wollte anfangen zu schlagen. Nach diesen wurde der Gesang ganz blaukehlchenartig; das "Zizi" schien (aber nicht mehr so scharf) als Grundstimme fortzutönen, während man mehrere tiefe Töne hörte, von denen einige flötend klangen, die andern aber hervorgewürgt wurden, als wenn sie der Vogel mit Gewalt hervorstoßen müßte. Auch kam dann und wann ein gewisses, dem der Meisen ähnliches "Zizitä" und ein dem der Grillen ähnliches Gezirp vor. Nur einige von den Strophen wurden schnell durchgeschlagen, die andern aber langsam vorgetragen. Jemand, welcher mehrere dieser Vögel besaß, sagte mir, daß sie in ihrem Gesange viel Rothschwanzartiges hätten, und je nachdem sie in den Auen neben guten oder schlechten Sängern gestanden, bessere oder schlechtere Strophen hören ließen, was ganz mit meinen Erfahrungen übereinstimmt."
Die Bewegungen sind die des Fliegenfängers. Der Flug ist schnell, gewandt, und wenn er länger fortgesetzt wird, wellenförmig; der Gang auf dem Boden ist ebenso schwerfällig, wie bei irgend einem andern dieser kaum gehfähigen Vögel.
Beide Fliegenfänger jagen derselben Beute nach, wie ihr gefleckter Berwandter, beide jagen in der gleichen Weise und beide fressen im Nothfalle Beeren. Bei trübem Wetter durchflattern sie die Baumkronen und nehmen fliegend die sitzenden Kerfe von den Blättern weg. Bei günstiger Witte- rung erheben sie sich oft hoch in die Luft, um eine erspähete Fliege, Mücke, Schnake, Bremse, einen Schmetterling, eine Heuschrecke etc. aufzunehmen; selbst vom Boden erheben sie zuweilen ein Kerb- thier, aber auch Dies geschieht nur fliegend. Wie alle Vögel, welche sich viel bewegen, sind sie sehr gefräßig und deshalb fast ununterbrochen in Thätigkeit, oder, was Dasselbe sagen will, auf der Jagd.
Laubwaldungen, in denen alte, hohe und theilweise hohle Bäume stehen, sind die liebsten Brut- orte der Trauerfliegenfänger. Sie suchen sich hier eine passende Höhlung und füllen diese liederlich mit Mos und feinen Wurzeln aus, welche innen durch Federn, Wolle, Haare eine sorgfältig geord- nete Ausfütterung erhalten. Jn Ermangelung solcher Höhlen bauen sie ihr Nest auch wohl in dicht verworrene Zweige nahe am Schafte oder auf alte Baumstumpfe. Das Gelege besteht aus fünf bis sechs zartschaligen, blaßgrünspanfarbigen Eiern, welche von beiden Geschlechtern abwechselnd bebrütet werden. Jm Verlauf von etwa vierzehn Tagen sind die Eier gezeitigt, in weiteren drei Wochen die Jungen ausgeflogen. Sie werden dann aber noch lange Zeit von den Eltern geführt und geleitet.
Jn Gegenden, in denen die Trauerfliegenfänger regelmäßig brüten, kann man sie durch zweck- mäßig eingerichtete Nistkästchen in bestimmten Gärten oder Baumpflanzungen festhalten, und sie werden dann oft überraschend zahm. "Ein Trauerfliegenfänger", erzählt Baldamus, "welcher in einem Nistkasten meines Gartens brütete, hatte sich durch mein öfters wiederholtes Beobachten seiner Brutgeschäfte dermaßen an außerordentliche Störungen gewöhnt, daß er ruhig auf dem Neste sitzen blieb, wenn ich den Kasten in die Stube brachte und den Deckel abnahm, um das trauliche Thierchen zu zeigen." Derselbe Vogel gab, wie Baldamus später berichtet, einst zu einem anmuthigen Scherze Veranlassung. Zwei Vogelkundige ersten Ranges, der Prinz Lucian Bonaparte und Schlegel, der Vorsteher des Leydener Museums, besuchten Baldamus und stritten sich mit ihm über diesen Fliegenfänger und seinen Verwandten. Die weltberühmten Gelehrten vertraten den Standpunkt der Balgforscher, ohne jedoch Baldamus, einen hochbegabten Beobachter des Thierlebens, überzeugen zu können. Zum Beweise für seine Ansicht holte Letzterer das Nistkästchen mit dem brütenden Fliegen- fängerweibchen vom Baume herab, brachte es ins Zimmer, öffnete den Deckel des Kästchens und ent- schied dadurch augenblicklich den Streit zu seinen Gunsten.
