Oviedo erzählt, daß der Schwirrvogel nach dem Gesicht des Menschen fliege, welcher sich seinem Neste nähere; der Prinz versichert, daß er Dies niemals in Erfahrung gebracht habe; andere Forscher bestätigen aber doch die alte Angabe. Audubon berichtet, daß die Eltern, von Angst und Furcht erfüllt, hin und herflogen, wenige Zoll an dem Gesicht des vermeintlichen Feindes vorüber, und sich dann auf einen Zweig in nächster Nähe desselben niederließen, um das Ergebniß des unwillkommenen Besuchs abzuwarten, und der Prinz erwähnt an einer andern Stelle, daß sich die Eltern einer von ihm bedrohten Brut sehr ängstlich geberdeten. Der Jrrthum des alten Oviedo ist sehr erklärlich. Er hat die Bewegungen der Kolibrieltern für angreifende gehalten, während sie nur abwehrende sein sollten.
Audubon bemerkt ferner, daß die Jungen bald nach dem Ausfliegen sich mit andern vereinigen, und glaubt, daß sie mit diesen gemeinschaftlich, abgesondert von den Alten, die Wanderung antreten, da er oft zwanzig oder dreißig junge Kolibris, in deren Gesellschaft sich ein einziger Alter befand, gewisse Bäume umschweben sah. Ob diese Ansicht begründet ist, lasse ich gern dahin gestellt sein.
Ueber das Gefangenleben der Kolibris liegen verschiedene Beobachtungen vor, und da der Gegenstand ein allgemein anziehender ist, will ich wenigstens die wichtigeren derselben hier folgen lassen. "Einige Leute", erzählt Azara, "haben Kolibris gefangen gehalten. Den Pedro Melo, Statthalter von Paraguay, hat alte ungefähr vier Monate lang bei sich gehabt, frei im Raume fliegend. Diese lernten sehr gut ihren Gebieter kennen: sie küßten ihn und umflegen ihn, wenn sie Futter verlangten. Dann brachte Melo ein Gefäß mit Syrup, und in dieses steckten die Kolibris ihre Zunge. Von Zeit zu Zeit reichte er ihnen auch einige Blumen, und unter diesen Vorsichtsmaßregeln waren die lieblichen Vögel fast ebenso munter, als im Freien. Sie gingen auch nur durch die Nachlässigkeit der Bedienten zu Grunde." -- "Die Seltsamkeit dieser kleinen Vögel", sagt Wilson, "hat viele Leute zu Versuchen bewogen, sie groß zu füttern und an die Gefangen- schaft zu gewöhnen. Coffer, ein Mann, welcher die Sitten und Gewohnheiten unserer ein- heimischen Vögel mit großer Aufmerksamkeit beachtet hat, erzählte mir, daß er zwei Kolibris mehrere Monate in einem Käfig gehabt und sie mit aufgelöstem Honig erhalten habe. Die Süßigkeit desselben zog kleine Fliegen und Schnaken herbei, und die Vögel vergnügten sich, diese wegzu- schnappen; auch fraßen sie dieselben mit solcher Begierde, daß die Kerbthiere einen nicht unbe- trächtlichen Theil ihres Futters bildeten. Peale hatte zwei junge Schwirrvögel aufgezogen. Sie flogen frei im Raume herum und ließen sich oft auf der Schulter ihres Gebieters nieder, wenn sie Hunger hatten. Dieser Herr beobachtete, daß sie, wenn die Sonne in das Zimmer schien, nach Art der Fliegenfänger kleine Motten wegschnappten.... Jm Sommer 1803 wurde mir ein Nest mit jungen, fast flüggen Kolibris gebracht. Der eine von ihnen flog gegen die Fenster und tödtete sich, der andere verschmähete das Futter und war am nächsten Morgen halbtodt. Eine Dame brachte ihn hierauf in ihrem Busen unter, und als er sich erholt hatte, nahm sie aufgelösten Zucker in ihren Mund und ließ ihn diesen aufsaugen. So wurde er aufgefüttert, bis er in den Käfig gebracht werden konnte. Jch hielt ihn länger als drei Monate, ernährte ihn mit Zuckerwasser und gab ihm täglich frische Blumen. Er schien heiter, munter und lebenslustig zu sein, flog von Blume zu Blume, wie in der Freiheit und zeigte durch seine Bewegung und sein Zirpen die größte Freude, wenn ihm frische Blumen gebracht wurden. Jch ergriff alle Vorsichtsmaßregeln, um ihn, wenn möglich, durch den Winter zu bringen. Unglücklicher Weise aber entkam er seinem Bauer, flog in den Raum, verletzte sich und starb." -- "Jch hatte", berichtet Bullock, "zu einer Zeit gegen siebzig Kolibris im Käfig, und mit einiger Aufmerksamkeit und Sorgfalt hielt ich sie wochenlang am Leben. Hätte ich meine ganze Zeit ihnen widmen können, ich würde sie höchst wahrscheinlich nach Europa übergebracht haben. Die Behauptungen, daß sie wild und unzähmbar seien, daß sie sich in der Gefangenschaft selbst umbrächten u. s. w., sind falsch. Kein Vogel fügt sich leichter in seinen neuen Zustand. Sehr richtig ist, daß sie selten umherfliegen, aber niemals stürzen sie sich gegen den Käfig
Die Späher. Schwirrvögel.
