Punkten, Strichelchen und wolkigen Flecken gezeichnet. Das Männchen wirbt in ähnlicher Weise um die Gunst seiner Gattin, wie das Bachstelzenmännchen: es bläht sich auf und flattert mit gesträubtem Gefieder und sehr ausgebreitetem, herabgebogenen Schwanze zitternd vor dem Weibchen herum. Jedes Pärchen nistet nur einmal im Jahre und zwar Ende Mais oder Anfang Junis. Das Weibchen brütet allein und zeitigt die Jungen in dreizehn Tagen. Beide Eltern sind so besorgt um ihre Brut, daß sie dieselbe dem Kundigen durch ihr ängstliches Geschrei, ihre außergewöhnliche Kühnheit verrathen. Die Jungen verbergen sich anfangs geschickt im Grase, werden aber bald ebenso flüchtig wie die Alten. Nunmehr treiben sie sich bis zur Abreise gemeinschaftlich umher; dann tritt eines schönen Herbsttages Alt und Jung die Winterreise an.
Jetzt sieht oder hört man die Schafstelzen allerorten, auch im Gebirge. Jede Viehherde wird von den wandernden besucht und bis zum Abend umlagert; sodann setzt die Reisegesellschaft ihren Weg weiter fort. Die Reise scheint sehr rasch zurückgelegt zu werden. Nach meinen Beobachtungen erscheinen die Schafstelzen auch in Afrika zu derselben Zeit, welche wir in Deutschland als die ihres Zuges kennen gelernt haben, und ich fand sie hier noch häufig im Anfang des Maimonats, fast an denselben Tagen, an denen ich ihnen später in Norwegen begegnete. Viele überwintern schon in Egypten; die große Mehrzahl aber fliegt bis in das Jnnere Afrikas. Hier sieht man während der Wintermonate jede Rinder-, Schaf- oder Ziegenherde, ja jedes Kamel, jedes Pferd, jedes Maulthier oder jeden Esel von den niedlichen Vögeln umgeben, und auf den Weideplätzen wimmelt es zuweilen von ihnen. Sie wandern mit den weidenden Rindern in die Steppe hinaus und zu den Tränkplätzen zurück, und es gewährt ein höchst anziehendes Schauspiel, sie hierbei zu beobachten. Der lange Rinderzug, welcher in beständiger Bewegung ist, wird von den Schafstelzen fortwährend begleitet. Sie fliegen neben ihren vierfüßigen Freunden dahin, wo sie nicht laufen können und laufen mit den Rindern um die Wette, wo der Boden Dies ihnen gestattet. Rasch setzt sich auch wohl eins der Männchen auf einem benachbarten Busche nieder und singt dabei sein einfaches Liedchen; hierauf eilt es wieder dem übrigen Zuge nach, welcher, einem Bienenschwarme vergleichbar, die Herde umschwebt.
Eine in Mittelasien lebende Schafstelze, welche wir Citronenstelze nennen wollen (Budytes citreola) ist zweimal auf Helgoland erlegt worden und hat dadurch deutsches Bürgerrecht erlangt. Sie ist etwas größer als die gemeine Schafstelze: ihre Länge beträgt 7, ihre Breite 101/2, ihre Fittig- länge 31/2, die Schwanzlänge 3 1/3 Zoll. Das Sommergefieder des alten Männchens ist auf dem Kopfe und auf der ganzen Unterseite lebhaft citronengelb, auf Nacken und Vorderrücken schwarz, auf dem Hinter- rücken schiefergrau, auf dem Bürzel braunschwarz. Die kleinen Oberflügeldeckfedern sind graubraun, mit breiten dunkelaschgrauen Rändern, die mittleren und großen Oberflügeldeckfedern braunschwarz, mit breiten Außensäumen und Enden, welche allein sichtbar werden und zwei breite, weiße Quer- binden darstellen; die Hand- und Unterarmschwingen haben schmale, weißliche Außenkanten, die Oberarmschwingen breite weiße, welche die halbe Außenfahne einnehmen; die acht Mittelfedern des Schwanzes sind braunschwarz, die beiden äußersten jederseits weiß, mit schwarzer Jnnenkante. Das Auge ist braun, der Schnabel und die Füße sind schwarz. Das kleinere Weibchen ist auf der Stirn gelb, auf dem Scheitel und Hinterhalse graugrün, auf der übrigen Oberseite aschgrau, auf dem Bürzel aber dunkelschiefergrau; die Wange und die Unterseite sind ebenfalls gelb, jedoch nicht so lebhaft gefärbt, wie bei dem Männchen. Die weißen Querbinden der Flügel sind schmäler und deutlicher getrennt. Junge Vögel sind oben grau, auf der Unterseite weiß, höchstens mit einem schwachen Anfluge von Gelb.