Die Trauerfliegenfänger werden gern im Käfig gehalten. Sie gehören zu den angenehmsten Stubenvögeln; denn sie erfreuen den Liebhaber ebensowohl durch ihr zahmes und artiges Wesen, wie durch ihren Gesang. Wenn man sie frei im Zimmer umherfliegen läßt, säubern sie dasselbe gründlich von Fliegen und Mücken und werden so zahm, daß sie ihrem Gebieter die vorgehaltenen Fliegen aus der Hand nehmen. Jm engeren Raum müssen sie Nachtigallenfutter erhalten.
Jn Deutschland verfolgt die nützlichen Vögel glücklicherweise Niemand; in Jtalien findet leider das Gegentheil statt. Man hat entdeckt, daß das Fleisch von vortrefflichem Geschmack ist und gibt
Die Fänger. Singvögel. Fliegenfänger.
wollte anfangen zu ſchlagen. Nach dieſen wurde der Geſang ganz blaukehlchenartig; das „Zizi‟ ſchien (aber nicht mehr ſo ſcharf) als Grundſtimme fortzutönen, während man mehrere tiefe Töne hörte, von denen einige flötend klangen, die andern aber hervorgewürgt wurden, als wenn ſie der Vogel mit Gewalt hervorſtoßen müßte. Auch kam dann und wann ein gewiſſes, dem der Meiſen ähnliches „Zizitä‟ und ein dem der Grillen ähnliches Gezirp vor. Nur einige von den Strophen wurden ſchnell durchgeſchlagen, die andern aber langſam vorgetragen. Jemand, welcher mehrere dieſer Vögel beſaß, ſagte mir, daß ſie in ihrem Geſange viel Rothſchwanzartiges hätten, und je nachdem ſie in den Auen neben guten oder ſchlechten Sängern geſtanden, beſſere oder ſchlechtere Strophen hören ließen, was ganz mit meinen Erfahrungen übereinſtimmt.‟
Die Bewegungen ſind die des Fliegenfängers. Der Flug iſt ſchnell, gewandt, und wenn er länger fortgeſetzt wird, wellenförmig; der Gang auf dem Boden iſt ebenſo ſchwerfällig, wie bei irgend einem andern dieſer kaum gehfähigen Vögel.
Beide Fliegenfänger jagen derſelben Beute nach, wie ihr gefleckter Berwandter, beide jagen in der gleichen Weiſe und beide freſſen im Nothfalle Beeren. Bei trübem Wetter durchflattern ſie die Baumkronen und nehmen fliegend die ſitzenden Kerfe von den Blättern weg. Bei günſtiger Witte- rung erheben ſie ſich oft hoch in die Luft, um eine erſpähete Fliege, Mücke, Schnake, Bremſe, einen Schmetterling, eine Heuſchrecke ꝛc. aufzunehmen; ſelbſt vom Boden erheben ſie zuweilen ein Kerb- thier, aber auch Dies geſchieht nur fliegend. Wie alle Vögel, welche ſich viel bewegen, ſind ſie ſehr gefräßig und deshalb faſt ununterbrochen in Thätigkeit, oder, was Daſſelbe ſagen will, auf der Jagd.
Laubwaldungen, in denen alte, hohe und theilweiſe hohle Bäume ſtehen, ſind die liebſten Brut- orte der Trauerfliegenfänger. Sie ſuchen ſich hier eine paſſende Höhlung und füllen dieſe liederlich mit Mos und feinen Wurzeln aus, welche innen durch Federn, Wolle, Haare eine ſorgfältig geord- nete Ausfütterung erhalten. Jn Ermangelung ſolcher Höhlen bauen ſie ihr Neſt auch wohl in dicht verworrene Zweige nahe am Schafte oder auf alte Baumſtumpfe. Das Gelege beſteht aus fünf bis ſechs zartſchaligen, blaßgrünſpanfarbigen Eiern, welche von beiden Geſchlechtern abwechſelnd bebrütet werden. Jm Verlauf von etwa vierzehn Tagen ſind die Eier gezeitigt, in weiteren drei Wochen die Jungen ausgeflogen. Sie werden dann aber noch lange Zeit von den Eltern geführt und geleitet.
