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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Allgemeines.

Wie zu erwarten, spricht sich in der Grundfärbung des Gefieders der eine oder der andere dieser
Wohnkreise aus. Alle waldbewohnenden Nachtschatten tragen ein echt rindenfarbiges Gefieder, die
wüsten- oder steppenbewohnenden hingegen ein sandfarbiges; das allgemeine Gepräge der Färbung
wird aber so streng festgehalten, daß Swainson behaupten durfte, wer einen Ziegenmelker gesehen,
habe sie alle gesehen.

Standvögel sind wahrscheinlich nur diejenigen Nachtschwalben, welche in den Waldungen der
Gleicherländer leben, alle übrigen dürften mindestens streichen, und sämmtliche nordische Arten
wandern. Sie erscheinen ziemlich früh im Jahre in ihrer Heimat und verweilen bis zu Anfang des
Herbstes. Jhre Wanderungen dehnen sie über große Gebiete aus: unsere Nachtschwalbe zieht bis
in das Jnnere Afrikas. Nur während dieser Reisen sind die Nachtschatten einigermaßen gesellig; in
der Heimat selbst lebt jedes einzelne Paar streng für sich, und vertreibt jedes andere aus seinem
Gebiete. Der Umfang des letzteren pflegt jedoch gering zu sein, und da, wo die Vögel häufig sind,
kann es vorkommen, daß ein großer Garten von mehreren Paaren bewohnt wird. Bei uns zu Lande
meiden die Nachtschwalben die Nähe des Menschen; sie erscheinen wenigstens nur ausnahmsweise
nachts über den Dörfern. Jm Süden ist Dies nicht der Fall; hier siedeln sich auch unsere Vögel in
oder unmittelbar an Dörfern an, und zumal große Gärten werden zu ihrem gewöhnlichen Wohnsitze.

Kerbthiere verschiedener Art bilden die ausschließliche Nahrung der großen Mehrzahl aller Nacht-
schwalben. Sämmtliche Arten sind im höchsten Grade gefräßig. Jhre Jagd beginnt in der Regel
mit Einbruch der Nacht, wird einige Stunden lang betrieben, sodann unterbrochen und gegen die
Morgendämmerung hin von neuem wieder aufgenommen. Noch ehe die Sonne am Himmel erscheint,
suchen die Nachtschwalben die Ruhe. Aber auch hier gibt es Ausnahmen. Amerikanische Arten
jagen gar nicht selten am hellen Tage und nicht blos in schattigen Waldungen, sondern auch im
Freien und im hellsten Sonnenschein. Die übrigen pflegen während des Tages der Länge nach auf
einem umgefallenen Stamme und andern liegenden Holzstücken oder auf dem Boden und bezüglich
auf Felsgesimsen düsterer Höhlungen zu sitzen oder richtiger vielleicht zu liegen; denn sie drücken sich
so platt auf ihre Unterlage, daß sie viel breiter als hoch erscheinen.

Alle Nachtschwalben zeigen sich nur im Fluge als bewegungsfähige Wesen; auf den Zweigen
kleben sie, und auf der Erde liegen sie mehr, als sie sitzen. Jhr Gang ist ein trauriges Ge-
trippel, welches die Thiere sehr zu ermüden scheint und auch niemals weiter, als auf einige Fuß hin
fortgesetzt wird. Der Flug hingegen zeichnet sich durch Leichtigkeit und Zierlichkeit, Gewandtheit und
Anmuth aus. Er ist gewissermaßen ein Mittelglied zwischen dem Fluge der Schwalbe und dem Fluge
des Falken. Ungern erheben sich die Nachtschwalben zu bedeutenden Höhen; es geschieht Dies jedoch
nicht aus Unvermögen, sondern weil die Tiefe ihnen viel mehr bietet, als eine größere Höhe. Bei aus-
gedehnteren Wanderungen sieht man sie oft hoch über dem Boden dahinziehen, und namentlich
diejenigen, welche bei Tage fliegen, durchsuchen sehr häufig auch die oberen Luftschichten.

Unter den Sinnen steht wohl das Gesicht obenan, wie das große Auge schließen läßt; nächstdem
scheinen Gehör und Gefühl am meisten entwickelt zu sein. Ob der Geruch besonders ausgebildet ist,
wissen wir nicht; wohl aber dürfen wir behaupten, daß der Geschmack schlecht sein muß.

