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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Die Fänger. Singvögel. Pieper.
lande Spaniens, welches doch gewiß auf große Strecken hin seinen Anforderungen genügt, keines-
wegs häufig auftritt, sondern eigentlich nur während seines Zuges in größerer Anzahl beobachtet wird.
Bei uns zu Lande ist der Brachpieper selbstverständlich Zugvogel; in Afrika scheint er nur zu streichen.
Er kommt in Deutschland um die Mitte des April an und rüstet sich bereits im August wieder zum
Wegzuge. Etwa im Mai treffen die Nachzügler ein, und im September sind die letzten verschwunden.
Vor dem Wegzuge schart er sich in kleine Gesellschaften; dieselben können sich aber bis zu zahlreichen
Herden vermehren. Bei schönem Wetter ziehen diese meist bei Tage, bei windigem mehr des Nachts.

Jn seinen Bewegungen erinnert der Brachpieper ebenso sehr an die Lerchen, wie an die Bach-
stelzen. Er läuft außerordentlich rasch über den Boden dahin, so lange es irgend geht, gedeckt, am
liebsten also in Furchen oder Gräben. Er setzt sich aber immer von Zeit zu Zeit auf eine Scholle
oder auf einen Stein, um sich umzusehen und auszuruhen. Wenn er ruhig steht, wird sein Körper
aufgerichtet und der Schwanz gesenkt; im Laufen hält er sich sehr wagrecht; bei Erregung wippt er
nach Art der Bachstelzen mit dem Schwanze. Beim Fliegen breitet er die Schwingen abwechselnd
stark aus und zieht sie rasch wieder an, wodurch er bald steigt, bald in schiefer Richtung sich senkt, im
ganzen aber eine aus großen Bogen bestehende Fluglinie beschreibt. Vor dem Niedersetzen schwebt er
gewöhnlich; zuweilen stürzt er sich aber auch mit angezogenen Schwingen fast senkrecht aus hoher Luft
herab. Bei uns zu Lande ist er regelmäßig scheu, und auch in Spanien oder in Afrika habe ich ihn
nirgends so zutraulich gefunden, wie Bolle ihn auf den Canaren. "Auf dem rothen, bluterhitzten
Felsgestein, welches eigenthümliche canarische Pflanzengebilde mit ihrem Bläulichgrün und ihren phan-
tastischen Formen unvollkommen bekleiden, findet man auf Schritt und Tritt dieses zutrauliche
Vögelchen. An den Wegrändern scheint es vorzüglich gern sein gemüthliches und anmuthiges Wesen
zu treiben. Dem Menschen, der ihm selten ein Leid zufügt, geht es kaum aus dem Wege... Seine
Zutraulichkeit bildet einen Gegensatz zu seinem menschenscheuen Wesen in Deutschland. Es duckt sich
vor den Fußgängern auf Steine, wie ein Steinschmätzer. Noch näher läßt es, wie so viele andere
Vögel, den Reiter an sich herankommen." Auch Homeyer sagt, daß der Brachpieper auf den Balearen
ziemlich harmlos und nicht scheu wäre, während ich in meinem Tagebuche ausdrücklich bemerkt habe, daß
diejenigen, welche mir in Spanien vorkamen, sich noch scheuer zeigten, als die, welche ich früher in
Deutschland beobachtet hatte. Die Nahrung ist im wesentlichen die anderer Pieper, doch gibt
Lindermayer an, daß er hauptsächlich Netzflügler verzehre, und Bolle bemerkt, im Gegensatz zu
Naumann, ausdrücklich, daß er zuweilen Sämereien fresse. Die Stimme ist verschieden, immer
aber einfach und einförmig. "Dillem" oder "dlemm" scheint der Lockton zu sein, "kritlin, zirlui und
ziür" der Ausdruck der Zärtlichkeit, zugleich aber auch der wesentliche Bestandtheil des außerordentlich
einfachen Gesanges.

