünf bis sieben Eier in einem
Neste fand; jene Eigenthümlichkeit ist, wie ich später fand, nur der Coroya eigen: die großen
gemeinsamen Nester dieser Art enthielten oft zwanzig bis dreißig weiße Eier." --

Das Nest des Ani ist, laut Burmeister, im Waldgebiet Brasiliens überall, auch nah bei
den menschlichen Ansiedlungen, in niedrigen Gebüschen zu finden. "Die Vögel, welche sich paar-
weise zusammenhalten, verrathen seine Stelle durch ihr beständiges Ab- und Zufliegen meist sehr
bald. Vielleicht in Folge der häufigen Störung, welcher sie hier ausgesetzt sind, bauen die ver-
schiedenen Paare kein großes gemeinschaftliches Nest; vielmehr sind ihre Baue daselbst nur von sehr

Coroya. Ani. Runzelſchnabel.
plötzlich alle zuſammen unter lautem Geſchrei. Jm Fliegen ſehen ſie ſonderbar aus; denn der
dünne Leib mit dem langen Schwanze, dem großen Kopfe und dem gewaltigen Schnabel wird gerade
ausgeſtreckt und die Schwingen ſelbſt werden nur wenig bewegt, ſodaß der dahingleitende Maden-
freſſer, wie Goſſe ſagt, eher einem Fiſche, als einem Vogel ähnelt.

Der Ani und der Sperlingsfalk müſſen, laut Newton, am meiſten unter den Angriffen
eines Tyrannen leiden. Es iſt ſchwer zu ſagen, welcher von beiden, der Ani oder Tyrann, dem
Beobachter das meiſte Vergnügen gewährt. Wenn eine friſche Briſe weht, iſt der Ani wegen ſeines
langen Schwanzes und der kurzen Flügel geradezu hilflos. Er verliert dann gänzlich ſeine Geiſtes-
gegenwart und fliegt mit dem Winde, während das Gegentheil das Beſte wäre. Dann erſcheint der
Tyrann und verſetzt ihm derartige Stöße, daß ihm Nichts übrig bleibt, als ſich in eine unerquicklich
ausſchende Dornhecke oder in das Gras herabzuſtürzen. Eine Folge dieſer Abenteuer iſt, daß das
Gefieder des Ani, namentlich das des Schwanzes, ſehr leidet. Man kann wirklich kaum einen
einzigen bekommen, deſſen Steuer in gutem Zuſtande iſt.

Der ſonderbare Nuf, welcher alle Augenblicke vernommen wird, klingt wie der Name des
Vogels durch die Naſe geſprochen, nach Kittlitz wie „Tru- i tru- i“, nach Azara wie „Dooi“
oder „Aaai“, nach Prinz von Wied wie „Ani“ oder „Ai“, angenehm aber ſicher nicht, da die
Anſiedler den Vogel deshalb, laut Schomburgk, „alte Here“ zu nennen pflegen.

Die Nahrung iſt gemiſchter Art. Kerbthiere und Würmer, zumal Zecken, bilden wahrſcheinlich
das Hauptfutter; zeitweilig aber halten ſich die Madenfreſſer faſt ausſchließlich an Früchte. Die
Forſcher fanden in dem Magen der von ihnen Getödteten die Reſte verſchiedener Kerbthiere,
namentlich der Heuſchrecken, Schmetterlinge, Fliegen und dergleichen, aber auch Beeren verſchiedener
Art und andere Früchte. Den Kühen leſen ſie die Schmarotzer ab, und deshalb eben halten ſie ſich
gern auf Weiden auf. Man ſieht ſie auf dem Vieh umherlaufen, ohne daß dieſes Unwillen
bekundet; zuweilen hängen ſogar mehrere Vögel zu gleicher Zeit auf ein und demſelben Rinde,
gleichviel ob es liegt oder ſich bewegt. Der Prinz von Wied ſah ſie in Geſellſchaft der
Schwarzvögel und des weißen Caracara auf dem Rücken des Rindviehs ſitzen; Goſſe beobachtete,
wie ſie eifrig beſchäftigt waren, eine Kuh von ihren Quälgeiſtern zu befreien, und auch alle übrigen
Reiſenden erwähnen der Freundſchaft zwiſchen ihnen und den Rindern. Uebrigens bedrohen ſie nicht
blos die laufenden Kerbthiere, ſondern jagen auch den fliegenden nach. „Jm Dezember“, ſagt
Goſſe, „habe ich kleine Geſellſchaften von ihnen abends beſchäftigt geſehen, von einem Zweige aus
in die Luft zu fliegen, unzweifelhaft, um ſchwirrende Kerbthiere zu fangen. Eines Tages im März
und Mai wurde meine Aufmerkſamkeit auf einige Madenfreſſer gelenkt, welche einen großen
Schmetterling verfolgten, und ein drittes Mal ſah ich einen mit einer Waſſerjungfer im Schnabel.
Jch habe auch geſehen, daß ſie gelegentlich kleine Eidechſen bedrohen.“