Die geistigen Fähigkeiten sind gering, wenn auch wahrscheinlich nicht in dem Grade, als man
gewöhnlich anzunehmen pflegt. Die schlaftrunkene Nachtschwalbe, welche wir bei Tage beobachten
können, macht allerdings einen höchst ungünstigen Eindruck, und auch die zufällig gefangene weiß sich
nicht anders zu helfen, als durch Aufsperren ihres ungeheuren Rachens und ein heiseres Fauchen: die
ermunterte, in voller Thätigkeit begriffene zeigt sich von ganz anderer Seite. Sie bekundet zwar
gewöhnlich eine recht alberne Neugier und eine sehr oft verderbliche Vertrauensseligkeit, lernt jedoch
ihren Feind bald genug kennen und greift selbst zur List, um sich oder ihre Brut deren Nachstellungen
zu entziehen.

Ein eigentliches Nest bauen die Nachtschwalben nicht; sie legen ihre Eier ohne jegliche Unterlage
auf den flachen Boden; sie denken nicht einmal daran, für diese Eier eine seichte Höhlung auszu-

Allgemeines.

Wie zu erwarten, ſpricht ſich in der Grundfärbung des Gefieders der eine oder der andere dieſer
Wohnkreiſe aus. Alle waldbewohnenden Nachtſchatten tragen ein echt rindenfarbiges Gefieder, die
wüſten- oder ſteppenbewohnenden hingegen ein ſandfarbiges; das allgemeine Gepräge der Färbung
wird aber ſo ſtreng feſtgehalten, daß Swainſon behaupten durfte, wer einen Ziegenmelker geſehen,
habe ſie alle geſehen.

Standvögel ſind wahrſcheinlich nur diejenigen Nachtſchwalben, welche in den Waldungen der
Gleicherländer leben, alle übrigen dürften mindeſtens ſtreichen, und ſämmtliche nordiſche Arten
wandern. Sie erſcheinen ziemlich früh im Jahre in ihrer Heimat und verweilen bis zu Anfang des
Herbſtes. Jhre Wanderungen dehnen ſie über große Gebiete aus: unſere Nachtſchwalbe zieht bis
in das Jnnere Afrikas. Nur während dieſer Reiſen ſind die Nachtſchatten einigermaßen geſellig; in
der Heimat ſelbſt lebt jedes einzelne Paar ſtreng für ſich, und vertreibt jedes andere aus ſeinem
Gebiete. Der Umfang des letzteren pflegt jedoch gering zu ſein, und da, wo die Vögel häufig ſind,
kann es vorkommen, daß ein großer Garten von mehreren Paaren bewohnt wird. Bei uns zu Lande
meiden die Nachtſchwalben die Nähe des Menſchen; ſie erſcheinen wenigſtens nur ausnahmsweiſe
nachts über den Dörfern. Jm Süden iſt Dies nicht der Fall; hier ſiedeln ſich auch unſere Vögel in
oder unmittelbar an Dörfern an, und zumal große Gärten werden zu ihrem gewöhnlichen Wohnſitze.

Kerbthiere verſchiedener Art bilden die ausſchließliche Nahrung der großen Mehrzahl aller Nacht-
ſchwalben. Sämmtliche Arten ſind im höchſten Grade gefräßig. Jhre Jagd beginnt in der Regel
mit Einbruch der Nacht, wird einige Stunden lang betrieben, ſodann unterbrochen und gegen die
Morgendämmerung hin von neuem wieder aufgenommen. Noch ehe die Sonne am Himmel erſcheint,
ſuchen die Nachtſchwalben die Ruhe. Aber auch hier gibt es Ausnahmen. Amerikaniſche Arten
jagen gar nicht ſelten am hellen Tage und nicht blos in ſchattigen Waldungen, ſondern auch im
Freien und im hellſten Sonnenſchein. Die übrigen pflegen während des Tages der Länge nach auf
einem umgefallenen Stamme und andern liegenden Holzſtücken oder auf dem Boden und bezüglich
auf Felsgeſimſen düſterer Höhlungen zu ſitzen oder richtiger vielleicht zu liegen; denn ſie drücken ſich
ſo platt auf ihre Unterlage, daß ſie viel breiter als hoch erſcheinen.

