Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Späher. Leichtschnäbler. Lieste.
und lauten Tone sich verstärkend, wird oft in allen Theilen der Ansiedlung gehört. Man vernimmt
es in der Dämmerung und gegen Sonnenuntergang, wenn die Sonne im Westen niedersinkt, gleichsam
als eine gute Nacht für alle, welche es hören wollen." Noch hübscher drückt sich "ein alter Busch-
mann" in seinen "Waldgängen eines Naturforschers" aus. "Eine Stunde vor Tagesanbruch wird
der Jäger aufgeweckt durch wilde Laute, welche klingen, als ob eine Heerschaar des bösen Geistes
kreischend, schreiend und lachend ihn umtobe. Die Laute sind der Morgengesang des "lachenden
Hans", welcher seinen gefiederten Genossen den Anbruch des Tages verkündet. Zur Mittagszeit
hört man dasselbe wilde Gelächter, und wenn die Sonne im Westen niedergeht, tönt es wiederum
durch den Wald. Jch werde niemals die erste Nacht vergessen, welche ich in Australien im offenen
Busch verbrachte. Nach unruhigem Schlaf erwachte ich mit Tagesanbruch; aber ich bedurfte Zeit,
um mich zu besinnen, wo ich mich befand, so überwältigend war der Eindruck, welchen die ungewohnten
Töne auf mich machten. Das höllische Gelächter des Jägerliests vereinigte sich mit dem kleineren
flötenähnlichen Ton der "Elster", dem heißern Gackern der Großfußhühner, dem Kreischen Tausender
von Papageien und verschiedenen Stimmen anderer Vögel zu einem so wunderbaren Ganzen, wie ich
es nie vernommen. Jch habe es seitdem hundertmal gehört, aber nie mit denselben Gefühlen, wie
damals. Der "lachende Hans" ist des Buschmanns Uhr, und da er nichts weniger als scheu, im
Gegentheil gesellschaftsliebend ist, macht er sich gewissermaßen zum Genossen des Zeltes und ist deshalb,
noch mehr aber wegen seiner Feindschaft gegen die Schlangen, in den Augen der Buschleute ein
geheiligter Vogel."

Der Jägerliest findet sich, nach Gould, nicht in Vandiemensland oder in Westaustralien, sondern
scheint allein dem Südosten Neuhollands, den Landstrichen zwischen dem Spensergolf und der
Moretonbay anzugehören. Er bindet sich keineswegs an eine bestimmte Oertlichkeit, sondern besucht
jede derselben: jene üppigen Büsche längs der Küste wie den dünn bestandenen Wald der Höhe. Aber
nirgends ist er häufig zu nennen. Er findet sich überall, jedoch überall nur einzeln. Seine Nahrung
ist gemischter Art, allein immer dem Thierreich entlehnt. Lurche, Kerbthiere, Krabben scheinen bevor-
zugt zu werden. Er stürzt sich mit Hast auf Eidechsen, und gar nicht selten sieht man ihn mit einer
Schlange im Schnabel seinem Sitzplatze zufliegen. "Einmal", sagt der "alte Buschmann", "sah
ich ein Paar lachende Hänse auf dem abgestorbenen Aste eines alten, grauen Baumes sitzen und von-
hieraus von Zeit zu Zeit nach dem Boden herabstoßen. Sie hatten, wie sich bei genauerer Unter-
suchung ergab, eine Teppichschlange getödtet und bewiesen durch ihr Geschwätz und Gelächter große
Freude darüber. Ob sie übrigens Schlangen fressen, vermag ich nicht zu sagen; denn die einzigen
Lurche, welche ich je in ihrem Magen gefunden habe, waren kleine Eidechsen." Uebrigens raubt
er auch kleine Säugethiere: Gould schoß einst einen Vogel dieser Art, blos um zu sehen, was er im
Schnabel trüge und fand, daß er eine seltene Beutelratte erjagt hatte. Daß er junge Vögel nicht
verschont und namentlich den Nestern gefährlich werden mag, läßt sich erwarten. Wasser scheint
durchaus nicht zu den Bedürfnissen des Jägerliests zu gehören. Den Freilebenden findet man,
wie bemerkt, selbst in den trockensten Waldungen, und auch die Gefangenen zeigen weder des Trinkens
noch des Badens halber ein besonderes Verlangen nach diesem Element.

