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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Die Fänger. Singvögel. Flüevögel.
an, zu denen als Jrrling eine dritte, welche in Asien wohnt, gezählt wird. Hier leben die übrigen,
die meisten im Gebirge und zwar in den höheren Gürteln desselben bis zur Schneegrenze hinauf. Alle
Arten, welche man kennt, halten sich vorzugsweise am Boden auf, hüpfen hier in sonderbar gebückter
Stellung einher, langsamer oder schneller, fliegen fast immer niedrig über der Erde dahin und suchen
sich von dem Boden oder von niederem Gestrüpp über ihm ihre Nahrung zusammen, welche aus Kerb-
thieren, Beeren und feinen Sämereien besteht. Auf höheren Bäumen sieht man sie fast nie;
höchstens das Männchen steigt ausnahmsweise des Singens wegen bis zu den Spitzen mittelhoher
Gesträuche empor. Alle sind angenehme Sänger; einzelne gehören zu den vorzüglichsten ihres Wohn-
gebiets. Mit Anbruch des Winters verlassen einige den Norden und wandern südlicheren Gegenden
zu, andere rücken wenigstens von der Höhe ihrer Gebirge in tiefere Gegenden herab oder verlassen die
nördlichen Abhänge der Berge, um sich den südlicheren zuzuwenden. Schon frühzeitig im Jahre
schreiten sie zur Fortpflanzung, bauen ziemlich künstliche Nester aus Mos und dürren Halmen, kleiden
dieselben mit weichen Stoffen aus und legen drei bis sechs grünliche Eier. Sie brüten zweimal im
Laufe des Sommers.

Die Kennzeichen der Flüevögel sind ein kräftiger Leib mit mittelmäßigen oder ziemlich langen
Flügeln, in denen die dritte oder vierte Schwinge die längste zu sein pflegt, ein kurzer, mäßig breiter
Schwanz, mittelhohe, etwas starke Füße, mit kurzen, aber kräftigen Zehen und ziemlich stark
gekrümmten Nägeln, ein kegelpfriemenförmiger, gerader, mittellanger, an den scharfen Schneiden
stark eingezogener Schnabel, dessen ritzenförmige Nasenlöcher oben von einer Haut bedeckt sind, und ein
lockeres, aus großen Federn bestehendes Gefieder. Die Geschlechter unterscheiden sich sehr wenig,
die Jungen merklich von den Alten.

Unsere Braunelle vertritt die Sippe Tharrhaleus. Der Leib ist schlank, der Schnabel ver-
hältnißmäßig schwach, pfriemenförmig zugespitzt, der Flügel kurz und abgerundet, in ihm die vierte
Schwinge die längste, der Schwanz verhältnißmäßig lang, gerade ab- oder etwas ausgeschnitten, der
Fuß verhältnißmäßig hoch.

Die Braunelle, der Wald- oder schieferbrüstige Flüevogel, Jsserling etc. (Tharrhaleus
modularis
) ist 6 Zoll lang und 8 1/6 Zoll breit; die Fittiglänge beträgt 23/4, die Schwanzlänge 21/4 Zoll.
Das Weibchen ist bedeutend kleiner. Das Gefieder der alten Vögel ist auf Schulter und Oberrücken
düsterrothbraun, dunkler gefleckt, auf dem Kopfe, dem Vorderhalse und der Brust bräunlichaschgrau
oder schieferfarben, im Herbst in Folge der helleren Federränder lichter, auf dem Bauch fahlbraungelb,
dunkler getüpfelt; der Unterrücken ist graubraun; die Schwingen sind auf der Außenfahne rost-
braun, mit einem, ausnahmsweise auch mit zwei weißlichen Bändern; der Schwanz ist einfarbig
graubraun. Das Auge ist lichtbraun, der Schnabel braun, der Fuß röthlich. Die Jungen sind auf
der Oberseite auf rostgelbem Grunde schwarzbraun, auf der Unterseite auf rostgelblichem, in der Mitte
weißlichen Grunde grauschwarz gefleckt.

