man den alten Vögeln oft lange vergeblich mit der Flinte nachgehen muß. Die Jungen sind, auch im Herbste noch, weniger vorsichtig. Sein Flug ist geschwind, fast gerade aus mit starker Schwingen- bewegung, geht aber selten weit in einem Zuge fort. Nur nach langer Verfolgung steigt er hoch in die Luft und verläßt den Ort ganz. Zur Brutzeit hat er einen ziemlich großen Bezirk und hält sich zuweilen nicht einmal in diesem. Bei kalter und regnerischer Witterung habe ich die Mönche, welche unsere Wälder bewohnen, zuweilen nah bei den Häusern in den Gärten gehört. Sein Lockton ist ein angenehmes "Tack, tack, tack", worauf ein äußerst sanfter Ton folgt, welcher sich mit Buch- staben nicht bezeichnen läßt. Dieses "Tack" hat mit dem der Nachtigall und der klappernden Gras- mücke so große Aehnlichkeit, daß es nur der Kenner gehörig zu unterscheiden vermag. Es drückt, verschieden betont, verschiedene Gemüthszustände aus und wird deswegen am meisten von den Alten, welche ihre Jungen führen, ausgestoßen. Das Männchen hat einen vortrefflichen Gesang, welcher mit Recht gleich nach dem Schlage der Nachtigall gesetzt wird. Manche schätzen ihn geringer, Manche höher, als den Gesang der Gartengrasmücke. Die Reinheit, Stärke und das Flötenartige der Töne entschädigen den Liebhaber hinlänglich für die Kürze der Strophen. Dieser schöne Gesang, welcher bei einem Vogel herrlicher ist, als bei dem andern, fängt mit Anbruch des Morgens an und ertönt fast den ganzen Tag."
Der Mönch brütet zweimal des Jahres, das erstemal im Mai, das zweitemal im Juli. Das Nest steht stets im dichten Gebüsch, da wo der Schwarzwald vorherrscht, am häufigsten in dichten Fichtenbüschen, da wo es Laubhölzer gibt, hauptsächlich in Dornbüschen verschiedener Art. Es ist verhältnißmäßig gut, aber durchaus nach Art anderer Grasmückennester erbaut. Das Gelege besteht aus vier bis sechs länglichrunden, glattschaligen, glänzenden Eiern, welche auf fleischfarbenem Grunde mit dunkleren und braunrothen Flecken, Schmitzen und Punkten gezeichnet sind. Beide Geschlechter brüten, beide lieben ihre Brut mit gleicher Liebe, und beide betragen sich bei Gefahr wie ihre Ver- wandten. Kommt durch Zufall die Mutter ums Leben, so übernimmt, wie Bolle beobachtete, das Männchen ausschließlich die Aufzucht der Jungen.
Des ausgezeichneten Gesanges wegen wird der Mönch häufiger als alle übrigen Grasmücken im Käfig gehalten. Die vorzüglichsten Sänger sind nach meines Vaters Beobachtungen diejenigen, welche aus Fichtenwäldern stammen. Aber auch die, welche im Laubholze groß wurden, sind Meister in ihrer Kunst. "Der Mönch", sagt Graf Gourcy, "ist einer der allerbesten Sänger und verdient, meinem Geschmacke nach, in der Stube den Rang vor jeder Nachtigall. Sein langer, in Einem fort- gehender Gesang ist flötender und manchfaltiger, dabei nicht so durchdringend, als jener der beiden Nachtigallarten, von deren Schlägen der Mönch ohnehin sehr viel dem seinigen einmischt. Einige unter ihnen rusen die Worte "Judith" und "Brief" so deutlich aus, als es nur ein Sprosser thun kann; andere ahmen den Gefang der Bastardnachtigall, den Pfiff des Pirols und den Schlag der Finken herrlich nach; andere mischen den Gesang der Amsel, des Rothschwanzes und den Schlag der Wachtel in ihr Lied ein. Besonders hübsch klingt es, von einem so kleinen Vogel das "Tack, tack" der Amsel recht tief und laut rufen zu hören. Es gibt Vögel unter ihnen, welche alle diese Abwechslungen und über- haupt ihren ganzen Gesang fast ebenso laut, als den Ueberschlag vortragen. Dies sind ganz vor- zügliche, aber äußerst seltene Sänger. Fast ebenso selten sind die, welche beim Kerzenlicht singen."
