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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Hämmerling.
Geläute, dann tritt eine minutenlange Pause ein, hierauf folgt wieder ein Glockenschlag und wiederum
eine Pause, und so wechselt es zum drittenmale ab. Dann schweigt er sechs oder acht Minuten lang;
und hierauf beginnt er von neuem. Acteon würde seine eifrigste Jagd unterbrechen, Maria ihr
Abendlied verzögern, Orpheus selbst seinen Gesang aufgeben, um diesen Vogel zu belauschen, so
süß, so neu, so romantisch ist der Klang seiner Stimme."

"Jch vernahm", sagt Schomburgk, wohl Waterton benutzend, "aus dem nahen Walde
wunderbare Töne, wie ich sie noch nie gehört. Es war, als schlüge man zugleich an mehrere har-
monisch gestimmte Glasglocken. Jetzt hörte ich sie wieder und nach einer minutenlangen Pause wieder
und wieder. Dann trat ein etwas längerer Zwischenraum von etwa sechs bis acht Minuten ein, und
von neuem erschallten die vollen harmonischen Töne. Eine ganze Zeit stand ich, vor Erstaunen
gefesselt und lauschte, ob sich die fabelhaften Klänge nicht abermals hören lassen würden -- sie
schwiegen, und voller Begierde wandte ich mich mit meinen Fragen an meinen Bruder, von dem ich
nun erfuhr, daß Dies die Stimme des Glöckners sei. Kein Gesang, keine Stimme irgend eines der
befiederten Bewohner der Wälder Guyana's, selbst nicht die so deutlich ausgesprochenen Worte der
Ziegenmelker hatten mich in gleiches Erstaunen versetzt, wie die Glockentöne des Hämmerlings. Daß
die Vögel in Guyana die Gabe der Sprache besaßen, hatte ich ja bei meinem ersten Schritt auf diesem
merkwürdigen Erdtheil schon erfahren, -- solche Töne aber waren mir bisher noch gänzlich unbekannt
geblieben, und meine Aufmerksamkeit konnte jetzt auf nichts anderes gerichtet, durch nichts anderes
von diesem wunderbaren Sänger abgezogen werden. ..."

"Jn der Nähe der Küste gehört der Glöckner zu den Strichvögeln; am Temarara und Berbice
erscheint er gewöhnlich im Mai und Juni; die unmittelbare Küste besucht er nie. Hohe Gebirgs-
waldungen scheint er am meisten zu lieben, jedoch nur bis zu einer Meereshöhe von 12 bis 1500 Fuß
emporzusteigen. Seine zauberhaften, glockenreinen Töne läßt er nur von dem äußersten Gipfel der
riesigen Morabäume erschallen, welche er besonders dann gern aufzufuchen scheint, wenn sich dort ein
dürrer Zweig findet. Zwei Männchen habe ich nie auf ein und demselben Baume bemerkt, wohl aber
beantworten sie sich gern von verschiedenen Bäumen her. Jeden Morgen begrüßen sie den jungen
Tag mit ihren metallreinen Tönen und nehmen unter allen Sängern am spätesten Abschied von der
scheidenden Sonne. ... Jn der Ruhe hängt der Schnabelzipfel seitlich herab; läßt der Glöckner
aber seine Laute erschallen, so bläst er den Zipfel auf, welcher sich dann zugleich mit der Spitze um
seine eigene Wurzel herumdreht. Stößt er blos einen einzelnen Ton aus, so richtet sich der Zipfel
augenblicklich empor, fällt aber unmittelbar nach dem Ausstoßen des Tones wieder um, beim nächsten
Schrei abermals sich emporrichtend. ... Die Weibchen mit ihrem bescheidenen zeisiggrünen
Gefieder sitzen nie so hoch wie die Männchen und halten sich stets in dem niederen Gezweige der Wald-
bäume auf. Mir sind überhaupt nur wenige vorgekommen, was wohl darin seinen Grund haben
mag, daß das Weibchen vollkommen schweigsam ist und sich zugleich in Folge seines grünen Gefieders
nur sehr schwer aus dem ebenso grünen Laub der Bäume herausfinden läßt."

