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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Die Fänger. Sperrvögel. Schwalben.

Die Stimme unterscheidet die Mehlschwalbe leicht von der Rauchschwalbe. Der Lockton klingt
wie "Schär" oder "Skrü", der Ausdruck der Furcht ist ein zweisilbiges "Skier", der Gesang, wie
Naumann sagt, "ein langes, einfältiges Geleier sich immer wiederholender, durchaus nicht angenehmer
Töne". Er gehört unter die schlechtesten aller Vogelgesänge.

Hinsichtlich der Nahrung der Mehlschwalbe gilt ungefähr Dasselbe, was von der Rauchschwalbe
gesagt wurde; jedoch kennen wir nur zum geringsten Theile die Kerbthiere, welchen sie nachstrebt.
Namentlich die Arten, welche sie in den hohen Luftschichten und, wie es scheint, in reichlicher Menge
erbeutet, sind uns vollkommen unbekannt. Die Verdauung der Schwalbe geht so rasch von statten,
daß uns auch die Untersuchung des Magens einer getödteten Mehlschwalbe hierüber keinen Aufschluß
gibt. Stechende Kerbthiere fängt die Mehlschwalbe nicht; der Giftstachel würde ihr tödtlich sein.
"Einer sehr rüstigen, hungernden, flugbaren, jungen Schwalbe dieser Art", erzählt Naumann,
"hielt ich eine lebende Honigbiene vor, aber kaum hatte sie selbige in dem Schnabel, als sie auch
schon in die Kehle gestochen war, die Biene von sich schleuderte, traurig ward und in weniger denn
zwei Minuten schon ihren Geist aufgab."

Bei uns zu Lande nistet die Mehlschwalbe fast ausschließlich an den Gebäuden der Städte und
Dörfer; in weniger bewohnten Ländern siedelt sie sich massenhaft an Felswänden an, so nach eigenen
Beobachtungen in Spanien und nach der Angabe von Schinz an geeigneten Felswänden der schweizer
Alpen. Unter allen Umständen wählt sie sich eine Stelle, an welcher das Nest von oben her geschützt
ist, so daß es vom Regen nicht getroffen werden kann, am liebsten also die Friese unter Gesimsen und
Säulen, Fenster- und Thürnischen, Dachkränze, Wetterbretter und ähnliche Stellen. Zuweilen
bezieht sie auch eine Höhlung in der Wand und mauert den Eingang bis auf ein Flugloch zu. Das
Nest unterscheidet sich von dem der Rauchschwalbe dadurch, daß es stets bis auf ein Eingangsloch
zugebaut wird, von oben also nicht offen ist. Die Gestalt einer Halbkugel ist vorherrschend; doch
ändert das Nest nach Ort und Gelegenheit vielfach ab. Der Bau desselben wird eifrig ausgeführt, ist
aber eine lange Arbeit; sie wird selten unter zwölf bis vierzehn Tagen vollendet. Nur ausnahms-
weise sieht man ein einziges dieser Nester; gewöhnlich werden möglichst viele dicht neben und an einander
gebaut. Das Pärchen benutzt das einmal fertige Nest nicht nur zu den zwei Bruten, welche es in
einem Sommer macht, sondern auch in nachfolgenden Jahren. Es fegt dann den Unrath aus dem-
selben und trägt neue Niststoffe ein. Schadhafte Stellen werden geschickt wieder ausgebessert,
sogar Löcher im Boden wieder ausgeflickt. Das Gelege besteht aus vier bis sechs zartschaligen
schneeweißen Eiern, welche nach zwölf bis dreizehn Tagen von dem allein brütenden Weibchen gezeitigt
werden. Das Männchen versorgt seine Gattin bei gutem Wetter mit genügender Nahrung; bei
schlechtem Wetter hingegen ist das Weibchen genöthigt, zeitweise die Eier zu verlassen, und dadurch
verlängert sich dann die Brütezeit. Auch das Wachsthum der Jungen hängt wesentlich von der Wit-
terung ab. Jn trockenen Sommern fällt es den Eltern nicht schwer, die nöthige Kerbthiermenge
herbeizuschaffen, während in ungünstigen Jahren der Maugel und die Noth oft recht groß wird. Bei
frühzeitig eintretendem kalten Herbstwetter geschieht es, daß die Eltern ihre Jungen verhungern lassen
und ohne sie die Winterreise antreten müssen. Dies wird namentlich in Nordeuropa beobachtet.
Malm fand Nester, in denen die halberwachsenen Jungen todt in derselben Ordnung lagen, welche
sie, als sie noch lebten, eingehalten hatten. Unter günstigen Umständen verlassen die Jungen nach
ungefähr sechszehn Tagen das Nest und üben nun unter Aufsicht der Alten ihre Glieder, bis sie kräftig
und geschickt genug sind, selbst für ihre Unterhaltung zu sorgen. Anfangs kehren sie allabendlich
noch nach dem Neste zurück, welches auch den Eltern bisher zur Rachtruhe diente. "Vater, Mutter
und Kinder", berichtet Naumann, "drängen sich darin zusammen, oft sieben bis acht Köpfe stark,
und der Raum wird dann alle Abende so beengt, daß es lange währt, ehe sie in Ordnung kommen
und man sich oft wundern muß, wie das Nest, ohne herab zu fallen oder zu bersten, die vielen Bal-
gereien von ihnen aushält. Der Streit wird oft sehr ernstlich, wenn die Jungen, wie es in großen
Siedelungen oft vorkommt, sich in ein fremdes Nest verirren, aus welchem sie von den brütenden

