einer geraden Linie dem Meere zu; dabei halten alle soviel als möglich denselben Strich ein, sodaß es erscheint, als ob aus den auf- und niedersteigenden Vögeln eine förmliche Bedachung rings um den Berg gebildet werde. Außer der Brutzeit sieht man sie nie in dieser Weise fliegen, vielmehr nur schwimmen und tauchen oder höchstens sich zu kurzen Flügen erheben und bald wieder in die Wellen versenken. Zum Gehen auf festem Boden sind ihre Füße nicht geeignet; man sieht sie deshalb auch nur höchst selten hier sich bewegen. Gewöhnlich geschieht Dies rutschend, indem sie auf der Fußsohle schwerfällig fortgleiten; zuweilen jedoch laufen sie wie tanzend auf den Zehen fort, müssen dann aber die Flügel zur Hilfe nehmen, um sich im Gleichgewicht zu erhalten, sodaß also ihr Lauf eher ein unvollkommenes Fliegen, als ein Gehen genannt werden kann. Die Stimme ist ein ausgedehntes Schnarren und Plärren, welches aber sehr verschieden betont wird und demnach entweder wie "Oerrr" oder "eerr" zu klingen scheint; auch ein heulender oder miauender Ton wird zuweilen ver- nommen. Die Jungen pfeifen.
Derjenige, welcher einen von Lummen besetzten Vogelberg besuchte, wundert sich nicht mehr darüber, daß man diese Vögel als dumm bezeichnet. Jn der That zeigen sie sich als außerordentlich harmlose oder vertrauensselige Geschöpfe, insbesondere dann, wenn sie sich am Lande befinden. Auch während sie schwimmen, lassen sie ein Boot oft nah an sich herankommen; auf den Brutplätzen achten sie kaum auf den Menschen. Hier kann man sich, ohne ihr Bedenken zu erregen, bis auf sechs oder vier Schritte nähern; man darf sich vor ihnen niederlassen, sie ansehen, sich zeichnend oder schreibend beschäftigen: sie fliegen nicht davon. Aber sie beweisen trotzdem dem aufmerksamen Beobachter deutlich genug, daß sie nur in gewissem Sinne als dumme Vögel bezeichnet werden dürfen. Der Mensch, welcher selten sie heimsucht, erregt keine Besorgniß; ein Edelfalk hingegen räumt einen ganzen Vogelberg, sobald er sich sehen läßt, ein fern herbeiziehender Seeadler scheucht Tausende sofort in die Flucht. Auch sie also kennen ihre Feinde wohl, und wenn sie den Menschen nicht dazu rechnen, so geschieht es eben nur deshalb, weil sie denselben als solchen nicht ansehen. Zudem kann man es nicht wahrnehmen, ob unter den Millionen, welche man vor sich hat, sich einzelne finden, welche Erfahrung sammelten und durch sie klug wurden. Soviel weiß man, daß sie da, wo sie einzeln auftreten, durch fortgesetzte Nachstellungen doch auch furchtsam werden und schließlich die Menschen als ihre Feinde erkennen lernen. Unter sich leben sie höchst friedlich, auch mit anderen Vögeln, welche ihnen nicht gefährlich werden können, halten sie gute Freundschaft. Sie ihrerseits behelligen keinen anderen Bergvogel, suchen sich eher nützlich und gefällig zu zeigen. Wer sie lieb gewinnen will, muß sie auf ihren Brutplätzen besuchen. Hierzu erwählen sie sich steil aufsteigende Schären oder einzelne Felswände, welche unmittelbar vom Gestade sich erheben und reich an Gesimsen, Vorsprüngen und Spalten sind, auch einen möglichst ergiebigen Fischfang gewähren. Wahrscheinlich ist das Meer in der Nähe dieser Brutfelsen besonders reich an Fischen und Krebsen, ihrer Nahrung, und möglicherweise beeinflußt die Himmelsgegend, nach welcher eine Wand oder ein Haupttheil des Berges liegt, die Wahl: jedenfalls muß man dieselbe als eine glückliche bezeichnen. Ausgangs März oder im Anfange des April erscheinen sie in größeren oder kleineren Scharen auf den Bergen, und nunmehr beginnt bald das eigenthümliche Leben und Gewimmel um dieselben. Jetzt wird der Vogel- berg in der That zu einem ungeheuren Bienenstocke. Eine Wolke von Vögeln umlagert ihn fort- während; Tausende und Hunderttausende sitzen, scheinbar in Reihen geordnet, die weiße Brust dem Meere zugekehrt, auf allen Vorsprüngen, Winkeln, Spitzen, Gesimsen, überhaupt da, wo es einen Sitzplatz gibt, andere Hunderttausende fliegen von oben nach unten oder von unten nach oben, andere Massen fischen und tauchen unten im Meere. Auch der größte Berg, die ausgedehnteste Felswand wird überfüllt mit Bewohnern; aber jeder einzelne begnügt sich, und niemals sieht man Streit um die Nistplätze entstehen. Jeder scheint sich in Duldung gegen den Nachbar überbieten zu wollen, einer sucht dem anderen zu helfen und beizustehen soviel als möglich. Die Pärchen hängen auf das Jnnigste zusammen, sitzen, bevor die Eier gelegt wurden, beständig neben einander, liebkosen sich mit den Schnäbeln, reiben die Hälse gegen einander, fliegen in demselben Augenblicke auf und in
Die Schwimmer. Taucher. Lummen.
