Ueber das tägliche Leben des Wasserschwätzers theilt mir Homeyer das Folgende mit: So lange das Wasser des Gebirgsbaches klar und hell ist, treibt es der Vogel in seiner gewöhnlichen Weise. Er ist munter, sobald der erste Schimmer im Osten sich zeigt, und in ununterbrochener Thä- tigkeit bis zum Eintritt der Dunkelheit. Jn den Morgenstunden wird fleißig gesungen, nebenbei eifrig gejagt und dabei selbstverständlich jede Kunst, welcher er fähig ist, auf das beste geübt. Dann gibt es vielleicht etwas Kampf und Streit mit einem aufdringlichen Nachbar; aber auch solcher unter- bricht das tägliche Geschäft nur auf wenige Minuten; denn das Gefecht ist bald beendet und der Ein- dringling in die Flucht geschlagen. Kommt der Mittag heran und drückt die Sonne, so sucht der Vogel in seinen beliebten Versteckplätzen, in Gestein oder Wurzelhöhlungen am Ufer, zumal am über- hängenden Ufer Schutz und verträumt hier einige Stunden, die weiße Brust dem Wasser zugekehrt; denn auch um diese Zeit läßt er etwas Genießbares nicht gleichgiltig an sich vorüberziehen. Gegen Abend wird wieder eifrig gesischt, gejagt, getaucht und gesungen; dann begibt sich jeder nach seinem gewohnten Schlafplatze, nach einer jener Höhlungen, welche man als Schlafplätze daran erkennen kann, daß sie mehr als andere mit dem Kothe des Vogels beschmuzt sind. So lange es Tag war, sah man den Wasserschwätzer immer wach, immer munter, immer regsam, immer in Thätigkeit, und so lange Dies der Fall, behält er auch seine ewig heitere Laune bei. Anders gestalten sich die Verhältnisse, wenn längere Zeit hindurch Regen fällt und die sonst so klaren Fluthen auch seiner Bäche sich trüben. Dann wird es ihm schwer, die ihm nothwendige große Menge von Nahrung zu erwerben, und er muß dann zu ganz eigenen Künsten seine Zuflucht nehmen. Nunmehr verläßt er seine Lieblingssitz- plätze inmitten des brausenden Wassers und begibt sich an jene Uferstellen, wo von oben herab Gras in das Wasser hängt, oder zu einzelnen Wasserpflanzen, welche die Strömung auf der Oberfläche schwimmend erhält. Zwischen diesen Pflanzen fischt er jetzt eifrig nach Art der Enten umher, indem er zwischen ihnen umherwadet oder, wo das Wasser tief ist, schwimmt und mit dem Schnabel jeden Halm, jedes Blatt oder jede Ranke umwendet, um die auf der Kehrseite sitzenden Wasserthierchen abzulesen. Hält der Regen längere Zeit an, so kommt der Vogel zuweilen sehr in Noth, und wird in Folge der Entbehrung sehr trüb gestimmt. Dann endet jeder Gefang und jede unnütze Bewegung. Jm größten Nothfall besucht er auch die stillen Buchten am Ufer, welche er sonst meidet, und betreibt hier seine Jagd. Aber sobald das Wasser sich wieder klärt und die Sonne wieder unverhüllt vom Himmel hernieder schaut, ebensobald hat er auch seine gute Laune wieder gewonnen und ist wieder ebenso heiter und fröhlich geworden, als er es jemals war.
