Es ist wiederholt behauptet worden, daß eine Art dieser Familie, der Tschagra, wie Le Vail- lant sie nannte (Telephonus erythropterus), auch in Europa und zwar in Spanien vorgekommen wäre: die sorgfältigsten Nachforschungen aber, welche ich angestellt, haben mir bewiesen, daß Dies nicht der Fall ist.
Die Sippe der Kappenwürger, zu welcher der Tschagra gehört, unterscheidet sich von jener der Flötenwürger hauptsächlich durch verhältnißmäßig längern und stufenförmigen Schwanz und kürzere Flügel, in denen die vierte Schwinge alle übrigen an Länge übertrifft; außerdem zeichnen sich die Füße durch auffallend lange Läufe aus. Der Tschagra ist auf dem Oberrücken bräunlichgrau, auf der Unterseite lichtaschgrau. Ein breiter Streifen, welcher sich über den ganzen Kopf erstreckt und ein zweiter schmaler, welcher durch das Auge verläuft, sind schwarz; zwischen beiden zieht sich, der Augen- braue vergleichbar, eine vorn weiße, nach hinten mehr lichtgelbe Binde dahin; die Schwingen sind grau auf der Außenfahne, aber breit rostbraun gesäumt, so daß diese Farbe, wenn der Vogel den Flügel anlegt, zur vorherrschenden wird; die Oberarmschwingen sind lichtfahl gesäumt; die beiden mittleren Schwanzfedern sind grau, dunkler gebändert, alle übrigen schwarz, breit weiß zugespitzt, die äußersten auch auf der Außenfahne licht gesäumt. Das Auge ist rothbraun, der Schnabel schwarz, der Fuß bleigrau mit grünlichem Schimmer. Die Länge beträgt 8 Zoll, die Breite 10 Zoll, die Fittiglänge 3, die Schwanzlänge 31/2 Zoll.
Zur Zeit ist es noch nicht mit Sicherheit festgestellt, ob die im Westen und Osten Afrikas lebenden Würger dieser Sippe als Spielarten oder ob sie als selbständige Arten anzusehen sind. Jedenfalls unterscheiden sie sich nur durch die Größe, kaum durch die Färbung. Jhr Betragen weicht von dem ihrer Verwandten wesentlich ab. Sie leben nur im dichtesten Gebüsch und unmittelbar über der Erde; auf Bäume gehen sie blos, wenn sie hart verfolgt werden. Jhr Raubgebiet ist der flache Boden. Auf ihm laufen sie mit einer Gewandtheit umher, wie kein zweiter Würger sie besitzt. Wenn man ihrer zum erstenmale ansichtig wird, glaubt man in ihnen eine Drossel, nicht aber einen Würger zu erkennen. So lange, als möglich, verstecken sie sich zwischen Gras und Gestrüpp; bringt man sie endlich zum Auffliegen, so streichen sie dicht über dem Boden dahin einem zweiten Busche zu und zwar mit rasch schwirrenden Flügelschlägen, auf welche dann ein kurzes Schweben folgt. Auch sie leben paarweise oder einzeln, nur nach der Brutzeit in kleineren Gesellschaften, wahrscheinlich in kleinen Familien. Jn diesen Angaben erschöpfen sich die Beobachtungen, welche ich gegenwärtig noch wieder- geben kann; es ist mir nicht mehr erinnerlich, ob der Tschagra durch seine Stimme auffällt, und ebenso wenig weiß ich Etwas über sein Brutgeschäft anzugeben. Die Nahrung besteht ausschließlich in Kerbthieren.
Jn denselben Gegenden, welche die genannten Buschwürger bewohnen, lebt ein durch seine Gestalt sehr auffallender Vogel, welchen man bisher derselben Familie zugezählt hat, obwohl man keineswegs davon überzeugt ist, daß er derselben auch wirklich angehört, der Helmwürger nämlich (Prionops poliocephalus oder Prionops cristatus). Die hauptsächlichsten Kennzeichen der Sippe bestehen in einem sonderbaren Federbusche, welcher durch die haarartigen, steifen Kopffedern gebildet wird. Diese Federn, welche die Schnabelwurzel und die Nasenlöcher überdecken, richten sich theils vorwärts, theils aufwärts nach der Mittellinie des Kopfes und vereinigen sich hier zu einem Helmkamme. Nicht minder auffallend ist, daß sich das Augenlid nach außen hin so zu sagen umstülpt oder richtiger, daß das Auge von einem lebhaft gefärbten, vielfach gezackten Hautlappen umgeben wird, welcher ungefähr dieselbe Weichheit besitzt, wie die Wachshaut der Raubvögel. Die Flügel, in denen die dritte Schwinge alle übrigen überragt, sind sehr lang; sie bedecken aber trotzdem höchstens ein Drittel des langen, ab- gerundeten Schwanzes. Die Füße sind kurzläufig, aber langzehig. Das Gefieder ist weich, aber reich, seine Färbung eine höchst einfache. Der Mantel, die Schwingen und der größte Theil des
45 *
Flötenwürger. Tſchagra. Helmwürger.
