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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Die Fänger. Singvögel. Meisen.

Die Hauben-, Häubel-, Hörner-, Kupp-, Kobel-, Schopf-, Strauß- oder Haiden-
meise,
hier und da auch wohl Meisenkönig genannt (Lophophanes cristatus), ist auf der Ober-
seite röthlichbraungrau oder mäusefahl, auf der Unterseite grauweißlich; die stufenweise verlängerten
schmalen Haubenfedern, deren Schäfte sich vorwärts biegen, sind schwarz, weiß gekantet; die Wangen-
gegend ist weiß; ein durch das Auge verlaufender Zügelstreifen, welcher sich hinten sichelförmig nach
abwärts und wieder nach vorn biegt, die Kehle und ein von ihr aus verlaufendes Nackenband sind
schwarz, die Schwingen und Steuerfedern dunkelgraubraun, lichter gesäumt. Das Auge ist braun,
der Schnabel schwarz, lichter an den Schneiden, der Fuß schmuzig lichtblau. Die Länge beträgt 5,
die Breite 8 Zoll. Das Weibchen ist etwas kleiner; die Jungen unterscheiden sich von den Alten
durch ihre kleinere Haube und die undeutlichere Kopfzeichnung.

Mitteleuropa und Nordwestasien sind die Heimat der Haubenmeise. Jn unsern deutschen
Nadelwaldungen ist sie nirgends selten; in reinen Laubwäldern hingegen fehlt sie gänzlich. Auch sie
ist ein Standvogel, welcher treu an seinem Gebiete hält und dasselbe nur im Herbst und Früh-
jahr zeitweilig verläßt. "Aengstlich durcheilen sie", sagt Naumann, "auf ihren Streifzügen das
Laubholz und die Obstgärten, welche zwischen zwei Nadelwäldern vorkommen, und erst in diesen
werden sie wieder ruhig. Noch mehr beeilen sie sich, wenn sie gar eine Strecke über freie Felder und
baumleere Gegenden fliegen müssen. Oefters setzt sich eine Gesellschaft in einem kleinen vereinzelten
Nadelwäldchen fest, bleibt den ganzen Winter hindurch da und durchstreift dasselbe tagtäglich bis ins
Frühjahr hin ein, worauf sie sich dann wieder in die größeren zurückzieht, um dort zu brüten." Jm
Nadelwald sieht man sie überall, in alten Hochbeständen ebensowohl, wie im Stangenholz oder im
Dickicht, sehr oft auch auf dem Boden. Während des Winters vereinigt sie sich mit Tannenmeisen
und Goldhähnchen zu zahlreichen Gesellschaften, welche sich dann den Baumläufern und Kleibern
anschließen und mit ihnen umherstreifen.

Das Betragen gleicht vollkommen dem anderer Meisen. Die heitere Fröhlichkeit, Bewegungs-
lust, Gewandtheit und Geschicklichkeit im Klettern und Anhäkeln, die Keckheit, der Muth, die Lust zum
Hadern und Zanken, welche die Meisen so sehr auszeichnen, sind auch dieser Art eigen. Die Unter-
haltungsstimme ist ein zischendes "Sitt", ein gedehntes "Täh täh", der Lockruf ein helles "Zick gürrr"
oder "Glürrr", der Gesang ein unbedeutendes Liedchen. Während das Männchen dieses vorträgt,
nimmt es allerlei Stellungen an, dreht und wendet sich, sträubt die Haube und legt sie wieder
zusammen, versucht überhaupt durch allerlei andere Bewegungen, sich liebenswürdig zu machen.

