selbstverständlich ihr Eigenthümliches im Wesen und Betragen; doch ähneln sich die Verwandten so, daß wir auch hier wieder das von Einem Bekannte mit gewissen Beschränkungen auf andere beziehen dürfen.
An geeigneten Oertlichkeiten sind die Schwalbenwürger sehr häufige Vögel. Sie bevorzugen waldige Gegenden und in solchen gewisse Lieblingsbäume. So findet sich eine indische Art haupt- sächlich da, wo die Palmirapalme auftritt, und hat deshalb von den Eingebornen den Namen Palmira- schwalbe erhalten. Ein auf Java lebender Schwalbenwürger wählt sich am liebsten solche Gegenden, wo ausgedehnte, mit kurzem Gras bestandene Triften oder Felder mit kleinen Gehölzen und Gärten abwechseln oder wenigstens durch einzeln stehende Bäume die zur Annehmlichkeit des Lebens unserer Vögel erforderlichen Bedingungen enthalten. Die Bäume dienen zu Sammel- und Ruheplätzen; sie werden gewissermaßen zum Mittelpunkt des Jagdgebiets. Bernstein berichtet uns, daß die javanische Art sich auf ihrem Lieblingsbaume mit Leichtigkeit beobachten, ja von ihm kaum vertreiben läßt; denn der Vogel kehrt auch dann immer und immer wieder zu demselben zurück, wenn er eine entschiedene Ver- folgung erleidet. Nach der Brutzeit trifft man gewöhnlich die ganze Familie auf demselben Baume an, und wenn man dann eins der Mitglieder wegschießt, fliegen die andern zwar augenblicklich fort, lassen sich auch wohl kurze Zeit anderswo nieder, kehren jedoch immer bald wieder zurück, so daß man noch einen zweiten und selbst einen dritten aus demselben Schwarme wegschießen kann. Solche Bäume scheinen die Schwalbenwürger selbst bis in ziemlich bedeutende Höhen emporzulocken: so traf Jerdon die indische Art zu seinem Erstaunen bis zu 4000 Fuß über dem Meere an. Nach vollendeter Brut- zeit vereinigen sich in geeigneten Gegenden zuweilen zahlreiche Gesellschaften, und dann gewährt der Lieblingsbaum ein sehr anziehendes Schauspiel. Unter dem Schwarm herrscht vollste Freiheit. Jeder Vogel scheint unabhängig von den andern zu handeln, jeder Das zu thun, was gerade sein Bedürfniß erheischt. Einer oder der andere verläßt den Zweig, auf welchem er dicht gedrängt mit seinen Ge- fährten saß, hüpft auf und nieder, jagt einem Kerbthier nach und kehrt dann auf den alten Sitz zurück. Der Schwarm besteht nicht immer aus Mitgliedern ein und derselben Art; denn die Schwalbenwürger vereinigen sich sehr häufig mit andern Vögeln, namentlich mit Familienverwandten oder mit Schwal- ben, ja, verschiedene Arten der Familie brüten gemeinschaftlich auf ein und demselben Baume ein- trächtiglich zusammen.
Von seiner vortheilhaftesten Seite zeigt sich der Schwalbenwürger nur im Fluge. Auf den Boden herab kommt er selten; er beweist auch durch sein ungeschicktes Betragen, daß er hier nicht zu Hause ist: die Luft ist sein eigentliches Weidegebiet. Der Flug wird von Berustein mit dem eines Raubvogels verglichen, weil der Schwalbenwürger fast ohne Flügelschlag mit ausgebreiteten Fittigen dahinschwebt und durch einfaches Heben oder Senken des einen und andern Flügels die Richtung bestimmt. Die Bewegung ist jedoch verhältnißmäßig langsam; sie hat Nichts von der reißenden Schnelligkeit der kleinen Edelfalken oder der Schwalben, und es ist selbst für den mittelmäßigen Schützen eben keine schwierige Aufgabe, einen der Vögel im Fluge zu erlegen. Jerdon hingegen sagt, daß der Flug der indischen Art zierlich und schwalbenähnlich ist und in ihm rasche Flügelschläge mit einem sanften Gleiten bei ausgebreiteten Schwingen abwechseln, daß der Vogel sehr oft sich in Kreisen dreht, bei Verfolgung eines Kerbthieres aber auch reißend und geradeaus dahinfliegt. Wenn schönes Wetter die Kerbthiere aus ihren Schlupfwinkeln und in höhere Luftschichten gelockt hat, sieht man die Schwalbenwürger nach Schwalbenart diese Beute verfolgen und dann in den zierlichsten und gefälligsten Schwenkungen bald in der Höhe kreisen, bald zwischen dem Blätterwerk hindurchjagen. Unter solchen Umständen verweilt der Schwarm oft lange Zeit fliegend in hoher Luft, und dann erin- nern die Vögel durchaus an die Schwalben. Dasselbe ist der Fall, wenn sie hart über der Ober- fläche eines Gewässers auf- und niederstreichen, hier und da ein Kerbthier von den Wellen wegneh- men, Augenblicke lang auf passenden Zweigen des Ufergebüsches ausruhen und dann von neuem ihre Jagd beginnen. Gelegentlich dieser Wasserjagd, wie wir es nennen wollen, vereinigen sich die Schwalbenwürger oft zu solchen Massen, daß das Wasser, wie Gould sagt, von ihrem Gegenbilde verdunkelt wird. Auch die Stimmlaute, welche man vernimmt, ähneln dem Lockruf der Schwalbe;
Schwalbenwürger.
