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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Die Fänger. Singvögel. Fliegenfänger.
gewöhnt sich ohne Umstände an den Verlust seiner Freiheit und wird sehr zahm. "Man hat ihn",
sagt Naumann, "auf dem Lande gern in den Wohnstuben, um diese von den lästigen Fliegen zu
reinigen, wozu er besser als irgend ein anderer Vogel taugt. Kaum hat er in der Stube die Fenster
untersucht und die Unmöglichkeit zu entkommen eingesehen, so fängt er auch gleich an, Fliegen zu
fangen, ruhet nicht, so lange es welche gibt und wird daher, und wenn der Zufluß auch noch so stark
wäre, bald damit fertig. Will man ihn dann keine Noth leiden lassen, so muß man Fliegen oder
Holunderbeeren herbeischaffen. Weil er gewohnt ist, von einem freien, erhabenen Sitze sich nach den
Kerbthieren umzusehen, sie fliegend zu fangen und dann zu diesem wieder zurückzukehren, so verun-
reinigt er das Geschränke weniger als andere Vögel. Einige Schrankecken sind daher bald seine
Lieblingssitze, wo man Anstalten treffen kann, daß er hier Nichts durch seinen Unrath verdirbt.
Gewöhnlich nimmt er seinen Sitz in der Nähe der Stubenthüre, durch welche die Fliegen herein-
kommen. Setzt man nun daselbst ein Kästchen mit Sand gefüllt hin, in welches ein etwa vier bis fünf
Fuß hoher Stab, oben mit einem Querholze versehen, senkrecht befestigt ist, so wird er diesen bequemen
Sitz allen andern vorziehen und die Stube nicht verunreinigen ... Seiner oben erwähnten guten
Eigenschaften wegen liebte mein Vater diesen Vogel sehr und hielt immer einen in der Stube; ja es
gelang ihm sogar mehrmals, einen an Semmel, in Milch gequellt, zu gewöhnen und so den ganzen
Winter hindurch zu erhalten, worauf er ihm im Frühjahr immer die Freiheit wieder schenkte. Sie
wurden sehr zahm, fraßen auch ganz klein geschnittenes Fleisch sehr gern und wußten es, wenn man
es auf sie zuwarf, sehr behende aufzufangen, ehe es auf den Boden fiel."



Die Trauerfliegenfänger (Muscicapa) unterscheiden sich von ihrem vorstehend beschriebenen
Verwandten durch kürzeren Schnabel, welcher von oben betrachtet ein fast gleichseitiges Dreieck bildet,
die verhältnißmäßig etwas kürzeren Flügel und das auch nach den Geschlechtern verschiedene Kleid.

Der Trauervogel, Lock- oder Dornfink, das Mohren- oder Todtenköpfchen, Baumschwälb-
chen u. s. w. (Muscicapa atricapilla), die in Deutschland häufigste Art der Sippe, ist 5 Zoll lang
und 81/2 bis 83/4 Zoll breit; die Fittiglänge beträgt 23/4, die Schwanzlänge 2 bis 2 1/6 Zoll. Das
Gefieder ist nach Geschlecht, Alter und Jahreszeit verschieden. Jm Hochzeitskleide ist das Männchen
auf der ganzen Oberseite tiefgrau, mehr oder weniger deutlich schwarz gefleckt; die Stirn, die ganze
Unterseite und ein Schild auf den Flügeln sind weiß. Das Weibchen ist oben braungrau,
unten schmuzig weiß; seine Vorderschwingen sind einfach schwarzbraun, die drei hintersten weiß
gesäumt, die drei äußersten Schwanzfedern auf der Außenfahue weiß. Sehr ähnlich sehen die Jungen
aus. Das Auge ist dunkelbraun, Schnabel und Füße sind schwarz.