"Wenn man also einen Mönch wählt, muß man darauf sehen, daß es hübsche Abwechslungen in seinem Gesange gibt und der Ueberschlag ganz ausgeführt wird. Diesen Ueberschlag wiederholen die guten Vögel im Frühjahre und Sommer, wenn sie recht hitzig werden, drei- bis viermal nach einander, was ganz herrlich klingt. Außer ihrem "Tack, tack", womit sie nahe bevorstehende schlechte Witterung ankündigen, oder wodurch einer den andern zum Schweigen bringen will, haben sie keinen lauten, unangenehmen Ton."
"Viele unter ihnen singen fast das ganze Jahr, andere acht bis neun Monate. Die aufgezogenen taugen Nichts, lernen aber zuweilen ein Liedchen pfeifen. Ein solcher Vogel trug das Blasen der Postknechte prächtig vor."
Mönch.
man den alten Vögeln oft lange vergeblich mit der Flinte nachgehen muß. Die Jungen ſind, auch im Herbſte noch, weniger vorſichtig. Sein Flug iſt geſchwind, faſt gerade aus mit ſtarker Schwingen- bewegung, geht aber ſelten weit in einem Zuge fort. Nur nach langer Verfolgung ſteigt er hoch in die Luft und verläßt den Ort ganz. Zur Brutzeit hat er einen ziemlich großen Bezirk und hält ſich zuweilen nicht einmal in dieſem. Bei kalter und regneriſcher Witterung habe ich die Mönche, welche unſere Wälder bewohnen, zuweilen nah bei den Häuſern in den Gärten gehört. Sein Lockton iſt ein angenehmes „Tack, tack, tack‟, worauf ein äußerſt ſanfter Ton folgt, welcher ſich mit Buch- ſtaben nicht bezeichnen läßt. Dieſes „Tack‟ hat mit dem der Nachtigall und der klappernden Gras- mücke ſo große Aehnlichkeit, daß es nur der Kenner gehörig zu unterſcheiden vermag. Es drückt, verſchieden betont, verſchiedene Gemüthszuſtände aus und wird deswegen am meiſten von den Alten, welche ihre Jungen führen, ausgeſtoßen. Das Männchen hat einen vortrefflichen Geſang, welcher mit Recht gleich nach dem Schlage der Nachtigall geſetzt wird. Manche ſchätzen ihn geringer, Manche höher, als den Geſang der Gartengrasmücke. Die Reinheit, Stärke und das Flötenartige der Töne entſchädigen den Liebhaber hinlänglich für die Kürze der Strophen. Dieſer ſchöne Geſang, welcher bei einem Vogel herrlicher iſt, als bei dem andern, fängt mit Anbruch des Morgens an und ertönt faſt den ganzen Tag.‟
Der Mönch brütet zweimal des Jahres, das erſtemal im Mai, das zweitemal im Juli. Das Neſt ſteht ſtets im dichten Gebüſch, da wo der Schwarzwald vorherrſcht, am häufigſten in dichten Fichtenbüſchen, da wo es Laubhölzer gibt, hauptſächlich in Dornbüſchen verſchiedener Art. Es iſt verhältnißmäßig gut, aber durchaus nach Art anderer Grasmückenneſter erbaut. Das Gelege beſteht aus vier bis ſechs länglichrunden, glattſchaligen, glänzenden Eiern, welche auf fleiſchfarbenem Grunde mit dunkleren und braunrothen Flecken, Schmitzen und Punkten gezeichnet ſind. Beide Geſchlechter brüten, beide lieben ihre Brut mit gleicher Liebe, und beide betragen ſich bei Gefahr wie ihre Ver- wandten. Kommt durch Zufall die Mutter ums Leben, ſo übernimmt, wie Bolle beobachtete, das Männchen ausſchließlich die Aufzucht der Jungen.