ſelbſtverſtändlich ihr Eigenthümliches im Weſen und Betragen; doch ähneln ſich die Verwandten ſo, daß wir auch hier wieder das von Einem Bekannte mit gewiſſen Beſchränkungen auf andere beziehen dürfen.
An geeigneten Oertlichkeiten ſind die Schwalbenwürger ſehr häufige Vögel. Sie bevorzugen waldige Gegenden und in ſolchen gewiſſe Lieblingsbäume. So findet ſich eine indiſche Art haupt- ſächlich da, wo die Palmirapalme auftritt, und hat deshalb von den Eingebornen den Namen Palmira- ſchwalbe erhalten. Ein auf Java lebender Schwalbenwürger wählt ſich am liebſten ſolche Gegenden, wo ausgedehnte, mit kurzem Gras beſtandene Triften oder Felder mit kleinen Gehölzen und Gärten abwechſeln oder wenigſtens durch einzeln ſtehende Bäume die zur Annehmlichkeit des Lebens unſerer Vögel erforderlichen Bedingungen enthalten. Die Bäume dienen zu Sammel- und Ruheplätzen; ſie werden gewiſſermaßen zum Mittelpunkt des Jagdgebiets. Bernſtein berichtet uns, daß die javaniſche Art ſich auf ihrem Lieblingsbaume mit Leichtigkeit beobachten, ja von ihm kaum vertreiben läßt; denn der Vogel kehrt auch dann immer und immer wieder zu demſelben zurück, wenn er eine entſchiedene Ver- folgung erleidet. Nach der Brutzeit trifft man gewöhnlich die ganze Familie auf demſelben Baume an, und wenn man dann eins der Mitglieder wegſchießt, fliegen die andern zwar augenblicklich fort, laſſen ſich auch wohl kurze Zeit anderswo nieder, kehren jedoch immer bald wieder zurück, ſo daß man noch einen zweiten und ſelbſt einen dritten aus demſelben Schwarme wegſchießen kann. Solche Bäume ſcheinen die Schwalbenwürger ſelbſt bis in ziemlich bedeutende Höhen emporzulocken: ſo traf Jerdon die indiſche Art zu ſeinem Erſtaunen bis zu 4000 Fuß über dem Meere an. Nach vollendeter Brut- zeit vereinigen ſich in geeigneten Gegenden zuweilen zahlreiche Geſellſchaften, und dann gewährt der Lieblingsbaum ein ſehr anziehendes Schauſpiel. Unter dem Schwarm herrſcht vollſte Freiheit. Jeder Vogel ſcheint unabhängig von den andern zu handeln, jeder Das zu thun, was gerade ſein Bedürfniß erheiſcht. Einer oder der andere verläßt den Zweig, auf welchem er dicht gedrängt mit ſeinen Ge- fährten ſaß, hüpft auf und nieder, jagt einem Kerbthier nach und kehrt dann auf den alten Sitz zurück. Der Schwarm beſteht nicht immer aus Mitgliedern ein und derſelben Art; denn die Schwalbenwürger vereinigen ſich ſehr häufig mit andern Vögeln, namentlich mit Familienverwandten oder mit Schwal- ben, ja, verſchiedene Arten der Familie brüten gemeinſchaftlich auf ein und demſelben Baume ein- trächtiglich zuſammen.