Während der Brutzeit behauptet jedes Paar ein ziemlich großes Gebiet und vertreibt aus ihm
andere derselben Art. Das Männchen zeigt sich dann sehr gern frei, setzt sich auf einen Busch, einen
hohen Stein, einen Felsenabsatz, auf Mauern, Sandhügel etc. oder selbst auf die unteren Aeste der
Bäume, steigt in schräger Richtung in die Luft empor, beginnt in einer Höhe von etwa 100 bis 150
Fuß zu zappeln, fliegt unregelmäßig hin und her und ruft dabei sehr häufig wiederholt sein
"Zirlui zirlui", offenbar zur Freude des Weibchens. Das Nest ist ein großer Bau, welcher äußerlich
aus Mos, Queggenwurzeln und dürrem Laub besteht und innen mit Grashalmen und Würzelchen,
auch wohl mit einzelnen Haaren ausgelegt wird. Es ist wie alle Piepernester außerordentlich schwer zu
finden; die Erbauer vermeiden es auch sorgfältig, es irgendwie zu verrathen: sie treiben sich z. B.,
sobald sie sich beobachtet sehen, nie in seiner Nähe umher. Jn Deutschland steht es auf Schlägen,
zwischen Gras und Haidekraut, auf Wiesen, in Erdvertiefungen u. s. w., auf den Canaren zwischen
den Kaktuspflanzen; denn der Brachpieper soll der einzige Vogel sein, welcher hier auf dem Boden
nistet. Das Gelege enthält vier bis sechs Eier, welche auf trübweißem Grunde über und über
mit mattröthlichbraunen Punkten, Strichelchen und kleinen Fleckchen bedeckt sind, am stumpfen
Ende gewöhnlich dichter als sonst. Das Weibchen brütet allein, und das Männchen unterhält es

Die Fänger. Singvögel. Pieper.
lande Spaniens, welches doch gewiß auf große Strecken hin ſeinen Anforderungen genügt, keines-
wegs häufig auftritt, ſondern eigentlich nur während ſeines Zuges in größerer Anzahl beobachtet wird.
Bei uns zu Lande iſt der Brachpieper ſelbſtverſtändlich Zugvogel; in Afrika ſcheint er nur zu ſtreichen.
Er kommt in Deutſchland um die Mitte des April an und rüſtet ſich bereits im Auguſt wieder zum
Wegzuge. Etwa im Mai treffen die Nachzügler ein, und im September ſind die letzten verſchwunden.
Vor dem Wegzuge ſchart er ſich in kleine Geſellſchaften; dieſelben können ſich aber bis zu zahlreichen
Herden vermehren. Bei ſchönem Wetter ziehen dieſe meiſt bei Tage, bei windigem mehr des Nachts.

Jn ſeinen Bewegungen erinnert der Brachpieper ebenſo ſehr an die Lerchen, wie an die Bach-
ſtelzen. Er läuft außerordentlich raſch über den Boden dahin, ſo lange es irgend geht, gedeckt, am
liebſten alſo in Furchen oder Gräben. Er ſetzt ſich aber immer von Zeit zu Zeit auf eine Scholle
oder auf einen Stein, um ſich umzuſehen und auszuruhen. Wenn er ruhig ſteht, wird ſein Körper
aufgerichtet und der Schwanz geſenkt; im Laufen hält er ſich ſehr wagrecht; bei Erregung wippt er
nach Art der Bachſtelzen mit dem Schwanze. Beim Fliegen breitet er die Schwingen abwechſelnd
ſtark aus und zieht ſie raſch wieder an, wodurch er bald ſteigt, bald in ſchiefer Richtung ſich ſenkt, im
ganzen aber eine aus großen Bogen beſtehende Fluglinie beſchreibt. Vor dem Niederſetzen ſchwebt er
gewöhnlich; zuweilen ſtürzt er ſich aber auch mit angezogenen Schwingen faſt ſenkrecht aus hoher Luft
herab. Bei uns zu Lande iſt er regelmäßig ſcheu, und auch in Spanien oder in Afrika habe ich ihn
nirgends ſo zutraulich gefunden, wie Bolle ihn auf den Canaren. „Auf dem rothen, bluterhitzten
Felsgeſtein, welches eigenthümliche canariſche Pflanzengebilde mit ihrem Bläulichgrün und ihren phan-
taſtiſchen Formen unvollkommen bekleiden, findet man auf Schritt und Tritt dieſes zutrauliche
Vögelchen. An den Wegrändern ſcheint es vorzüglich gern ſein gemüthliches und anmuthiges Weſen
zu treiben. Dem Menſchen, der ihm ſelten ein Leid zufügt, geht es kaum aus dem Wege… Seine
Zutraulichkeit bildet einen Gegenſatz zu ſeinem menſchenſcheuen Weſen in Deutſchland. Es duckt ſich
vor den Fußgängern auf Steine, wie ein Steinſchmätzer. Noch näher läßt es, wie ſo viele andere
Vögel, den Reiter an ſich herankommen.‟ Auch Homeyer ſagt, daß der Brachpieper auf den Balearen
ziemlich harmlos und nicht ſcheu wäre, während ich in meinem Tagebuche ausdrücklich bemerkt habe, daß
diejenigen, welche mir in Spanien vorkamen, ſich noch ſcheuer zeigten, als die, welche ich früher in
Deutſchland beobachtet hatte. Die Nahrung iſt im weſentlichen die anderer Pieper, doch gibt
Lindermayer an, daß er hauptſächlich Netzflügler verzehre, und Bolle bemerkt, im Gegenſatz zu
Naumann, ausdrücklich, daß er zuweilen Sämereien freſſe. Die Stimme iſt verſchieden, immer
aber einfach und einförmig. „Dillem‟ oder „dlemm‟ ſcheint der Lockton zu ſein, „kritlin, zirlui und
ziür‟ der Ausdruck der Zärtlichkeit, zugleich aber auch der weſentliche Beſtandtheil des außerordentlich
einfachen Geſanges.

