an derselben Stelle. Nur die im hohen Norden groß gewordenen Amseln treten eine Wanderung an, aber auch blos theilweise; denn schon im südlichen Schweden überwintern viele dieser Vögel.
Neben den genannten Arten nun, welche wir als die eigentlichen deutschen bezeichnen können, haben sich in unserem Vaterlande nicht blos sibirische und nordamerikanische, sondern auch indische, japanesische, ja australische Drosseln gezeigt. Von Sibirien her sind bei uns eingewandert: die rost- flügelige Drossel (Turdus fuscatus), die Naumannsdrossel (T. Naumanni), -- welche freilich von Vielen nicht als selbständige Art anerkannt wird, -- die rothhälsige Drossel (T. rufi- collis), die Blaßdrossel (T. pallens) und die sibirische Drossel (T. sibiricus); von den in Nordamerika heimischen Arten besuchten uns: die Wanderdrossel (T. migratorius), die Ein- siedlerdrossel (T. solitarius), die Wilsonsdrossel (T. Wilsoni), die Swainsonsdrossel (T. Swainsoni) und die Zwergdrossel (T. minor); aus Südasien kamen: die weichfedrige Drossel (T. mollissimus), die schwarzkehlige Drossel (T. atrogularis) und endlich die auch über Australien verbreitete Erddrossel (T. varius).
Von den achtzig und einigen Arten Drosseln, welche man unterschieden hat, bewohnen 28 und zwar 16 die Osthälfte, zwölf die Westhälfte im Norden der Erde, 15 Jndien und seine Nachbarländer, 9 Afrika, 5 Australien und 27 Südamerika. Sie leben in den ver- schiedensten Ländern, selbstverständlich auch unter verschiedenen Verhältnissen, vorzugsweise jedoch immer und überall im Walde. Zu ihm gehören sie, und ihn beleben sie allerorten. Weniger wählerisch als die Erdsänger, herbergen sie in jedem Bestande; denn nicht blos der reiche Wald der Auen, oder der Urwald unter den Wendekreisen weiß sie zu fesseln, sondern auch der Schwarzwald oder der dünn bestandene Buschwald der Steppe; ja, noch über der Greuze des Holzwuchses, unmittel- bar unter und zwischen den Gletschern finden sie Wohnplätze, welche ihren Ansprüchen genügen. Allerdings verweilen nur die wenigsten Arten jahraus, jahrein an derselben Stelle; die große Mehr- zahl zeigt eine Wanderlust, wie wenig andere Vögel, nicht blos im Norden der Erde, sondern auch unter gemäßigten Himmelsstrichen. Diejenigen, welche wir als Verirrte bei uns aufgesunden haben, durchflogen fast die Hälfte des Umfangs unserer Erdoberfläche. Sie kamen vom fernsten Osten Sibiriens, aus Kamtschatka zu uns, ja sie überflogen sogar das Behringsmeer, durchpilgerten ganz Asien und gelangten so in unser Europa. "Von manchen", sagt Naumann, "schienen selbst Pärchen oder wenigstens mehrere zugleich zu uns gekommen zu sein und später die weite Rückreise zu scheuen. Sie leisteten bei inzwischen vorgerückter Jahreszeit selbst dem in ihnen rege gewordenen Fortpflanzungstrieb Genüge, brüteten und erzogen in dem für sie so fremden Erdstriche ihre Jungen. Wir staunen, wenn wir bedenken, welche unermeßliche Räume diese Verirrten wahrscheinlich durch- flogen, und in welch kurzer Zeit sie eine so große Reise zurückgelegt haben müssen, da sie während derselben doch nicht ununterbrochen in einem Striche vorwärts, einem gesteckten Ziele geradezu ent- gegenfliegen konnten, örtlicher Hindernisse halber vielmehr öfter zu Umwegen verleitet wurden, sich mitunter Ruhe zur Erholung gönnen und besonders auch auf das Aufsuchen und Zusichnehmen der nothdürftigsten Nahrungsmittel Zeit verwenden mußten." Welches eigentlich die Ursache sein möge, die die Fremdlinge zu derartigen Reisen treibt, ist mit Sicherheit nicht zu sagen; doch hat Naumann gewiß nicht unrecht, wenn er annimmt, daß die Geselligkeit, welcher fast alle Drosseln zugethan sind, und die Nahrung sie oft verleiten mag, von dem gewöhnlichen Wege abzuweichen, ganz abgesehen von schlimmem Reisewetter, ungünstigen Winden, Stürmen und ähnlichen Widerwärtigkeiten, welche die Zuggesellschaften trennen und einzelne in unbekannte Fernen verschlagen. Derartige Reiseverirrungen gehören freilich zu den Ausnahmen; aber auch die regelrechten Reisen führen die Drosseln durch weite Länderstrecken, obgleich sie hierin vielen andern Zugvögeln nicht gleich kommen.