Eine zweite Art der Sippe, der Halsbandfliegenfänger (Muscicapa albicollis) ist oft mit
dem Trauervogel verwechselt worden, und die Weibchen beider Arten sind auch in der That schwer
zu unterscheiden. Das alte Männchen des letztgenannten erkennt man an seinem weißen Halsbande.
Dem Weibchen fehlen die lichten Säume an den Schwungfedern.

Der Trauervogel ist in allen Ländern Europas gefunden worden, der Halsbandfliegenfänger
scheint ihn im Süden unseres Erdtheils, namentlich in Jtalien und Griechenland zu vertreten, verbreitet
sich von dort aus bis in das südöstliche Deutschland, gehört aber im Norden unseres Vaterlandes zu
den großen Seltenheiten. Den Trauervogel sieht man bei uns zu Lande in allen ebenen Gegenden,
wenigstens während seines Zuges. Er trifft in der letzten Hälfte des Aprils bei uns ein und zieht
Ende Augusts und Anfangs September wieder von uns weg. Die Männchen pflegen eher zu
erscheinen, als die Weibchen und uns früher zu verlassen. Die Reisen, welche des Nachts geschehen,
werden bis nach Mittelafrika ausgedehnt.

Die Fänger. Singvögel. Fliegenfänger.
gewöhnt ſich ohne Umſtände an den Verluſt ſeiner Freiheit und wird ſehr zahm. „Man hat ihn‟,
ſagt Naumann, „auf dem Lande gern in den Wohnſtuben, um dieſe von den läſtigen Fliegen zu
reinigen, wozu er beſſer als irgend ein anderer Vogel taugt. Kaum hat er in der Stube die Fenſter
unterſucht und die Unmöglichkeit zu entkommen eingeſehen, ſo fängt er auch gleich an, Fliegen zu
fangen, ruhet nicht, ſo lange es welche gibt und wird daher, und wenn der Zufluß auch noch ſo ſtark
wäre, bald damit fertig. Will man ihn dann keine Noth leiden laſſen, ſo muß man Fliegen oder
Holunderbeeren herbeiſchaffen. Weil er gewohnt iſt, von einem freien, erhabenen Sitze ſich nach den
Kerbthieren umzuſehen, ſie fliegend zu fangen und dann zu dieſem wieder zurückzukehren, ſo verun-
reinigt er das Geſchränke weniger als andere Vögel. Einige Schrankecken ſind daher bald ſeine
Lieblingsſitze, wo man Anſtalten treffen kann, daß er hier Nichts durch ſeinen Unrath verdirbt.
Gewöhnlich nimmt er ſeinen Sitz in der Nähe der Stubenthüre, durch welche die Fliegen herein-
kommen. Setzt man nun daſelbſt ein Käſtchen mit Sand gefüllt hin, in welches ein etwa vier bis fünf
Fuß hoher Stab, oben mit einem Querholze verſehen, ſenkrecht befeſtigt iſt, ſo wird er dieſen bequemen
Sitz allen andern vorziehen und die Stube nicht verunreinigen … Seiner oben erwähnten guten
Eigenſchaften wegen liebte mein Vater dieſen Vogel ſehr und hielt immer einen in der Stube; ja es
gelang ihm ſogar mehrmals, einen an Semmel, in Milch gequellt, zu gewöhnen und ſo den ganzen
Winter hindurch zu erhalten, worauf er ihm im Frühjahr immer die Freiheit wieder ſchenkte. Sie
wurden ſehr zahm, fraßen auch ganz klein geſchnittenes Fleiſch ſehr gern und wußten es, wenn man
es auf ſie zuwarf, ſehr behende aufzufangen, ehe es auf den Boden fiel.‟



Die Trauerfliegenfänger (Muscicapa) unterſcheiden ſich von ihrem vorſtehend beſchriebenen
Verwandten durch kürzeren Schnabel, welcher von oben betrachtet ein faſt gleichſeitiges Dreieck bildet,
die verhältnißmäßig etwas kürzeren Flügel und das auch nach den Geſchlechtern verſchiedene Kleid.