Es iſt wiederholt behauptet worden, daß eine Art dieſer Familie, der Tſchagra, wie Le Vail- lant ſie nannte (Telephonus erythropterus), auch in Europa und zwar in Spanien vorgekommen wäre: die ſorgfältigſten Nachforſchungen aber, welche ich angeſtellt, haben mir bewieſen, daß Dies nicht der Fall iſt.
Die Sippe der Kappenwürger, zu welcher der Tſchagra gehört, unterſcheidet ſich von jener der Flötenwürger hauptſächlich durch verhältnißmäßig längern und ſtufenförmigen Schwanz und kürzere Flügel, in denen die vierte Schwinge alle übrigen an Länge übertrifft; außerdem zeichnen ſich die Füße durch auffallend lange Läufe aus. Der Tſchagra iſt auf dem Oberrücken bräunlichgrau, auf der Unterſeite lichtaſchgrau. Ein breiter Streifen, welcher ſich über den ganzen Kopf erſtreckt und ein zweiter ſchmaler, welcher durch das Auge verläuft, ſind ſchwarz; zwiſchen beiden zieht ſich, der Augen- braue vergleichbar, eine vorn weiße, nach hinten mehr lichtgelbe Binde dahin; die Schwingen ſind grau auf der Außenfahne, aber breit roſtbraun geſäumt, ſo daß dieſe Farbe, wenn der Vogel den Flügel anlegt, zur vorherrſchenden wird; die Oberarmſchwingen ſind lichtfahl geſäumt; die beiden mittleren Schwanzfedern ſind grau, dunkler gebändert, alle übrigen ſchwarz, breit weiß zugeſpitzt, die äußerſten auch auf der Außenfahne licht geſäumt. Das Auge iſt rothbraun, der Schnabel ſchwarz, der Fuß bleigrau mit grünlichem Schimmer. Die Länge beträgt 8 Zoll, die Breite 10 Zoll, die Fittiglänge 3, die Schwanzlänge 3½ Zoll.
Zur Zeit iſt es noch nicht mit Sicherheit feſtgeſtellt, ob die im Weſten und Oſten Afrikas lebenden Würger dieſer Sippe als Spielarten oder ob ſie als ſelbſtändige Arten anzuſehen ſind. Jedenfalls unterſcheiden ſie ſich nur durch die Größe, kaum durch die Färbung. Jhr Betragen weicht von dem ihrer Verwandten weſentlich ab. Sie leben nur im dichteſten Gebüſch und unmittelbar über der Erde; auf Bäume gehen ſie blos, wenn ſie hart verfolgt werden. Jhr Raubgebiet iſt der flache Boden. Auf ihm laufen ſie mit einer Gewandtheit umher, wie kein zweiter Würger ſie beſitzt. Wenn man ihrer zum erſtenmale anſichtig wird, glaubt man in ihnen eine Droſſel, nicht aber einen Würger zu erkennen. So lange, als möglich, verſtecken ſie ſich zwiſchen Gras und Geſtrüpp; bringt man ſie endlich zum Auffliegen, ſo ſtreichen ſie dicht über dem Boden dahin einem zweiten Buſche zu und zwar mit raſch ſchwirrenden Flügelſchlägen, auf welche dann ein kurzes Schweben folgt. Auch ſie leben paarweiſe oder einzeln, nur nach der Brutzeit in kleineren Geſellſchaften, wahrſcheinlich in kleinen Familien. Jn dieſen Angaben erſchöpfen ſich die Beobachtungen, welche ich gegenwärtig noch wieder- geben kann; es iſt mir nicht mehr erinnerlich, ob der Tſchagra durch ſeine Stimme auffällt, und ebenſo wenig weiß ich Etwas über ſein Brutgeſchäft anzugeben. Die Nahrung beſteht ausſchließlich in Kerbthieren.
