Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite

Todi Eisvogel.
geraden Linie. Die Wirbelsäule besteht aus elf Hals-, acht Rücken- und sieben Schwanzwirbeln.
Von den Rippenpaaren haben nur die fünf letzten Rippenknochen. Das Brustbein gleicht dem
der Spechte. An den Hintergliedern ist die Kürze des Laufes besonders merklich. Die Zunge
steht wegen ihrer geringen Größe in einem ungewöhnlichen Mißverhältniß zum Schnabel. Sie ist
wenig länger als breit, beinah dreieckig, jedoch an den Seitenrändern auswärts, am Hinterrande
einwärts gebogen. Das Zungengerüst ist merkwürdig wegen der Kleinheit des Zungenkerns und der
Breite des Zungenbeinkörpers. Der Schlund ist weit, aber nicht zu einem Kropfe ausgebaucht, der
Vormagen sehr kurz, der Magen häutig und ausdehnbar. Blinddärme sind nicht vorhanden."

Die Eisvögel sind Weltbürger und ziemlich gleichmäßig vertheilt, obgleich die Familie, wie zu
erwarten, erst innerhalb des warmen Gürtels sich in ihrer vollen Reichhaltigkeit zeigt. Alle Arten
siedeln sich in der Nähe von Gewässern an und folgen diesen bis hoch ins Gebirge hinauf, soweit es
Fische gibt, und bis zum Meeresgestade hinab. Längs der Gewässer leben sie einzeln oder höchstens
paarweise: wie alle Fischer sind auch sie stille, langweilige, grämliche, neidische Gesellen, welche
jeden Umgang mit Jhresgleichen oder mit andern Vögeln überhaupt möglichst vermeiden und in
jedem lebenden Wesen, wenn auch nicht einen Beeinträchtiger, so doch einen Störer ihres Gewerbes
erblicken. Nur so lange die Sorge um die Brut sie an ein bestimmtes Gebiet fesselt, verweilen sie an
ein und derselben Stelle; übrigens schweifen sie fischend umher, dem Laufe der Gewässer folgend,
und einzelne Arten durchwandern bei dieser Gelegenheit ziemlich bedeutende Strecken.

Jhre Begabungen sind eigenthümlicher Art. Zu gehen vermögen sie kaum, im Fliegen sind
sie ebenfalls ungeschickt, und nur das Wasser beherrschen sie in einem gewissen Grade: sie tauchen in
absonderlicher Weise und verstehen auch ein wenig zu schwimmen. Unter ihren Sinnen steht das
Gesicht obenan; ziemlich gleich hoch entwickelt scheint das Gehör zu sein; über die übrigen Sinne
haben wir kein Urtheil. Das geistige Wesen stellt die Eisvögel tief. Die hervorragendste Eigenschaft
scheint ein unbegrenztes Mißtrauen zu sein. Eigentlich klug kann man sie nicht nennen. Doch sind
auch sie nicht alles Guten bar; denn sie bekunden wenigstens eine ungemein große Anhänglichkeit
an ihre Brut.

Fische, Kerbthiere, Krabben und dergleichen bilden ihre Nahrung; sie erwerben sich dieselbe
hauptsächlich durch Stoßtauchen.

Die Vermehrung der Eisvögel ist ziemlich bedeutend; denn alle Arten ziehen eine zahlreiche
Brut heran. Zum Nisten wählen sie sich steile Erdwälle, in denen sie eine tiefe Höhle ausgraben,
deren hinteres Ende zur eigentlichen Nestkammer erweitert wird. Ein Nest bauen sie nicht; sie
häufen nach und nach aber so viele, hauptsächlich aus Fischgräten bestehende Gewölle in ihrer Nest-
kammer an, daß im Verlaufe der Zeit doch eine Unterlage entsteht.