Ueber die Fortpflanzung liegen ausführliche, aber nicht ganz übereinſtimmende Berichte vor.
Azara bemerkt, daß der Ani, nicht aber die Coroya, geſellſchaftlich niſte; Richard Schomburgk
behauptet das Gegentheil, und Orbigny beſtätigt Schomburgk’s Angaben. „Die Eigenthüm-
lichkeit“, ſagt der Letztgenannte, „daß ſich mehrere Weibchen bei der Leg- und Brütezeit vereinigen,
ein gemeinſchaftliches Neſt bauen, gemeinſchaftlich dort ihre Eier legen und dieſe ebenfalls gemein-
ſchaftlich ausbrüten, findet nicht beim Ani ſtatt, da ich immer nur fünf bis ſieben Eier in einem
Neſte fand; jene Eigenthümlichkeit iſt, wie ich ſpäter fand, nur der Coroya eigen: die großen
gemeinſamen Neſter dieſer Art enthielten oft zwanzig bis dreißig weiße Eier.“ —

Das Neſt des Ani iſt, laut Burmeiſter, im Waldgebiet Braſiliens überall, auch nah bei
den menſchlichen Anſiedlungen, in niedrigen Gebüſchen zu finden. „Die Vögel, welche ſich paar-
weiſe zuſammenhalten, verrathen ſeine Stelle durch ihr beſtändiges Ab- und Zufliegen meiſt ſehr
bald. Vielleicht in Folge der häufigen Störung, welcher ſie hier ausgeſetzt ſind, bauen die ver-
ſchiedenen Paare kein großes gemeinſchaftliches Neſt; vielmehr ſind ihre Baue daſelbſt nur von ſehr