Der Trauervogel, Lock- oder Dornfink, das Mohren- oder Todtenköpfchen, Baumſchwälb-
chen u. ſ. w. (Muscicapa atricapilla), die in Deutſchland häufigſte Art der Sippe, iſt 5 Zoll lang
und 8½ bis 8¾ Zoll breit; die Fittiglänge beträgt 2¾, die Schwanzlänge 2 bis 2⅙ Zoll. Das
Gefieder iſt nach Geſchlecht, Alter und Jahreszeit verſchieden. Jm Hochzeitskleide iſt das Männchen
auf der ganzen Oberſeite tiefgrau, mehr oder weniger deutlich ſchwarz gefleckt; die Stirn, die ganze
Unterſeite und ein Schild auf den Flügeln ſind weiß. Das Weibchen iſt oben braungrau,
unten ſchmuzig weiß; ſeine Vorderſchwingen ſind einfach ſchwarzbraun, die drei hinterſten weiß
geſäumt, die drei äußerſten Schwanzfedern auf der Außenfahue weiß. Sehr ähnlich ſehen die Jungen
aus. Das Auge iſt dunkelbraun, Schnabel und Füße ſind ſchwarz.

Eine zweite Art der Sippe, der Halsbandfliegenfänger (Muscicapa albicollis) iſt oft mit
dem Trauervogel verwechſelt worden, und die Weibchen beider Arten ſind auch in der That ſchwer
zu unterſcheiden. Das alte Männchen des letztgenannten erkennt man an ſeinem weißen Halsbande.
Dem Weibchen fehlen die lichten Säume an den Schwungfedern.

Der Trauervogel iſt in allen Ländern Europas gefunden worden, der Halsbandfliegenfänger
ſcheint ihn im Süden unſeres Erdtheils, namentlich in Jtalien und Griechenland zu vertreten, verbreitet
ſich von dort aus bis in das ſüdöſtliche Deutſchland, gehört aber im Norden unſeres Vaterlandes zu
den großen Seltenheiten. Den Trauervogel ſieht man bei uns zu Lande in allen ebenen Gegenden,
wenigſtens während ſeines Zuges. Er trifft in der letzten Hälfte des Aprils bei uns ein und zieht
Ende Auguſts und Anfangs September wieder von uns weg. Die Männchen pflegen eher zu
erſcheinen, als die Weibchen und uns früher zu verlaſſen. Die Reiſen, welche des Nachts geſchehen,
werden bis nach Mittelafrika ausgedehnt.