Vom 64. Grad nördl. Breite an bis zu den Pyrenäen, den Alpen und dem Balkan scheint die
Braunelle überall Brutvogel zu sein. Sie kommt aber auch noch weiter nach Norden hin vor und
erscheint im Winter sehr regelmäßig im Süden Europas, streift selbst nach Nordafrika und nach West-
asien hinüber. Jm östlichen Asien scheint sie zu fehlen. Jn Mitteldeutschland trifft sie in der ersten
oder letzten Hälfte des März ein, je nachdem die Witterung günstig oder ungünstig ist, hält sich
einige Zeit lang in Hecken und Gebüschen auf und begibt sich dann an ihren Brutort, d. h. in den
Wald. Sie bevorzugt Fichten- und Kieferwälder ganz entschieden den Laubhölzern. Jn letzteren
gehört sie immer zu den Seltenheiten, in ersteren ist sie häufig. Ebenso zieht sie das Gebirge der
Ebene unbedingt vor. "Jn ihrem ganzen Wesen", sagt mein Vater, "zeichnet sich die Braunelle so
sehr aus, daß sie der Kenner schon von weitem an dem Betragen von andern Vögeln unterscheiden
kann. Sie hüpft nicht nur im dichtesten Gebüsch, sondern auch auf der Erde mit größter Geschicklich-
keit herum, durchkriecht alle Schlupfwinkel, drängt sich durch dürres hohes Gras, durchsucht das abge-

Die Fänger. Singvögel. Flüevögel.
an, zu denen als Jrrling eine dritte, welche in Aſien wohnt, gezählt wird. Hier leben die übrigen,
die meiſten im Gebirge und zwar in den höheren Gürteln deſſelben bis zur Schneegrenze hinauf. Alle
Arten, welche man kennt, halten ſich vorzugsweiſe am Boden auf, hüpfen hier in ſonderbar gebückter
Stellung einher, langſamer oder ſchneller, fliegen faſt immer niedrig über der Erde dahin und ſuchen
ſich von dem Boden oder von niederem Geſtrüpp über ihm ihre Nahrung zuſammen, welche aus Kerb-
thieren, Beeren und feinen Sämereien beſteht. Auf höheren Bäumen ſieht man ſie faſt nie;
höchſtens das Männchen ſteigt ausnahmsweiſe des Singens wegen bis zu den Spitzen mittelhoher
Geſträuche empor. Alle ſind angenehme Sänger; einzelne gehören zu den vorzüglichſten ihres Wohn-
gebiets. Mit Anbruch des Winters verlaſſen einige den Norden und wandern ſüdlicheren Gegenden
zu, andere rücken wenigſtens von der Höhe ihrer Gebirge in tiefere Gegenden herab oder verlaſſen die
nördlichen Abhänge der Berge, um ſich den ſüdlicheren zuzuwenden. Schon frühzeitig im Jahre
ſchreiten ſie zur Fortpflanzung, bauen ziemlich künſtliche Neſter aus Mos und dürren Halmen, kleiden
dieſelben mit weichen Stoffen aus und legen drei bis ſechs grünliche Eier. Sie brüten zweimal im
Laufe des Sommers.

Die Kennzeichen der Flüevögel ſind ein kräftiger Leib mit mittelmäßigen oder ziemlich langen
Flügeln, in denen die dritte oder vierte Schwinge die längſte zu ſein pflegt, ein kurzer, mäßig breiter
Schwanz, mittelhohe, etwas ſtarke Füße, mit kurzen, aber kräftigen Zehen und ziemlich ſtark
gekrümmten Nägeln, ein kegelpfriemenförmiger, gerader, mittellanger, an den ſcharfen Schneiden
ſtark eingezogener Schnabel, deſſen ritzenförmige Naſenlöcher oben von einer Haut bedeckt ſind, und ein
lockeres, aus großen Federn beſtehendes Gefieder. Die Geſchlechter unterſcheiden ſich ſehr wenig,
die Jungen merklich von den Alten.

Unſere Braunelle vertritt die Sippe Tharrhaleus. Der Leib iſt ſchlank, der Schnabel ver-
hältnißmäßig ſchwach, pfriemenförmig zugeſpitzt, der Flügel kurz und abgerundet, in ihm die vierte
Schwinge die längſte, der Schwanz verhältnißmäßig lang, gerade ab- oder etwas ausgeſchnitten, der
Fuß verhältnißmäßig hoch.