Jn denſelben Gegenden, welche die genannten Buſchwürger bewohnen, lebt ein durch ſeine Geſtalt ſehr auffallender Vogel, welchen man bisher derſelben Familie zugezählt hat, obwohl man keineswegs davon überzeugt iſt, daß er derſelben auch wirklich angehört, der Helmwürger nämlich (Prionops poliocephalus oder Prionops cristatus). Die hauptſächlichſten Kennzeichen der Sippe beſtehen in einem ſonderbaren Federbuſche, welcher durch die haarartigen, ſteifen Kopffedern gebildet wird. Dieſe Federn, welche die Schnabelwurzel und die Naſenlöcher überdecken, richten ſich theils vorwärts, theils aufwärts nach der Mittellinie des Kopfes und vereinigen ſich hier zu einem Helmkamme. Nicht minder auffallend iſt, daß ſich das Augenlid nach außen hin ſo zu ſagen umſtülpt oder richtiger, daß das Auge von einem lebhaft gefärbten, vielfach gezackten Hautlappen umgeben wird, welcher ungefähr dieſelbe Weichheit beſitzt, wie die Wachshaut der Raubvögel. Die Flügel, in denen die dritte Schwinge alle übrigen überragt, ſind ſehr lang; ſie bedecken aber trotzdem höchſtens ein Drittel des langen, ab- gerundeten Schwanzes. Die Füße ſind kurzläufig, aber langzehig. Das Gefieder iſt weich, aber reich, ſeine Färbung eine höchſt einfache. Der Mantel, die Schwingen und der größte Theil des
45 *
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0749"n="707"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Flötenwürger. Tſchagra. Helmwürger.</hi></fw><lb/><p>Es iſt wiederholt behauptet worden, daß eine Art dieſer Familie, der <hirendition="#g">Tſchagra,</hi> wie <hirendition="#g">Le Vail-<lb/>
lant</hi>ſie nannte (<hirendition="#aq">Telephonus erythropterus</hi>), auch in Europa und zwar in Spanien vorgekommen<lb/>
wäre: die ſorgfältigſten Nachforſchungen aber, welche ich angeſtellt, haben mir bewieſen, daß Dies nicht<lb/>
der Fall iſt.</p><lb/><p>Die Sippe der <hirendition="#g">Kappenwürger,</hi> zu welcher der Tſchagra gehört, unterſcheidet ſich von jener der<lb/>
Flötenwürger hauptſächlich durch verhältnißmäßig längern und ſtufenförmigen Schwanz und kürzere<lb/>
Flügel, in denen die vierte Schwinge alle übrigen an Länge übertrifft; außerdem zeichnen ſich die Füße<lb/>
durch auffallend lange Läufe aus. Der Tſchagra iſt auf dem Oberrücken bräunlichgrau, auf der<lb/>
Unterſeite lichtaſchgrau. Ein breiter Streifen, welcher ſich über den ganzen Kopf erſtreckt und ein<lb/>
zweiter ſchmaler, welcher durch das Auge verläuft, ſind ſchwarz; zwiſchen beiden zieht ſich, der Augen-<lb/>
braue vergleichbar, eine vorn weiße, nach hinten mehr lichtgelbe Binde dahin; die Schwingen ſind<lb/>
grau auf der Außenfahne, aber breit roſtbraun geſäumt, ſo daß dieſe Farbe, wenn der Vogel den<lb/>
Flügel anlegt, zur vorherrſchenden wird; die Oberarmſchwingen ſind lichtfahl geſäumt; die beiden<lb/>
mittleren Schwanzfedern ſind grau, dunkler gebändert, alle übrigen ſchwarz, breit weiß zugeſpitzt, die<lb/>
äußerſten auch auf der Außenfahne licht geſäumt. Das Auge iſt rothbraun, der Schnabel ſchwarz,<lb/>
der Fuß bleigrau mit grünlichem Schimmer. Die Länge beträgt 8 Zoll, die Breite 10 Zoll, die<lb/>
Fittiglänge 3, die Schwanzlänge 3½ Zoll.</p><lb/><p>Zur Zeit iſt es noch nicht mit Sicherheit feſtgeſtellt, ob die im Weſten und Oſten Afrikas lebenden<lb/>