Die Brutzeit fällt in die Monate August und September. Das Paar sucht sich dann eine
passende Höhlung in einem großen Gummibaume aus und legt hier seine wundervollen perlweißen
Eier auf den Mulm in der Tiefe dieser Höhle. Wenn die Jungen ausgeschlüpft sind, vertheidigen
die Alten den Brutplatz muthig und furchtlos, und Den, welcher die Brut rauben will, greifen
sie sogar thätlich an und versetzen ihm nicht ungefährliche Bisse.

"Das Erste, was mir bei meiner Landung in London in die Augen fiel", schließt der "alte
Buschmann", "war ein "lachender Hans", welcher eingepfercht in einem engen Käfig saß. Niemals
habe ich ein erbärmlicheres, beklagenswertheres Wesen gesehen, als meinen armen, alten Freund,
welcher die Freiheit seiner luftigen Wälder mit dem dicken Nebel des neuzeitlichen Babels vertauschen
mußte." Der "alte Buschmann" mag Recht behalten mit seiner Klage; denn allerdings kommen

Die Späher. Leichtſchnäbler. Lieſte.
und lauten Tone ſich verſtärkend, wird oft in allen Theilen der Anſiedlung gehört. Man vernimmt
es in der Dämmerung und gegen Sonnenuntergang, wenn die Sonne im Weſten niederſinkt, gleichſam
als eine gute Nacht für alle, welche es hören wollen.“ Noch hübſcher drückt ſich „ein alter Buſch-
mann“ in ſeinen „Waldgängen eines Naturforſchers“ aus. „Eine Stunde vor Tagesanbruch wird
der Jäger aufgeweckt durch wilde Laute, welche klingen, als ob eine Heerſchaar des böſen Geiſtes
kreiſchend, ſchreiend und lachend ihn umtobe. Die Laute ſind der Morgengeſang des „lachenden
Hans“, welcher ſeinen gefiederten Genoſſen den Anbruch des Tages verkündet. Zur Mittagszeit
hört man daſſelbe wilde Gelächter, und wenn die Sonne im Weſten niedergeht, tönt es wiederum
durch den Wald. Jch werde niemals die erſte Nacht vergeſſen, welche ich in Auſtralien im offenen
Buſch verbrachte. Nach unruhigem Schlaf erwachte ich mit Tagesanbruch; aber ich bedurfte Zeit,
um mich zu beſinnen, wo ich mich befand, ſo überwältigend war der Eindruck, welchen die ungewohnten
Töne auf mich machten. Das hölliſche Gelächter des Jägerlieſts vereinigte ſich mit dem kleineren
flötenähnlichen Ton der „Elſter“, dem heißern Gackern der Großfußhühner, dem Kreiſchen Tauſender
von Papageien und verſchiedenen Stimmen anderer Vögel zu einem ſo wunderbaren Ganzen, wie ich
es nie vernommen. Jch habe es ſeitdem hundertmal gehört, aber nie mit denſelben Gefühlen, wie
damals. Der „lachende Hans“ iſt des Buſchmanns Uhr, und da er nichts weniger als ſcheu, im
Gegentheil geſellſchaftsliebend iſt, macht er ſich gewiſſermaßen zum Genoſſen des Zeltes und iſt deshalb,
noch mehr aber wegen ſeiner Feindſchaft gegen die Schlangen, in den Augen der Buſchleute ein
geheiligter Vogel.“

Der Jägerlieſt findet ſich, nach Gould, nicht in Vandiemensland oder in Weſtauſtralien, ſondern
ſcheint allein dem Südoſten Neuhollands, den Landſtrichen zwiſchen dem Spenſergolf und der
Moretonbay anzugehören. Er bindet ſich keineswegs an eine beſtimmte Oertlichkeit, ſondern beſucht
jede derſelben: jene üppigen Büſche längs der Küſte wie den dünn beſtandenen Wald der Höhe. Aber
nirgends iſt er häufig zu nennen. Er findet ſich überall, jedoch überall nur einzeln. Seine Nahrung
iſt gemiſchter Art, allein immer dem Thierreich entlehnt. Lurche, Kerbthiere, Krabben ſcheinen bevor-