"Merkwürdig sehen die jungen Männchen in ihrem Uebergangskleide von grün zu weiß aus.
Jm zweiten Jahre haben sie ein förmlich geschecktes Gefieder und erst im dritten Jahre erhalten sie
das Kleid ihres Vaters."

Beeren und Früchte scheinen die gewöhnliche Nahrung der Glockenvögel zu bilden. Der Prinz
von Wied
fand niemals Kerbthiere im Magen der vielen von seiner Gesellschaft erlegten Schmidte,
welche er untersuchte; Schomburgk dagegen behauptet, Reste von Kerfen im Magen des Glöckners
bemerkt zu haben. Rothe Beeren und rothe, den Kirschen ähnliche Früchte, zuweilen auch eine kleine
Art von Bohnen, kurz, immer Baumfrüchte, sind die Nahrung derer gewesen, welche der Prinz
untersucht hat, dieselben Früchte, welche nach seinen Beobachtungen fast alle übrigen Schmuckvögel
fressen.

"Es ist unbekannt", sagt Waterton, "in welchem Theile Guyana's der Glöckner sein Nest
macht." "Merkwürdig ist es", bestätigt Schomburgk, "daß die Jndianer weder die Nester noch

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Hämmerling.
Geläute, dann tritt eine minutenlange Pauſe ein, hierauf folgt wieder ein Glockenſchlag und wiederum
eine Pauſe, und ſo wechſelt es zum drittenmale ab. Dann ſchweigt er ſechs oder acht Minuten lang;
und hierauf beginnt er von neuem. Acteon würde ſeine eifrigſte Jagd unterbrechen, Maria ihr
Abendlied verzögern, Orpheus ſelbſt ſeinen Geſang aufgeben, um dieſen Vogel zu belauſchen, ſo
ſüß, ſo neu, ſo romantiſch iſt der Klang ſeiner Stimme.‟

„Jch vernahm‟, ſagt Schomburgk, wohl Waterton benutzend, „aus dem nahen Walde
wunderbare Töne, wie ich ſie noch nie gehört. Es war, als ſchlüge man zugleich an mehrere har-
moniſch geſtimmte Glasglocken. Jetzt hörte ich ſie wieder und nach einer minutenlangen Pauſe wieder
und wieder. Dann trat ein etwas längerer Zwiſchenraum von etwa ſechs bis acht Minuten ein, und
von neuem erſchallten die vollen harmoniſchen Töne. Eine ganze Zeit ſtand ich, vor Erſtaunen
gefeſſelt und lauſchte, ob ſich die fabelhaften Klänge nicht abermals hören laſſen würden — ſie
ſchwiegen, und voller Begierde wandte ich mich mit meinen Fragen an meinen Bruder, von dem ich
nun erfuhr, daß Dies die Stimme des Glöckners ſei. Kein Geſang, keine Stimme irgend eines der
befiederten Bewohner der Wälder Guyana’s, ſelbſt nicht die ſo deutlich ausgeſprochenen Worte der
Ziegenmelker hatten mich in gleiches Erſtaunen verſetzt, wie die Glockentöne des Hämmerlings. Daß
die Vögel in Guyana die Gabe der Sprache beſaßen, hatte ich ja bei meinem erſten Schritt auf dieſem
merkwürdigen Erdtheil ſchon erfahren, — ſolche Töne aber waren mir bisher noch gänzlich unbekannt
geblieben, und meine Aufmerkſamkeit konnte jetzt auf nichts anderes gerichtet, durch nichts anderes
von dieſem wunderbaren Sänger abgezogen werden. …‟