Des ausgezeichneten Geſanges wegen wird der Mönch häufiger als alle übrigen Grasmücken im Käfig gehalten. Die vorzüglichſten Sänger ſind nach meines Vaters Beobachtungen diejenigen, welche aus Fichtenwäldern ſtammen. Aber auch die, welche im Laubholze groß wurden, ſind Meiſter in ihrer Kunſt. „Der Mönch‟, ſagt Graf Gourcy, „iſt einer der allerbeſten Sänger und verdient, meinem Geſchmacke nach, in der Stube den Rang vor jeder Nachtigall. Sein langer, in Einem fort- gehender Geſang iſt flötender und manchfaltiger, dabei nicht ſo durchdringend, als jener der beiden Nachtigallarten, von deren Schlägen der Mönch ohnehin ſehr viel dem ſeinigen einmiſcht. Einige unter ihnen ruſen die Worte „Judith‟ und „Brief‟ ſo deutlich aus, als es nur ein Sproſſer thun kann; andere ahmen den Gefang der Baſtardnachtigall, den Pfiff des Pirols und den Schlag der Finken herrlich nach; andere miſchen den Geſang der Amſel, des Rothſchwanzes und den Schlag der Wachtel in ihr Lied ein. Beſonders hübſch klingt es, von einem ſo kleinen Vogel das „Tack, tack‟ der Amſel recht tief und laut rufen zu hören. Es gibt Vögel unter ihnen, welche alle dieſe Abwechslungen und über- haupt ihren ganzen Geſang faſt ebenſo laut, als den Ueberſchlag vortragen. Dies ſind ganz vor- zügliche, aber äußerſt ſeltene Sänger. Faſt ebenſo ſelten ſind die, welche beim Kerzenlicht ſingen.‟
„Wenn man alſo einen Mönch wählt, muß man darauf ſehen, daß es hübſche Abwechslungen in ſeinem Geſange gibt und der Ueberſchlag ganz ausgeführt wird. Dieſen Ueberſchlag wiederholen die guten Vögel im Frühjahre und Sommer, wenn ſie recht hitzig werden, drei- bis viermal nach einander, was ganz herrlich klingt. Außer ihrem „Tack, tack‟, womit ſie nahe bevorſtehende ſchlechte Witterung ankündigen, oder wodurch einer den andern zum Schweigen bringen will, haben ſie keinen lauten, unangenehmen Ton.‟
„Viele unter ihnen ſingen faſt das ganze Jahr, andere acht bis neun Monate. Die aufgezogenen taugen Nichts, lernen aber zuweilen ein Liedchen pfeifen. Ein ſolcher Vogel trug das Blaſen der Poſtknechte prächtig vor.‟
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[845/0893]
Mönch.
man den alten Vögeln oft lange vergeblich mit der Flinte nachgehen muß. Die Jungen ſind, auch im
Herbſte noch, weniger vorſichtig. Sein Flug iſt geſchwind, faſt gerade aus mit ſtarker Schwingen-
bewegung, geht aber ſelten weit in einem Zuge fort. Nur nach langer Verfolgung ſteigt er hoch in die
Luft und verläßt den Ort ganz. Zur Brutzeit hat er einen ziemlich großen Bezirk und hält ſich
zuweilen nicht einmal in dieſem. Bei kalter und regneriſcher Witterung habe ich die Mönche,
welche unſere Wälder bewohnen, zuweilen nah bei den Häuſern in den Gärten gehört. Sein Lockton
iſt ein angenehmes „Tack, tack, tack‟, worauf ein äußerſt ſanfter Ton folgt, welcher ſich mit Buch-
ſtaben nicht bezeichnen läßt. Dieſes „Tack‟ hat mit dem der Nachtigall und der klappernden Gras-
mücke ſo große Aehnlichkeit, daß es nur der Kenner gehörig zu unterſcheiden vermag. Es drückt,
verſchieden betont, verſchiedene Gemüthszuſtände aus und wird deswegen am meiſten von den Alten,
welche ihre Jungen führen, ausgeſtoßen. Das Männchen hat einen vortrefflichen Geſang, welcher
mit Recht gleich nach dem Schlage der Nachtigall geſetzt wird. Manche ſchätzen ihn geringer, Manche