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[219/0241] Coroya. Ani. Runzelſchnabel. plötzlich alle zuſammen unter lautem Geſchrei. Jm Fliegen ſehen ſie ſonderbar aus; denn der dünne Leib mit dem langen Schwanze, dem großen Kopfe und dem gewaltigen Schnabel wird gerade ausgeſtreckt und die Schwingen ſelbſt werden nur wenig bewegt, ſodaß der dahingleitende Maden- freſſer, wie Goſſe ſagt, eher einem Fiſche, als einem Vogel ähnelt. Der Ani und der Sperlingsfalk müſſen, laut Newton, am meiſten unter den Angriffen eines Tyrannen leiden. Es iſt ſchwer zu ſagen, welcher von beiden, der Ani oder Tyrann, dem Beobachter das meiſte Vergnügen gewährt. Wenn eine friſche Briſe weht, iſt der Ani wegen ſeines langen Schwanzes und der kurzen Flügel geradezu hilflos. Er verliert dann gänzlich ſeine Geiſtes- gegenwart und fliegt mit dem Winde, während das Gegentheil das Beſte wäre. Dann erſcheint der Tyrann und verſetzt ihm derartige Stöße, daß ihm Nichts übrig bleibt, als ſich in eine unerquicklich ausſchende Dornhecke oder in das Gras herabzuſtürzen. Eine Folge dieſer Abenteuer iſt, daß das Gefieder des Ani, namentlich das des Schwanzes, ſehr leidet. Man kann wirklich kaum einen einzigen bekommen, deſſen Steuer in gutem Zuſtande iſt. Der ſonderbare Nuf, welcher alle Augenblicke vernommen wird, klingt wie der Name des Vogels durch die Naſe geſprochen, nach Kittlitz wie „Tru- i tru- i“, nach Azara wie „Dooi“ oder „Aaai“, nach Prinz von Wied wie „Ani“ oder „Ai“, angenehm aber ſicher nicht, da die Anſiedler den Vogel deshalb, laut Schomburgk, „alte Here“ zu nennen pflegen. Die Nahrung iſt gemiſchter Art. Kerbthiere und Würmer, zumal Zecken, bilden wahrſcheinlich das Hauptfutter; zeitweilig aber halten ſich die Madenfreſſer faſt ausſchließlich an Früchte. Die Forſcher fanden in dem Magen der von ihnen Getödteten die Reſte verſchiedener Kerbthiere, namentlich der Heuſchrecken, Schmetterlinge, Fliegen und dergleichen, aber auch Beeren verſchiedener Art und andere Früchte. Den Kühen leſen ſie die Schmarotzer ab, und deshalb eben halten ſie ſich gern auf Weiden auf. Man ſieht ſie auf dem Vieh umherlaufen, ohne daß dieſes Unwillen bekundet; zuweilen hängen ſogar mehrere Vögel zu gleicher Zeit auf ein und demſelben Rinde, gleichviel ob es liegt oder ſich bewegt. Der Prinz von Wied ſah ſie in Geſellſchaft der Schwarzvögel und des weißen Caracara auf dem Rücken des Rindviehs ſitzen; Goſſe beobachtete, wie ſie eifrig beſchäftigt waren, eine Kuh von ihren Quälgeiſtern zu befreien, und auch alle übrigen Reiſenden erwähnen der Freundſchaft zwiſchen ihnen und den Rindern. Uebrigens bedrohen ſie nicht blos die laufenden Kerbthiere, ſondern jagen auch den fliegenden nach. „Jm Dezember“, ſagt Goſſe, „habe ich kleine Geſellſchaften von ihnen abends beſchäftigt geſehen, von einem Zweige aus in die Luft zu fliegen, unzweifelhaft, um ſchwirrende Kerbthiere zu fangen. Eines Tages im März und Mai wurde meine Aufmerkſamkeit auf einige Madenfreſſer gelenkt, welche einen großen Schmetterling verfolgten, und ein drittes Mal ſah ich einen mit einer Waſſerjungfer im Schnabel. Jch habe auch geſehen, daß ſie gelegentlich kleine Eidechſen bedrohen.“ Ueber die Fortpflanzung liegen ausführliche, aber nicht ganz übereinſtimmende Berichte vor. Azara bemerkt, daß der Ani, nicht aber die Coroya, geſellſchaftlich niſte; Richard Schomburgk behauptet das Gegentheil, und Orbigny beſtätigt Schomburgk’s Angaben. „Die Eigenthüm- lichkeit“, ſagt der Letztgenannte, „daß ſich mehrere Weibchen bei der Leg- und Brütezeit vereinigen, ein gemeinſchaftliches Neſt bauen, gemeinſchaftlich dort ihre Eier legen und dieſe ebenfalls gemein- ſchaftlich ausbrüten, findet nicht beim Ani ſtatt, da ich immer nur fünf bis ſieben Eier in einem Neſte fand; jene Eigenthümlichkeit iſt, wie ich ſpäter fand, nur der Coroya eigen: die großen gemeinſamen Neſter dieſer Art enthielten oft zwanzig bis dreißig weiße Eier.“ — Das Neſt des Ani iſt, laut Burmeiſter, im Waldgebiet Braſiliens überall, auch nah bei den menſchlichen Anſiedlungen, in niedrigen Gebüſchen zu finden. „Die Vögel, welche ſich paar- weiſe zuſammenhalten, verrathen ſeine Stelle durch ihr beſtändiges Ab- und Zufliegen meiſt ſehr bald. Vielleicht in Folge der häufigen Störung, welcher ſie hier ausgeſetzt ſind, bauen die ver- ſchiedenen Paare kein großes gemeinſchaftliches Neſt; vielmehr ſind ihre Baue daſelbſt nur von ſehr

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/241>, abgerufen am 28.11.2024.