„Jn der Nähe der Küſte gehört der Glöckner zu den Strichvögeln; am Temarara und Berbice
erſcheint er gewöhnlich im Mai und Juni; die unmittelbare Küſte beſucht er nie. Hohe Gebirgs-
waldungen ſcheint er am meiſten zu lieben, jedoch nur bis zu einer Meereshöhe von 12 bis 1500 Fuß
emporzuſteigen. Seine zauberhaften, glockenreinen Töne läßt er nur von dem äußerſten Gipfel der
rieſigen Morabäume erſchallen, welche er beſonders dann gern aufzufuchen ſcheint, wenn ſich dort ein
dürrer Zweig findet. Zwei Männchen habe ich nie auf ein und demſelben Baume bemerkt, wohl aber
beantworten ſie ſich gern von verſchiedenen Bäumen her. Jeden Morgen begrüßen ſie den jungen
Tag mit ihren metallreinen Tönen und nehmen unter allen Sängern am ſpäteſten Abſchied von der
ſcheidenden Sonne. … Jn der Ruhe hängt der Schnabelzipfel ſeitlich herab; läßt der Glöckner
aber ſeine Laute erſchallen, ſo bläſt er den Zipfel auf, welcher ſich dann zugleich mit der Spitze um
ſeine eigene Wurzel herumdreht. Stößt er blos einen einzelnen Ton aus, ſo richtet ſich der Zipfel
augenblicklich empor, fällt aber unmittelbar nach dem Ausſtoßen des Tones wieder um, beim nächſten
Schrei abermals ſich emporrichtend. … Die Weibchen mit ihrem beſcheidenen zeiſiggrünen
Gefieder ſitzen nie ſo hoch wie die Männchen und halten ſich ſtets in dem niederen Gezweige der Wald-
bäume auf. Mir ſind überhaupt nur wenige vorgekommen, was wohl darin ſeinen Grund haben
mag, daß das Weibchen vollkommen ſchweigſam iſt und ſich zugleich in Folge ſeines grünen Gefieders
nur ſehr ſchwer aus dem ebenſo grünen Laub der Bäume herausfinden läßt.‟

„Merkwürdig ſehen die jungen Männchen in ihrem Uebergangskleide von grün zu weiß aus.
Jm zweiten Jahre haben ſie ein förmlich geſchecktes Gefieder und erſt im dritten Jahre erhalten ſie
das Kleid ihres Vaters.‟

Beeren und Früchte ſcheinen die gewöhnliche Nahrung der Glockenvögel zu bilden. Der Prinz
von Wied
fand niemals Kerbthiere im Magen der vielen von ſeiner Geſellſchaft erlegten Schmidte,
welche er unterſuchte; Schomburgk dagegen behauptet, Reſte von Kerfen im Magen des Glöckners
bemerkt zu haben. Rothe Beeren und rothe, den Kirſchen ähnliche Früchte, zuweilen auch eine kleine
Art von Bohnen, kurz, immer Baumfrüchte, ſind die Nahrung derer geweſen, welche der Prinz
unterſucht hat, dieſelben Früchte, welche nach ſeinen Beobachtungen faſt alle übrigen Schmuckvögel
freſſen.

„Es iſt unbekannt‟, ſagt Waterton, „in welchem Theile Guyana’s der Glöckner ſein Neſt
macht.‟ „Merkwürdig iſt es‟, beſtätigt Schomburgk, „daß die Jndianer weder die Neſter noch