Von ſeiner vortheilhafteſten Seite zeigt ſich der Schwalbenwürger nur im Fluge. Auf den Boden herab kommt er ſelten; er beweiſt auch durch ſein ungeſchicktes Betragen, daß er hier nicht zu Hauſe iſt: die Luft iſt ſein eigentliches Weidegebiet. Der Flug wird von Beruſtein mit dem eines Raubvogels verglichen, weil der Schwalbenwürger faſt ohne Flügelſchlag mit ausgebreiteten Fittigen dahinſchwebt und durch einfaches Heben oder Senken des einen und andern Flügels die Richtung beſtimmt. Die Bewegung iſt jedoch verhältnißmäßig langſam; ſie hat Nichts von der reißenden Schnelligkeit der kleinen Edelfalken oder der Schwalben, und es iſt ſelbſt für den mittelmäßigen Schützen eben keine ſchwierige Aufgabe, einen der Vögel im Fluge zu erlegen. Jerdon hingegen ſagt, daß der Flug der indiſchen Art zierlich und ſchwalbenähnlich iſt und in ihm raſche Flügelſchläge mit einem ſanften Gleiten bei ausgebreiteten Schwingen abwechſeln, daß der Vogel ſehr oft ſich in Kreiſen dreht, bei Verfolgung eines Kerbthieres aber auch reißend und geradeaus dahinfliegt. Wenn ſchönes Wetter die Kerbthiere aus ihren Schlupfwinkeln und in höhere Luftſchichten gelockt hat, ſieht man die Schwalbenwürger nach Schwalbenart dieſe Beute verfolgen und dann in den zierlichſten und gefälligſten Schwenkungen bald in der Höhe kreiſen, bald zwiſchen dem Blätterwerk hindurchjagen. Unter ſolchen Umſtänden verweilt der Schwarm oft lange Zeit fliegend in hoher Luft, und dann erin- nern die Vögel durchaus an die Schwalben. Daſſelbe iſt der Fall, wenn ſie hart über der Ober- fläche eines Gewäſſers auf- und niederſtreichen, hier und da ein Kerbthier von den Wellen wegneh- men, Augenblicke lang auf paſſenden Zweigen des Ufergebüſches ausruhen und dann von neuem ihre Jagd beginnen. Gelegentlich dieſer Waſſerjagd, wie wir es nennen wollen, vereinigen ſich die Schwalbenwürger oft zu ſolchen Maſſen, daß das Waſſer, wie Gould ſagt, von ihrem Gegenbilde verdunkelt wird. Auch die Stimmlaute, welche man vernimmt, ähneln dem Lockruf der Schwalbe;
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[717/0759]
Schwalbenwürger.
ſelbſtverſtändlich ihr Eigenthümliches im Weſen und Betragen; doch ähneln ſich die Verwandten ſo, daß
wir auch hier wieder das von Einem Bekannte mit gewiſſen Beſchränkungen auf andere beziehen dürfen.
An geeigneten Oertlichkeiten ſind die Schwalbenwürger ſehr häufige Vögel. Sie bevorzugen
waldige Gegenden und in ſolchen gewiſſe Lieblingsbäume. So findet ſich eine indiſche Art haupt-
ſächlich da, wo die Palmirapalme auftritt, und hat deshalb von den Eingebornen den Namen Palmira-
ſchwalbe erhalten. Ein auf Java lebender Schwalbenwürger wählt ſich am liebſten ſolche Gegenden,
wo ausgedehnte, mit kurzem Gras beſtandene Triften oder Felder mit kleinen Gehölzen und Gärten
abwechſeln oder wenigſtens durch einzeln ſtehende Bäume die zur Annehmlichkeit des Lebens unſerer
Vögel erforderlichen Bedingungen enthalten. Die Bäume dienen zu Sammel- und Ruheplätzen; ſie
werden gewiſſermaßen zum Mittelpunkt des Jagdgebiets. Bernſtein berichtet uns, daß die javaniſche
Art ſich auf ihrem Lieblingsbaume mit Leichtigkeit beobachten, ja von ihm kaum vertreiben läßt; denn
der Vogel kehrt auch dann immer und immer wieder zu demſelben zurück, wenn er eine entſchiedene Ver-
folgung erleidet. Nach der Brutzeit trifft man gewöhnlich die ganze Familie auf demſelben Baume
an, und wenn man dann eins der Mitglieder wegſchießt, fliegen die andern zwar augenblicklich fort,
laſſen ſich auch wohl kurze Zeit anderswo nieder, kehren jedoch immer bald wieder zurück, ſo daß man noch
einen zweiten und ſelbſt einen dritten aus demſelben Schwarme wegſchießen kann. Solche Bäume
ſcheinen die Schwalbenwürger ſelbſt bis in ziemlich bedeutende Höhen emporzulocken: ſo traf Jerdon
die indiſche Art zu ſeinem Erſtaunen bis zu 4000 Fuß über dem Meere an. Nach vollendeter Brut-
zeit vereinigen ſich in geeigneten Gegenden zuweilen zahlreiche Geſellſchaften, und dann gewährt der
Lieblingsbaum ein ſehr anziehendes Schauſpiel. Unter dem Schwarm herrſcht vollſte Freiheit. Jeder
Vogel ſcheint unabhängig von den andern zu handeln, jeder Das zu thun, was gerade ſein Bedürfniß
erheiſcht. Einer oder der andere verläßt den Zweig, auf welchem er dicht gedrängt mit ſeinen Ge-
fährten ſaß, hüpft auf und nieder, jagt einem Kerbthier nach und kehrt dann auf den alten Sitz zurück.
