besorgten Nachtigallen sehr ängstlich, aber auch wieder muthig, indem sie eine wahrhaft rührende und -- gefährliche Aufopferung an den Tag legen.
Die Jungen werden mit allerlei Gewürm großgefüttert, wachsen rasch heran, verlassen das Nest schon, "wenn sie kaum von einem Zweige zum andern flattern können", und bleiben bis gegen die Mauser hin in Gesellschaft ihrer Eltern. Diese schreiten nur dann zu einer zweiten Brut, wenn man ihnen die Eier raubte: die Erziehung der einen Kinderschar scheint sie vollständig in Anspruch zu nehmen. Jhre Zärtlichkeit zu der Brut erleidet keinen Abbruch, wenn man die Jungen vor dem Flüggewerden dem Nest entnimmt, in ein Gebauer steckt und dieses in der Nähe des Nestortes auf- hängt; die treuen Eltern füttern auch dann ihre Kinder, als ob sie noch im Neste säßen.
Schon kurze Zeit nach ihrem Eintritte in die Welt beginnen die jungen Männchen ihre Kehle zu proben: sie dichten, wie der Kundige sagt, d. h. sie versuchen, zu singen. Dieses Dichten hat allerdings mit dem Schlage ihres Vaters keine Aehnlichkeit. Der Lehrmeister schweigt aber auch bereits mit seinen Liedern, wenn seine Sprößlinge mit ihrem Stammeln beginnen; denn bekanntlich endet schon um Johanni der Nachtigallenschlag. Noch im nächsten Frühlinge lernen die jugendlichen Sänger; ihre Lieder sind anfangs leise und stümperhaft: erst die erwachende Liebe, so scheint es, bringt ihnen volles Verständniß der herrlichen Kunst, in welcher sie später Meister sind.
Jm Juli wechseln die Nachtigallen ihr Kleid, nach der Mauser zerstreuen sich die Familien; im September begibt sich Alt und Jung auf die Wanderschaft, gewöhnlich wiederum zu Familien, unter Umständen auch zu Gesellschaften vereinigt. Sie reisen rasch und weit, machen sich aber in der Fremde wenig bemerklich; ich habe sie nur sehr einzeln in den Waldungen Südnubiens und Ost-Su- dahns angetroffen.
Der vielen Feinde halber, welche den Nachtigallen und zumal ihrer Brut nachstellen, thut der ver- nünftige Mensch nur seine Schuldigkeit, wenn er den edlen Sängern Plätze schafft, auf denen sie mög- lichst geschützt leben können. Jn größeren Gärten soll man, wie der um den Thierschutz so hochver- diente Lenz räth, dichte Hecken pflanzen, aus Stachelbeerbüschen bestehende z. B. und alles Laub, welches im Herbste abfällt, dort liegen lassen. Derartige Plätze werden bald aufgesucht, weil sie allen Anforderungen entsprechen. Das dichte Gestrüpp schützt, das Laub wird zum Sammelplatze von Würmern und Kerfen und verräth den sich nahenden Feind. Noch mehr, als vor vierbeinigen und geflügelten Räubern, hat man die Nachtigallen vor nichtsnutzigen Menschen zu wahren. So klug sie sind, so wenig scheuen sie sich vor Fallen, Schlingen und Netzen; auch das einfachste Fangwerkzeug berückt sie. Dann kommen alle Leiden der Gefangenschaft über sie. Alte Nachtigallen, welche ein- gefangen werden, wenn sie sich schon gepaart haben, sterben regelmäßig auch bei der besten Pflege, jüngere, vor der Paarung ihrer Freiheit beraubte, ertragen die Gefangenschaft nur dann, wenn ihnen die sorgsamste Wartung zu Theil wird. Jch will Niemand zu Versuchen ermuntern, Nachtigallen einzugewöhnen, und übergehe deshalb die Art und Weise der Pflege im Käfig mit Still- schweigen: Derjenige meiner Leser, welcher sich berufen fühlt, Nachtigallen zu halten, wird auch ohne mich das Nöthige erfahren können. Den Unberufenen aber erinnere ich an das weiter oben Gesagte. Da, wo man im Frühling vom Fenster aus oder wenigstens vor dem Thore Nachtigallen schlagen hört, soll man thun, wie der ältere Naumann that. Dieser Würdige, welcher die verschiedenartigsten Singvögel im Gebauer hielt, um sich an ihren Liedern zu ergötzen, hat niemals Nachtigallen eingeker- kert: weil sein Haus ihren Brutplätzen so nahe lag, "daß er in der rechten Jahreszeit, wenn junges Grün den Wald kleidete und die Natur in erneuerter Jugend da stand, zu jeder beliebigen Stunde ihre göttlichen Lieder hören konnte". Wer aber durch seinen Beruf gebannt ist an das beengende Zimmer, wer keine Zeit oder keine Kraft hat, die herrliche Sängerin zu hören draußen unter freiem Himmel und die rechte Liebe in sich fühlt, Dem, meine ich, soll man seine Nachtigall lassen!