Oviedo erzählt, daß der Schwirrvogel nach dem Geſicht des Menſchen fliege, welcher ſich ſeinem Neſte nähere; der Prinz verſichert, daß er Dies niemals in Erfahrung gebracht habe; andere Forſcher beſtätigen aber doch die alte Angabe. Audubon berichtet, daß die Eltern, von Angſt und Furcht erfüllt, hin und herflogen, wenige Zoll an dem Geſicht des vermeintlichen Feindes vorüber, und ſich dann auf einen Zweig in nächſter Nähe deſſelben niederließen, um das Ergebniß des unwillkommenen Beſuchs abzuwarten, und der Prinz erwähnt an einer andern Stelle, daß ſich die Eltern einer von ihm bedrohten Brut ſehr ängſtlich geberdeten. Der Jrrthum des alten Oviedo iſt ſehr erklärlich. Er hat die Bewegungen der Kolibrieltern für angreifende gehalten, während ſie nur abwehrende ſein ſollten.
Audubon bemerkt ferner, daß die Jungen bald nach dem Ausfliegen ſich mit andern vereinigen, und glaubt, daß ſie mit dieſen gemeinſchaftlich, abgeſondert von den Alten, die Wanderung antreten, da er oft zwanzig oder dreißig junge Kolibris, in deren Geſellſchaft ſich ein einziger Alter befand, gewiſſe Bäume umſchweben ſah. Ob dieſe Anſicht begründet iſt, laſſe ich gern dahin geſtellt ſein.
Ueber das Gefangenleben der Kolibris liegen verſchiedene Beobachtungen vor, und da der Gegenſtand ein allgemein anziehender iſt, will ich wenigſtens die wichtigeren derſelben hier folgen laſſen. „Einige Leute“, erzählt Azara, „haben Kolibris gefangen gehalten. Den Pedro Melo, Statthalter von Paraguay, hat alte ungefähr vier Monate lang bei ſich gehabt, frei im Raume fliegend. Dieſe lernten ſehr gut ihren Gebieter kennen: ſie küßten ihn und umflegen ihn, wenn ſie Futter verlangten. Dann brachte Melo ein Gefäß mit Syrup, und in dieſes ſteckten die Kolibris ihre Zunge. Von Zeit zu Zeit reichte er ihnen auch einige Blumen, und unter dieſen Vorſichtsmaßregeln waren die lieblichen Vögel faſt ebenſo munter, als im Freien. Sie gingen auch nur durch die Nachläſſigkeit der Bedienten zu Grunde.“ — „Die Seltſamkeit dieſer kleinen Vögel“, ſagt Wilſon, „hat viele Leute zu Verſuchen bewogen, ſie groß zu füttern und an die Gefangen- ſchaft zu gewöhnen. Coffer, ein Mann, welcher die Sitten und Gewohnheiten unſerer ein- heimiſchen Vögel mit großer Aufmerkſamkeit beachtet hat, erzählte mir, daß er zwei Kolibris mehrere Monate in einem Käfig gehabt und ſie mit aufgelöſtem Honig erhalten habe. Die Süßigkeit deſſelben zog kleine Fliegen und Schnaken herbei, und die Vögel vergnügten ſich, dieſe wegzu- ſchnappen; auch fraßen ſie dieſelben mit ſolcher Begierde, daß die Kerbthiere einen nicht unbe- trächtlichen Theil ihres Futters bildeten. Peale hatte zwei junge Schwirrvögel aufgezogen. Sie flogen frei im Raume herum und ließen ſich oft auf der Schulter ihres Gebieters nieder, wenn