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[734/0778] Die Fänger. Singvögel. Fliegenfänger. gewöhnt ſich ohne Umſtände an den Verluſt ſeiner Freiheit und wird ſehr zahm. „Man hat ihn‟, ſagt Naumann, „auf dem Lande gern in den Wohnſtuben, um dieſe von den läſtigen Fliegen zu reinigen, wozu er beſſer als irgend ein anderer Vogel taugt. Kaum hat er in der Stube die Fenſter unterſucht und die Unmöglichkeit zu entkommen eingeſehen, ſo fängt er auch gleich an, Fliegen zu fangen, ruhet nicht, ſo lange es welche gibt und wird daher, und wenn der Zufluß auch noch ſo ſtark wäre, bald damit fertig. Will man ihn dann keine Noth leiden laſſen, ſo muß man Fliegen oder Holunderbeeren herbeiſchaffen. Weil er gewohnt iſt, von einem freien, erhabenen Sitze ſich nach den Kerbthieren umzuſehen, ſie fliegend zu fangen und dann zu dieſem wieder zurückzukehren, ſo verun- reinigt er das Geſchränke weniger als andere Vögel. Einige Schrankecken ſind daher bald ſeine Lieblingsſitze, wo man Anſtalten treffen kann, daß er hier Nichts durch ſeinen Unrath verdirbt. Gewöhnlich nimmt er ſeinen Sitz in der Nähe der Stubenthüre, durch welche die Fliegen herein- kommen. Setzt man nun daſelbſt ein Käſtchen mit Sand gefüllt hin, in welches ein etwa vier bis fünf Fuß hoher Stab, oben mit einem Querholze verſehen, ſenkrecht befeſtigt iſt, ſo wird er dieſen bequemen Sitz allen andern vorziehen und die Stube nicht verunreinigen … Seiner oben erwähnten guten Eigenſchaften wegen liebte mein Vater dieſen Vogel ſehr und hielt immer einen in der Stube; ja es gelang ihm ſogar mehrmals, einen an Semmel, in Milch gequellt, zu gewöhnen und ſo den ganzen Winter hindurch zu erhalten, worauf er ihm im Frühjahr immer die Freiheit wieder ſchenkte. Sie wurden ſehr zahm, fraßen auch ganz klein geſchnittenes Fleiſch ſehr gern und wußten es, wenn man es auf ſie zuwarf, ſehr behende aufzufangen, ehe es auf den Boden fiel.‟ Die Trauerfliegenfänger (Muscicapa) unterſcheiden ſich von ihrem vorſtehend beſchriebenen Verwandten durch kürzeren Schnabel, welcher von oben betrachtet ein faſt gleichſeitiges Dreieck bildet, die verhältnißmäßig etwas kürzeren Flügel und das auch nach den Geſchlechtern verſchiedene Kleid. Der Trauervogel, Lock- oder Dornfink, das Mohren- oder Todtenköpfchen, Baumſchwälb- chen u. ſ. w. (Muscicapa atricapilla), die in Deutſchland häufigſte Art der Sippe, iſt 5 Zoll lang und 8½ bis 8¾ Zoll breit; die Fittiglänge beträgt 2¾, die Schwanzlänge 2 bis 2⅙ Zoll. Das Gefieder iſt nach Geſchlecht, Alter und Jahreszeit verſchieden. Jm Hochzeitskleide iſt das Männchen auf der ganzen Oberſeite tiefgrau, mehr oder weniger deutlich ſchwarz gefleckt; die Stirn, die ganze Unterſeite und ein Schild auf den Flügeln ſind weiß. Das Weibchen iſt oben braungrau, unten ſchmuzig weiß; ſeine Vorderſchwingen ſind einfach ſchwarzbraun, die drei hinterſten weiß geſäumt, die drei äußerſten Schwanzfedern auf der Außenfahue weiß. Sehr ähnlich ſehen die Jungen aus. Das Auge iſt dunkelbraun, Schnabel und Füße ſind ſchwarz. Eine zweite Art der Sippe, der Halsbandfliegenfänger (Muscicapa albicollis) iſt oft mit dem Trauervogel verwechſelt worden, und die Weibchen beider Arten ſind auch in der That ſchwer zu unterſcheiden. Das alte Männchen des letztgenannten erkennt man an ſeinem weißen Halsbande. Dem Weibchen fehlen die lichten Säume an den Schwungfedern. Der Trauervogel iſt in allen Ländern Europas gefunden worden, der Halsbandfliegenfänger ſcheint ihn im Süden unſeres Erdtheils, namentlich in Jtalien und Griechenland zu vertreten, verbreitet ſich von dort aus bis in das ſüdöſtliche Deutſchland, gehört aber im Norden unſeres Vaterlandes zu den großen Seltenheiten. Den Trauervogel ſieht man bei uns zu Lande in allen ebenen Gegenden, wenigſtens während ſeines Zuges. Er trifft in der letzten Hälfte des Aprils bei uns ein und zieht Ende Auguſts und Anfangs September wieder von uns weg. Die Männchen pflegen eher zu erſcheinen, als die Weibchen und uns früher zu verlaſſen. Die Reiſen, welche des Nachts geſchehen, werden bis nach Mittelafrika ausgedehnt.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 734. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/778>, abgerufen am 22.11.2024.