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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Späher. Leichtschnäbler. Madenfresser.
großen geschlossenen Wälder; in Guyana tönt sein heiseres Geschrei dem Reisenden entgegen, sobald
er die Ansiedlung verlassen hat; auf Jamaika sieht man ihn auf allen Ebenen, insbesondere in den
Steppen und auf den Weiden, welche von Roß- und Rinderherden besucht werden, und zwar so
häufig, daß Gosse behaupten kann, er sei möglicherweise der gemeinste aller Vögel der Jnsel.
Auch bei St. Croir ist er sehr häufig und wegen seiner auffallenden Erscheinung allgemein bekannt.

Sein Betragen ist nicht unangenehm. "Der Ani", sagt Hill, "ist einer meiner Lieblinge.
Andere Vögel haben ihre Jahreszeit; aber die Madenfresser sind beständige Bewohner des Feldes und
während des ganzen Jahres zu sehen. Wo immer es offenes Land und eine Weide gibt, welche mit
einigen Bäumen oder Sträuchen bestanden ist, da bemerkt man auch gewiß diese geselligen Vögel. Sie
sind dreist und anscheinend furchtlos, verabsäumen aber nie, die Ankunft eines Menschen durch lautes
Geschrei anzuzeigen. Nach einem vorübergegangenen Gewitter sind sie gewiß die ersten, welche das
Dickicht verlassen, um ihre Schwingen zu trocknen und hierauf im freien Felde sich wieder zu zeigen;
selbst die stets sangfertige Spottdrossel thut es ihnen nicht zuvor. "Qui jotsch qui jotsch" hört man
von einem nicht fernen Gebüsch, und ein kleiner Flug von Madenfressern wird sichtbar, mit lang
ausgestrecktem Schwanze einem Platze zugleitend, auf welchem die Frische und Feuchtigkeit der Erde
das Kerbthierleben geweckt hat. Die Sonne sendet ihre Strahlen schief auf die Ebene hernieder,
die Seebrise verbreitet ihre Frische, und ein schnell und ängstlich wiederholtes "Qui jotsch qui jotsch"
wird wieder vernommen.... Ein Falk stiehlt sich geräuschlos an der Buschgrenze dahin und
schwebt gelegentlich über die Savanne hinaus; die Sturmglocke der schwarzen Vögel aber ist längst
von der gesammten Bewohnerschaft des Feldes vernommen worden: nicht ein Laut wird mehr gehört
und nicht ein einziger Flügel bewegt! Jn den glühenden heißen Tagen, wenn kein Thau mehr
fällt und die ganze Pflanzenwelt verschmachtet, sieht man die Madenfresser in früher Nachmit-
tagsstunde den Flüssen sich zuwenden und hier in kleine Gesellschaften zertheilen. Haben sie
einen Ort erkundet, wo ein entwurzelter Baum in den Strom gefallen ist, so sieht man sie jetzt
in den verschiedensten Stellungen sitzen, einige den Schwanz nach oben richtend und von dem
Gezweig aus trinkend, andere still und in sich gekehrt, andere ihr Gefieder fäubernd und wieder
andere sich auf dem Sande des Ufers beschäftigend. Hier verweilen sie bis gegen Sonnenuntergang,
dann fliegen sie nach einigem Zaudern von dannen, nachdem einer des Haufens das Zeichen gegeben,
daß es nun Zeit ist, die nächtliche Ruhe zu suchen." "Sie sind ein ganz interessantes Völkchen",
schildert Schomburgk, "deren ewig geschäftiges Treiben man stundenlang zusehen kann. Behend
umhüpfen sie die Rinderherden oder schlüpfen sie durch das Gras, um Grillen und andere Kerbthiere
zu fangen. Geht es aber zur Flucht, dann hört ihre Schnelligkeit auf, da ihre Flügelmuskeln
gerade nicht die stärksten sind und ihnen bald den Dienst versagen.... Am häufigsten findet man
sie an den Waldungen, Umzäunungen der Savannenflüsse, wo sie unter wildem Lärm von Strauch
zu Strauch fliegen, seltener in der offenen Savanne und in dem Jnnern des Waldes." "Sie
lieben es", berichtet Gosse, "morgens auf niederen Bäumen mit ausgebreiteten Schwingen sich zu
sonnen und verweilen in dieser Stellung oft lange Zeit vollkommen ruhig. Jn der Hitze des Tages
sieht man viele in den tieferen Ebenen, auf den Umzäunungen oder Hecken sitzend, den Schnabel
weit geöffnet, als ob sie nach Luft schnappten. Dann scheinen sie ihre gewöhnliche Geschwätzigkeit
und Vorsicht ganz vergessen zu haben. Manchmal spielen zwei oder drei inmitten eines dicken, von
Schlingpflanzen umwobenen Busches Verstecken und stoßen dann plötzlich ihr sonderbares Geschrei
aus, gewissermaßen in der Absicht, andere aufzufordern, sie zu suchen."