Alle Drosseln sind hochbegabte Geschöpfe. Sie sind bewegungsfähig in hohem Grade, gewandt, feinsinnig, klug, gesangeskundig, munter und unruhig, gesellig, aber keineswegs auch friedfertig. Sie haben viele gute Eigenschaften, aber auch manche, welche wir als schlechte bezeichnen. Vom frühen
Die Fänger. Singvögel. Droſſeln.
an derſelben Stelle. Nur die im hohen Norden groß gewordenen Amſeln treten eine Wanderung an, aber auch blos theilweiſe; denn ſchon im ſüdlichen Schweden überwintern viele dieſer Vögel.
Neben den genannten Arten nun, welche wir als die eigentlichen deutſchen bezeichnen können, haben ſich in unſerem Vaterlande nicht blos ſibiriſche und nordamerikaniſche, ſondern auch indiſche, japaneſiſche, ja auſtraliſche Droſſeln gezeigt. Von Sibirien her ſind bei uns eingewandert: die roſt- flügelige Droſſel (Turdus fuscatus), die Naumannsdroſſel (T. Naumanni), — welche freilich von Vielen nicht als ſelbſtändige Art anerkannt wird, — die rothhälſige Droſſel (T. rufi- collis), die Blaßdroſſel (T. pallens) und die ſibiriſche Droſſel (T. sibiricus); von den in Nordamerika heimiſchen Arten beſuchten uns: die Wanderdroſſel (T. migratorius), die Ein- ſiedlerdroſſel (T. solitarius), die Wilſonsdroſſel (T. Wilsoni), die Swainſonsdroſſel (T. Swainsoni) und die Zwergdroſſel (T. minor); aus Südaſien kamen: die weichfedrige Droſſel (T. mollissimus), die ſchwarzkehlige Droſſel (T. atrogularis) und endlich die auch über Auſtralien verbreitete Erddroſſel (T. varius).
Von den achtzig und einigen Arten Droſſeln, welche man unterſchieden hat, bewohnen 28 und zwar 16 die Oſthälfte, zwölf die Weſthälfte im Norden der Erde, 15 Jndien und ſeine Nachbarländer, 9 Afrika, 5 Auſtralien und 27 Südamerika. Sie leben in den ver- ſchiedenſten Ländern, ſelbſtverſtändlich auch unter verſchiedenen Verhältniſſen, vorzugsweiſe jedoch immer und überall im Walde. Zu ihm gehören ſie, und ihn beleben ſie allerorten. Weniger wähleriſch als die Erdſänger, herbergen ſie in jedem Beſtande; denn nicht blos der reiche Wald der Auen, oder der Urwald unter den Wendekreiſen weiß ſie zu feſſeln, ſondern auch der Schwarzwald oder der dünn beſtandene Buſchwald der Steppe; ja, noch über der Greuze des Holzwuchſes, unmittel- bar unter und zwiſchen den Gletſchern finden ſie Wohnplätze, welche ihren Anſprüchen genügen. Allerdings verweilen nur die wenigſten Arten jahraus, jahrein an derſelben Stelle; die große Mehr- zahl zeigt eine Wanderluſt, wie wenig andere Vögel, nicht blos im Norden der Erde, ſondern auch unter gemäßigten Himmelsſtrichen. Diejenigen, welche wir als Verirrte bei uns aufgeſunden haben, durchflogen faſt die Hälfte des Umfangs unſerer Erdoberfläche. Sie kamen vom fernſten Oſten Sibiriens, aus Kamtſchatka zu uns, ja ſie überflogen ſogar das Behringsmeer, durchpilgerten ganz Aſien und gelangten ſo in unſer Europa. „Von manchen‟, ſagt Naumann, „ſchienen ſelbſt Pärchen oder wenigſtens mehrere zugleich zu uns gekommen zu ſein und ſpäter die weite Rückreiſe zu ſcheuen. Sie