Jn Gegenden, in denen die Trauerfliegenfänger regelmäßig brüten, kann man ſie durch zweck- mäßig eingerichtete Niſtkäſtchen in beſtimmten Gärten oder Baumpflanzungen feſthalten, und ſie werden dann oft überraſchend zahm. „Ein Trauerfliegenfänger‟, erzählt Baldamus, „welcher in einem Niſtkaſten meines Gartens brütete, hatte ſich durch mein öfters wiederholtes Beobachten ſeiner Brutgeſchäfte dermaßen an außerordentliche Störungen gewöhnt, daß er ruhig auf dem Neſte ſitzen blieb, wenn ich den Kaſten in die Stube brachte und den Deckel abnahm, um das trauliche Thierchen zu zeigen.‟ Derſelbe Vogel gab, wie Baldamus ſpäter berichtet, einſt zu einem anmuthigen Scherze Veranlaſſung. Zwei Vogelkundige erſten Ranges, der Prinz Lucian Bonaparte und Schlegel, der Vorſteher des Leydener Muſeums, beſuchten Baldamus und ſtritten ſich mit ihm über dieſen Fliegenfänger und ſeinen Verwandten. Die weltberühmten Gelehrten vertraten den Standpunkt der Balgforſcher, ohne jedoch Baldamus, einen hochbegabten Beobachter des Thierlebens, überzeugen zu können. Zum Beweiſe für ſeine Anſicht holte Letzterer das Niſtkäſtchen mit dem brütenden Fliegen- fängerweibchen vom Baume herab, brachte es ins Zimmer, öffnete den Deckel des Käſtchens und ent- ſchied dadurch augenblicklich den Streit zu ſeinen Gunſten.
Die Trauerfliegenfänger werden gern im Käfig gehalten. Sie gehören zu den angenehmſten Stubenvögeln; denn ſie erfreuen den Liebhaber ebenſowohl durch ihr zahmes und artiges Weſen, wie durch ihren Geſang. Wenn man ſie frei im Zimmer umherfliegen läßt, ſäubern ſie daſſelbe gründlich von Fliegen und Mücken und werden ſo zahm, daß ſie ihrem Gebieter die vorgehaltenen Fliegen aus der Hand nehmen. Jm engeren Raum müſſen ſie Nachtigallenfutter erhalten.
Jn Deutſchland verfolgt die nützlichen Vögel glücklicherweiſe Niemand; in Jtalien findet leider das Gegentheil ſtatt. Man hat entdeckt, daß das Fleiſch von vortrefflichem Geſchmack iſt und gibt
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Die Fänger. Singvögel. Fliegenfänger.
wollte anfangen zu ſchlagen. Nach dieſen wurde der Geſang ganz blaukehlchenartig; das „Zizi‟
ſchien (aber nicht mehr ſo ſcharf) als Grundſtimme fortzutönen, während man mehrere tiefe Töne
hörte, von denen einige flötend klangen, die andern aber hervorgewürgt wurden, als wenn ſie der Vogel
mit Gewalt hervorſtoßen müßte. Auch kam dann und wann ein gewiſſes, dem der Meiſen ähnliches
„Zizitä‟ und ein dem der Grillen ähnliches Gezirp vor. Nur einige von den Strophen wurden ſchnell
durchgeſchlagen, die andern aber langſam vorgetragen. Jemand, welcher mehrere dieſer Vögel beſaß,
ſagte mir, daß ſie in ihrem Geſange viel Rothſchwanzartiges hätten, und je nachdem ſie in den Auen
neben guten oder ſchlechten Sängern geſtanden, beſſere oder ſchlechtere Strophen hören ließen, was
ganz mit meinen Erfahrungen übereinſtimmt.‟
Die Bewegungen ſind die des Fliegenfängers. Der Flug iſt ſchnell, gewandt, und wenn er
länger fortgeſetzt wird, wellenförmig; der Gang auf dem Boden iſt ebenſo ſchwerfällig, wie bei irgend
einem andern dieſer kaum gehfähigen Vögel.