Die Braunelle, der Wald- oder ſchieferbrüſtige Flüevogel, Jſſerling ꝛc. (Tharrhaleus
modularis
) iſt 6 Zoll lang und 8⅙ Zoll breit; die Fittiglänge beträgt 2¾, die Schwanzlänge 2¼ Zoll.
Das Weibchen iſt bedeutend kleiner. Das Gefieder der alten Vögel iſt auf Schulter und Oberrücken
düſterrothbraun, dunkler gefleckt, auf dem Kopfe, dem Vorderhalſe und der Bruſt bräunlichaſchgrau
oder ſchieferfarben, im Herbſt in Folge der helleren Federränder lichter, auf dem Bauch fahlbraungelb,
dunkler getüpfelt; der Unterrücken iſt graubraun; die Schwingen ſind auf der Außenfahne roſt-
braun, mit einem, ausnahmsweiſe auch mit zwei weißlichen Bändern; der Schwanz iſt einfarbig
graubraun. Das Auge iſt lichtbraun, der Schnabel braun, der Fuß röthlich. Die Jungen ſind auf
der Oberſeite auf roſtgelbem Grunde ſchwarzbraun, auf der Unterſeite auf roſtgelblichem, in der Mitte
weißlichen Grunde grauſchwarz gefleckt.

Vom 64. Grad nördl. Breite an bis zu den Pyrenäen, den Alpen und dem Balkan ſcheint die
Braunelle überall Brutvogel zu ſein. Sie kommt aber auch noch weiter nach Norden hin vor und
erſcheint im Winter ſehr regelmäßig im Süden Europas, ſtreift ſelbſt nach Nordafrika und nach Weſt-
aſien hinüber. Jm öſtlichen Aſien ſcheint ſie zu fehlen. Jn Mitteldeutſchland trifft ſie in der erſten
oder letzten Hälfte des März ein, je nachdem die Witterung günſtig oder ungünſtig iſt, hält ſich
einige Zeit lang in Hecken und Gebüſchen auf und begibt ſich dann an ihren Brutort, d. h. in den
Wald. Sie bevorzugt Fichten- und Kieferwälder ganz entſchieden den Laubhölzern. Jn letzteren
gehört ſie immer zu den Seltenheiten, in erſteren iſt ſie häufig. Ebenſo zieht ſie das Gebirge der
Ebene unbedingt vor. „Jn ihrem ganzen Weſen‟, ſagt mein Vater, „zeichnet ſich die Braunelle ſo
ſehr aus, daß ſie der Kenner ſchon von weitem an dem Betragen von andern Vögeln unterſcheiden
kann. Sie hüpft nicht nur im dichteſten Gebüſch, ſondern auch auf der Erde mit größter Geſchicklich-
keit herum, durchkriecht alle Schlupfwinkel, drängt ſich durch dürres hohes Gras, durchſucht das abge-