leiſteten bei inzwiſchen vorgerückter Jahreszeit ſelbſt dem in ihnen rege gewordenen Fortpflanzungstrieb Genüge, brüteten und erzogen in dem für ſie ſo fremden Erdſtriche ihre Jungen. Wir ſtaunen, wenn wir bedenken, welche unermeßliche Räume dieſe Verirrten wahrſcheinlich durch- flogen, und in welch kurzer Zeit ſie eine ſo große Reiſe zurückgelegt haben müſſen, da ſie während derſelben doch nicht ununterbrochen in einem Striche vorwärts, einem geſteckten Ziele geradezu ent- gegenfliegen konnten, örtlicher Hinderniſſe halber vielmehr öfter zu Umwegen verleitet wurden, ſich mitunter Ruhe zur Erholung gönnen und beſonders auch auf das Aufſuchen und Zuſichnehmen der nothdürftigſten Nahrungsmittel Zeit verwenden mußten.‟ Welches eigentlich die Urſache ſein möge, die die Fremdlinge zu derartigen Reiſen treibt, iſt mit Sicherheit nicht zu ſagen; doch hat Naumann gewiß nicht unrecht, wenn er annimmt, daß die Geſelligkeit, welcher faſt alle Droſſeln zugethan ſind, und die Nahrung ſie oft verleiten mag, von dem gewöhnlichen Wege abzuweichen, ganz abgeſehen von ſchlimmem Reiſewetter, ungünſtigen Winden, Stürmen und ähnlichen Widerwärtigkeiten, welche die Zuggeſellſchaften trennen und einzelne in unbekannte Fernen verſchlagen. Derartige Reiſeverirrungen gehören freilich zu den Ausnahmen; aber auch die regelrechten Reiſen führen die Droſſeln durch weite Länderſtrecken, obgleich ſie hierin vielen andern Zugvögeln nicht gleich kommen.
Alle Droſſeln ſind hochbegabte Geſchöpfe. Sie ſind bewegungsfähig in hohem Grade, gewandt, feinſinnig, klug, geſangeskundig, munter und unruhig, geſellig, aber keineswegs auch friedfertig. Sie haben viele gute Eigenſchaften, aber auch manche, welche wir als ſchlechte bezeichnen. Vom frühen
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[800/0846]
Die Fänger. Singvögel. Droſſeln.
an derſelben Stelle. Nur die im hohen Norden groß gewordenen Amſeln treten eine Wanderung an,
aber auch blos theilweiſe; denn ſchon im ſüdlichen Schweden überwintern viele dieſer Vögel.
Neben den genannten Arten nun, welche wir als die eigentlichen deutſchen bezeichnen können,
haben ſich in unſerem Vaterlande nicht blos ſibiriſche und nordamerikaniſche, ſondern auch indiſche,
japaneſiſche, ja auſtraliſche Droſſeln gezeigt. Von Sibirien her ſind bei uns eingewandert: die roſt-
flügelige Droſſel (Turdus fuscatus), die Naumannsdroſſel (T. Naumanni), — welche
freilich von Vielen nicht als ſelbſtändige Art anerkannt wird, — die rothhälſige Droſſel (T. rufi-
collis), die Blaßdroſſel (T. pallens) und die ſibiriſche Droſſel (T. sibiricus); von den in
Nordamerika heimiſchen Arten beſuchten uns: die Wanderdroſſel (T. migratorius), die Ein-
ſiedlerdroſſel (T. solitarius), die Wilſonsdroſſel (T. Wilsoni), die Swainſonsdroſſel
(T. Swainsoni) und die Zwergdroſſel (T. minor); aus Südaſien kamen: die weichfedrige
Droſſel (T. mollissimus), die ſchwarzkehlige Droſſel (T. atrogularis) und endlich die auch
über Auſtralien verbreitete Erddroſſel (T. varius).