Würger dieſer Sippe als Spielarten oder ob ſie als ſelbſtändige Arten anzuſehen ſind. Jedenfalls<lb/>
unterſcheiden ſie ſich nur durch die Größe, kaum durch die Färbung. Jhr Betragen weicht von dem<lb/>
ihrer Verwandten weſentlich ab. Sie leben nur im dichteſten Gebüſch und unmittelbar über der Erde;<lb/>
auf Bäume gehen ſie blos, wenn ſie hart verfolgt werden. Jhr Raubgebiet iſt der flache Boden.<lb/>
Auf ihm laufen ſie mit einer Gewandtheit umher, wie kein zweiter Würger ſie beſitzt. Wenn man<lb/>
ihrer zum erſtenmale anſichtig wird, glaubt man in ihnen eine Droſſel, nicht aber einen Würger zu<lb/>
erkennen. So lange, als möglich, verſtecken ſie ſich zwiſchen Gras und Geſtrüpp; bringt man ſie<lb/>
endlich zum Auffliegen, ſo ſtreichen ſie dicht über dem Boden dahin einem zweiten Buſche zu und zwar<lb/>
mit raſch ſchwirrenden Flügelſchlägen, auf welche dann ein kurzes Schweben folgt. Auch ſie leben<lb/>
paarweiſe oder einzeln, nur nach der Brutzeit in kleineren Geſellſchaften, wahrſcheinlich in kleinen<lb/>
Familien. Jn dieſen Angaben erſchöpfen ſich die Beobachtungen, welche ich gegenwärtig noch wieder-<lb/>
geben kann; es iſt mir nicht mehr erinnerlich, ob der Tſchagra durch ſeine Stimme auffällt, und ebenſo<lb/>
wenig weiß ich Etwas über ſein Brutgeſchäft anzugeben. Die Nahrung beſteht ausſchließlich in<lb/>
Kerbthieren.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Jn denſelben Gegenden, welche die genannten Buſchwürger bewohnen, lebt ein durch ſeine Geſtalt<lb/>ſehr auffallender Vogel, welchen man bisher derſelben Familie zugezählt hat, obwohl man keineswegs<lb/>
davon überzeugt iſt, daß er derſelben auch wirklich angehört, der <hirendition="#g">Helmwürger</hi> nämlich (<hirendition="#aq">Prionops<lb/>
poliocephalus</hi> oder <hirendition="#aq">Prionops cristatus</hi>). Die hauptſächlichſten Kennzeichen der Sippe beſtehen in<lb/>
einem ſonderbaren Federbuſche, welcher durch die haarartigen, ſteifen Kopffedern gebildet wird. Dieſe<lb/>
Federn, welche die Schnabelwurzel und die Naſenlöcher überdecken, richten ſich theils vorwärts, theils<lb/>
aufwärts nach der Mittellinie des Kopfes und vereinigen ſich hier zu einem Helmkamme. Nicht<lb/>
minder auffallend iſt, daß ſich das Augenlid nach außen hin ſo zu ſagen umſtülpt oder richtiger, daß<lb/>
das Auge von einem lebhaft gefärbten, vielfach gezackten Hautlappen umgeben wird, welcher ungefähr<lb/>
dieſelbe Weichheit beſitzt, wie die Wachshaut der Raubvögel. Die Flügel, in denen die dritte Schwinge<lb/>
alle übrigen überragt, ſind ſehr lang; ſie bedecken aber trotzdem höchſtens ein Drittel des langen, ab-<lb/>
gerundeten Schwanzes. Die Füße ſind kurzläufig, aber langzehig. Das Gefieder iſt weich, aber<lb/>
reich, ſeine Färbung eine höchſt einfache. Der Mantel, die Schwingen und der größte Theil des<lb/><fwplace="bottom"type="sig">45 *</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[707/0749]
Flötenwürger. Tſchagra. Helmwürger.
Es iſt wiederholt behauptet worden, daß eine Art dieſer Familie, der Tſchagra, wie Le Vail-
lant ſie nannte (Telephonus erythropterus), auch in Europa und zwar in Spanien vorgekommen
wäre: die ſorgfältigſten Nachforſchungen aber, welche ich angeſtellt, haben mir bewieſen, daß Dies nicht
der Fall iſt.