Ueber die Fortpflanzung hat mein Vater schon vor mehr als vierzig Jahren ausführliche Beobachtungen veröffentlicht und dieselben neuerdings vervollständigt. "Der Wasserschwätzer", sagt er, "brütet ungestört gewöhnlich nur einmal, ausnahmsweise jedoch auch zweimal im Jahre, das erstemal im April. Zu Anfang dieses Monats fängt er an zu bauen und um die Mitte desselben zu legen. Das Nest steht immer am Wasser, besonders da, wo ein Felsen über dasselbe hinweg- oder an demselben emporragt, wo ein Erlenstock oder ein Wehr eine passende Höhlung bildet, auch unter Brücken, Wasserbetten, in den Mauern der Nadstuben der Mühlen, Eisenhämmer und dergleichen, selbst in den Schaufeln der Mühlräder, wenn diese eine Zeitlang still gestanden haben. Am ange- nehmsten ist es unserm Vogel, wenn er das Nest so anbringen kann, daß vor demselben eine Wasser- masse herabstürzt. Dann ist es natürlich vollkommen gegen die Nachstellungen der Katzen, Marder, Jltisse und Wiesel geschützt und nur noch den Ratten zugänglich. Zu einem solchen Neste, welches ich vor einigen Tagen in der Radstube einer Mühle sah, konnte ich nicht eher gelangen, als bis der Mühlenbesitzer mir zu Liebe das Wasser abgeschlagen hatte. Das Nest besteht äußerlich aus Reisern, Grasstengeln, Graswurzeln und Grasblättern, Strohhalmen, oft auch aus Wasser- oder Erdmos, und ist inwendig mit Baumblättern ausgelegt. Es ist locker gebaut, aber dickwandig, ist inwendig tiefer als eine Halbkugel und hat stets einen engen Eingang, der gewöhnlich dadurch entsteht, daß er die Höhlung, in welcher es sich befindet, ganz ausfüllt. Jst aber das Nistloch zu groß, dann bekommt es eine Decke, wie ein Zaunkönigsnest, und ein enges Eingangsloch. Es besteht dann großentheils aus Mos.
Waſſerſchwätzer.
Ueber das tägliche Leben des Waſſerſchwätzers theilt mir Homeyer das Folgende mit: So lange das Waſſer des Gebirgsbaches klar und hell iſt, treibt es der Vogel in ſeiner gewöhnlichen Weiſe. Er iſt munter, ſobald der erſte Schimmer im Oſten ſich zeigt, und in ununterbrochener Thä- tigkeit bis zum Eintritt der Dunkelheit. Jn den Morgenſtunden wird fleißig geſungen, nebenbei eifrig gejagt und dabei ſelbſtverſtändlich jede Kunſt, welcher er fähig iſt, auf das beſte geübt. Dann gibt es vielleicht etwas Kampf und Streit mit einem aufdringlichen Nachbar; aber auch ſolcher unter- bricht das tägliche Geſchäft nur auf wenige Minuten; denn das Gefecht iſt bald beendet und der Ein- dringling in die Flucht geſchlagen. Kommt der Mittag heran und drückt die Sonne, ſo ſucht der Vogel in ſeinen beliebten Verſteckplätzen, in Geſtein oder Wurzelhöhlungen am Ufer, zumal am über- hängenden Ufer Schutz und verträumt hier einige Stunden, die weiße Bruſt dem Waſſer zugekehrt; denn auch um dieſe Zeit läßt er etwas Genießbares nicht gleichgiltig an ſich vorüberziehen. Gegen Abend wird wieder eifrig geſiſcht, gejagt, getaucht und geſungen; dann begibt ſich jeder nach ſeinem gewohnten Schlafplatze, nach einer jener Höhlungen, welche man als Schlafplätze daran erkennen kann, daß ſie mehr als andere mit dem Kothe des Vogels beſchmuzt ſind. So lange es Tag war, ſah man den Waſſerſchwätzer immer wach, immer munter, immer regſam, immer in Thätigkeit, und ſo lange Dies der Fall, behält er auch ſeine ewig heitere Laune bei. Anders geſtalten ſich die Verhältniſſe, wenn längere Zeit hindurch Regen fällt und die ſonſt ſo klaren Fluthen auch ſeiner Bäche ſich trüben. Dann wird es ihm ſchwer, die ihm nothwendige große Menge von Nahrung zu erwerben, und er muß dann zu ganz eigenen Künſten ſeine Zuflucht nehmen. Nunmehr verläßt er ſeine Lieblingsſitz- plätze inmitten des brauſenden Waſſers und begibt ſich an jene Uferſtellen, wo von oben herab Gras in das Waſſer hängt, oder zu einzelnen Waſſerpflanzen, welche die Strömung auf der Oberfläche ſchwimmend erhält. Zwiſchen dieſen Pflanzen fiſcht er jetzt eifrig nach Art der Enten umher, indem er zwiſchen ihnen umherwadet oder, wo das Waſſer tief iſt, ſchwimmt und mit dem Schnabel jeden Halm, jedes Blatt oder jede Ranke umwendet, um die auf der Kehrſeite ſitzenden Waſſerthierchen abzuleſen. Hält der Regen längere Zeit an, ſo kommt der Vogel zuweilen ſehr in Noth, und wird in Folge der Entbehrung ſehr trüb geſtimmt. Dann endet jeder Gefang und jede unnütze Bewegung. Jm größten Nothfall beſucht er auch die ſtillen Buchten am Ufer, welche er ſonſt meidet, und betreibt hier ſeine Jagd. Aber ſobald das Waſſer ſich wieder klärt und die Sonne wieder unverhüllt vom Himmel hernieder ſchaut, ebenſobald hat er auch ſeine gute Laune wieder gewonnen und iſt wieder ebenſo heiter und fröhlich geworden, als er es jemals war.