Das Nest steht regelmäßig in Baumhöhlen mit engem Eingangsloch "hoch oder niedrig über dem
Boden, wie sie sich gerade darbieten oder ihnen anständig sind, auch in hohlen Stämmen und Stöcken,
sogar in verlassenen Eichhorn- und Elsternestern". Kurze Mostheile und Flechten bilden den
Außenbau, Wild- oder Kuhhaare, Thier- oder Pflanzenwolle die innere Ausfütterung. Das Gelege
besteht aus acht bis zehn niedlichen, auf schneeweißem Grunde rostroth gepunkteten Eiern, welche von
beiden Geschlechtern abwechselnd bebrütet und binnen dreizehn Tagen gezeitigt werden. Die Jungen
erhalten kleine Räupchen zur Aezung und nach dem Ausfliegen noch einige Zeit lang den Unterricht
der Eltern, machen sich aber bald selbständig, und jene schreiten dann zu einer zweiten Brut.

Die Haubenmeise gehört zu den größten Wohlthätern der Nadelwaldungen; denn sie lebt haupt-
sächlich von den Eiern und Larven der schädlichen Kerbthiere und verschmäht Körnernahrung fast
gänzlich. Man sieht sie vom frühen Morgen an bis zum späten Abend mit dem Aufsuchen ihrer
Nahrungsmittel beschäftigt und hat erfahrungsmäßig festgestellt, daß sie vorzugsweise den Eiern der
schädlichen Forstschmetterlinge nachstellt. Nur im Winter muß sie sich zuweilen entschließen, auch
Sämereien zu sich zu nehmen; so lange sie aber Kerbthiernahrung haben kann, genießt sie nichts
Anderes. Dies ist wohl auch der Grund, weshalb sie sich schwerer als andere Arten an die
Gefangenschaft gewöhnt. Sie verlangt die sorgfältigste Pflege, und ihre Zähmung gelingt dem-
ungeachtet nicht immer. Anfangs muß man sie mit Ameisenpuppen sehr reichlich versehen; nach
und nach kann man dem Futter gequetschten Hanfsamen und dergleichen beimischen. Am leichtesten

Die Fänger. Singvögel. Meiſen.

Die Hauben-, Häubel-, Hörner-, Kupp-, Kobel-, Schopf-, Strauß- oder Haiden-
meiſe,
hier und da auch wohl Meiſenkönig genannt (Lophophanes cristatus), iſt auf der Ober-
ſeite röthlichbraungrau oder mäuſefahl, auf der Unterſeite grauweißlich; die ſtufenweiſe verlängerten
ſchmalen Haubenfedern, deren Schäfte ſich vorwärts biegen, ſind ſchwarz, weiß gekantet; die Wangen-
gegend iſt weiß; ein durch das Auge verlaufender Zügelſtreifen, welcher ſich hinten ſichelförmig nach
abwärts und wieder nach vorn biegt, die Kehle und ein von ihr aus verlaufendes Nackenband ſind
ſchwarz, die Schwingen und Steuerfedern dunkelgraubraun, lichter geſäumt. Das Auge iſt braun,
der Schnabel ſchwarz, lichter an den Schneiden, der Fuß ſchmuzig lichtblau. Die Länge beträgt 5,
die Breite 8 Zoll. Das Weibchen iſt etwas kleiner; die Jungen unterſcheiden ſich von den Alten
durch ihre kleinere Haube und die undeutlichere Kopfzeichnung.

Mitteleuropa und Nordweſtaſien ſind die Heimat der Haubenmeiſe. Jn unſern deutſchen
Nadelwaldungen iſt ſie nirgends ſelten; in reinen Laubwäldern hingegen fehlt ſie gänzlich. Auch ſie
iſt ein Standvogel, welcher treu an ſeinem Gebiete hält und daſſelbe nur im Herbſt und Früh-
jahr zeitweilig verläßt. „Aengſtlich durcheilen ſie‟, ſagt Naumann, „auf ihren Streifzügen das
Laubholz und die Obſtgärten, welche zwiſchen zwei Nadelwäldern vorkommen, und erſt in dieſen
werden ſie wieder ruhig. Noch mehr beeilen ſie ſich, wenn ſie gar eine Strecke über freie Felder und
baumleere Gegenden fliegen müſſen. Oefters ſetzt ſich eine Geſellſchaft in einem kleinen vereinzelten
Nadelwäldchen feſt, bleibt den ganzen Winter hindurch da und durchſtreift daſſelbe tagtäglich bis ins
Frühjahr hin ein, worauf ſie ſich dann wieder in die größeren zurückzieht, um dort zu brüten.‟ Jm
Nadelwald ſieht man ſie überall, in alten Hochbeſtänden ebenſowohl, wie im Stangenholz oder im
Dickicht, ſehr oft auch auf dem Boden. Während des Winters vereinigt ſie ſich mit Tannenmeiſen
und Goldhähnchen zu zahlreichen Geſellſchaften, welche ſich dann den Baumläufern und Kleibern
anſchließen und mit ihnen umherſtreifen.