Jn ihren Bewegungen sind sie keineswegs ungeschickt. Auf dem Boden hüpfen oder springen
sie gewöhnlich umher, indem sie die Füße gleichzeitig erheben; gelegentlich aber sieht man sie auch
über Hals und Kopf dahinrennen und dann einen Fuß um den andern bewegen. Jm Gezweig der
Bäume sind sie sehr geschickt. Sie fußen auf dem Ende eines Hauptzweigs, gewinnen die Mitte der
Krone, indem sie rasch auf dem Zweige dahinlaufen, durchsuchen den ganzen Baum ordentlich nach
Kerbthieren und verlassen ihn von der andern Seite, entweder einzeln in derselben Ordnung oder

Die Späher. Leichtſchnäbler. Madenfreſſer.
großen geſchloſſenen Wälder; in Guyana tönt ſein heiſeres Geſchrei dem Reiſenden entgegen, ſobald
er die Anſiedlung verlaſſen hat; auf Jamaika ſieht man ihn auf allen Ebenen, insbeſondere in den
Steppen und auf den Weiden, welche von Roß- und Rinderherden beſucht werden, und zwar ſo
häufig, daß Goſſe behaupten kann, er ſei möglicherweiſe der gemeinſte aller Vögel der Jnſel.
Auch bei St. Croir iſt er ſehr häufig und wegen ſeiner auffallenden Erſcheinung allgemein bekannt.

Sein Betragen iſt nicht unangenehm. „Der Ani“, ſagt Hill, „iſt einer meiner Lieblinge.
Andere Vögel haben ihre Jahreszeit; aber die Madenfreſſer ſind beſtändige Bewohner des Feldes und
während des ganzen Jahres zu ſehen. Wo immer es offenes Land und eine Weide gibt, welche mit
einigen Bäumen oder Sträuchen beſtanden iſt, da bemerkt man auch gewiß dieſe geſelligen Vögel. Sie
ſind dreiſt und anſcheinend furchtlos, verabſäumen aber nie, die Ankunft eines Menſchen durch lautes
Geſchrei anzuzeigen. Nach einem vorübergegangenen Gewitter ſind ſie gewiß die erſten, welche das
Dickicht verlaſſen, um ihre Schwingen zu trocknen und hierauf im freien Felde ſich wieder zu zeigen;
ſelbſt die ſtets ſangfertige Spottdroſſel thut es ihnen nicht zuvor. „Qui jotſch qui jotſch“ hört man
von einem nicht fernen Gebüſch, und ein kleiner Flug von Madenfreſſern wird ſichtbar, mit lang
ausgeſtrecktem Schwanze einem Platze zugleitend, auf welchem die Friſche und Feuchtigkeit der Erde
das Kerbthierleben geweckt hat. Die Sonne ſendet ihre Strahlen ſchief auf die Ebene hernieder,
die Seebriſe verbreitet ihre Friſche, und ein ſchnell und ängſtlich wiederholtes „Qui jotſch qui jotſch“
wird wieder vernommen.... Ein Falk ſtiehlt ſich geräuſchlos an der Buſchgrenze dahin und
ſchwebt gelegentlich über die Savanne hinaus; die Sturmglocke der ſchwarzen Vögel aber iſt längſt
von der geſammten Bewohnerſchaft des Feldes vernommen worden: nicht ein Laut wird mehr gehört
und nicht ein einziger Flügel bewegt! Jn den glühenden heißen Tagen, wenn kein Thau mehr
fällt und die ganze Pflanzenwelt verſchmachtet, ſieht man die Madenfreſſer in früher Nachmit-
tagsſtunde den Flüſſen ſich zuwenden und hier in kleine Geſellſchaften zertheilen. Haben ſie
einen Ort erkundet, wo ein entwurzelter Baum in den Strom gefallen iſt, ſo ſieht man ſie jetzt
in den verſchiedenſten Stellungen ſitzen, einige den Schwanz nach oben richtend und von dem
Gezweig aus trinkend, andere ſtill und in ſich gekehrt, andere ihr Gefieder fäubernd und wieder
andere ſich auf dem Sande des Ufers beſchäftigend. Hier verweilen ſie bis gegen Sonnenuntergang,
dann fliegen ſie nach einigem Zaudern von dannen, nachdem einer des Haufens das Zeichen gegeben,