Der Schwarm beſteht nicht immer aus Mitgliedern ein und derſelben Art; denn die Schwalbenwürger
vereinigen ſich ſehr häufig mit andern Vögeln, namentlich mit Familienverwandten oder mit Schwal-
ben, ja, verſchiedene Arten der Familie brüten gemeinſchaftlich auf ein und demſelben Baume ein-
trächtiglich zuſammen.
Von ſeiner vortheilhafteſten Seite zeigt ſich der Schwalbenwürger nur im Fluge. Auf den
Boden herab kommt er ſelten; er beweiſt auch durch ſein ungeſchicktes Betragen, daß er hier nicht zu
Hauſe iſt: die Luft iſt ſein eigentliches Weidegebiet. Der Flug wird von Beruſtein mit dem eines
Raubvogels verglichen, weil der Schwalbenwürger faſt ohne Flügelſchlag mit ausgebreiteten Fittigen
dahinſchwebt und durch einfaches Heben oder Senken des einen und andern Flügels die Richtung
beſtimmt. Die Bewegung iſt jedoch verhältnißmäßig langſam; ſie hat Nichts von der reißenden
Schnelligkeit der kleinen Edelfalken oder der Schwalben, und es iſt ſelbſt für den mittelmäßigen Schützen
eben keine ſchwierige Aufgabe, einen der Vögel im Fluge zu erlegen. Jerdon hingegen ſagt, daß
der Flug der indiſchen Art zierlich und ſchwalbenähnlich iſt und in ihm raſche Flügelſchläge mit
einem ſanften Gleiten bei ausgebreiteten Schwingen abwechſeln, daß der Vogel ſehr oft ſich in
Kreiſen dreht, bei Verfolgung eines Kerbthieres aber auch reißend und geradeaus dahinfliegt. Wenn
ſchönes Wetter die Kerbthiere aus ihren Schlupfwinkeln und in höhere Luftſchichten gelockt hat, ſieht
man die Schwalbenwürger nach Schwalbenart dieſe Beute verfolgen und dann in den zierlichſten und
gefälligſten Schwenkungen bald in der Höhe kreiſen, bald zwiſchen dem Blätterwerk hindurchjagen.
Unter ſolchen Umſtänden verweilt der Schwarm oft lange Zeit fliegend in hoher Luft, und dann erin-
nern die Vögel durchaus an die Schwalben. Daſſelbe iſt der Fall, wenn ſie hart über der Ober-
fläche eines Gewäſſers auf- und niederſtreichen, hier und da ein Kerbthier von den Wellen wegneh-
men, Augenblicke lang auf paſſenden Zweigen des Ufergebüſches ausruhen und dann von neuem ihre
Jagd beginnen. Gelegentlich dieſer Waſſerjagd, wie wir es nennen wollen, vereinigen ſich die
Schwalbenwürger oft zu ſolchen Maſſen, daß das Waſſer, wie Gould ſagt, von ihrem Gegenbilde
verdunkelt wird. Auch die Stimmlaute, welche man vernimmt, ähneln dem Lockruf der Schwalbe;
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 717. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/759>, abgerufen am 23.11.2024.
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