einer geraden Linie dem Meere zu; dabei halten alle ſoviel als möglich denſelben Strich ein, ſodaß es erſcheint, als ob aus den auf- und niederſteigenden Vögeln eine förmliche Bedachung rings um den Berg gebildet werde. Außer der Brutzeit ſieht man ſie nie in dieſer Weiſe fliegen, vielmehr nur ſchwimmen und tauchen oder höchſtens ſich zu kurzen Flügen erheben und bald wieder in die Wellen verſenken. Zum Gehen auf feſtem Boden ſind ihre Füße nicht geeignet; man ſieht ſie deshalb auch nur höchſt ſelten hier ſich bewegen. Gewöhnlich geſchieht Dies rutſchend, indem ſie auf der Fußſohle ſchwerfällig fortgleiten; zuweilen jedoch laufen ſie wie tanzend auf den Zehen fort, müſſen dann aber die Flügel zur Hilfe nehmen, um ſich im Gleichgewicht zu erhalten, ſodaß alſo ihr Lauf eher ein unvollkommenes Fliegen, als ein Gehen genannt werden kann. Die Stimme iſt ein ausgedehntes Schnarren und Plärren, welches aber ſehr verſchieden betont wird und demnach entweder wie „Oerrr“ oder „eerr“ zu klingen ſcheint; auch ein heulender oder miauender Ton wird zuweilen ver- nommen. Die Jungen pfeifen.
Derjenige, welcher einen von Lummen beſetzten Vogelberg beſuchte, wundert ſich nicht mehr darüber, daß man dieſe Vögel als dumm bezeichnet. Jn der That zeigen ſie ſich als außerordentlich harmloſe oder vertrauensſelige Geſchöpfe, insbeſondere dann, wenn ſie ſich am Lande befinden. Auch während ſie ſchwimmen, laſſen ſie ein Boot oft nah an ſich herankommen; auf den Brutplätzen achten ſie kaum auf den Menſchen. Hier kann man ſich, ohne ihr Bedenken zu erregen, bis auf ſechs oder vier Schritte nähern; man darf ſich vor ihnen niederlaſſen, ſie anſehen, ſich zeichnend oder ſchreibend beſchäftigen: ſie fliegen nicht davon. Aber ſie beweiſen trotzdem dem aufmerkſamen Beobachter deutlich genug, daß ſie nur in gewiſſem Sinne als dumme Vögel bezeichnet werden dürfen. Der Menſch, welcher ſelten ſie heimſucht, erregt keine Beſorgniß; ein Edelfalk hingegen räumt einen ganzen Vogelberg, ſobald er ſich ſehen läßt, ein fern herbeiziehender Seeadler ſcheucht Tauſende ſofort in die Flucht. Auch ſie alſo kennen ihre Feinde wohl, und wenn ſie den Menſchen nicht dazu rechnen, ſo geſchieht es eben nur deshalb, weil ſie denſelben als ſolchen nicht anſehen. Zudem kann man es nicht wahrnehmen, ob unter den Millionen, welche man vor ſich hat, ſich einzelne finden, welche Erfahrung ſammelten und durch ſie klug wurden. Soviel weiß man, daß ſie da, wo ſie einzeln auftreten, durch fortgeſetzte Nachſtellungen doch auch furchtſam werden und ſchließlich die Menſchen als ihre Feinde erkennen lernen. Unter ſich leben ſie höchſt friedlich, auch mit anderen Vögeln, welche ihnen nicht gefährlich werden können, halten ſie gute Freundſchaft. Sie ihrerſeits behelligen keinen anderen Bergvogel, ſuchen ſich eher nützlich und gefällig zu zeigen. Wer ſie lieb gewinnen will, muß ſie auf ihren Brutplätzen