Während der Brutzeit behauptet jedes Paar ein ziemlich großes Gebiet und vertreibt aus ihm
andere derſelben Art. Das Männchen zeigt ſich dann ſehr gern frei, ſetzt ſich auf einen Buſch, einen
hohen Stein, einen Felſenabſatz, auf Mauern, Sandhügel ꝛc. oder ſelbſt auf die unteren Aeſte der
Bäume, ſteigt in ſchräger Richtung in die Luft empor, beginnt in einer Höhe von etwa 100 bis 150
Fuß zu zappeln, fliegt unregelmäßig hin und her und ruft dabei ſehr häufig wiederholt ſein
„Zirlui zirlui‟, offenbar zur Freude des Weibchens. Das Neſt iſt ein großer Bau, welcher äußerlich
aus Mos, Queggenwurzeln und dürrem Laub beſteht und innen mit Grashalmen und Würzelchen,
auch wohl mit einzelnen Haaren ausgelegt wird. Es iſt wie alle Pieperneſter außerordentlich ſchwer zu
finden; die Erbauer vermeiden es auch ſorgfältig, es irgendwie zu verrathen: ſie treiben ſich z. B.,
ſobald ſie ſich beobachtet ſehen, nie in ſeiner Nähe umher. Jn Deutſchland ſteht es auf Schlägen,
zwiſchen Gras und Haidekraut, auf Wieſen, in Erdvertiefungen u. ſ. w., auf den Canaren zwiſchen
den Kaktuspflanzen; denn der Brachpieper ſoll der einzige Vogel ſein, welcher hier auf dem Boden
niſtet. Das Gelege enthält vier bis ſechs Eier, welche auf trübweißem Grunde über und über
mit mattröthlichbraunen Punkten, Strichelchen und kleinen Fleckchen bedeckt ſind, am ſtumpfen
Ende gewöhnlich dichter als ſonſt. Das Weibchen brütet allein, und das Männchen unterhält es