zugt zu werden. Er ſtürzt ſich mit Haſt auf Eidechſen, und gar nicht ſelten ſieht man ihn mit einer
Schlange im Schnabel ſeinem Sitzplatze zufliegen. „Einmal“, ſagt der „alte Buſchmann“, „ſah
ich ein Paar lachende Hänſe auf dem abgeſtorbenen Aſte eines alten, grauen Baumes ſitzen und von-
hieraus von Zeit zu Zeit nach dem Boden herabſtoßen. Sie hatten, wie ſich bei genauerer Unter-
ſuchung ergab, eine Teppichſchlange getödtet und bewieſen durch ihr Geſchwätz und Gelächter große
Freude darüber. Ob ſie übrigens Schlangen freſſen, vermag ich nicht zu ſagen; denn die einzigen
Lurche, welche ich je in ihrem Magen gefunden habe, waren kleine Eidechſen.“ Uebrigens raubt
er auch kleine Säugethiere: Gould ſchoß einſt einen Vogel dieſer Art, blos um zu ſehen, was er im
Schnabel trüge und fand, daß er eine ſeltene Beutelratte erjagt hatte. Daß er junge Vögel nicht
verſchont und namentlich den Neſtern gefährlich werden mag, läßt ſich erwarten. Waſſer ſcheint
durchaus nicht zu den Bedürfniſſen des Jägerlieſts zu gehören. Den Freilebenden findet man,
wie bemerkt, ſelbſt in den trockenſten Waldungen, und auch die Gefangenen zeigen weder des Trinkens
noch des Badens halber ein beſonderes Verlangen nach dieſem Element.

Die Brutzeit fällt in die Monate Auguſt und September. Das Paar ſucht ſich dann eine
paſſende Höhlung in einem großen Gummibaume aus und legt hier ſeine wundervollen perlweißen
Eier auf den Mulm in der Tiefe dieſer Höhle. Wenn die Jungen ausgeſchlüpft ſind, vertheidigen
die Alten den Brutplatz muthig und furchtlos, und Den, welcher die Brut rauben will, greifen
ſie ſogar thätlich an und verſetzen ihm nicht ungefährliche Biſſe.

„Das Erſte, was mir bei meiner Landung in London in die Augen fiel“, ſchließt der „alte
Buſchmann“, „war ein „lachender Hans“, welcher eingepfercht in einem engen Käfig ſaß. Niemals
habe ich ein erbärmlicheres, beklagenswertheres Weſen geſehen, als meinen armen, alten Freund,
welcher die Freiheit ſeiner luftigen Wälder mit dem dicken Nebel des neuzeitlichen Babels vertauſchen
mußte.“ Der „alte Buſchmann“ mag Recht behalten mit ſeiner Klage; denn allerdings kommen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0192" n="174"/><fw place="top" type="header">Die Späher. Leicht&#x017F;chnäbler. Lie&#x017F;te.</fw><lb/>
und lauten Tone &#x017F;ich ver&#x017F;tärkend, wird oft in allen Theilen der An&#x017F;iedlung gehört. Man vernimmt<lb/>
es in der Dämmerung und gegen Sonnenuntergang, wenn die Sonne im We&#x017F;ten nieder&#x017F;inkt, gleich&#x017F;am<lb/>
als eine gute Nacht für alle, welche es hören wollen.&#x201C; Noch hüb&#x017F;cher drückt &#x017F;ich &#x201E;ein alter Bu&#x017F;ch-<lb/>
mann&#x201C; in &#x017F;einen &#x201E;Waldgängen eines Naturfor&#x017F;chers&#x201C; aus. &#x201E;Eine Stunde vor Tagesanbruch wird<lb/>
der Jäger aufgeweckt durch wilde Laute, welche klingen, als ob eine Heer&#x017F;chaar des bö&#x017F;en Gei&#x017F;tes<lb/>
krei&#x017F;chend, &#x017F;chreiend und lachend ihn umtobe. Die Laute &#x017F;ind der Morgenge&#x017F;ang des &#x201E;lachenden<lb/>
Hans&#x201C;, welcher &#x017F;einen gefiederten Geno&#x017F;&#x017F;en den Anbruch des Tages verkündet. Zur Mittagszeit<lb/>
hört man da&#x017F;&#x017F;elbe wilde Gelächter, und wenn die Sonne im We&#x017F;ten niedergeht, tönt es wiederum<lb/>