beſuchen. Hierzu erwählen ſie ſich ſteil aufſteigende Schären oder einzelne Felswände, welche unmittelbar vom Geſtade ſich erheben und reich an Geſimſen, Vorſprüngen und Spalten ſind, auch einen möglichſt ergiebigen Fiſchfang gewähren. Wahrſcheinlich iſt das Meer in der Nähe dieſer Brutfelſen beſonders reich an Fiſchen und Krebſen, ihrer Nahrung, und möglicherweiſe beeinflußt die Himmelsgegend, nach welcher eine Wand oder ein Haupttheil des Berges liegt, die Wahl: jedenfalls muß man dieſelbe als eine glückliche bezeichnen. Ausgangs März oder im Anfange des April erſcheinen ſie in größeren oder kleineren Scharen auf den Bergen, und nunmehr beginnt bald das eigenthümliche Leben und Gewimmel um dieſelben. Jetzt wird der Vogel- berg in der That zu einem ungeheuren Bienenſtocke. Eine Wolke von Vögeln umlagert ihn fort- während; Tauſende und Hunderttauſende ſitzen, ſcheinbar in Reihen geordnet, die weiße Bruſt dem Meere zugekehrt, auf allen Vorſprüngen, Winkeln, Spitzen, Geſimſen, überhaupt da, wo es einen Sitzplatz gibt, andere Hunderttauſende fliegen von oben nach unten oder von unten nach oben, andere Maſſen fiſchen und tauchen unten im Meere. Auch der größte Berg, die ausgedehnteſte Felswand wird überfüllt mit Bewohnern; aber jeder einzelne begnügt ſich, und niemals ſieht man Streit um die Niſtplätze entſtehen. Jeder ſcheint ſich in Duldung gegen den Nachbar überbieten zu wollen, einer ſucht dem anderen zu helfen und beizuſtehen ſoviel als möglich. Die Pärchen hängen auf das Jnnigſte zuſammen, ſitzen, bevor die Eier gelegt wurden, beſtändig neben einander, liebkoſen ſich mit den Schnäbeln, reiben die Hälſe gegen einander, fliegen in demſelben Augenblicke auf und in
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[952/1004]
Die Schwimmer. Taucher. Lummen.
einer geraden Linie dem Meere zu; dabei halten alle ſoviel als möglich denſelben Strich ein, ſodaß es
erſcheint, als ob aus den auf- und niederſteigenden Vögeln eine förmliche Bedachung rings um den
Berg gebildet werde. Außer der Brutzeit ſieht man ſie nie in dieſer Weiſe fliegen, vielmehr nur
ſchwimmen und tauchen oder höchſtens ſich zu kurzen Flügen erheben und bald wieder in die Wellen
verſenken. Zum Gehen auf feſtem Boden ſind ihre Füße nicht geeignet; man ſieht ſie deshalb auch
nur höchſt ſelten hier ſich bewegen. Gewöhnlich geſchieht Dies rutſchend, indem ſie auf der Fußſohle
ſchwerfällig fortgleiten; zuweilen jedoch laufen ſie wie tanzend auf den Zehen fort, müſſen dann aber
die Flügel zur Hilfe nehmen, um ſich im Gleichgewicht zu erhalten, ſodaß alſo ihr Lauf eher ein
unvollkommenes Fliegen, als ein Gehen genannt werden kann. Die Stimme iſt ein ausgedehntes
Schnarren und Plärren, welches aber ſehr verſchieden betont wird und demnach entweder wie
„Oerrr“ oder „eerr“ zu klingen ſcheint; auch ein heulender oder miauender Ton wird zuweilen ver-
nommen. Die Jungen pfeifen.