Dem menschlichen Haushalte bringen die Eisvögel keinen Nutzen, aber auch eigentlich keinen
Schaden. Jn fischreichen Gegenden fällt die Masse der Nahrung, welche sie bedürfen, nicht ins
Gewicht, und die bei uns lebende Art ist so klein, daß von einer durch sie bewirkten Beeinträchtigung
des Menschen auch nicht gesprochen werden kann.



"Der Alcyon ist ein Meervogel, obwohl er auch in den Flüssen wohnet. Vnd also bey den
Griechen genennt, daß er in dem Meer gebiert. Daß er von wenigen erkennt wirt, ist kein wunder,
dieweil man ihn gar selten, vnd allein im Aprillen oder in des Winters Sonnen sich wenden sihet.
Vnd sobald er am Land nur ein Schiff vmbflogen hat, fähret er von stund an hinweg, also daß man
jn nicht mehr sehen kann. Cerylus vnd Ceyr wirt das Männlein auß diesem Vogel geheissen.
Plutarchus sagt, daß dieser Alcyon der weiseste vnd fürnemste sey auß allen Meerthieren. Dann
er spricht: welche Nachtigall wollen wir seinem Gesang, welche Schwalbe seiner Willfertigkeit, welche

Todi Eisvogel.
geraden Linie. Die Wirbelſäule beſteht aus elf Hals-, acht Rücken- und ſieben Schwanzwirbeln.
Von den Rippenpaaren haben nur die fünf letzten Rippenknochen. Das Bruſtbein gleicht dem
der Spechte. An den Hintergliedern iſt die Kürze des Laufes beſonders merklich. Die Zunge
ſteht wegen ihrer geringen Größe in einem ungewöhnlichen Mißverhältniß zum Schnabel. Sie iſt
wenig länger als breit, beinah dreieckig, jedoch an den Seitenrändern auswärts, am Hinterrande
einwärts gebogen. Das Zungengerüſt iſt merkwürdig wegen der Kleinheit des Zungenkerns und der
Breite des Zungenbeinkörpers. Der Schlund iſt weit, aber nicht zu einem Kropfe ausgebaucht, der
Vormagen ſehr kurz, der Magen häutig und ausdehnbar. Blinddärme ſind nicht vorhanden.“

Die Eisvögel ſind Weltbürger und ziemlich gleichmäßig vertheilt, obgleich die Familie, wie zu
erwarten, erſt innerhalb des warmen Gürtels ſich in ihrer vollen Reichhaltigkeit zeigt. Alle Arten
ſiedeln ſich in der Nähe von Gewäſſern an und folgen dieſen bis hoch ins Gebirge hinauf, ſoweit es
Fiſche gibt, und bis zum Meeresgeſtade hinab. Längs der Gewäſſer leben ſie einzeln oder höchſtens
paarweiſe: wie alle Fiſcher ſind auch ſie ſtille, langweilige, grämliche, neidiſche Geſellen, welche
jeden Umgang mit Jhresgleichen oder mit andern Vögeln überhaupt möglichſt vermeiden und in
jedem lebenden Weſen, wenn auch nicht einen Beeinträchtiger, ſo doch einen Störer ihres Gewerbes
erblicken. Nur ſo lange die Sorge um die Brut ſie an ein beſtimmtes Gebiet feſſelt, verweilen ſie an
ein und derſelben Stelle; übrigens ſchweifen ſie fiſchend umher, dem Laufe der Gewäſſer folgend,
und einzelne Arten durchwandern bei dieſer Gelegenheit ziemlich bedeutende Strecken.

Jhre Begabungen ſind eigenthümlicher Art. Zu gehen vermögen ſie kaum, im Fliegen ſind
ſie ebenfalls ungeſchickt, und nur das Waſſer beherrſchen ſie in einem gewiſſen Grade: ſie tauchen in
abſonderlicher Weiſe und verſtehen auch ein wenig zu ſchwimmen. Unter ihren Sinnen ſteht das
Geſicht obenan; ziemlich gleich hoch entwickelt ſcheint das Gehör zu ſein; über die übrigen Sinne
haben wir kein Urtheil. Das geiſtige Weſen ſtellt die Eisvögel tief. Die hervorragendſte Eigenſchaft
ſcheint ein unbegrenztes Mißtrauen zu ſein. Eigentlich klug kann man ſie nicht nennen. Doch ſind
auch ſie nicht alles Guten bar; denn ſie bekunden wenigſtens eine ungemein große Anhänglichkeit
an ihre Brut.