ſie Hunger hatten. Dieſer Herr beobachtete, daß ſie, wenn die Sonne in das Zimmer ſchien, nach Art der Fliegenfänger kleine Motten wegſchnappten.... Jm Sommer 1803 wurde mir ein Neſt mit jungen, faſt flüggen Kolibris gebracht. Der eine von ihnen flog gegen die Fenſter und tödtete ſich, der andere verſchmähete das Futter und war am nächſten Morgen halbtodt. Eine Dame brachte ihn hierauf in ihrem Buſen unter, und als er ſich erholt hatte, nahm ſie aufgelöſten Zucker in ihren Mund und ließ ihn dieſen aufſaugen. So wurde er aufgefüttert, bis er in den Käfig gebracht werden konnte. Jch hielt ihn länger als drei Monate, ernährte ihn mit Zuckerwaſſer und gab ihm täglich friſche Blumen. Er ſchien heiter, munter und lebensluſtig zu ſein, flog von Blume zu Blume, wie in der Freiheit und zeigte durch ſeine Bewegung und ſein Zirpen die größte Freude, wenn ihm friſche Blumen gebracht wurden. Jch ergriff alle Vorſichtsmaßregeln, um ihn, wenn möglich, durch den Winter zu bringen. Unglücklicher Weiſe aber entkam er ſeinem Bauer, flog in den Raum, verletzte ſich und ſtarb.“ — „Jch hatte“, berichtet Bullock, „zu einer Zeit gegen ſiebzig Kolibris im Käfig, und mit einiger Aufmerkſamkeit und Sorgfalt hielt ich ſie wochenlang am Leben. Hätte ich meine ganze Zeit ihnen widmen können, ich würde ſie höchſt wahrſcheinlich nach Europa übergebracht haben. Die Behauptungen, daß ſie wild und unzähmbar ſeien, daß ſie ſich in der Gefangenſchaft ſelbſt umbrächten u. ſ. w., ſind falſch. Kein Vogel fügt ſich leichter in ſeinen neuen Zuſtand. Sehr richtig iſt, daß ſie ſelten umherfliegen, aber niemals ſtürzen ſie ſich gegen den Käfig
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Die Späher. Schwirrvögel.
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Forſcher beſtätigen aber doch die alte Angabe. Audubon berichtet, daß die Eltern, von Angſt und
Furcht erfüllt, hin und herflogen, wenige Zoll an dem Geſicht des vermeintlichen Feindes vorüber,
und ſich dann auf einen Zweig in nächſter Nähe deſſelben niederließen, um das Ergebniß des
unwillkommenen Beſuchs abzuwarten, und der Prinz erwähnt an einer andern Stelle, daß ſich die
Eltern einer von ihm bedrohten Brut ſehr ängſtlich geberdeten. Der Jrrthum des alten
Oviedo iſt ſehr erklärlich. Er hat die Bewegungen der Kolibrieltern für angreifende gehalten,
während ſie nur abwehrende ſein ſollten.
Audubon bemerkt ferner, daß die Jungen bald nach dem Ausfliegen ſich mit andern vereinigen,
und glaubt, daß ſie mit dieſen gemeinſchaftlich, abgeſondert von den Alten, die Wanderung
antreten, da er oft zwanzig oder dreißig junge Kolibris, in deren Geſellſchaft ſich ein einziger Alter
befand, gewiſſe Bäume umſchweben ſah. Ob dieſe Anſicht begründet iſt, laſſe ich gern dahin
geſtellt ſein.