daß es nun Zeit iſt, die nächtliche Ruhe zu ſuchen.“ „Sie ſind ein ganz intereſſantes Völkchen“,
ſchildert Schomburgk, „deren ewig geſchäftiges Treiben man ſtundenlang zuſehen kann. Behend
umhüpfen ſie die Rinderherden oder ſchlüpfen ſie durch das Gras, um Grillen und andere Kerbthiere
zu fangen. Geht es aber zur Flucht, dann hört ihre Schnelligkeit auf, da ihre Flügelmuskeln
gerade nicht die ſtärkſten ſind und ihnen bald den Dienſt verſagen.... Am häufigſten findet man
ſie an den Waldungen, Umzäunungen der Savannenflüſſe, wo ſie unter wildem Lärm von Strauch
zu Strauch fliegen, ſeltener in der offenen Savanne und in dem Jnnern des Waldes.“ „Sie
lieben es“, berichtet Goſſe, „morgens auf niederen Bäumen mit ausgebreiteten Schwingen ſich zu
ſonnen und verweilen in dieſer Stellung oft lange Zeit vollkommen ruhig. Jn der Hitze des Tages
ſieht man viele in den tieferen Ebenen, auf den Umzäunungen oder Hecken ſitzend, den Schnabel
weit geöffnet, als ob ſie nach Luft ſchnappten. Dann ſcheinen ſie ihre gewöhnliche Geſchwätzigkeit
und Vorſicht ganz vergeſſen zu haben. Manchmal ſpielen zwei oder drei inmitten eines dicken, von
Schlingpflanzen umwobenen Buſches Verſtecken und ſtoßen dann plötzlich ihr ſonderbares Geſchrei
aus, gewiſſermaßen in der Abſicht, andere aufzufordern, ſie zu ſuchen.“

Jn ihren Bewegungen ſind ſie keineswegs ungeſchickt. Auf dem Boden hüpfen oder ſpringen
ſie gewöhnlich umher, indem ſie die Füße gleichzeitig erheben; gelegentlich aber ſieht man ſie auch
über Hals und Kopf dahinrennen und dann einen Fuß um den andern bewegen. Jm Gezweig der
Bäume ſind ſie ſehr geſchickt. Sie fußen auf dem Ende eines Hauptzweigs, gewinnen die Mitte der
Krone, indem ſie raſch auf dem Zweige dahinlaufen, durchſuchen den ganzen Baum ordentlich nach
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[218/0240] Die Späher. Leichtſchnäbler. Madenfreſſer. großen geſchloſſenen Wälder; in Guyana tönt ſein heiſeres Geſchrei dem Reiſenden entgegen, ſobald er die Anſiedlung verlaſſen hat; auf Jamaika ſieht man ihn auf allen Ebenen, insbeſondere in den Steppen und auf den Weiden, welche von Roß- und Rinderherden beſucht werden, und zwar ſo häufig, daß Goſſe behaupten kann, er ſei möglicherweiſe der gemeinſte aller Vögel der Jnſel. Auch bei St. Croir iſt er ſehr häufig und wegen ſeiner auffallenden Erſcheinung allgemein bekannt. Sein Betragen iſt nicht unangenehm. „Der Ani“, ſagt Hill, „iſt einer meiner Lieblinge. Andere Vögel haben ihre Jahreszeit; aber die Madenfreſſer ſind beſtändige Bewohner des Feldes und während des ganzen Jahres zu ſehen. Wo immer es offenes Land und eine Weide gibt, welche mit einigen Bäumen oder Sträuchen beſtanden iſt, da bemerkt man auch gewiß dieſe geſelligen Vögel. Sie ſind dreiſt und anſcheinend furchtlos, verabſäumen aber nie, die Ankunft eines Menſchen durch lautes Geſchrei anzuzeigen. Nach einem vorübergegangenen Gewitter ſind ſie gewiß die erſten, welche das Dickicht verlaſſen, um ihre Schwingen zu trocknen und hierauf im freien Felde ſich wieder zu zeigen; ſelbſt die ſtets ſangfertige Spottdroſſel thut es ihnen nicht zuvor. „Qui jotſch qui jotſch“ hört man von einem nicht fernen Gebüſch, und ein kleiner Flug von Madenfreſſern wird ſichtbar, mit lang ausgeſtrecktem