Die Fänger. Singvögel. Erdſänger.
beſorgten Nachtigallen ſehr ängſtlich, aber auch wieder muthig, indem ſie eine wahrhaft rührende und — gefährliche Aufopferung an den Tag legen.
Die Jungen werden mit allerlei Gewürm großgefüttert, wachſen raſch heran, verlaſſen das Neſt ſchon, „wenn ſie kaum von einem Zweige zum andern flattern können‟, und bleiben bis gegen die Mauſer hin in Geſellſchaft ihrer Eltern. Dieſe ſchreiten nur dann zu einer zweiten Brut, wenn man ihnen die Eier raubte: die Erziehung der einen Kinderſchar ſcheint ſie vollſtändig in Anſpruch zu nehmen. Jhre Zärtlichkeit zu der Brut erleidet keinen Abbruch, wenn man die Jungen vor dem Flüggewerden dem Neſt entnimmt, in ein Gebauer ſteckt und dieſes in der Nähe des Neſtortes auf- hängt; die treuen Eltern füttern auch dann ihre Kinder, als ob ſie noch im Neſte ſäßen.
Schon kurze Zeit nach ihrem Eintritte in die Welt beginnen die jungen Männchen ihre Kehle zu proben: ſie dichten, wie der Kundige ſagt, d. h. ſie verſuchen, zu ſingen. Dieſes Dichten hat allerdings mit dem Schlage ihres Vaters keine Aehnlichkeit. Der Lehrmeiſter ſchweigt aber auch bereits mit ſeinen Liedern, wenn ſeine Sprößlinge mit ihrem Stammeln beginnen; denn bekanntlich endet ſchon um Johanni der Nachtigallenſchlag. Noch im nächſten Frühlinge lernen die jugendlichen Sänger; ihre Lieder ſind anfangs leiſe und ſtümperhaft: erſt die erwachende Liebe, ſo ſcheint es, bringt ihnen volles Verſtändniß der herrlichen Kunſt, in welcher ſie ſpäter Meiſter ſind.
Jm Juli wechſeln die Nachtigallen ihr Kleid, nach der Mauſer zerſtreuen ſich die Familien; im September begibt ſich Alt und Jung auf die Wanderſchaft, gewöhnlich wiederum zu Familien, unter Umſtänden auch zu Geſellſchaften vereinigt. Sie reiſen raſch und weit, machen ſich aber in der Fremde wenig bemerklich; ich habe ſie nur ſehr einzeln in den Waldungen Südnubiens und Oſt-Su- dahns angetroffen.