Das Betragen gleicht vollkommen dem anderer Meiſen. Die heitere Fröhlichkeit, Bewegungs-
luſt, Gewandtheit und Geſchicklichkeit im Klettern und Anhäkeln, die Keckheit, der Muth, die Luſt zum
Hadern und Zanken, welche die Meiſen ſo ſehr auszeichnen, ſind auch dieſer Art eigen. Die Unter-
haltungsſtimme iſt ein ziſchendes „Sitt‟, ein gedehntes „Täh täh‟, der Lockruf ein helles „Zick gürrr‟
oder „Glürrr‟, der Geſang ein unbedeutendes Liedchen. Während das Männchen dieſes vorträgt,
nimmt es allerlei Stellungen an, dreht und wendet ſich, ſträubt die Haube und legt ſie wieder
zuſammen, verſucht überhaupt durch allerlei andere Bewegungen, ſich liebenswürdig zu machen.

Das Neſt ſteht regelmäßig in Baumhöhlen mit engem Eingangsloch „hoch oder niedrig über dem
Boden, wie ſie ſich gerade darbieten oder ihnen anſtändig ſind, auch in hohlen Stämmen und Stöcken,
ſogar in verlaſſenen Eichhorn- und Elſterneſtern‟. Kurze Mostheile und Flechten bilden den
Außenbau, Wild- oder Kuhhaare, Thier- oder Pflanzenwolle die innere Ausfütterung. Das Gelege
beſteht aus acht bis zehn niedlichen, auf ſchneeweißem Grunde roſtroth gepunkteten Eiern, welche von
beiden Geſchlechtern abwechſelnd bebrütet und binnen dreizehn Tagen gezeitigt werden. Die Jungen
erhalten kleine Räupchen zur Aezung und nach dem Ausfliegen noch einige Zeit lang den Unterricht
der Eltern, machen ſich aber bald ſelbſtändig, und jene ſchreiten dann zu einer zweiten Brut.

Die Haubenmeiſe gehört zu den größten Wohlthätern der Nadelwaldungen; denn ſie lebt haupt-
ſächlich von den Eiern und Larven der ſchädlichen Kerbthiere und verſchmäht Körnernahrung faſt
gänzlich. Man ſieht ſie vom frühen Morgen an bis zum ſpäten Abend mit dem Aufſuchen ihrer
Nahrungsmittel beſchäftigt und hat erfahrungsmäßig feſtgeſtellt, daß ſie vorzugsweiſe den Eiern der
ſchädlichen Forſtſchmetterlinge nachſtellt. Nur im Winter muß ſie ſich zuweilen entſchließen, auch
Sämereien zu ſich zu nehmen; ſo lange ſie aber Kerbthiernahrung haben kann, genießt ſie nichts
Anderes. Dies iſt wohl auch der Grund, weshalb ſie ſich ſchwerer als andere Arten an die
Gefangenſchaft gewöhnt. Sie verlangt die ſorgfältigſte Pflege, und ihre Zähmung gelingt dem-
ungeachtet nicht immer. Anfangs muß man ſie mit Ameiſenpuppen ſehr reichlich verſehen; nach
und nach kann man dem Futter gequetſchten Hanfſamen und dergleichen beimiſchen. Am leichteſten

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 930. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/980>, abgerufen am 22.11.2024.