Die Citronenstelze gehört, nach Radde, in den mittleren Theilen Westsibiriens noch zu den seltneren Vögeln, wird aber weiter nach Osten hin häufig und ist in den freien Ebenen Transbaikaliens und namentlich in Taurien gemein. Hier sah genannter Forscher schon am 18. April die ersten Zuzügler erscheinen und bereits am 30. April die Paare vereinigt. Durch Jerdon erfahren wir, daß sie im Winter bis nach Jndien zieht und sich hier über das ganze Land verbreitet, nirgends aber häufig ist
Die Fänger. Singvögel. Stelzen.
Punkten, Strichelchen und wolkigen Flecken gezeichnet. Das Männchen wirbt in ähnlicher Weiſe um die Gunſt ſeiner Gattin, wie das Bachſtelzenmännchen: es bläht ſich auf und flattert mit geſträubtem Gefieder und ſehr ausgebreitetem, herabgebogenen Schwanze zitternd vor dem Weibchen herum. Jedes Pärchen niſtet nur einmal im Jahre und zwar Ende Mais oder Anfang Junis. Das Weibchen brütet allein und zeitigt die Jungen in dreizehn Tagen. Beide Eltern ſind ſo beſorgt um ihre Brut, daß ſie dieſelbe dem Kundigen durch ihr ängſtliches Geſchrei, ihre außergewöhnliche Kühnheit verrathen. Die Jungen verbergen ſich anfangs geſchickt im Graſe, werden aber bald ebenſo flüchtig wie die Alten. Nunmehr treiben ſie ſich bis zur Abreiſe gemeinſchaftlich umher; dann tritt eines ſchönen Herbſttages Alt und Jung die Winterreiſe an.
Jetzt ſieht oder hört man die Schafſtelzen allerorten, auch im Gebirge. Jede Viehherde wird von den wandernden beſucht und bis zum Abend umlagert; ſodann ſetzt die Reiſegeſellſchaft ihren Weg weiter fort. Die Reiſe ſcheint ſehr raſch zurückgelegt zu werden. Nach meinen Beobachtungen erſcheinen die Schafſtelzen auch in Afrika zu derſelben Zeit, welche wir in Deutſchland als die ihres Zuges kennen gelernt haben, und ich fand ſie hier noch häufig im Anfang des Maimonats, faſt an denſelben Tagen, an denen ich ihnen ſpäter in Norwegen begegnete. Viele überwintern ſchon in Egypten; die große Mehrzahl aber fliegt bis in das Jnnere Afrikas. Hier ſieht man während der Wintermonate jede Rinder-, Schaf- oder Ziegenherde, ja jedes Kamel, jedes Pferd, jedes Maulthier oder jeden Eſel von den niedlichen Vögeln umgeben, und auf den Weideplätzen wimmelt es zuweilen von ihnen. Sie wandern mit den weidenden Rindern in die Steppe hinaus und zu den Tränkplätzen zurück, und es gewährt ein höchſt anziehendes Schauſpiel, ſie hierbei zu beobachten. Der lange Rinderzug, welcher in beſtändiger Bewegung iſt, wird von den Schafſtelzen fortwährend begleitet. Sie fliegen neben ihren vierfüßigen Freunden dahin, wo ſie nicht laufen können und laufen mit den Rindern um die Wette, wo der Boden Dies ihnen geſtattet. Raſch ſetzt ſich auch wohl eins der Männchen auf einem benachbarten Buſche nieder und ſingt dabei ſein einfaches Liedchen; hierauf eilt es wieder dem übrigen Zuge nach, welcher, einem Bienenſchwarme vergleichbar, die Herde umſchwebt.