Die Fänger. Sperrvögel. Schwalben.

Die Stimme unterſcheidet die Mehlſchwalbe leicht von der Rauchſchwalbe. Der Lockton klingt
wie „Schär‟ oder „Skrü‟, der Ausdruck der Furcht iſt ein zweiſilbiges „Skier‟, der Geſang, wie
Naumann ſagt, „ein langes, einfältiges Geleier ſich immer wiederholender, durchaus nicht angenehmer
Töne‟. Er gehört unter die ſchlechteſten aller Vogelgeſänge.

Hinſichtlich der Nahrung der Mehlſchwalbe gilt ungefähr Daſſelbe, was von der Rauchſchwalbe
geſagt wurde; jedoch kennen wir nur zum geringſten Theile die Kerbthiere, welchen ſie nachſtrebt.
Namentlich die Arten, welche ſie in den hohen Luftſchichten und, wie es ſcheint, in reichlicher Menge
erbeutet, ſind uns vollkommen unbekannt. Die Verdauung der Schwalbe geht ſo raſch von ſtatten,
daß uns auch die Unterſuchung des Magens einer getödteten Mehlſchwalbe hierüber keinen Aufſchluß
gibt. Stechende Kerbthiere fängt die Mehlſchwalbe nicht; der Giftſtachel würde ihr tödtlich ſein.
„Einer ſehr rüſtigen, hungernden, flugbaren, jungen Schwalbe dieſer Art‟, erzählt Naumann,
„hielt ich eine lebende Honigbiene vor, aber kaum hatte ſie ſelbige in dem Schnabel, als ſie auch
ſchon in die Kehle geſtochen war, die Biene von ſich ſchleuderte, traurig ward und in weniger denn
zwei Minuten ſchon ihren Geiſt aufgab.‟