Von den achtzig und einigen Arten Droſſeln, welche man unterſchieden hat, bewohnen
28 und zwar 16 die Oſthälfte, zwölf die Weſthälfte im Norden der Erde, 15 Jndien
und ſeine Nachbarländer, 9 Afrika, 5 Auſtralien und 27 Südamerika. Sie leben in den ver-
ſchiedenſten Ländern, ſelbſtverſtändlich auch unter verſchiedenen Verhältniſſen, vorzugsweiſe jedoch
immer und überall im Walde. Zu ihm gehören ſie, und ihn beleben ſie allerorten. Weniger
wähleriſch als die Erdſänger, herbergen ſie in jedem Beſtande; denn nicht blos der reiche Wald der
Auen, oder der Urwald unter den Wendekreiſen weiß ſie zu feſſeln, ſondern auch der Schwarzwald
oder der dünn beſtandene Buſchwald der Steppe; ja, noch über der Greuze des Holzwuchſes, unmittel-
bar unter und zwiſchen den Gletſchern finden ſie Wohnplätze, welche ihren Anſprüchen genügen.
Allerdings verweilen nur die wenigſten Arten jahraus, jahrein an derſelben Stelle; die große Mehr-
zahl zeigt eine Wanderluſt, wie wenig andere Vögel, nicht blos im Norden der Erde, ſondern auch
unter gemäßigten Himmelsſtrichen. Diejenigen, welche wir als Verirrte bei uns aufgeſunden haben,
durchflogen faſt die Hälfte des Umfangs unſerer Erdoberfläche. Sie kamen vom fernſten Oſten
Sibiriens, aus Kamtſchatka zu uns, ja ſie überflogen ſogar das Behringsmeer, durchpilgerten ganz
Aſien und gelangten ſo in unſer Europa. „Von manchen‟, ſagt Naumann, „ſchienen ſelbſt
Pärchen oder wenigſtens mehrere zugleich zu uns gekommen zu ſein und ſpäter die weite Rückreiſe zu
ſcheuen. Sie leiſteten bei inzwiſchen vorgerückter Jahreszeit ſelbſt dem in ihnen rege gewordenen
Fortpflanzungstrieb Genüge, brüteten und erzogen in dem für ſie ſo fremden Erdſtriche ihre Jungen.
Wir ſtaunen, wenn wir bedenken, welche unermeßliche Räume dieſe Verirrten wahrſcheinlich durch-
flogen, und in welch kurzer Zeit ſie eine ſo große Reiſe zurückgelegt haben müſſen, da ſie während
derſelben doch nicht ununterbrochen in einem Striche vorwärts, einem geſteckten Ziele geradezu ent-
gegenfliegen konnten, örtlicher Hinderniſſe halber vielmehr öfter zu Umwegen verleitet wurden, ſich
mitunter Ruhe zur Erholung gönnen und beſonders auch auf das Aufſuchen und Zuſichnehmen der
nothdürftigſten Nahrungsmittel Zeit verwenden mußten.‟ Welches eigentlich die Urſache ſein möge,
die die Fremdlinge zu derartigen Reiſen treibt, iſt mit Sicherheit nicht zu ſagen; doch hat Naumann
gewiß nicht unrecht, wenn er annimmt, daß die Geſelligkeit, welcher faſt alle Droſſeln zugethan ſind, und
die Nahrung ſie oft verleiten mag, von dem gewöhnlichen Wege abzuweichen, ganz abgeſehen von
ſchlimmem Reiſewetter, ungünſtigen Winden, Stürmen und ähnlichen Widerwärtigkeiten, welche die
Zuggeſellſchaften trennen und einzelne in unbekannte Fernen verſchlagen. Derartige Reiſeverirrungen
gehören freilich zu den Ausnahmen; aber auch die regelrechten Reiſen führen die Droſſeln durch weite
Länderſtrecken, obgleich ſie hierin vielen andern Zugvögeln nicht gleich kommen.
Alle Droſſeln ſind hochbegabte Geſchöpfe. Sie ſind bewegungsfähig in hohem Grade, gewandt,
feinſinnig, klug, geſangeskundig, munter und unruhig, geſellig, aber keineswegs auch friedfertig. Sie
haben viele gute Eigenſchaften, aber auch manche, welche wir als ſchlechte bezeichnen. Vom frühen
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 800. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/846>, abgerufen am 22.11.2024.
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