durch den Wald. Jch werde niemals die er&#x017F;te Nacht verge&#x017F;&#x017F;en, welche ich in Au&#x017F;tralien im offenen<lb/>
Bu&#x017F;ch verbrachte. Nach unruhigem Schlaf erwachte ich mit Tagesanbruch; aber ich bedurfte Zeit,<lb/>
um mich zu be&#x017F;innen, wo ich mich befand, &#x017F;o überwältigend war der Eindruck, welchen die ungewohnten<lb/>
Töne auf mich machten. Das hölli&#x017F;che Gelächter des Jägerlie&#x017F;ts vereinigte &#x017F;ich mit dem kleineren<lb/>
flötenähnlichen Ton der &#x201E;El&#x017F;ter&#x201C;, dem heißern Gackern der Großfußhühner, dem Krei&#x017F;chen Tau&#x017F;ender<lb/>
von Papageien und ver&#x017F;chiedenen Stimmen anderer Vögel zu einem &#x017F;o wunderbaren Ganzen, wie ich<lb/>
es nie vernommen. Jch habe es &#x017F;eitdem hundertmal gehört, aber nie mit den&#x017F;elben Gefühlen, wie<lb/>
damals. Der &#x201E;lachende Hans&#x201C; i&#x017F;t des Bu&#x017F;chmanns Uhr, und da er nichts weniger als &#x017F;cheu, im<lb/>
Gegentheil ge&#x017F;ell&#x017F;chaftsliebend i&#x017F;t, macht er &#x017F;ich gewi&#x017F;&#x017F;ermaßen zum Geno&#x017F;&#x017F;en des Zeltes und i&#x017F;t deshalb,<lb/>
noch mehr aber wegen &#x017F;einer Feind&#x017F;chaft gegen die Schlangen, in den Augen der Bu&#x017F;chleute ein<lb/>
geheiligter Vogel.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Der Jägerlie&#x017F;t findet &#x017F;ich, nach <hi rendition="#g">Gould,</hi> nicht in Vandiemensland oder in We&#x017F;tau&#x017F;tralien, &#x017F;ondern<lb/>
&#x017F;cheint allein dem Südo&#x017F;ten Neuhollands, den Land&#x017F;trichen zwi&#x017F;chen dem Spen&#x017F;ergolf und der<lb/>
Moretonbay anzugehören. Er bindet &#x017F;ich keineswegs an eine be&#x017F;timmte Oertlichkeit, &#x017F;ondern be&#x017F;ucht<lb/>
jede der&#x017F;elben: jene üppigen Bü&#x017F;che längs der Kü&#x017F;te wie den dünn be&#x017F;tandenen Wald der Höhe. Aber<lb/>
nirgends i&#x017F;t er häufig zu nennen. Er findet &#x017F;ich überall, jedoch überall nur einzeln. Seine Nahrung<lb/>
i&#x017F;t gemi&#x017F;chter Art, allein immer dem Thierreich entlehnt. Lurche, Kerbthiere, Krabben &#x017F;cheinen bevor-<lb/>
zugt zu werden. Er &#x017F;türzt &#x017F;ich mit Ha&#x017F;t auf Eidech&#x017F;en, und gar nicht &#x017F;elten &#x017F;ieht man ihn mit einer<lb/>
Schlange im Schnabel &#x017F;einem Sitzplatze zufliegen. &#x201E;Einmal&#x201C;, &#x017F;agt der &#x201E;alte Bu&#x017F;chmann&#x201C;, &#x201E;&#x017F;ah<lb/>
ich ein Paar lachende Hän&#x017F;e auf dem abge&#x017F;torbenen A&#x017F;te eines alten, grauen Baumes &#x017F;itzen und von-<lb/>
hieraus von Zeit zu Zeit nach dem Boden herab&#x017F;toßen. Sie hatten, wie &#x017F;ich bei genauerer Unter-<lb/>
&#x017F;uchung ergab, eine Teppich&#x017F;chlange getödtet und bewie&#x017F;en durch ihr Ge&#x017F;chwätz und Gelächter große<lb/>
Freude darüber. Ob &#x017F;ie übrigens Schlangen fre&#x017F;&#x017F;en, vermag ich nicht zu &#x017F;agen; denn die einzigen<lb/>
Lurche, welche ich je in ihrem Magen gefunden habe, waren kleine Eidech&#x017F;en.&#x201C; Uebrigens raubt<lb/>
er auch kleine Säugethiere: <hi rendition="#g">Gould</hi> &#x017F;choß ein&#x017F;t einen Vogel die&#x017F;er Art, blos um zu &#x017F;ehen, was er im<lb/>