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[912/0960] Die Fänger. Singvögel. Flüevögel. an, zu denen als Jrrling eine dritte, welche in Aſien wohnt, gezählt wird. Hier leben die übrigen, die meiſten im Gebirge und zwar in den höheren Gürteln deſſelben bis zur Schneegrenze hinauf. Alle Arten, welche man kennt, halten ſich vorzugsweiſe am Boden auf, hüpfen hier in ſonderbar gebückter Stellung einher, langſamer oder ſchneller, fliegen faſt immer niedrig über der Erde dahin und ſuchen ſich von dem Boden oder von niederem Geſtrüpp über ihm ihre Nahrung zuſammen, welche aus Kerb- thieren, Beeren und feinen Sämereien beſteht. Auf höheren Bäumen ſieht man ſie faſt nie; höchſtens das Männchen ſteigt ausnahmsweiſe des Singens wegen bis zu den Spitzen mittelhoher Geſträuche empor. Alle ſind angenehme Sänger; einzelne gehören zu den vorzüglichſten ihres Wohn- gebiets. Mit Anbruch des Winters verlaſſen einige den Norden und wandern ſüdlicheren Gegenden zu, andere rücken wenigſtens von der Höhe ihrer Gebirge in tiefere Gegenden herab oder verlaſſen die nördlichen Abhänge der Berge, um ſich den ſüdlicheren zuzuwenden. Schon frühzeitig im Jahre ſchreiten ſie zur Fortpflanzung, bauen ziemlich künſtliche Neſter aus Mos und dürren Halmen, kleiden dieſelben mit weichen Stoffen aus und legen drei bis ſechs grünliche Eier. Sie brüten zweimal im Laufe des Sommers. Die Kennzeichen der Flüevögel ſind ein kräftiger Leib mit mittelmäßigen oder ziemlich langen Flügeln, in denen die dritte oder vierte Schwinge die längſte zu ſein pflegt, ein kurzer, mäßig breiter Schwanz, mittelhohe, etwas ſtarke Füße, mit kurzen, aber kräftigen Zehen und ziemlich ſtark gekrümmten Nägeln, ein kegelpfriemenförmiger, gerader, mittellanger, an den ſcharfen Schneiden ſtark eingezogener Schnabel, deſſen ritzenförmige Naſenlöcher oben von einer Haut bedeckt ſind, und ein lockeres, aus großen Federn beſtehendes Gefieder. Die Geſchlechter unterſcheiden ſich ſehr wenig, die Jungen merklich von den Alten. Unſere Braunelle vertritt die Sippe Tharrhaleus. Der Leib iſt ſchlank, der Schnabel ver- hältnißmäßig ſchwach, pfriemenförmig zugeſpitzt, der Flügel kurz und abgerundet, in ihm die vierte Schwinge die längſte, der Schwanz verhältnißmäßig lang, gerade ab- oder etwas ausgeſchnitten, der Fuß verhältnißmäßig hoch. Die Braunelle, der Wald- oder ſchieferbrüſtige Flüevogel, Jſſerling ꝛc. (Tharrhaleus modularis) iſt 6 Zoll lang und 8⅙ Zoll breit; die Fittiglänge beträgt 2¾, die Schwanzlänge 2¼ Zoll. Das Weibchen iſt bedeutend kleiner. Das Gefieder der alten Vögel iſt auf Schulter und Oberrücken düſterrothbraun, dunkler gefleckt, auf dem Kopfe, dem Vorderhalſe und der Bruſt bräunlichaſchgrau oder ſchieferfarben, im Herbſt in Folge der helleren Federränder lichter, auf dem Bauch fahlbraungelb, dunkler getüpfelt; der Unterrücken iſt graubraun; die Schwingen ſind auf der Außenfahne roſt- braun, mit einem, ausnahmsweiſe auch mit zwei weißlichen Bändern; der Schwanz iſt einfarbig graubraun. Das Auge iſt lichtbraun, der Schnabel braun, der Fuß röthlich. Die Jungen ſind auf der Oberſeite auf roſtgelbem Grunde ſchwarzbraun, auf der Unterſeite auf roſtgelblichem, in der Mitte weißlichen Grunde grauſchwarz gefleckt. Vom 64. Grad nördl. Breite an bis zu den Pyrenäen, den Alpen und dem Balkan ſcheint die Braunelle überall Brutvogel zu ſein. Sie kommt aber auch noch weiter nach Norden hin vor und erſcheint im Winter ſehr regelmäßig im Süden Europas, ſtreift ſelbſt nach Nordafrika und nach Weſt- aſien hinüber. Jm öſtlichen Aſien ſcheint ſie zu fehlen. Jn Mitteldeutſchland trifft ſie in der erſten oder letzten Hälfte des März ein, je nachdem die Witterung günſtig oder ungünſtig iſt, hält ſich einige Zeit lang in Hecken und Gebüſchen auf und begibt ſich dann an ihren Brutort, d. h. in den Wald. Sie bevorzugt Fichten- und Kieferwälder ganz entſchieden den Laubhölzern. Jn letzteren gehört ſie immer zu den Seltenheiten, in erſteren iſt ſie häufig. Ebenſo zieht ſie das Gebirge der Ebene unbedingt vor. „Jn ihrem ganzen Weſen‟, ſagt mein Vater, „zeichnet ſich die Braunelle ſo ſehr aus, daß ſie der Kenner ſchon von weitem an dem Betragen von andern Vögeln unterſcheiden kann. Sie hüpft nicht nur im dichteſten Gebüſch, ſondern auch auf der Erde mit größter Geſchicklich- keit herum, durchkriecht alle Schlupfwinkel, drängt ſich durch dürres hohes Gras, durchſucht das abge-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 912. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/960>, abgerufen am 18.05.2024.