im hohen Norden lebenden, denen heftiger Schneefall in gewissen Jahren ihre Nahrung zudeckt. Jnnerhalb eines gewissen Gürtels streichen sie alljährlich umher, aber nur, wenn besonders strenger Winter eintritt, wandern sie mehr nach Süden herab und gelangen dann auch bis zu uns oder reisen selbst bis nach Südeuropa hinab. Dagegen ziehen sich alle Vögel, welche im oberen Gürtel des hohen Gebirges leben, jedes Jahr unregelmäßig in tiefere Gegenden hinab und wandern mit Beginn des Frühlings ebenfalls zu einer bestimmten Zeit wieder nach ihrem Standorte zurück; ihre Reise also ist der der Zugvögel ähnlich.
Das Streichen geschieht während des ganzen Jahres und auf der ganzen Erde. Alle Hage- stolzen oder Wittwer streichen, größere Raubvögel schon ihrer Nahrung wegen; andere schweifen im Lande umher, scheinbar mehr zu ihrem Vergnügen, als der Nothwendigkeit folgend; einzelne streichen in sehr engem Kreise, andere durchwandern dabei mehrere Meilen. Unter den Wendekreisländern kann auch diese Art der Ortsveränderung dem Zuge ähnlich werden.
Wie immer der Vogel reisen möge, ob als ziehender Wanderer oder Landstreicher, und wie- weit seine Reise sich ausdehne: seine Heimat haben wir immer nur da zu suchen, wo er liebt und sich fortpflanzt. Jn diesem Sinne darf das Nest das Haus des Vogels genannt werden.
Die Säuger sind die Nutzthiere, die Vögel die Vergnügungsthiere des Menschen. Jene müssen zollen und geben, wenn sie vom Menschen nicht vertilgt werden wollen, diese genießen eine Bevor- zugung vor allen übrigen Thieren: sie besitzen des Menschen Wohlwollen und des Menschen Liebe. Die Anmuth ihrer Gestalt, die Schönheit der Farben, die Schnelligkeit und Behendigkeit ihrer Bewegungen, der Wohllaut ihrer Stimme, die Liebenswürdigkeit ihres Wesens ziehen uns unwider- stehlich an. Schon die ersten Menschen, von deren Gefühlen wir Kunde haben, befreundeten sich mit den Vögeln; die Wilden nahmen sie unter ihren Schutz; Priester vergangener Zeiten sahen in ihnen heilige Thiere; Dichter des Alterthums und der Gegenwart lassen sich begeistern von ihnen. Jhr Leben, ihre Stimme, ihr Flug, ihre ersichtliche Zufriedenheit mit dem Dasein erhebt und erbaut uns. Jhnen gewähren wir gern die Gastfreundschaft, welche wir den Säugern und noch mehr den Lurchen entschieden versagen, gewähren sie ihnen, auch wenn sie uns wenig Nutzen bringen; unter ihnen werben wir uns mehr Haus- und Stubengenossen als unter allen übrigen Thieren; selbst wenn wir uns anschicken, ihnen mit Netz und Schlinge nachzugehen, wenn wir uns mit ihrer Jagd beschäftigen, erstirbt die Zuneigung, welche wir gegen sie hegen, nicht. Sie sind unsere Schoßkinder und Lieblinge. Jhr Leben ist aber auch von hoher Bedeutung für unser Besitzthum und Wohlbefinden. Die Vögel bilden ein unentbehrliches Glied in der Reihe der Wesen; sie sind die Wächter des Gleichgewichts in der Thierwelt und wehren den verderblichen Uebergriffen der anderen Klaffen, insbesondere der Kerb- thiere, denen preisgegeben die Natur veröden würde. Ein einziges Vogelpärchen kann uns mehr Nutzen bringen als alle Mitglieder einer Säugethierordnung zusammengenommen. Jhr Nutzen läßt sich weder berechnen noch abschätzen, weil er jede Rechnung oder Schätzung übersteigt; wohl aber berechtigt er Jeden, welcher sich mit der Forschung des Thierlebens beschäftigt, allen Denen, welche sich unterrichten lassen wollen, die ernste Mahnung ans Herz zu legen:
"Schutz den Vögeln!"