höher, als den Geſang der Gartengrasmücke. Die Reinheit, Stärke und das Flötenartige der Töne
entſchädigen den Liebhaber hinlänglich für die Kürze der Strophen. Dieſer ſchöne Geſang, welcher
bei einem Vogel herrlicher iſt, als bei dem andern, fängt mit Anbruch des Morgens an und ertönt
faſt den ganzen Tag.‟
Der Mönch brütet zweimal des Jahres, das erſtemal im Mai, das zweitemal im Juli. Das
Neſt ſteht ſtets im dichten Gebüſch, da wo der Schwarzwald vorherrſcht, am häufigſten in dichten
Fichtenbüſchen, da wo es Laubhölzer gibt, hauptſächlich in Dornbüſchen verſchiedener Art. Es iſt
verhältnißmäßig gut, aber durchaus nach Art anderer Grasmückenneſter erbaut. Das Gelege beſteht
aus vier bis ſechs länglichrunden, glattſchaligen, glänzenden Eiern, welche auf fleiſchfarbenem Grunde
mit dunkleren und braunrothen Flecken, Schmitzen und Punkten gezeichnet ſind. Beide Geſchlechter
brüten, beide lieben ihre Brut mit gleicher Liebe, und beide betragen ſich bei Gefahr wie ihre Ver-
wandten. Kommt durch Zufall die Mutter ums Leben, ſo übernimmt, wie Bolle beobachtete, das
Männchen ausſchließlich die Aufzucht der Jungen.
Des ausgezeichneten Geſanges wegen wird der Mönch häufiger als alle übrigen Grasmücken im
Käfig gehalten. Die vorzüglichſten Sänger ſind nach meines Vaters Beobachtungen diejenigen,
welche aus Fichtenwäldern ſtammen. Aber auch die, welche im Laubholze groß wurden, ſind Meiſter
in ihrer Kunſt. „Der Mönch‟, ſagt Graf Gourcy, „iſt einer der allerbeſten Sänger und verdient,
meinem Geſchmacke nach, in der Stube den Rang vor jeder Nachtigall. Sein langer, in Einem fort-
gehender Geſang iſt flötender und manchfaltiger, dabei nicht ſo durchdringend, als jener der beiden
Nachtigallarten, von deren Schlägen der Mönch ohnehin ſehr viel dem ſeinigen einmiſcht. Einige unter
ihnen ruſen die Worte „Judith‟ und „Brief‟ ſo deutlich aus, als es nur ein Sproſſer thun kann; andere
ahmen den Gefang der Baſtardnachtigall, den Pfiff des Pirols und den Schlag der Finken herrlich
nach; andere miſchen den Geſang der Amſel, des Rothſchwanzes und den Schlag der Wachtel in ihr
Lied ein. Beſonders hübſch klingt es, von einem ſo kleinen Vogel das „Tack, tack‟ der Amſel recht
tief und laut rufen zu hören. Es gibt Vögel unter ihnen, welche alle dieſe Abwechslungen und über-
haupt ihren ganzen Geſang faſt ebenſo laut, als den Ueberſchlag vortragen. Dies ſind ganz vor-
zügliche, aber äußerſt ſeltene Sänger. Faſt ebenſo ſelten ſind die, welche beim Kerzenlicht ſingen.‟
„Wenn man alſo einen Mönch wählt, muß man darauf ſehen, daß es hübſche Abwechslungen
in ſeinem Geſange gibt und der Ueberſchlag ganz ausgeführt wird. Dieſen Ueberſchlag wiederholen
die guten Vögel im Frühjahre und Sommer, wenn ſie recht hitzig werden, drei- bis viermal nach
einander, was ganz herrlich klingt. Außer ihrem „Tack, tack‟, womit ſie nahe bevorſtehende ſchlechte
Witterung ankündigen, oder wodurch einer den andern zum Schweigen bringen will, haben ſie keinen
lauten, unangenehmen Ton.‟
„Viele unter ihnen ſingen faſt das ganze Jahr, andere acht bis neun Monate. Die aufgezogenen
taugen Nichts, lernen aber zuweilen ein Liedchen pfeifen. Ein ſolcher Vogel trug das Blaſen der
Poſtknechte prächtig vor.‟
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 845. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/893>, abgerufen am 21.05.2024.
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