Fiſche, Kerbthiere, Krabben und dergleichen bilden ihre Nahrung; ſie erwerben ſich dieſelbe
hauptſächlich durch Stoßtauchen.

Die Vermehrung der Eisvögel iſt ziemlich bedeutend; denn alle Arten ziehen eine zahlreiche
Brut heran. Zum Niſten wählen ſie ſich ſteile Erdwälle, in denen ſie eine tiefe Höhle ausgraben,
deren hinteres Ende zur eigentlichen Neſtkammer erweitert wird. Ein Neſt bauen ſie nicht; ſie
häufen nach und nach aber ſo viele, hauptſächlich aus Fiſchgräten beſtehende Gewölle in ihrer Neſt-
kammer an, daß im Verlaufe der Zeit doch eine Unterlage entſteht.

Dem menſchlichen Haushalte bringen die Eisvögel keinen Nutzen, aber auch eigentlich keinen
Schaden. Jn fiſchreichen Gegenden fällt die Maſſe der Nahrung, welche ſie bedürfen, nicht ins
Gewicht, und die bei uns lebende Art iſt ſo klein, daß von einer durch ſie bewirkten Beeinträchtigung
des Menſchen auch nicht geſprochen werden kann.



„Der Alcyon iſt ein Meervogel, obwohl er auch in den Flüſſen wohnet. Vnd alſo bey den
Griechen genennt, daß er in dem Meer gebiert. Daß er von wenigen erkennt wirt, iſt kein wunder,
dieweil man ihn gar ſelten, vnd allein im Aprillen oder in des Winters Sonnen ſich wenden ſihet.
Vnd ſobald er am Land nur ein Schiff vmbflogen hat, fähret er von ſtund an hinweg, alſo daß man
jn nicht mehr ſehen kann. Cerylus vnd Ceyr wirt das Männlein auß dieſem Vogel geheiſſen.
Plutarchus ſagt, daß dieſer Alcyon der weiſeſte vnd fürnemſte ſey auß allen Meerthieren. Dann
er ſpricht: welche Nachtigall wollen wir ſeinem Geſang, welche Schwalbe ſeiner Willfertigkeit, welche