Beide Fliegenfänger jagen derſelben Beute nach, wie ihr gefleckter Berwandter, beide jagen in
der gleichen Weiſe und beide freſſen im Nothfalle Beeren. Bei trübem Wetter durchflattern ſie die
Baumkronen und nehmen fliegend die ſitzenden Kerfe von den Blättern weg. Bei günſtiger Witte-
rung erheben ſie ſich oft hoch in die Luft, um eine erſpähete Fliege, Mücke, Schnake, Bremſe, einen
Schmetterling, eine Heuſchrecke ꝛc. aufzunehmen; ſelbſt vom Boden erheben ſie zuweilen ein Kerb-
thier, aber auch Dies geſchieht nur fliegend. Wie alle Vögel, welche ſich viel bewegen, ſind ſie ſehr
gefräßig und deshalb faſt ununterbrochen in Thätigkeit, oder, was Daſſelbe ſagen will, auf der Jagd.
Laubwaldungen, in denen alte, hohe und theilweiſe hohle Bäume ſtehen, ſind die liebſten Brut-
orte der Trauerfliegenfänger. Sie ſuchen ſich hier eine paſſende Höhlung und füllen dieſe liederlich
mit Mos und feinen Wurzeln aus, welche innen durch Federn, Wolle, Haare eine ſorgfältig geord-
nete Ausfütterung erhalten. Jn Ermangelung ſolcher Höhlen bauen ſie ihr Neſt auch wohl in dicht
verworrene Zweige nahe am Schafte oder auf alte Baumſtumpfe. Das Gelege beſteht aus fünf bis
ſechs zartſchaligen, blaßgrünſpanfarbigen Eiern, welche von beiden Geſchlechtern abwechſelnd bebrütet
werden. Jm Verlauf von etwa vierzehn Tagen ſind die Eier gezeitigt, in weiteren drei Wochen die
Jungen ausgeflogen. Sie werden dann aber noch lange Zeit von den Eltern geführt und geleitet.
Jn Gegenden, in denen die Trauerfliegenfänger regelmäßig brüten, kann man ſie durch zweck-
mäßig eingerichtete Niſtkäſtchen in beſtimmten Gärten oder Baumpflanzungen feſthalten, und ſie
werden dann oft überraſchend zahm. „Ein Trauerfliegenfänger‟, erzählt Baldamus, „welcher in
einem Niſtkaſten meines Gartens brütete, hatte ſich durch mein öfters wiederholtes Beobachten ſeiner
Brutgeſchäfte dermaßen an außerordentliche Störungen gewöhnt, daß er ruhig auf dem Neſte ſitzen
blieb, wenn ich den Kaſten in die Stube brachte und den Deckel abnahm, um das trauliche Thierchen
zu zeigen.‟ Derſelbe Vogel gab, wie Baldamus ſpäter berichtet, einſt zu einem anmuthigen Scherze
Veranlaſſung. Zwei Vogelkundige erſten Ranges, der Prinz Lucian Bonaparte und Schlegel,
der Vorſteher des Leydener Muſeums, beſuchten Baldamus und ſtritten ſich mit ihm über dieſen
Fliegenfänger und ſeinen Verwandten. Die weltberühmten Gelehrten vertraten den Standpunkt der
Balgforſcher, ohne jedoch Baldamus, einen hochbegabten Beobachter des Thierlebens, überzeugen zu
können. Zum Beweiſe für ſeine Anſicht holte Letzterer das Niſtkäſtchen mit dem brütenden Fliegen-
fängerweibchen vom Baume herab, brachte es ins Zimmer, öffnete den Deckel des Käſtchens und ent-
ſchied dadurch augenblicklich den Streit zu ſeinen Gunſten.
Die Trauerfliegenfänger werden gern im Käfig gehalten. Sie gehören zu den angenehmſten
Stubenvögeln; denn ſie erfreuen den Liebhaber ebenſowohl durch ihr zahmes und artiges Weſen, wie
durch ihren Geſang. Wenn man ſie frei im Zimmer umherfliegen läßt, ſäubern ſie daſſelbe gründlich
von Fliegen und Mücken und werden ſo zahm, daß ſie ihrem Gebieter die vorgehaltenen Fliegen aus
der Hand nehmen. Jm engeren Raum müſſen ſie Nachtigallenfutter erhalten.
Jn Deutſchland verfolgt die nützlichen Vögel glücklicherweiſe Niemand; in Jtalien findet leider
das Gegentheil ſtatt. Man hat entdeckt, daß das Fleiſch von vortrefflichem Geſchmack iſt und gibt
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 736. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/780>, abgerufen am 22.11.2024.
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