Ueber die Fortpflanzung hat mein Vater ſchon vor mehr als vierzig Jahren ausführliche Beobachtungen veröffentlicht und dieſelben neuerdings vervollſtändigt. „Der Waſſerſchwätzer‟, ſagt er, „brütet ungeſtört gewöhnlich nur einmal, ausnahmsweiſe jedoch auch zweimal im Jahre, das erſtemal im April. Zu Anfang dieſes Monats fängt er an zu bauen und um die Mitte deſſelben zu legen. Das Neſt ſteht immer am Waſſer, beſonders da, wo ein Felſen über daſſelbe hinweg- oder an demſelben emporragt, wo ein Erlenſtock oder ein Wehr eine paſſende Höhlung bildet, auch unter Brücken, Waſſerbetten, in den Mauern der Nadſtuben der Mühlen, Eiſenhämmer und dergleichen, ſelbſt in den Schaufeln der Mühlräder, wenn dieſe eine Zeitlang ſtill geſtanden haben. Am ange- nehmſten iſt es unſerm Vogel, wenn er das Neſt ſo anbringen kann, daß vor demſelben eine Waſſer- maſſe herabſtürzt. Dann iſt es natürlich vollkommen gegen die Nachſtellungen der Katzen, Marder, Jltiſſe und Wieſel geſchützt und nur noch den Ratten zugänglich. Zu einem ſolchen Neſte, welches ich vor einigen Tagen in der Radſtube einer Mühle ſah, konnte ich nicht eher gelangen, als bis der Mühlenbeſitzer mir zu Liebe das Waſſer abgeſchlagen hatte. Das Neſt beſteht äußerlich aus Reiſern, Grasſtengeln, Graswurzeln und Grasblättern, Strohhalmen, oft auch aus Waſſer- oder Erdmos, und iſt inwendig mit Baumblättern ausgelegt. Es iſt locker gebaut, aber dickwandig, iſt inwendig tiefer als eine Halbkugel und hat ſtets einen engen Eingang, der gewöhnlich dadurch entſteht, daß er die Höhlung, in welcher es ſich befindet, ganz ausfüllt. Jſt aber das Niſtloch zu groß, dann bekommt es eine Decke, wie ein Zaunkönigsneſt, und ein enges Eingangsloch. Es beſteht dann großentheils aus Mos.
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Waſſerſchwätzer.
Ueber das tägliche Leben des Waſſerſchwätzers theilt mir Homeyer das Folgende mit:
So lange das Waſſer des Gebirgsbaches klar und hell iſt, treibt es der Vogel in ſeiner gewöhnlichen
Weiſe. Er iſt munter, ſobald der erſte Schimmer im Oſten ſich zeigt, und in ununterbrochener Thä-
tigkeit bis zum Eintritt der Dunkelheit. Jn den Morgenſtunden wird fleißig geſungen, nebenbei
eifrig gejagt und dabei ſelbſtverſtändlich jede Kunſt, welcher er fähig iſt, auf das beſte geübt. Dann
gibt es vielleicht etwas Kampf und Streit mit einem aufdringlichen Nachbar; aber auch ſolcher unter-
bricht das tägliche Geſchäft nur auf wenige Minuten; denn das Gefecht iſt bald beendet und der Ein-
dringling in die Flucht geſchlagen. Kommt der Mittag heran und drückt die Sonne, ſo ſucht der
Vogel in ſeinen beliebten Verſteckplätzen, in Geſtein oder Wurzelhöhlungen am Ufer, zumal am über-
hängenden Ufer Schutz und verträumt hier einige Stunden, die weiße Bruſt dem Waſſer zugekehrt;
denn auch um dieſe Zeit läßt er etwas Genießbares nicht gleichgiltig an ſich vorüberziehen. Gegen
Abend wird wieder eifrig geſiſcht, gejagt, getaucht und geſungen; dann begibt ſich jeder nach ſeinem
gewohnten Schlafplatze, nach einer jener Höhlungen, welche man als Schlafplätze daran erkennen
kann, daß ſie mehr als andere mit dem Kothe des Vogels beſchmuzt ſind. So lange es Tag war, ſah
man den Waſſerſchwätzer immer wach, immer munter, immer regſam, immer in Thätigkeit, und ſo lange
Dies der Fall, behält er auch ſeine ewig heitere Laune bei. Anders geſtalten ſich die Verhältniſſe,
wenn längere Zeit hindurch Regen fällt und die ſonſt ſo klaren Fluthen auch ſeiner Bäche ſich trüben.