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[896/0944] Die Fänger. Singvögel. Pieper. lande Spaniens, welches doch gewiß auf große Strecken hin ſeinen Anforderungen genügt, keines- wegs häufig auftritt, ſondern eigentlich nur während ſeines Zuges in größerer Anzahl beobachtet wird. Bei uns zu Lande iſt der Brachpieper ſelbſtverſtändlich Zugvogel; in Afrika ſcheint er nur zu ſtreichen. Er kommt in Deutſchland um die Mitte des April an und rüſtet ſich bereits im Auguſt wieder zum Wegzuge. Etwa im Mai treffen die Nachzügler ein, und im September ſind die letzten verſchwunden. Vor dem Wegzuge ſchart er ſich in kleine Geſellſchaften; dieſelben können ſich aber bis zu zahlreichen Herden vermehren. Bei ſchönem Wetter ziehen dieſe meiſt bei Tage, bei windigem mehr des Nachts. Jn ſeinen Bewegungen erinnert der Brachpieper ebenſo ſehr an die Lerchen, wie an die Bach- ſtelzen. Er läuft außerordentlich raſch über den Boden dahin, ſo lange es irgend geht, gedeckt, am liebſten alſo in Furchen oder Gräben. Er ſetzt ſich aber immer von Zeit zu Zeit auf eine Scholle oder auf einen Stein, um ſich umzuſehen und auszuruhen. Wenn er ruhig ſteht, wird ſein Körper aufgerichtet und der Schwanz geſenkt; im Laufen hält er ſich ſehr wagrecht; bei Erregung wippt er nach Art der Bachſtelzen mit dem Schwanze. Beim Fliegen breitet er die Schwingen abwechſelnd ſtark aus und zieht ſie raſch wieder an, wodurch er bald ſteigt, bald in ſchiefer Richtung ſich ſenkt, im ganzen aber eine aus großen Bogen beſtehende Fluglinie beſchreibt. Vor dem Niederſetzen ſchwebt er gewöhnlich; zuweilen ſtürzt er ſich aber auch mit angezogenen Schwingen faſt ſenkrecht aus hoher Luft herab. Bei uns zu Lande iſt er regelmäßig ſcheu, und auch in Spanien oder in Afrika habe ich ihn nirgends ſo zutraulich gefunden, wie Bolle ihn auf den Canaren. „Auf dem rothen, bluterhitzten Felsgeſtein, welches eigenthümliche canariſche Pflanzengebilde mit ihrem Bläulichgrün und ihren phan- taſtiſchen Formen unvollkommen bekleiden, findet man auf Schritt und Tritt dieſes zutrauliche Vögelchen. An den Wegrändern ſcheint es vorzüglich gern ſein gemüthliches und anmuthiges Weſen zu treiben. Dem Menſchen, der ihm ſelten ein Leid zufügt, geht es kaum aus dem Wege… Seine Zutraulichkeit bildet einen Gegenſatz zu ſeinem menſchenſcheuen Weſen in Deutſchland. Es duckt ſich vor den Fußgängern auf Steine, wie ein Steinſchmätzer. Noch näher läßt es, wie ſo viele andere Vögel, den Reiter an ſich herankommen.‟ Auch Homeyer ſagt, daß der Brachpieper auf den Balearen ziemlich harmlos und nicht ſcheu wäre, während ich in meinem Tagebuche ausdrücklich bemerkt habe, daß diejenigen, welche mir in Spanien vorkamen, ſich noch ſcheuer zeigten, als die, welche ich früher in Deutſchland beobachtet hatte. Die Nahrung iſt im weſentlichen die anderer Pieper, doch gibt Lindermayer an, daß er hauptſächlich Netzflügler verzehre, und Bolle bemerkt, im Gegenſatz zu Naumann, ausdrücklich, daß er zuweilen Sämereien freſſe. Die Stimme iſt verſchieden, immer aber einfach und einförmig. „Dillem‟ oder „dlemm‟ ſcheint der Lockton zu ſein, „kritlin, zirlui und ziür‟ der Ausdruck der Zärtlichkeit, zugleich aber auch der weſentliche Beſtandtheil des außerordentlich einfachen Geſanges. Während der Brutzeit behauptet jedes Paar ein ziemlich großes Gebiet und vertreibt aus ihm andere derſelben Art. Das Männchen zeigt ſich dann ſehr gern frei, ſetzt ſich auf einen Buſch, einen hohen Stein, einen Felſenabſatz, auf Mauern, Sandhügel ꝛc. oder ſelbſt auf die unteren Aeſte der Bäume, ſteigt in ſchräger Richtung in die Luft empor, beginnt in einer Höhe von etwa 100 bis 150 Fuß zu zappeln, fliegt unregelmäßig hin und her und ruft dabei ſehr häufig wiederholt ſein „Zirlui zirlui‟, offenbar zur Freude des Weibchens. Das Neſt iſt ein großer Bau, welcher äußerlich aus Mos, Queggenwurzeln und dürrem Laub beſteht und innen mit Grashalmen und Würzelchen, auch wohl mit einzelnen Haaren ausgelegt wird. Es iſt wie alle Pieperneſter außerordentlich ſchwer zu finden; die Erbauer vermeiden es auch ſorgfältig, es irgendwie zu verrathen: ſie treiben ſich z. B., ſobald ſie ſich beobachtet ſehen, nie in ſeiner Nähe umher. Jn Deutſchland ſteht es auf Schlägen, zwiſchen Gras und Haidekraut, auf Wieſen, in Erdvertiefungen u. ſ. w., auf den Canaren zwiſchen den Kaktuspflanzen; denn der Brachpieper ſoll der einzige Vogel ſein, welcher hier auf dem Boden niſtet. Das Gelege enthält vier bis ſechs Eier, welche auf trübweißem Grunde über und über mit mattröthlichbraunen Punkten, Strichelchen und kleinen Fleckchen bedeckt ſind, am ſtumpfen Ende gewöhnlich dichter als ſonſt. Das Weibchen brütet allein, und das Männchen unterhält es

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 896. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/944>, abgerufen am 23.11.2024.