Eine in Mittelaſien lebende Schafſtelze, welche wir Citronenſtelze nennen wollen (Budytes citreola) iſt zweimal auf Helgoland erlegt worden und hat dadurch deutſches Bürgerrecht erlangt. Sie iſt etwas größer als die gemeine Schafſtelze: ihre Länge beträgt 7, ihre Breite 10½, ihre Fittig- länge 3½, die Schwanzlänge 3⅓ Zoll. Das Sommergefieder des alten Männchens iſt auf dem Kopfe und auf der ganzen Unterſeite lebhaft citronengelb, auf Nacken und Vorderrücken ſchwarz, auf dem Hinter- rücken ſchiefergrau, auf dem Bürzel braunſchwarz. Die kleinen Oberflügeldeckfedern ſind graubraun, mit breiten dunkelaſchgrauen Rändern, die mittleren und großen Oberflügeldeckfedern braunſchwarz, mit breiten Außenſäumen und Enden, welche allein ſichtbar werden und zwei breite, weiße Quer- binden darſtellen; die Hand- und Unterarmſchwingen haben ſchmale, weißliche Außenkanten, die Oberarmſchwingen breite weiße, welche die halbe Außenfahne einnehmen; die acht Mittelfedern des Schwanzes ſind braunſchwarz, die beiden äußerſten jederſeits weiß, mit ſchwarzer Jnnenkante. Das Auge iſt braun, der Schnabel und die Füße ſind ſchwarz. Das kleinere Weibchen iſt auf der Stirn gelb, auf dem Scheitel und Hinterhalſe graugrün, auf der übrigen Oberſeite aſchgrau, auf dem Bürzel aber dunkelſchiefergrau; die Wange und die Unterſeite ſind ebenfalls gelb, jedoch nicht ſo lebhaft gefärbt, wie bei dem Männchen. Die weißen Querbinden der Flügel ſind ſchmäler und deutlicher getrennt. Junge Vögel ſind oben grau, auf der Unterſeite weiß, höchſtens mit einem ſchwachen Anfluge von Gelb.
Die Citronenſtelze gehört, nach Radde, in den mittleren Theilen Weſtſibiriens noch zu den ſeltneren Vögeln, wird aber weiter nach Oſten hin häufig und iſt in den freien Ebenen Transbaikaliens und namentlich in Taurien gemein. Hier ſah genannter Forſcher ſchon am 18. April die erſten Zuzügler erſcheinen und bereits am 30. April die Paare vereinigt. Durch Jerdon erfahren wir, daß ſie im Winter bis nach Jndien zieht und ſich hier über das ganze Land verbreitet, nirgends aber häufig iſt
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[908/0956]
Die Fänger. Singvögel. Stelzen.
Punkten, Strichelchen und wolkigen Flecken gezeichnet. Das Männchen wirbt in ähnlicher Weiſe um
die Gunſt ſeiner Gattin, wie das Bachſtelzenmännchen: es bläht ſich auf und flattert mit geſträubtem
Gefieder und ſehr ausgebreitetem, herabgebogenen Schwanze zitternd vor dem Weibchen herum.
Jedes Pärchen niſtet nur einmal im Jahre und zwar Ende Mais oder Anfang Junis. Das Weibchen
brütet allein und zeitigt die Jungen in dreizehn Tagen. Beide Eltern ſind ſo beſorgt um ihre Brut,
daß ſie dieſelbe dem Kundigen durch ihr ängſtliches Geſchrei, ihre außergewöhnliche Kühnheit verrathen.
Die Jungen verbergen ſich anfangs geſchickt im Graſe, werden aber bald ebenſo flüchtig wie die
Alten. Nunmehr treiben ſie ſich bis zur Abreiſe gemeinſchaftlich umher; dann tritt eines ſchönen
Herbſttages Alt und Jung die Winterreiſe an.