Dann wird es ihm ſchwer, die ihm nothwendige große Menge von Nahrung zu erwerben, und er
muß dann zu ganz eigenen Künſten ſeine Zuflucht nehmen. Nunmehr verläßt er ſeine Lieblingsſitz-
plätze inmitten des brauſenden Waſſers und begibt ſich an jene Uferſtellen, wo von oben herab Gras
in das Waſſer hängt, oder zu einzelnen Waſſerpflanzen, welche die Strömung auf der Oberfläche
ſchwimmend erhält. Zwiſchen dieſen Pflanzen fiſcht er jetzt eifrig nach Art der Enten umher, indem
er zwiſchen ihnen umherwadet oder, wo das Waſſer tief iſt, ſchwimmt und mit dem Schnabel jeden
Halm, jedes Blatt oder jede Ranke umwendet, um die auf der Kehrſeite ſitzenden Waſſerthierchen
abzuleſen. Hält der Regen längere Zeit an, ſo kommt der Vogel zuweilen ſehr in Noth, und wird
in Folge der Entbehrung ſehr trüb geſtimmt. Dann endet jeder Gefang und jede unnütze Bewegung.
Jm größten Nothfall beſucht er auch die ſtillen Buchten am Ufer, welche er ſonſt meidet, und betreibt
hier ſeine Jagd. Aber ſobald das Waſſer ſich wieder klärt und die Sonne wieder unverhüllt vom
Himmel hernieder ſchaut, ebenſobald hat er auch ſeine gute Laune wieder gewonnen und iſt wieder
ebenſo heiter und fröhlich geworden, als er es jemals war.
Ueber die Fortpflanzung hat mein Vater ſchon vor mehr als vierzig Jahren ausführliche
Beobachtungen veröffentlicht und dieſelben neuerdings vervollſtändigt. „Der Waſſerſchwätzer‟, ſagt
er, „brütet ungeſtört gewöhnlich nur einmal, ausnahmsweiſe jedoch auch zweimal im Jahre, das
erſtemal im April. Zu Anfang dieſes Monats fängt er an zu bauen und um die Mitte deſſelben zu
legen. Das Neſt ſteht immer am Waſſer, beſonders da, wo ein Felſen über daſſelbe hinweg- oder an
demſelben emporragt, wo ein Erlenſtock oder ein Wehr eine paſſende Höhlung bildet, auch unter
Brücken, Waſſerbetten, in den Mauern der Nadſtuben der Mühlen, Eiſenhämmer und dergleichen,
ſelbſt in den Schaufeln der Mühlräder, wenn dieſe eine Zeitlang ſtill geſtanden haben. Am ange-
nehmſten iſt es unſerm Vogel, wenn er das Neſt ſo anbringen kann, daß vor demſelben eine Waſſer-
maſſe herabſtürzt. Dann iſt es natürlich vollkommen gegen die Nachſtellungen der Katzen, Marder,
Jltiſſe und Wieſel geſchützt und nur noch den Ratten zugänglich. Zu einem ſolchen Neſte, welches
ich vor einigen Tagen in der Radſtube einer Mühle ſah, konnte ich nicht eher gelangen, als bis der
Mühlenbeſitzer mir zu Liebe das Waſſer abgeſchlagen hatte. Das Neſt beſteht äußerlich aus Reiſern,
Grasſtengeln, Graswurzeln und Grasblättern, Strohhalmen, oft auch aus Waſſer- oder Erdmos, und
iſt inwendig mit Baumblättern ausgelegt. Es iſt locker gebaut, aber dickwandig, iſt inwendig tiefer als
eine Halbkugel und hat ſtets einen engen Eingang, der gewöhnlich dadurch entſteht, daß er die Höhlung,
in welcher es ſich befindet, ganz ausfüllt. Jſt aber das Niſtloch zu groß, dann bekommt es eine
Decke, wie ein Zaunkönigsneſt, und ein enges Eingangsloch. Es beſteht dann großentheils aus Mos.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 821. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/867>, abgerufen am 22.11.2024.
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