Derjenige, welcher einen von Lummen beſetzten Vogelberg beſuchte, wundert ſich nicht mehr
darüber, daß man dieſe Vögel als dumm bezeichnet. Jn der That zeigen ſie ſich als außerordentlich
harmloſe oder vertrauensſelige Geſchöpfe, insbeſondere dann, wenn ſie ſich am Lande befinden. Auch
während ſie ſchwimmen, laſſen ſie ein Boot oft nah an ſich herankommen; auf den Brutplätzen achten
ſie kaum auf den Menſchen. Hier kann man ſich, ohne ihr Bedenken zu erregen, bis auf ſechs oder
vier Schritte nähern; man darf ſich vor ihnen niederlaſſen, ſie anſehen, ſich zeichnend oder ſchreibend
beſchäftigen: ſie fliegen nicht davon. Aber ſie beweiſen trotzdem dem aufmerkſamen Beobachter
deutlich genug, daß ſie nur in gewiſſem Sinne als dumme Vögel bezeichnet werden dürfen. Der
Menſch, welcher ſelten ſie heimſucht, erregt keine Beſorgniß; ein Edelfalk hingegen räumt einen
ganzen Vogelberg, ſobald er ſich ſehen läßt, ein fern herbeiziehender Seeadler ſcheucht Tauſende ſofort
in die Flucht. Auch ſie alſo kennen ihre Feinde wohl, und wenn ſie den Menſchen nicht dazu
rechnen, ſo geſchieht es eben nur deshalb, weil ſie denſelben als ſolchen nicht anſehen. Zudem kann
man es nicht wahrnehmen, ob unter den Millionen, welche man vor ſich hat, ſich einzelne finden,
welche Erfahrung ſammelten und durch ſie klug wurden. Soviel weiß man, daß ſie da, wo ſie
einzeln auftreten, durch fortgeſetzte Nachſtellungen doch auch furchtſam werden und ſchließlich die
Menſchen als ihre Feinde erkennen lernen. Unter ſich leben ſie höchſt friedlich, auch mit anderen
Vögeln, welche ihnen nicht gefährlich werden können, halten ſie gute Freundſchaft. Sie ihrerſeits
behelligen keinen anderen Bergvogel, ſuchen ſich eher nützlich und gefällig zu zeigen. Wer ſie lieb
gewinnen will, muß ſie auf ihren Brutplätzen beſuchen. Hierzu erwählen ſie ſich ſteil aufſteigende
Schären oder einzelne Felswände, welche unmittelbar vom Geſtade ſich erheben und reich an Geſimſen,
Vorſprüngen und Spalten ſind, auch einen möglichſt ergiebigen Fiſchfang gewähren. Wahrſcheinlich
iſt das Meer in der Nähe dieſer Brutfelſen beſonders reich an Fiſchen und Krebſen, ihrer Nahrung,
und möglicherweiſe beeinflußt die Himmelsgegend, nach welcher eine Wand oder ein Haupttheil des
Berges liegt, die Wahl: jedenfalls muß man dieſelbe als eine glückliche bezeichnen. Ausgangs März
oder im Anfange des April erſcheinen ſie in größeren oder kleineren Scharen auf den Bergen, und
nunmehr beginnt bald das eigenthümliche Leben und Gewimmel um dieſelben. Jetzt wird der Vogel-
berg in der That zu einem ungeheuren Bienenſtocke. Eine Wolke von Vögeln umlagert ihn fort-
während; Tauſende und Hunderttauſende ſitzen, ſcheinbar in Reihen geordnet, die weiße Bruſt dem
Meere zugekehrt, auf allen Vorſprüngen, Winkeln, Spitzen, Geſimſen, überhaupt da, wo es einen
Sitzplatz gibt, andere Hunderttauſende fliegen von oben nach unten oder von unten nach oben, andere
Maſſen fiſchen und tauchen unten im Meere. Auch der größte Berg, die ausgedehnteſte Felswand
wird überfüllt mit Bewohnern; aber jeder einzelne begnügt ſich, und niemals ſieht man Streit um
die Niſtplätze entſtehen. Jeder ſcheint ſich in Duldung gegen den Nachbar überbieten zu wollen, einer
ſucht dem anderen zu helfen und beizuſtehen ſoviel als möglich. Die Pärchen hängen auf das
Jnnigſte zuſammen, ſitzen, bevor die Eier gelegt wurden, beſtändig neben einander, liebkoſen ſich
mit den Schnäbeln, reiben die Hälſe gegen einander, fliegen in demſelben Augenblicke auf und in
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 952. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/1004>, abgerufen am 23.11.2024.
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