Schnabel trüge und fand, daß er eine &#x017F;eltene Beutelratte erjagt hatte. Daß er junge Vögel nicht<lb/>
ver&#x017F;chont und namentlich den Ne&#x017F;tern gefährlich werden mag, läßt &#x017F;ich erwarten. Wa&#x017F;&#x017F;er &#x017F;cheint<lb/>
durchaus nicht zu den Bedürfni&#x017F;&#x017F;en des Jägerlie&#x017F;ts zu gehören. Den Freilebenden findet man,<lb/>
wie bemerkt, &#x017F;elb&#x017F;t in den trocken&#x017F;ten Waldungen, und auch die Gefangenen zeigen weder des Trinkens<lb/>
noch des Badens halber ein be&#x017F;onderes Verlangen nach die&#x017F;em Element.</p><lb/>
          <p>Die Brutzeit fällt in die Monate Augu&#x017F;t und September. Das Paar &#x017F;ucht &#x017F;ich dann eine<lb/>
pa&#x017F;&#x017F;ende Höhlung in einem großen Gummibaume aus und legt hier &#x017F;eine wundervollen perlweißen<lb/>
Eier auf den Mulm in der Tiefe die&#x017F;er Höhle. Wenn die Jungen ausge&#x017F;chlüpft &#x017F;ind, vertheidigen<lb/>
die Alten den Brutplatz muthig und furchtlos, und Den, welcher die Brut rauben will, greifen<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ogar thätlich an und ver&#x017F;etzen ihm nicht ungefährliche Bi&#x017F;&#x017F;e.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Das Er&#x017F;te, was mir bei meiner Landung in London in die Augen fiel&#x201C;, &#x017F;chließt der &#x201E;alte<lb/>
Bu&#x017F;chmann&#x201C;, &#x201E;war ein &#x201E;lachender Hans&#x201C;, welcher eingepfercht in einem engen Käfig &#x017F;aß. Niemals<lb/>
habe ich ein erbärmlicheres, beklagenswertheres We&#x017F;en ge&#x017F;ehen, als meinen armen, alten Freund,<lb/>
welcher die Freiheit &#x017F;einer luftigen Wälder mit dem dicken Nebel des neuzeitlichen Babels vertau&#x017F;chen<lb/>
mußte.&#x201C; Der &#x201E;alte Bu&#x017F;chmann&#x201C; mag Recht behalten mit &#x017F;einer Klage; denn allerdings kommen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[174/0192] Die Späher. Leichtſchnäbler. Lieſte. und lauten Tone ſich verſtärkend, wird oft in allen Theilen der Anſiedlung gehört. Man vernimmt es in der Dämmerung und gegen Sonnenuntergang, wenn die Sonne im Weſten niederſinkt, gleichſam als eine gute Nacht für alle, welche es hören wollen.“ Noch hübſcher drückt ſich „ein alter Buſch- mann“ in ſeinen „Waldgängen eines Naturforſchers“ aus. „Eine Stunde vor Tagesanbruch wird der Jäger aufgeweckt durch wilde Laute, welche klingen, als ob eine Heerſchaar des böſen Geiſtes kreiſchend, ſchreiend und lachend ihn umtobe. Die Laute ſind der Morgengeſang des „lachenden Hans“, welcher ſeinen gefiederten Genoſſen den Anbruch des Tages verkündet. Zur Mittagszeit hört man daſſelbe wilde Gelächter, und wenn die Sonne im Weſten niedergeht, tönt es wiederum durch den Wald. Jch werde niemals die erſte Nacht vergeſſen, welche ich in Auſtralien im offenen Buſch verbrachte. Nach unruhigem Schlaf erwachte ich mit Tagesanbruch; aber ich bedurfte Zeit, um mich zu beſinnen, wo ich mich befand, ſo überwältigend war der Eindruck, welchen die ungewohnten Töne auf mich machten. Das hölliſche Gelächter des Jägerlieſts vereinigte ſich mit dem kleineren flötenähnlichen Ton der „Elſter“, dem heißern Gackern der Großfußhühner, dem Kreiſchen Tauſender von Papageien und verſchiedenen Stimmen anderer Vögel zu einem ſo wunderbaren Ganzen, wie ich es nie vernommen. Jch habe es ſeitdem hundertmal gehört, aber nie mit denſelben Gefühlen, wie damals. Der „lachende Hans“ iſt des Buſchmanns Uhr, und da er nichts weniger als ſcheu, im Gegentheil geſellſchaftsliebend iſt, macht er ſich gewiſſermaßen zum Genoſſen des Zeltes und iſt deshalb, noch mehr aber wegen ſeiner Feindſchaft gegen die Schlangen, in den Augen der Buſchleute ein geheiligter Vogel.