Alle Nachtſchwalben zeigen ſich nur im Fluge als bewegungsfähige Weſen; auf den Zweigen
kleben ſie, und auf der Erde liegen ſie mehr, als ſie ſitzen. Jhr Gang iſt ein trauriges Ge-
trippel, welches die Thiere ſehr zu ermüden ſcheint und auch niemals weiter, als auf einige Fuß hin
fortgeſetzt wird. Der Flug hingegen zeichnet ſich durch Leichtigkeit und Zierlichkeit, Gewandtheit und
Anmuth aus. Er iſt gewiſſermaßen ein Mittelglied zwiſchen dem Fluge der Schwalbe und dem Fluge
des Falken. Ungern erheben ſich die Nachtſchwalben zu bedeutenden Höhen; es geſchieht Dies jedoch
nicht aus Unvermögen, ſondern weil die Tiefe ihnen viel mehr bietet, als eine größere Höhe. Bei aus-
gedehnteren Wanderungen ſieht man ſie oft hoch über dem Boden dahinziehen, und namentlich
diejenigen, welche bei Tage fliegen, durchſuchen ſehr häufig auch die oberen Luftſchichten.

Unter den Sinnen ſteht wohl das Geſicht obenan, wie das große Auge ſchließen läßt; nächſtdem
ſcheinen Gehör und Gefühl am meiſten entwickelt zu ſein. Ob der Geruch beſonders ausgebildet iſt,
wiſſen wir nicht; wohl aber dürfen wir behaupten, daß der Geſchmack ſchlecht ſein muß.

Die geiſtigen Fähigkeiten ſind gering, wenn auch wahrſcheinlich nicht in dem Grade, als man
gewöhnlich anzunehmen pflegt. Die ſchlaftrunkene Nachtſchwalbe, welche wir bei Tage beobachten
können, macht allerdings einen höchſt ungünſtigen Eindruck, und auch die zufällig gefangene weiß ſich
nicht anders zu helfen, als durch Aufſperren ihres ungeheuren Rachens und ein heiſeres Fauchen: die
ermunterte, in voller Thätigkeit begriffene zeigt ſich von ganz anderer Seite. Sie bekundet zwar
gewöhnlich eine recht alberne Neugier und eine ſehr oft verderbliche Vertrauensſeligkeit, lernt jedoch
ihren Feind bald genug kennen und greift ſelbſt zur Liſt, um ſich oder ihre Brut deren Nachſtellungen
zu entziehen.

Ein eigentliches Neſt bauen die Nachtſchwalben nicht; ſie legen ihre Eier ohne jegliche Unterlage
auf den flachen Boden; ſie denken nicht einmal daran, für dieſe Eier eine ſeichte Höhlung auszu-