Der vielen Feinde halber, welche den Nachtigallen und zumal ihrer Brut nachſtellen, thut der ver- nünftige Menſch nur ſeine Schuldigkeit, wenn er den edlen Sängern Plätze ſchafft, auf denen ſie mög- lichſt geſchützt leben können. Jn größeren Gärten ſoll man, wie der um den Thierſchutz ſo hochver- diente Lenz räth, dichte Hecken pflanzen, aus Stachelbeerbüſchen beſtehende z. B. und alles Laub, welches im Herbſte abfällt, dort liegen laſſen. Derartige Plätze werden bald aufgeſucht, weil ſie allen Anforderungen entſprechen. Das dichte Geſtrüpp ſchützt, das Laub wird zum Sammelplatze von Würmern und Kerfen und verräth den ſich nahenden Feind. Noch mehr, als vor vierbeinigen und geflügelten Räubern, hat man die Nachtigallen vor nichtsnutzigen Menſchen zu wahren. So klug ſie ſind, ſo wenig ſcheuen ſie ſich vor Fallen, Schlingen und Netzen; auch das einfachſte Fangwerkzeug berückt ſie. Dann kommen alle Leiden der Gefangenſchaft über ſie. Alte Nachtigallen, welche ein- gefangen werden, wenn ſie ſich ſchon gepaart haben, ſterben regelmäßig auch bei der beſten Pflege, jüngere, vor der Paarung ihrer Freiheit beraubte, ertragen die Gefangenſchaft nur dann, wenn ihnen die ſorgſamſte Wartung zu Theil wird. Jch will Niemand zu Verſuchen ermuntern, Nachtigallen einzugewöhnen, und übergehe deshalb die Art und Weiſe der Pflege im Käfig mit Still- ſchweigen: Derjenige meiner Leſer, welcher ſich berufen fühlt, Nachtigallen zu halten, wird auch ohne mich das Nöthige erfahren können. Den Unberufenen aber erinnere ich an das weiter oben Geſagte. Da, wo man im Frühling vom Fenſter aus oder wenigſtens vor dem Thore Nachtigallen ſchlagen hört, ſoll man thun, wie der ältere Naumann that. Dieſer Würdige, welcher die verſchiedenartigſten Singvögel im Gebauer hielt, um ſich an ihren Liedern zu ergötzen, hat niemals Nachtigallen eingeker- kert: weil ſein Haus ihren Brutplätzen ſo nahe lag, „daß er in der rechten Jahreszeit, wenn junges Grün den Wald kleidete und die Natur in erneuerter Jugend da ſtand, zu jeder beliebigen Stunde ihre göttlichen Lieder hören konnte‟. Wer aber durch ſeinen Beruf gebannt iſt an das beengende Zimmer, wer keine Zeit oder keine Kraft hat, die herrliche Sängerin zu hören draußen unter freiem Himmel und die rechte Liebe in ſich fühlt, Dem, meine ich, ſoll man ſeine Nachtigall laſſen!
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Die Fänger. Singvögel. Erdſänger.
beſorgten Nachtigallen ſehr ängſtlich, aber auch wieder muthig, indem ſie eine wahrhaft rührende und
— gefährliche Aufopferung an den Tag legen.
Die Jungen werden mit allerlei Gewürm großgefüttert, wachſen raſch heran, verlaſſen das Neſt
ſchon, „wenn ſie kaum von einem Zweige zum andern flattern können‟, und bleiben bis gegen die
Mauſer hin in Geſellſchaft ihrer Eltern. Dieſe ſchreiten nur dann zu einer zweiten Brut, wenn man
ihnen die Eier raubte: die Erziehung der einen Kinderſchar ſcheint ſie vollſtändig in Anſpruch zu
nehmen. Jhre Zärtlichkeit zu der Brut erleidet keinen Abbruch, wenn man die Jungen vor dem
Flüggewerden dem Neſt entnimmt, in ein Gebauer ſteckt und dieſes in der Nähe des Neſtortes auf-
hängt; die treuen Eltern füttern auch dann ihre Kinder, als ob ſie noch im Neſte ſäßen.
Schon kurze Zeit nach ihrem Eintritte in die Welt beginnen die jungen Männchen ihre Kehle zu
proben: ſie dichten, wie der Kundige ſagt, d. h. ſie verſuchen, zu ſingen. Dieſes Dichten hat allerdings
mit dem Schlage ihres Vaters keine Aehnlichkeit. Der Lehrmeiſter ſchweigt aber auch bereits mit
ſeinen Liedern, wenn ſeine Sprößlinge mit ihrem Stammeln beginnen; denn bekanntlich endet ſchon
um Johanni der Nachtigallenſchlag. Noch im nächſten Frühlinge lernen die jugendlichen Sänger;
ihre Lieder ſind anfangs leiſe und ſtümperhaft: erſt die erwachende Liebe, ſo ſcheint es, bringt ihnen
volles Verſtändniß der herrlichen Kunſt, in welcher ſie ſpäter Meiſter ſind.