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0175" n="159"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Todi Eisvogel.</hi></fw><lb/>
geraden Linie. Die Wirbel&#x017F;äule be&#x017F;teht aus elf Hals-, acht Rücken- und &#x017F;ieben Schwanzwirbeln.<lb/>
Von den Rippenpaaren haben nur die fünf letzten Rippenknochen. Das Bru&#x017F;tbein gleicht dem<lb/>
der Spechte. An den Hintergliedern i&#x017F;t die Kürze des Laufes be&#x017F;onders merklich. Die Zunge<lb/>
&#x017F;teht wegen ihrer geringen Größe in einem ungewöhnlichen Mißverhältniß zum Schnabel. Sie i&#x017F;t<lb/>
wenig länger als breit, beinah dreieckig, jedoch an den Seitenrändern auswärts, am Hinterrande<lb/>
einwärts gebogen. Das Zungengerü&#x017F;t i&#x017F;t merkwürdig wegen der Kleinheit des Zungenkerns und der<lb/>
Breite des Zungenbeinkörpers. Der Schlund i&#x017F;t weit, aber nicht zu einem Kropfe ausgebaucht, der<lb/>
Vormagen &#x017F;ehr kurz, der Magen häutig und ausdehnbar. Blinddärme &#x017F;ind nicht vorhanden.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Die Eisvögel &#x017F;ind Weltbürger und ziemlich gleichmäßig vertheilt, obgleich die Familie, wie zu<lb/>
erwarten, er&#x017F;t innerhalb des warmen Gürtels &#x017F;ich in ihrer vollen Reichhaltigkeit zeigt. Alle Arten<lb/>
&#x017F;iedeln &#x017F;ich in der Nähe von Gewä&#x017F;&#x017F;ern an und folgen die&#x017F;en bis hoch ins Gebirge hinauf, &#x017F;oweit es<lb/>
Fi&#x017F;che gibt, und bis zum Meeresge&#x017F;tade hinab. Längs der Gewä&#x017F;&#x017F;er leben &#x017F;ie einzeln oder höch&#x017F;tens<lb/>
paarwei&#x017F;e: wie alle Fi&#x017F;cher &#x017F;ind auch &#x017F;ie &#x017F;tille, langweilige, grämliche, neidi&#x017F;che Ge&#x017F;ellen, welche<lb/>
jeden Umgang mit Jhresgleichen oder mit andern Vögeln überhaupt möglich&#x017F;t vermeiden und in<lb/>
jedem lebenden We&#x017F;en, wenn auch nicht einen Beeinträchtiger, &#x017F;o doch einen Störer ihres Gewerbes<lb/>
erblicken. Nur &#x017F;o lange die Sorge um die Brut &#x017F;ie an ein be&#x017F;timmtes Gebiet fe&#x017F;&#x017F;elt, verweilen &#x017F;ie an<lb/>
ein und der&#x017F;elben Stelle; übrigens &#x017F;chweifen &#x017F;ie fi&#x017F;chend umher, dem Laufe der Gewä&#x017F;&#x017F;er folgend,<lb/>
und einzelne Arten durchwandern bei die&#x017F;er Gelegenheit ziemlich bedeutende Strecken.</p><lb/>
          <p>Jhre Begabungen &#x017F;ind eigenthümlicher Art. Zu gehen vermögen &#x017F;ie kaum, im Fliegen &#x017F;ind<lb/>
&#x017F;ie ebenfalls unge&#x017F;chickt, und nur das Wa&#x017F;&#x017F;er beherr&#x017F;chen &#x017F;ie in einem gewi&#x017F;&#x017F;en Grade: &#x017F;ie tauchen in<lb/>
ab&#x017F;onderlicher Wei&#x017F;e und ver&#x017F;tehen auch ein wenig zu &#x017F;chwimmen. Unter ihren Sinnen &#x017F;teht das<lb/>
Ge&#x017F;icht obenan; ziemlich gleich hoch entwickelt &#x017F;cheint das Gehör zu &#x017F;ein; über die übrigen Sinne<lb/>
haben wir kein Urtheil. Das gei&#x017F;tige We&#x017F;en &#x017F;tellt die Eisvögel tief. Die hervorragend&#x017F;te Eigen&#x017F;chaft<lb/>
&#x017F;cheint ein unbegrenztes Mißtrauen zu &#x017F;ein. Eigentlich klug kann man &#x017F;ie nicht nennen. Doch &#x017F;ind<lb/>