Ein Blick auf das Leben der Geſammtheit.
im hohen Norden lebenden, denen heftiger Schneefall in gewiſſen Jahren ihre Nahrung zudeckt. Jnnerhalb eines gewiſſen Gürtels ſtreichen ſie alljährlich umher, aber nur, wenn beſonders ſtrenger Winter eintritt, wandern ſie mehr nach Süden herab und gelangen dann auch bis zu uns oder reiſen ſelbſt bis nach Südeuropa hinab. Dagegen ziehen ſich alle Vögel, welche im oberen Gürtel des hohen Gebirges leben, jedes Jahr unregelmäßig in tiefere Gegenden hinab und wandern mit Beginn des Frühlings ebenfalls zu einer beſtimmten Zeit wieder nach ihrem Standorte zurück; ihre Reiſe alſo iſt der der Zugvögel ähnlich.
Das Streichen geſchieht während des ganzen Jahres und auf der ganzen Erde. Alle Hage- ſtolzen oder Wittwer ſtreichen, größere Raubvögel ſchon ihrer Nahrung wegen; andere ſchweifen im Lande umher, ſcheinbar mehr zu ihrem Vergnügen, als der Nothwendigkeit folgend; einzelne ſtreichen in ſehr engem Kreiſe, andere durchwandern dabei mehrere Meilen. Unter den Wendekreisländern kann auch dieſe Art der Ortsveränderung dem Zuge ähnlich werden.
Wie immer der Vogel reiſen möge, ob als ziehender Wanderer oder Landſtreicher, und wie- weit ſeine Reiſe ſich ausdehne: ſeine Heimat haben wir immer nur da zu ſuchen, wo er liebt und ſich fortpflanzt. Jn dieſem Sinne darf das Neſt das Haus des Vogels genannt werden.
Die Säuger ſind die Nutzthiere, die Vögel die Vergnügungsthiere des Menſchen. Jene müſſen zollen und geben, wenn ſie vom Menſchen nicht vertilgt werden wollen, dieſe genießen eine Bevor- zugung vor allen übrigen Thieren: ſie beſitzen des Menſchen Wohlwollen und des Menſchen Liebe. Die Anmuth ihrer Geſtalt, die Schönheit der Farben, die Schnelligkeit und Behendigkeit ihrer Bewegungen, der Wohllaut ihrer Stimme, die Liebenswürdigkeit ihres Weſens ziehen uns unwider- ſtehlich an. Schon die erſten Menſchen, von deren Gefühlen wir Kunde haben, befreundeten ſich mit den Vögeln; die Wilden nahmen ſie unter ihren Schutz; Prieſter vergangener Zeiten ſahen in ihnen heilige Thiere; Dichter des Alterthums und der Gegenwart laſſen ſich begeiſtern von ihnen. Jhr Leben, ihre Stimme, ihr Flug, ihre erſichtliche Zufriedenheit mit dem Daſein erhebt und erbaut uns. Jhnen gewähren wir gern die Gaſtfreundſchaft, welche wir den Säugern und noch mehr den Lurchen entſchieden verſagen, gewähren ſie ihnen, auch wenn ſie uns wenig Nutzen bringen; unter ihnen werben wir uns mehr Haus- und Stubengenoſſen als unter allen übrigen Thieren; ſelbſt wenn wir uns anſchicken, ihnen mit Netz und Schlinge nachzugehen, wenn wir uns mit ihrer Jagd beſchäftigen, erſtirbt die Zuneigung, welche wir gegen ſie hegen, nicht. Sie ſind unſere Schoßkinder und Lieblinge. Jhr Leben iſt aber auch von hoher Bedeutung für unſer Beſitzthum und Wohlbefinden. Die Vögel bilden ein unentbehrliches Glied in der Reihe der Weſen; ſie ſind die Wächter des Gleichgewichts in der Thierwelt und wehren den verderblichen Uebergriffen der anderen Klaffen, insbeſondere der Kerb- thiere, denen preisgegeben die Natur veröden würde. Ein einziges Vogelpärchen kann uns mehr Nutzen bringen als alle Mitglieder einer Säugethierordnung zuſammengenommen. Jhr Nutzen läßt ſich weder berechnen noch abſchätzen, weil er jede Rechnung oder Schätzung überſteigt; wohl aber berechtigt er Jeden, welcher ſich mit der Forſchung des Thierlebens beſchäftigt, allen Denen, welche ſich unterrichten laſſen wollen, die ernſte Mahnung ans Herz zu legen:
„Schutz den Vögeln!“
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Jnnerhalb eines gewiſſen Gürtels ſtreichen ſie alljährlich umher, aber nur, wenn beſonders ſtrenger
Winter eintritt, wandern ſie mehr nach Süden herab und gelangen dann auch bis zu uns oder reiſen
ſelbſt bis nach Südeuropa hinab. Dagegen ziehen ſich alle Vögel, welche im oberen Gürtel des hohen
Gebirges leben, jedes Jahr unregelmäßig in tiefere Gegenden hinab und wandern mit Beginn des
Frühlings ebenfalls zu einer beſtimmten Zeit wieder nach ihrem Standorte zurück; ihre Reiſe alſo iſt
der der Zugvögel ähnlich.