Schwanze einem Platze zugleitend, auf welchem die Friſche und Feuchtigkeit der Erde das Kerbthierleben geweckt hat. Die Sonne ſendet ihre Strahlen ſchief auf die Ebene hernieder, die Seebriſe verbreitet ihre Friſche, und ein ſchnell und ängſtlich wiederholtes „Qui jotſch qui jotſch“ wird wieder vernommen.... Ein Falk ſtiehlt ſich geräuſchlos an der Buſchgrenze dahin und ſchwebt gelegentlich über die Savanne hinaus; die Sturmglocke der ſchwarzen Vögel aber iſt längſt von der geſammten Bewohnerſchaft des Feldes vernommen worden: nicht ein Laut wird mehr gehört und nicht ein einziger Flügel bewegt! Jn den glühenden heißen Tagen, wenn kein Thau mehr fällt und die ganze Pflanzenwelt verſchmachtet, ſieht man die Madenfreſſer in früher Nachmit- tagsſtunde den Flüſſen ſich zuwenden und hier in kleine Geſellſchaften zertheilen. Haben ſie einen Ort erkundet, wo ein entwurzelter Baum in den Strom gefallen iſt, ſo ſieht man ſie jetzt in den verſchiedenſten Stellungen ſitzen, einige den Schwanz nach oben richtend und von dem Gezweig aus trinkend, andere ſtill und in ſich gekehrt, andere ihr Gefieder fäubernd und wieder andere ſich auf dem Sande des Ufers beſchäftigend. Hier verweilen ſie bis gegen Sonnenuntergang, dann fliegen ſie nach einigem Zaudern von dannen, nachdem einer des Haufens das Zeichen gegeben, daß es nun Zeit iſt, die nächtliche Ruhe zu ſuchen.“ „Sie ſind ein ganz intereſſantes Völkchen“, ſchildert Schomburgk, „deren ewig geſchäftiges Treiben man ſtundenlang zuſehen kann. Behend umhüpfen ſie die Rinderherden oder ſchlüpfen ſie durch das Gras, um Grillen und andere Kerbthiere zu fangen. Geht es aber zur Flucht, dann hört ihre Schnelligkeit auf, da ihre Flügelmuskeln gerade nicht die ſtärkſten ſind und ihnen bald den Dienſt verſagen.... Am häufigſten findet man ſie an den Waldungen, Umzäunungen der Savannenflüſſe, wo ſie unter wildem Lärm von Strauch zu Strauch fliegen, ſeltener in der offenen Savanne und in dem Jnnern des Waldes.“ „Sie lieben es“, berichtet Goſſe, „morgens auf niederen Bäumen mit ausgebreiteten Schwingen ſich zu ſonnen und verweilen in dieſer Stellung oft lange Zeit vollkommen ruhig. Jn der Hitze des Tages ſieht man viele in den tieferen Ebenen, auf den Umzäunungen oder Hecken ſitzend, den Schnabel weit geöffnet, als ob ſie nach Luft ſchnappten. Dann ſcheinen ſie ihre gewöhnliche Geſchwätzigkeit und Vorſicht ganz vergeſſen zu haben. Manchmal ſpielen zwei oder drei inmitten eines dicken, von Schlingpflanzen umwobenen Buſches Verſtecken und ſtoßen dann plötzlich ihr ſonderbares Geſchrei aus, gewiſſermaßen in der Abſicht, andere aufzufordern, ſie zu ſuchen.“ Jn ihren Bewegungen ſind ſie keineswegs ungeſchickt. Auf dem Boden hüpfen oder ſpringen ſie gewöhnlich umher, indem ſie die Füße gleichzeitig erheben; gelegentlich aber ſieht man ſie auch über Hals und Kopf dahinrennen und dann einen Fuß um den andern bewegen. Jm Gezweig der Bäume ſind ſie ſehr geſchickt. Sie fußen auf dem Ende eines Hauptzweigs, gewinnen die Mitte der Krone, indem ſie raſch auf dem Zweige dahinlaufen, durchſuchen den ganzen Baum ordentlich nach Kerbthieren und verlaſſen ihn von der andern Seite, entweder einzeln in derſelben Ordnung oder

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/240>, abgerufen am 28.11.2024.