auch &#x017F;ie nicht alles Guten bar; denn &#x017F;ie bekunden wenig&#x017F;tens eine ungemein große Anhänglichkeit<lb/>
an ihre Brut.</p><lb/>
          <p>Fi&#x017F;che, Kerbthiere, Krabben und dergleichen bilden ihre Nahrung; &#x017F;ie erwerben &#x017F;ich die&#x017F;elbe<lb/>
haupt&#x017F;ächlich durch Stoßtauchen.</p><lb/>
          <p>Die Vermehrung der Eisvögel i&#x017F;t ziemlich bedeutend; denn alle Arten ziehen eine zahlreiche<lb/>
Brut heran. Zum Ni&#x017F;ten wählen &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;teile Erdwälle, in denen &#x017F;ie eine tiefe Höhle ausgraben,<lb/>
deren hinteres Ende zur eigentlichen Ne&#x017F;tkammer erweitert wird. Ein Ne&#x017F;t bauen &#x017F;ie nicht; &#x017F;ie<lb/>
häufen nach und nach aber &#x017F;o viele, haupt&#x017F;ächlich aus Fi&#x017F;chgräten be&#x017F;tehende Gewölle in ihrer Ne&#x017F;t-<lb/>
kammer an, daß im Verlaufe der Zeit doch eine Unterlage ent&#x017F;teht.</p><lb/>
          <p>Dem men&#x017F;chlichen Haushalte bringen die Eisvögel keinen Nutzen, aber auch eigentlich keinen<lb/>
Schaden. Jn fi&#x017F;chreichen Gegenden fällt die Ma&#x017F;&#x017F;e der Nahrung, welche &#x017F;ie bedürfen, nicht ins<lb/>
Gewicht, und die bei uns lebende Art i&#x017F;t &#x017F;o klein, daß von einer durch &#x017F;ie bewirkten Beeinträchtigung<lb/>
des Men&#x017F;chen auch nicht ge&#x017F;prochen werden kann.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>&#x201E;Der Alcyon i&#x017F;t ein Meervogel, obwohl er auch in den Flü&#x017F;&#x017F;en wohnet. Vnd al&#x017F;o bey den<lb/>
Griechen genennt, daß er in dem Meer gebiert. Daß er von wenigen erkennt wirt, i&#x017F;t kein wunder,<lb/>
dieweil man ihn gar &#x017F;elten, vnd allein im Aprillen oder in des Winters Sonnen &#x017F;ich wenden &#x017F;ihet.<lb/>
Vnd &#x017F;obald er am Land nur ein Schiff vmbflogen hat, fähret er von &#x017F;tund an hinweg, al&#x017F;o daß man<lb/>
jn nicht mehr &#x017F;ehen kann. Cerylus vnd Ceyr wirt das Männlein auß die&#x017F;em Vogel gehei&#x017F;&#x017F;en.<lb/><hi rendition="#g">Plutarchus</hi> &#x017F;agt, daß die&#x017F;er Alcyon der wei&#x017F;e&#x017F;te vnd fürnem&#x017F;te &#x017F;ey auß allen Meerthieren. Dann<lb/>
er &#x017F;pricht: welche Nachtigall wollen wir &#x017F;einem Ge&#x017F;ang, welche Schwalbe &#x017F;einer Willfertigkeit, welche<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[159/0175] Todi Eisvogel. geraden Linie. Die Wirbelſäule beſteht aus elf Hals-, acht Rücken- und ſieben Schwanzwirbeln. Von den Rippenpaaren haben nur die fünf letzten Rippenknochen. Das Bruſtbein gleicht dem der Spechte. An den Hintergliedern iſt die Kürze des Laufes beſonders merklich. Die Zunge ſteht wegen ihrer geringen Größe in einem ungewöhnlichen Mißverhältniß zum Schnabel. Sie iſt wenig länger als breit, beinah dreieckig, jedoch an den Seitenrändern auswärts, am Hinterrande einwärts gebogen. Das Zungengerüſt iſt merkwürdig wegen der Kleinheit des Zungenkerns und der Breite des Zungenbeinkörpers. Der Schlund iſt weit, aber nicht zu einem Kropfe ausgebaucht, der Vormagen ſehr kurz, der Magen häutig und ausdehnbar. Blinddärme ſind nicht vorhanden.