“ Der Jägerlieſt findet ſich, nach Gould, nicht in Vandiemensland oder in Weſtauſtralien, ſondern ſcheint allein dem Südoſten Neuhollands, den Landſtrichen zwiſchen dem Spenſergolf und der Moretonbay anzugehören. Er bindet ſich keineswegs an eine beſtimmte Oertlichkeit, ſondern beſucht jede derſelben: jene üppigen Büſche längs der Küſte wie den dünn beſtandenen Wald der Höhe. Aber nirgends iſt er häufig zu nennen. Er findet ſich überall, jedoch überall nur einzeln. Seine Nahrung iſt gemiſchter Art, allein immer dem Thierreich entlehnt. Lurche, Kerbthiere, Krabben ſcheinen bevor- zugt zu werden. Er ſtürzt ſich mit Haſt auf Eidechſen, und gar nicht ſelten ſieht man ihn mit einer Schlange im Schnabel ſeinem Sitzplatze zufliegen. „Einmal“, ſagt der „alte Buſchmann“, „ſah ich ein Paar lachende Hänſe auf dem abgeſtorbenen Aſte eines alten, grauen Baumes ſitzen und von- hieraus von Zeit zu Zeit nach dem Boden herabſtoßen. Sie hatten, wie ſich bei genauerer Unter- ſuchung ergab, eine Teppichſchlange getödtet und bewieſen durch ihr Geſchwätz und Gelächter große Freude darüber. Ob ſie übrigens Schlangen freſſen, vermag ich nicht zu ſagen; denn die einzigen Lurche, welche ich je in ihrem Magen gefunden habe, waren kleine Eidechſen.“ Uebrigens raubt er auch kleine Säugethiere: Gould ſchoß einſt einen Vogel dieſer Art, blos um zu ſehen, was er im Schnabel trüge und fand, daß er eine ſeltene Beutelratte erjagt hatte. Daß er junge Vögel nicht verſchont und namentlich den Neſtern gefährlich werden mag, läßt ſich erwarten. Waſſer ſcheint durchaus nicht zu den Bedürfniſſen des Jägerlieſts zu gehören. Den Freilebenden findet man, wie bemerkt, ſelbſt in den trockenſten Waldungen, und auch die Gefangenen zeigen weder des Trinkens noch des Badens halber ein beſonderes Verlangen nach dieſem Element. Die Brutzeit fällt in die Monate Auguſt und September. Das Paar ſucht ſich dann eine paſſende Höhlung in einem großen Gummibaume aus und legt hier ſeine wundervollen perlweißen Eier auf den Mulm in der Tiefe dieſer Höhle. Wenn die Jungen ausgeſchlüpft ſind, vertheidigen die Alten den Brutplatz muthig und furchtlos, und Den, welcher die Brut rauben will, greifen ſie ſogar thätlich an und verſetzen ihm nicht ungefährliche Biſſe. „Das Erſte, was mir bei meiner Landung in London in die Augen fiel“, ſchließt der „alte Buſchmann“, „war ein „lachender Hans“, welcher eingepfercht in einem engen Käfig ſaß. Niemals habe ich ein erbärmlicheres, beklagenswertheres Weſen geſehen, als meinen armen, alten Freund, welcher die Freiheit ſeiner luftigen Wälder mit dem dicken Nebel des neuzeitlichen Babels vertauſchen mußte.“ Der „alte Buſchmann“ mag Recht behalten mit ſeiner Klage; denn allerdings kommen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/192
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/192>, abgerufen am 06.05.2024.