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[661/0699] Allgemeines. Wie zu erwarten, ſpricht ſich in der Grundfärbung des Gefieders der eine oder der andere dieſer Wohnkreiſe aus. Alle waldbewohnenden Nachtſchatten tragen ein echt rindenfarbiges Gefieder, die wüſten- oder ſteppenbewohnenden hingegen ein ſandfarbiges; das allgemeine Gepräge der Färbung wird aber ſo ſtreng feſtgehalten, daß Swainſon behaupten durfte, wer einen Ziegenmelker geſehen, habe ſie alle geſehen. Standvögel ſind wahrſcheinlich nur diejenigen Nachtſchwalben, welche in den Waldungen der Gleicherländer leben, alle übrigen dürften mindeſtens ſtreichen, und ſämmtliche nordiſche Arten wandern. Sie erſcheinen ziemlich früh im Jahre in ihrer Heimat und verweilen bis zu Anfang des Herbſtes. Jhre Wanderungen dehnen ſie über große Gebiete aus: unſere Nachtſchwalbe zieht bis in das Jnnere Afrikas. Nur während dieſer Reiſen ſind die Nachtſchatten einigermaßen geſellig; in der Heimat ſelbſt lebt jedes einzelne Paar ſtreng für ſich, und vertreibt jedes andere aus ſeinem Gebiete. Der Umfang des letzteren pflegt jedoch gering zu ſein, und da, wo die Vögel häufig ſind, kann es vorkommen, daß ein großer Garten von mehreren Paaren bewohnt wird. Bei uns zu Lande meiden die Nachtſchwalben die Nähe des Menſchen; ſie erſcheinen wenigſtens nur ausnahmsweiſe nachts über den Dörfern. Jm Süden iſt Dies nicht der Fall; hier ſiedeln ſich auch unſere Vögel in oder unmittelbar an Dörfern an, und zumal große Gärten werden zu ihrem gewöhnlichen Wohnſitze. Kerbthiere verſchiedener Art bilden die ausſchließliche Nahrung der großen Mehrzahl aller Nacht- ſchwalben. Sämmtliche Arten ſind im höchſten Grade gefräßig. Jhre Jagd beginnt in der Regel mit Einbruch der Nacht, wird einige Stunden lang betrieben, ſodann unterbrochen und gegen die Morgendämmerung hin von neuem wieder aufgenommen. Noch ehe die Sonne am Himmel erſcheint, ſuchen die Nachtſchwalben die Ruhe. Aber auch hier gibt es Ausnahmen. Amerikaniſche Arten jagen gar nicht ſelten am hellen Tage und nicht blos in ſchattigen Waldungen, ſondern auch im Freien und im hellſten Sonnenſchein. Die übrigen pflegen während des Tages der Länge nach auf einem umgefallenen Stamme und andern liegenden Holzſtücken oder auf dem Boden und bezüglich auf Felsgeſimſen düſterer Höhlungen zu ſitzen oder richtiger vielleicht zu liegen; denn ſie drücken ſich ſo platt auf ihre Unterlage, daß ſie viel breiter als hoch erſcheinen. Alle Nachtſchwalben zeigen ſich nur im Fluge als bewegungsfähige Weſen; auf den Zweigen kleben ſie, und auf der Erde liegen ſie mehr, als ſie ſitzen. Jhr Gang iſt ein trauriges Ge- trippel, welches die Thiere ſehr zu ermüden ſcheint und auch niemals weiter, als auf einige Fuß hin fortgeſetzt wird. Der Flug hingegen zeichnet ſich durch Leichtigkeit und Zierlichkeit, Gewandtheit und Anmuth aus. Er iſt gewiſſermaßen ein Mittelglied zwiſchen dem Fluge der Schwalbe und dem Fluge des Falken. Ungern erheben ſich die Nachtſchwalben zu bedeutenden Höhen; es geſchieht Dies jedoch nicht aus Unvermögen, ſondern weil die Tiefe ihnen viel mehr bietet, als eine größere Höhe. Bei aus- gedehnteren Wanderungen ſieht man ſie oft hoch über dem Boden dahinziehen, und namentlich diejenigen, welche bei Tage fliegen, durchſuchen ſehr häufig auch die oberen Luftſchichten. Unter den Sinnen ſteht wohl das Geſicht obenan, wie das große Auge ſchließen läßt; nächſtdem ſcheinen Gehör und Gefühl am meiſten entwickelt zu ſein. Ob der Geruch beſonders ausgebildet iſt, wiſſen wir nicht; wohl aber dürfen wir behaupten, daß der Geſchmack ſchlecht ſein muß. Die geiſtigen Fähigkeiten ſind gering, wenn auch wahrſcheinlich nicht in dem Grade, als man gewöhnlich anzunehmen pflegt. Die ſchlaftrunkene Nachtſchwalbe, welche wir bei Tage beobachten können, macht allerdings einen höchſt ungünſtigen Eindruck, und auch die zufällig gefangene weiß ſich nicht anders zu helfen, als durch Aufſperren ihres ungeheuren Rachens und ein heiſeres Fauchen: die ermunterte, in voller Thätigkeit begriffene zeigt ſich von ganz anderer Seite. Sie bekundet zwar gewöhnlich eine recht alberne Neugier und eine ſehr oft verderbliche Vertrauensſeligkeit, lernt jedoch ihren Feind bald genug kennen und greift ſelbſt zur Liſt, um ſich oder ihre Brut deren Nachſtellungen zu entziehen. Ein eigentliches Neſt bauen die Nachtſchwalben nicht; ſie legen ihre Eier ohne jegliche Unterlage auf den flachen Boden; ſie denken nicht einmal daran, für dieſe Eier eine ſeichte Höhlung auszu-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 661. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/699>, abgerufen am 22.11.2024.