Die Sippe der Kappenwürger, zu welcher der Tſchagra gehört, unterſcheidet ſich von jener der
Flötenwürger hauptſächlich durch verhältnißmäßig längern und ſtufenförmigen Schwanz und kürzere
Flügel, in denen die vierte Schwinge alle übrigen an Länge übertrifft; außerdem zeichnen ſich die Füße
durch auffallend lange Läufe aus. Der Tſchagra iſt auf dem Oberrücken bräunlichgrau, auf der
Unterſeite lichtaſchgrau. Ein breiter Streifen, welcher ſich über den ganzen Kopf erſtreckt und ein
zweiter ſchmaler, welcher durch das Auge verläuft, ſind ſchwarz; zwiſchen beiden zieht ſich, der Augen-
braue vergleichbar, eine vorn weiße, nach hinten mehr lichtgelbe Binde dahin; die Schwingen ſind
grau auf der Außenfahne, aber breit roſtbraun geſäumt, ſo daß dieſe Farbe, wenn der Vogel den
Flügel anlegt, zur vorherrſchenden wird; die Oberarmſchwingen ſind lichtfahl geſäumt; die beiden
mittleren Schwanzfedern ſind grau, dunkler gebändert, alle übrigen ſchwarz, breit weiß zugeſpitzt, die
äußerſten auch auf der Außenfahne licht geſäumt. Das Auge iſt rothbraun, der Schnabel ſchwarz,
der Fuß bleigrau mit grünlichem Schimmer. Die Länge beträgt 8 Zoll, die Breite 10 Zoll, die
Fittiglänge 3, die Schwanzlänge 3½ Zoll.
Zur Zeit iſt es noch nicht mit Sicherheit feſtgeſtellt, ob die im Weſten und Oſten Afrikas lebenden
Würger dieſer Sippe als Spielarten oder ob ſie als ſelbſtändige Arten anzuſehen ſind. Jedenfalls
unterſcheiden ſie ſich nur durch die Größe, kaum durch die Färbung. Jhr Betragen weicht von dem
ihrer Verwandten weſentlich ab. Sie leben nur im dichteſten Gebüſch und unmittelbar über der Erde;
auf Bäume gehen ſie blos, wenn ſie hart verfolgt werden. Jhr Raubgebiet iſt der flache Boden.
Auf ihm laufen ſie mit einer Gewandtheit umher, wie kein zweiter Würger ſie beſitzt. Wenn man
ihrer zum erſtenmale anſichtig wird, glaubt man in ihnen eine Droſſel, nicht aber einen Würger zu
erkennen. So lange, als möglich, verſtecken ſie ſich zwiſchen Gras und Geſtrüpp; bringt man ſie
endlich zum Auffliegen, ſo ſtreichen ſie dicht über dem Boden dahin einem zweiten Buſche zu und zwar
mit raſch ſchwirrenden Flügelſchlägen, auf welche dann ein kurzes Schweben folgt. Auch ſie leben
paarweiſe oder einzeln, nur nach der Brutzeit in kleineren Geſellſchaften, wahrſcheinlich in kleinen
Familien. Jn dieſen Angaben erſchöpfen ſich die Beobachtungen, welche ich gegenwärtig noch wieder-
geben kann; es iſt mir nicht mehr erinnerlich, ob der Tſchagra durch ſeine Stimme auffällt, und ebenſo
wenig weiß ich Etwas über ſein Brutgeſchäft anzugeben. Die Nahrung beſteht ausſchließlich in
Kerbthieren.
Jn denſelben Gegenden, welche die genannten Buſchwürger bewohnen, lebt ein durch ſeine Geſtalt
ſehr auffallender Vogel, welchen man bisher derſelben Familie zugezählt hat, obwohl man keineswegs
davon überzeugt iſt, daß er derſelben auch wirklich angehört, der Helmwürger nämlich (Prionops
poliocephalus oder Prionops cristatus). Die hauptſächlichſten Kennzeichen der Sippe beſtehen in
einem ſonderbaren Federbuſche, welcher durch die haarartigen, ſteifen Kopffedern gebildet wird. Dieſe
Federn, welche die Schnabelwurzel und die Naſenlöcher überdecken, richten ſich theils vorwärts, theils
aufwärts nach der Mittellinie des Kopfes und vereinigen ſich hier zu einem Helmkamme. Nicht
minder auffallend iſt, daß ſich das Augenlid nach außen hin ſo zu ſagen umſtülpt oder richtiger, daß
das Auge von einem lebhaft gefärbten, vielfach gezackten Hautlappen umgeben wird, welcher ungefähr
dieſelbe Weichheit beſitzt, wie die Wachshaut der Raubvögel. Die Flügel, in denen die dritte Schwinge
alle übrigen überragt, ſind ſehr lang; ſie bedecken aber trotzdem höchſtens ein Drittel des langen, ab-
gerundeten Schwanzes. Die Füße ſind kurzläufig, aber langzehig. Das Gefieder iſt weich, aber
reich, ſeine Färbung eine höchſt einfache. Der Mantel, die Schwingen und der größte Theil des
45 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 707. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/749>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.