Jm Juli wechſeln die Nachtigallen ihr Kleid, nach der Mauſer zerſtreuen ſich die Familien; im
September begibt ſich Alt und Jung auf die Wanderſchaft, gewöhnlich wiederum zu Familien, unter
Umſtänden auch zu Geſellſchaften vereinigt. Sie reiſen raſch und weit, machen ſich aber in der
Fremde wenig bemerklich; ich habe ſie nur ſehr einzeln in den Waldungen Südnubiens und Oſt-Su-
dahns angetroffen.
Der vielen Feinde halber, welche den Nachtigallen und zumal ihrer Brut nachſtellen, thut der ver-
nünftige Menſch nur ſeine Schuldigkeit, wenn er den edlen Sängern Plätze ſchafft, auf denen ſie mög-
lichſt geſchützt leben können. Jn größeren Gärten ſoll man, wie der um den Thierſchutz ſo hochver-
diente Lenz räth, dichte Hecken pflanzen, aus Stachelbeerbüſchen beſtehende z. B. und alles Laub,
welches im Herbſte abfällt, dort liegen laſſen. Derartige Plätze werden bald aufgeſucht, weil ſie allen
Anforderungen entſprechen. Das dichte Geſtrüpp ſchützt, das Laub wird zum Sammelplatze von
Würmern und Kerfen und verräth den ſich nahenden Feind. Noch mehr, als vor vierbeinigen und
geflügelten Räubern, hat man die Nachtigallen vor nichtsnutzigen Menſchen zu wahren. So klug ſie
ſind, ſo wenig ſcheuen ſie ſich vor Fallen, Schlingen und Netzen; auch das einfachſte Fangwerkzeug
berückt ſie. Dann kommen alle Leiden der Gefangenſchaft über ſie. Alte Nachtigallen, welche ein-
gefangen werden, wenn ſie ſich ſchon gepaart haben, ſterben regelmäßig auch bei der beſten
Pflege, jüngere, vor der Paarung ihrer Freiheit beraubte, ertragen die Gefangenſchaft nur dann,
wenn ihnen die ſorgſamſte Wartung zu Theil wird. Jch will Niemand zu Verſuchen ermuntern,
Nachtigallen einzugewöhnen, und übergehe deshalb die Art und Weiſe der Pflege im Käfig mit Still-
ſchweigen: Derjenige meiner Leſer, welcher ſich berufen fühlt, Nachtigallen zu halten, wird auch ohne
mich das Nöthige erfahren können. Den Unberufenen aber erinnere ich an das weiter oben Geſagte.
Da, wo man im Frühling vom Fenſter aus oder wenigſtens vor dem Thore Nachtigallen ſchlagen hört,
ſoll man thun, wie der ältere Naumann that. Dieſer Würdige, welcher die verſchiedenartigſten
Singvögel im Gebauer hielt, um ſich an ihren Liedern zu ergötzen, hat niemals Nachtigallen eingeker-
kert: weil ſein Haus ihren Brutplätzen ſo nahe lag, „daß er in der rechten Jahreszeit, wenn junges
Grün den Wald kleidete und die Natur in erneuerter Jugend da ſtand, zu jeder beliebigen Stunde
ihre göttlichen Lieder hören konnte‟. Wer aber durch ſeinen Beruf gebannt iſt an das beengende
Zimmer, wer keine Zeit oder keine Kraft hat, die herrliche Sängerin zu hören draußen unter freiem
Himmel und die rechte Liebe in ſich fühlt, Dem, meine ich, ſoll man ſeine Nachtigall laſſen!
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 762. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/806>, abgerufen am 22.11.2024.
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