Jetzt ſieht oder hört man die Schafſtelzen allerorten, auch im Gebirge. Jede Viehherde wird
von den wandernden beſucht und bis zum Abend umlagert; ſodann ſetzt die Reiſegeſellſchaft ihren Weg
weiter fort. Die Reiſe ſcheint ſehr raſch zurückgelegt zu werden. Nach meinen Beobachtungen
erſcheinen die Schafſtelzen auch in Afrika zu derſelben Zeit, welche wir in Deutſchland als die ihres
Zuges kennen gelernt haben, und ich fand ſie hier noch häufig im Anfang des Maimonats, faſt an
denſelben Tagen, an denen ich ihnen ſpäter in Norwegen begegnete. Viele überwintern ſchon in
Egypten; die große Mehrzahl aber fliegt bis in das Jnnere Afrikas. Hier ſieht man während der
Wintermonate jede Rinder-, Schaf- oder Ziegenherde, ja jedes Kamel, jedes Pferd, jedes Maulthier
oder jeden Eſel von den niedlichen Vögeln umgeben, und auf den Weideplätzen wimmelt es zuweilen
von ihnen. Sie wandern mit den weidenden Rindern in die Steppe hinaus und zu den Tränkplätzen
zurück, und es gewährt ein höchſt anziehendes Schauſpiel, ſie hierbei zu beobachten. Der lange
Rinderzug, welcher in beſtändiger Bewegung iſt, wird von den Schafſtelzen fortwährend begleitet.
Sie fliegen neben ihren vierfüßigen Freunden dahin, wo ſie nicht laufen können und laufen mit den
Rindern um die Wette, wo der Boden Dies ihnen geſtattet. Raſch ſetzt ſich auch wohl eins der
Männchen auf einem benachbarten Buſche nieder und ſingt dabei ſein einfaches Liedchen; hierauf eilt
es wieder dem übrigen Zuge nach, welcher, einem Bienenſchwarme vergleichbar, die Herde umſchwebt.
Eine in Mittelaſien lebende Schafſtelze, welche wir Citronenſtelze nennen wollen (Budytes
citreola) iſt zweimal auf Helgoland erlegt worden und hat dadurch deutſches Bürgerrecht erlangt.
Sie iſt etwas größer als die gemeine Schafſtelze: ihre Länge beträgt 7, ihre Breite 10½, ihre Fittig-
länge 3½, die Schwanzlänge 3⅓ Zoll. Das Sommergefieder des alten Männchens iſt auf dem Kopfe
und auf der ganzen Unterſeite lebhaft citronengelb, auf Nacken und Vorderrücken ſchwarz, auf dem Hinter-
rücken ſchiefergrau, auf dem Bürzel braunſchwarz. Die kleinen Oberflügeldeckfedern ſind graubraun,
mit breiten dunkelaſchgrauen Rändern, die mittleren und großen Oberflügeldeckfedern braunſchwarz,
mit breiten Außenſäumen und Enden, welche allein ſichtbar werden und zwei breite, weiße Quer-
binden darſtellen; die Hand- und Unterarmſchwingen haben ſchmale, weißliche Außenkanten, die
Oberarmſchwingen breite weiße, welche die halbe Außenfahne einnehmen; die acht Mittelfedern des
Schwanzes ſind braunſchwarz, die beiden äußerſten jederſeits weiß, mit ſchwarzer Jnnenkante. Das
Auge iſt braun, der Schnabel und die Füße ſind ſchwarz. Das kleinere Weibchen iſt auf der Stirn
gelb, auf dem Scheitel und Hinterhalſe graugrün, auf der übrigen Oberſeite aſchgrau, auf dem Bürzel
aber dunkelſchiefergrau; die Wange und die Unterſeite ſind ebenfalls gelb, jedoch nicht ſo lebhaft
gefärbt, wie bei dem Männchen. Die weißen Querbinden der Flügel ſind ſchmäler und deutlicher
getrennt. Junge Vögel ſind oben grau, auf der Unterſeite weiß, höchſtens mit einem ſchwachen
Anfluge von Gelb.
Die Citronenſtelze gehört, nach Radde, in den mittleren Theilen Weſtſibiriens noch zu den
ſeltneren Vögeln, wird aber weiter nach Oſten hin häufig und iſt in den freien Ebenen Transbaikaliens
und namentlich in Taurien gemein. Hier ſah genannter Forſcher ſchon am 18. April die erſten Zuzügler
erſcheinen und bereits am 30. April die Paare vereinigt. Durch Jerdon erfahren wir, daß ſie im
Winter bis nach Jndien zieht und ſich hier über das ganze Land verbreitet, nirgends aber häufig iſt
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 908. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/956>, abgerufen am 22.11.2024.
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