Ueber das Gefangenleben der Kolibris liegen verſchiedene Beobachtungen vor, und da der
Gegenſtand ein allgemein anziehender iſt, will ich wenigſtens die wichtigeren derſelben hier folgen
laſſen. „Einige Leute“, erzählt Azara, „haben Kolibris gefangen gehalten. Den Pedro
Melo, Statthalter von Paraguay, hat alte ungefähr vier Monate lang bei ſich gehabt, frei im
Raume fliegend. Dieſe lernten ſehr gut ihren Gebieter kennen: ſie küßten ihn und umflegen ihn,
wenn ſie Futter verlangten. Dann brachte Melo ein Gefäß mit Syrup, und in dieſes ſteckten die
Kolibris ihre Zunge. Von Zeit zu Zeit reichte er ihnen auch einige Blumen, und unter dieſen
Vorſichtsmaßregeln waren die lieblichen Vögel faſt ebenſo munter, als im Freien. Sie gingen auch
nur durch die Nachläſſigkeit der Bedienten zu Grunde.“ — „Die Seltſamkeit dieſer kleinen Vögel“,
ſagt Wilſon, „hat viele Leute zu Verſuchen bewogen, ſie groß zu füttern und an die Gefangen-
ſchaft zu gewöhnen. Coffer, ein Mann, welcher die Sitten und Gewohnheiten unſerer ein-
heimiſchen Vögel mit großer Aufmerkſamkeit beachtet hat, erzählte mir, daß er zwei Kolibris mehrere
Monate in einem Käfig gehabt und ſie mit aufgelöſtem Honig erhalten habe. Die Süßigkeit
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ſchnappen; auch fraßen ſie dieſelben mit ſolcher Begierde, daß die Kerbthiere einen nicht unbe-
trächtlichen Theil ihres Futters bildeten. Peale hatte zwei junge Schwirrvögel aufgezogen. Sie
flogen frei im Raume herum und ließen ſich oft auf der Schulter ihres Gebieters nieder, wenn ſie
Hunger hatten. Dieſer Herr beobachtete, daß ſie, wenn die Sonne in das Zimmer ſchien, nach Art
der Fliegenfänger kleine Motten wegſchnappten.... Jm Sommer 1803 wurde mir ein Neſt mit
jungen, faſt flüggen Kolibris gebracht. Der eine von ihnen flog gegen die Fenſter und tödtete ſich,
der andere verſchmähete das Futter und war am nächſten Morgen halbtodt. Eine Dame brachte
ihn hierauf in ihrem Buſen unter, und als er ſich erholt hatte, nahm ſie aufgelöſten Zucker in ihren
Mund und ließ ihn dieſen aufſaugen. So wurde er aufgefüttert, bis er in den Käfig gebracht
werden konnte. Jch hielt ihn länger als drei Monate, ernährte ihn mit Zuckerwaſſer und gab ihm
täglich friſche Blumen. Er ſchien heiter, munter und lebensluſtig zu ſein, flog von Blume zu
Blume, wie in der Freiheit und zeigte durch ſeine Bewegung und ſein Zirpen die größte Freude,
wenn ihm friſche Blumen gebracht wurden. Jch ergriff alle Vorſichtsmaßregeln, um ihn, wenn
möglich, durch den Winter zu bringen. Unglücklicher Weiſe aber entkam er ſeinem Bauer, flog in
den Raum, verletzte ſich und ſtarb.“ — „Jch hatte“, berichtet Bullock, „zu einer Zeit gegen ſiebzig
Kolibris im Käfig, und mit einiger Aufmerkſamkeit und Sorgfalt hielt ich ſie wochenlang am Leben.
Hätte ich meine ganze Zeit ihnen widmen können, ich würde ſie höchſt wahrſcheinlich nach Europa
übergebracht haben. Die Behauptungen, daß ſie wild und unzähmbar ſeien, daß ſie ſich in der
Gefangenſchaft ſelbſt umbrächten u. ſ. w., ſind falſch. Kein Vogel fügt ſich leichter in ſeinen neuen
Zuſtand. Sehr richtig iſt, daß ſie ſelten umherfliegen, aber niemals ſtürzen ſie ſich gegen den Käfig
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/142>, abgerufen am 23.11.2024.
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