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[755/0799] Hämmerling. Geläute, dann tritt eine minutenlange Pauſe ein, hierauf folgt wieder ein Glockenſchlag und wiederum eine Pauſe, und ſo wechſelt es zum drittenmale ab. Dann ſchweigt er ſechs oder acht Minuten lang; und hierauf beginnt er von neuem. Acteon würde ſeine eifrigſte Jagd unterbrechen, Maria ihr Abendlied verzögern, Orpheus ſelbſt ſeinen Geſang aufgeben, um dieſen Vogel zu belauſchen, ſo ſüß, ſo neu, ſo romantiſch iſt der Klang ſeiner Stimme.‟ „Jch vernahm‟, ſagt Schomburgk, wohl Waterton benutzend, „aus dem nahen Walde wunderbare Töne, wie ich ſie noch nie gehört. Es war, als ſchlüge man zugleich an mehrere har- moniſch geſtimmte Glasglocken. Jetzt hörte ich ſie wieder und nach einer minutenlangen Pauſe wieder und wieder. Dann trat ein etwas längerer Zwiſchenraum von etwa ſechs bis acht Minuten ein, und von neuem erſchallten die vollen harmoniſchen Töne. Eine ganze Zeit ſtand ich, vor Erſtaunen gefeſſelt und lauſchte, ob ſich die fabelhaften Klänge nicht abermals hören laſſen würden — ſie ſchwiegen, und voller Begierde wandte ich mich mit meinen Fragen an meinen Bruder, von dem ich nun erfuhr, daß Dies die Stimme des Glöckners ſei. Kein Geſang, keine Stimme irgend eines der befiederten Bewohner der Wälder Guyana’s, ſelbſt nicht die ſo deutlich ausgeſprochenen Worte der Ziegenmelker hatten mich in gleiches Erſtaunen verſetzt, wie die Glockentöne des Hämmerlings. Daß die Vögel in Guyana die Gabe der Sprache beſaßen, hatte ich ja bei meinem erſten Schritt auf dieſem merkwürdigen Erdtheil ſchon erfahren, — ſolche Töne aber waren mir bisher noch gänzlich unbekannt geblieben, und meine Aufmerkſamkeit konnte jetzt auf nichts anderes gerichtet, durch nichts anderes von dieſem wunderbaren Sänger abgezogen werden. …‟ „Jn der Nähe der Küſte gehört der Glöckner zu den Strichvögeln; am Temarara und Berbice erſcheint er gewöhnlich im Mai und Juni; die unmittelbare Küſte beſucht er nie. Hohe Gebirgs- waldungen ſcheint er am meiſten zu lieben, jedoch nur bis zu einer Meereshöhe von 12 bis 1500 Fuß emporzuſteigen. Seine zauberhaften, glockenreinen Töne läßt er nur von dem äußerſten Gipfel der rieſigen Morabäume erſchallen, welche er beſonders dann gern aufzufuchen ſcheint, wenn ſich dort ein dürrer Zweig findet. Zwei Männchen habe ich nie auf ein und demſelben Baume bemerkt, wohl aber beantworten ſie ſich gern von verſchiedenen Bäumen her. Jeden Morgen begrüßen ſie den jungen Tag mit ihren metallreinen Tönen und nehmen unter allen Sängern am ſpäteſten Abſchied von der ſcheidenden Sonne. … Jn der Ruhe hängt der Schnabelzipfel ſeitlich herab; läßt der Glöckner aber ſeine Laute erſchallen, ſo bläſt er den Zipfel auf, welcher ſich dann zugleich mit der Spitze um ſeine eigene Wurzel herumdreht. Stößt er blos einen einzelnen Ton aus, ſo richtet ſich der Zipfel augenblicklich empor, fällt aber unmittelbar nach dem Ausſtoßen des Tones wieder um, beim nächſten Schrei abermals ſich emporrichtend. … Die Weibchen mit ihrem beſcheidenen zeiſiggrünen Gefieder ſitzen nie ſo hoch wie die Männchen und halten ſich ſtets in dem niederen Gezweige der Wald- bäume auf. Mir ſind überhaupt nur wenige vorgekommen, was wohl darin ſeinen Grund haben mag, daß das Weibchen vollkommen ſchweigſam iſt und ſich zugleich in Folge ſeines grünen Gefieders nur ſehr ſchwer aus dem ebenſo grünen Laub der Bäume herausfinden läßt.‟ „Merkwürdig ſehen die jungen Männchen in ihrem Uebergangskleide von grün zu weiß aus. Jm zweiten Jahre haben ſie ein förmlich geſchecktes Gefieder und erſt im dritten Jahre erhalten ſie das Kleid ihres Vaters.‟ Beeren und Früchte ſcheinen die gewöhnliche Nahrung der Glockenvögel zu bilden. Der Prinz von Wied fand niemals Kerbthiere im Magen der vielen von ſeiner Geſellſchaft erlegten Schmidte, welche er unterſuchte; Schomburgk dagegen behauptet, Reſte von Kerfen im Magen des Glöckners bemerkt zu haben. Rothe Beeren und rothe, den Kirſchen ähnliche Früchte, zuweilen auch eine kleine Art von Bohnen, kurz, immer Baumfrüchte, ſind die Nahrung derer geweſen, welche der Prinz unterſucht hat, dieſelben Früchte, welche nach ſeinen Beobachtungen faſt alle übrigen Schmuckvögel freſſen. „Es iſt unbekannt‟, ſagt Waterton, „in welchem Theile Guyana’s der Glöckner ſein Neſt macht.‟ „Merkwürdig iſt es‟, beſtätigt Schomburgk, „daß die Jndianer weder die Neſter noch 48 *

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 755. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/799>, abgerufen am 22.11.2024.