Das Streichen geſchieht während des ganzen Jahres und auf der ganzen Erde. Alle Hage-
ſtolzen oder Wittwer ſtreichen, größere Raubvögel ſchon ihrer Nahrung wegen; andere ſchweifen im
Lande umher, ſcheinbar mehr zu ihrem Vergnügen, als der Nothwendigkeit folgend; einzelne ſtreichen
in ſehr engem Kreiſe, andere durchwandern dabei mehrere Meilen. Unter den Wendekreisländern
kann auch dieſe Art der Ortsveränderung dem Zuge ähnlich werden.
Wie immer der Vogel reiſen möge, ob als ziehender Wanderer oder Landſtreicher, und wie-
weit ſeine Reiſe ſich ausdehne: ſeine Heimat haben wir immer nur da zu ſuchen, wo er liebt und ſich
fortpflanzt. Jn dieſem Sinne darf das Neſt das Haus des Vogels genannt werden.
Die Säuger ſind die Nutzthiere, die Vögel die Vergnügungsthiere des Menſchen. Jene müſſen
zollen und geben, wenn ſie vom Menſchen nicht vertilgt werden wollen, dieſe genießen eine Bevor-
zugung vor allen übrigen Thieren: ſie beſitzen des Menſchen Wohlwollen und des Menſchen Liebe.
Die Anmuth ihrer Geſtalt, die Schönheit der Farben, die Schnelligkeit und Behendigkeit ihrer
Bewegungen, der Wohllaut ihrer Stimme, die Liebenswürdigkeit ihres Weſens ziehen uns unwider-
ſtehlich an. Schon die erſten Menſchen, von deren Gefühlen wir Kunde haben, befreundeten ſich mit
den Vögeln; die Wilden nahmen ſie unter ihren Schutz; Prieſter vergangener Zeiten ſahen in ihnen
heilige Thiere; Dichter des Alterthums und der Gegenwart laſſen ſich begeiſtern von ihnen. Jhr
Leben, ihre Stimme, ihr Flug, ihre erſichtliche Zufriedenheit mit dem Daſein erhebt und erbaut uns.
Jhnen gewähren wir gern die Gaſtfreundſchaft, welche wir den Säugern und noch mehr den Lurchen
entſchieden verſagen, gewähren ſie ihnen, auch wenn ſie uns wenig Nutzen bringen; unter ihnen
werben wir uns mehr Haus- und Stubengenoſſen als unter allen übrigen Thieren; ſelbſt wenn wir
uns anſchicken, ihnen mit Netz und Schlinge nachzugehen, wenn wir uns mit ihrer Jagd beſchäftigen,
erſtirbt die Zuneigung, welche wir gegen ſie hegen, nicht. Sie ſind unſere Schoßkinder und Lieblinge.
Jhr Leben iſt aber auch von hoher Bedeutung für unſer Beſitzthum und Wohlbefinden. Die Vögel
bilden ein unentbehrliches Glied in der Reihe der Weſen; ſie ſind die Wächter des Gleichgewichts in
der Thierwelt und wehren den verderblichen Uebergriffen der anderen Klaffen, insbeſondere der Kerb-
thiere, denen preisgegeben die Natur veröden würde. Ein einziges Vogelpärchen kann uns mehr
Nutzen bringen als alle Mitglieder einer Säugethierordnung zuſammengenommen. Jhr Nutzen läßt
ſich weder berechnen noch abſchätzen, weil er jede Rechnung oder Schätzung überſteigt; wohl aber
berechtigt er Jeden, welcher ſich mit der Forſchung des Thierlebens beſchäftigt, allen Denen, welche ſich
unterrichten laſſen wollen, die ernſte Mahnung ans Herz zu legen:
„Schutz den Vögeln!“
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 994. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/1048>, abgerufen am 23.11.2024.
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