“ Die Eisvögel ſind Weltbürger und ziemlich gleichmäßig vertheilt, obgleich die Familie, wie zu erwarten, erſt innerhalb des warmen Gürtels ſich in ihrer vollen Reichhaltigkeit zeigt. Alle Arten ſiedeln ſich in der Nähe von Gewäſſern an und folgen dieſen bis hoch ins Gebirge hinauf, ſoweit es Fiſche gibt, und bis zum Meeresgeſtade hinab. Längs der Gewäſſer leben ſie einzeln oder höchſtens paarweiſe: wie alle Fiſcher ſind auch ſie ſtille, langweilige, grämliche, neidiſche Geſellen, welche jeden Umgang mit Jhresgleichen oder mit andern Vögeln überhaupt möglichſt vermeiden und in jedem lebenden Weſen, wenn auch nicht einen Beeinträchtiger, ſo doch einen Störer ihres Gewerbes erblicken. Nur ſo lange die Sorge um die Brut ſie an ein beſtimmtes Gebiet feſſelt, verweilen ſie an ein und derſelben Stelle; übrigens ſchweifen ſie fiſchend umher, dem Laufe der Gewäſſer folgend, und einzelne Arten durchwandern bei dieſer Gelegenheit ziemlich bedeutende Strecken. Jhre Begabungen ſind eigenthümlicher Art. Zu gehen vermögen ſie kaum, im Fliegen ſind ſie ebenfalls ungeſchickt, und nur das Waſſer beherrſchen ſie in einem gewiſſen Grade: ſie tauchen in abſonderlicher Weiſe und verſtehen auch ein wenig zu ſchwimmen. Unter ihren Sinnen ſteht das Geſicht obenan; ziemlich gleich hoch entwickelt ſcheint das Gehör zu ſein; über die übrigen Sinne haben wir kein Urtheil. Das geiſtige Weſen ſtellt die Eisvögel tief. Die hervorragendſte Eigenſchaft ſcheint ein unbegrenztes Mißtrauen zu ſein. Eigentlich klug kann man ſie nicht nennen. Doch ſind auch ſie nicht alles Guten bar; denn ſie bekunden wenigſtens eine ungemein große Anhänglichkeit an ihre Brut. Fiſche, Kerbthiere, Krabben und dergleichen bilden ihre Nahrung; ſie erwerben ſich dieſelbe hauptſächlich durch Stoßtauchen. Die Vermehrung der Eisvögel iſt ziemlich bedeutend; denn alle Arten ziehen eine zahlreiche Brut heran. Zum Niſten wählen ſie ſich ſteile Erdwälle, in denen ſie eine tiefe Höhle ausgraben, deren hinteres Ende zur eigentlichen Neſtkammer erweitert wird. Ein Neſt bauen ſie nicht; ſie häufen nach und nach aber ſo viele, hauptſächlich aus Fiſchgräten beſtehende Gewölle in ihrer Neſt- kammer an, daß im Verlaufe der Zeit doch eine Unterlage entſteht. Dem menſchlichen Haushalte bringen die Eisvögel keinen Nutzen, aber auch eigentlich keinen Schaden. Jn fiſchreichen Gegenden fällt die Maſſe der Nahrung, welche ſie bedürfen, nicht ins Gewicht, und die bei uns lebende Art iſt ſo klein, daß von einer durch ſie bewirkten Beeinträchtigung des Menſchen auch nicht geſprochen werden kann. „Der Alcyon iſt ein Meervogel, obwohl er auch in den Flüſſen wohnet. Vnd alſo bey den Griechen genennt, daß er in dem Meer gebiert. Daß er von wenigen erkennt wirt, iſt kein wunder, dieweil man ihn gar ſelten, vnd allein im Aprillen oder in des Winters Sonnen ſich wenden ſihet. Vnd ſobald er am Land nur ein Schiff vmbflogen hat, fähret er von ſtund an hinweg, alſo daß man jn nicht mehr ſehen kann. Cerylus vnd Ceyr wirt das Männlein auß dieſem Vogel geheiſſen. Plutarchus ſagt, daß dieſer Alcyon der weiſeſte vnd fürnemſte ſey auß allen Meerthieren. Dann er ſpricht: welche Nachtigall wollen wir ſeinem Geſang, welche Schwalbe ſeiner Willfertigkeit, welche

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/175
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/175>, abgerufen am 06.05.2024.