Bei uns zu Lande niſtet die Mehlſchwalbe faſt ausſchließlich an den Gebäuden der Städte und
Dörfer; in weniger bewohnten Ländern ſiedelt ſie ſich maſſenhaft an Felswänden an, ſo nach eigenen
Beobachtungen in Spanien und nach der Angabe von Schinz an geeigneten Felswänden der ſchweizer
Alpen. Unter allen Umſtänden wählt ſie ſich eine Stelle, an welcher das Neſt von oben her geſchützt
iſt, ſo daß es vom Regen nicht getroffen werden kann, am liebſten alſo die Frieſe unter Geſimſen und
Säulen, Fenſter- und Thürniſchen, Dachkränze, Wetterbretter und ähnliche Stellen. Zuweilen
bezieht ſie auch eine Höhlung in der Wand und mauert den Eingang bis auf ein Flugloch zu. Das
Neſt unterſcheidet ſich von dem der Rauchſchwalbe dadurch, daß es ſtets bis auf ein Eingangsloch
zugebaut wird, von oben alſo nicht offen iſt. Die Geſtalt einer Halbkugel iſt vorherrſchend; doch
ändert das Neſt nach Ort und Gelegenheit vielfach ab. Der Bau deſſelben wird eifrig ausgeführt, iſt
aber eine lange Arbeit; ſie wird ſelten unter zwölf bis vierzehn Tagen vollendet. Nur ausnahms-
weiſe ſieht man ein einziges dieſer Neſter; gewöhnlich werden möglichſt viele dicht neben und an einander
gebaut. Das Pärchen benutzt das einmal fertige Neſt nicht nur zu den zwei Bruten, welche es in
einem Sommer macht, ſondern auch in nachfolgenden Jahren. Es fegt dann den Unrath aus dem-
ſelben und trägt neue Niſtſtoffe ein. Schadhafte Stellen werden geſchickt wieder ausgebeſſert,
ſogar Löcher im Boden wieder ausgeflickt. Das Gelege beſteht aus vier bis ſechs zartſchaligen
ſchneeweißen Eiern, welche nach zwölf bis dreizehn Tagen von dem allein brütenden Weibchen gezeitigt
werden. Das Männchen verſorgt ſeine Gattin bei gutem Wetter mit genügender Nahrung; bei
ſchlechtem Wetter hingegen iſt das Weibchen genöthigt, zeitweiſe die Eier zu verlaſſen, und dadurch
verlängert ſich dann die Brütezeit. Auch das Wachsthum der Jungen hängt weſentlich von der Wit-
terung ab. Jn trockenen Sommern fällt es den Eltern nicht ſchwer, die nöthige Kerbthiermenge
herbeizuſchaffen, während in ungünſtigen Jahren der Maugel und die Noth oft recht groß wird. Bei
frühzeitig eintretendem kalten Herbſtwetter geſchieht es, daß die Eltern ihre Jungen verhungern laſſen
und ohne ſie die Winterreiſe antreten müſſen. Dies wird namentlich in Nordeuropa beobachtet.
Malm fand Neſter, in denen die halberwachſenen Jungen todt in derſelben Ordnung lagen, welche
ſie, als ſie noch lebten, eingehalten hatten. Unter günſtigen Umſtänden verlaſſen die Jungen nach
ungefähr ſechszehn Tagen das Neſt und üben nun unter Aufſicht der Alten ihre Glieder, bis ſie kräftig
und geſchickt genug ſind, ſelbſt für ihre Unterhaltung zu ſorgen. Anfangs kehren ſie allabendlich
noch nach dem Neſte zurück, welches auch den Eltern bisher zur Rachtruhe diente. „Vater, Mutter
und Kinder‟, berichtet Naumann, „drängen ſich darin zuſammen, oft ſieben bis acht Köpfe ſtark,
und der Raum wird dann alle Abende ſo beengt, daß es lange währt, ehe ſie in Ordnung kommen
und man ſich oft wundern muß, wie das Neſt, ohne herab zu fallen oder zu berſten, die vielen Bal-
gereien von ihnen aushält. Der Streit wird oft ſehr ernſtlich, wenn die Jungen, wie es in großen
Siedelungen oft vorkommt, ſich in ein fremdes Neſt verirren, aus welchem ſie von den brütenden

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[636/0672] Die Fänger. Sperrvögel. Schwalben. Die Stimme unterſcheidet die Mehlſchwalbe leicht von der Rauchſchwalbe. Der Lockton klingt wie „Schär‟ oder „Skrü‟, der Ausdruck der Furcht iſt ein zweiſilbiges „Skier‟, der Geſang, wie Naumann ſagt, „ein langes, einfältiges Geleier ſich immer wiederholender, durchaus nicht angenehmer Töne‟. Er gehört unter die ſchlechteſten aller Vogelgeſänge. Hinſichtlich der Nahrung der Mehlſchwalbe gilt ungefähr Daſſelbe, was von der Rauchſchwalbe geſagt wurde; jedoch kennen wir nur zum geringſten Theile die Kerbthiere, welchen ſie nachſtrebt. Namentlich die Arten, welche ſie in den hohen Luftſchichten und, wie es ſcheint, in reichlicher Menge erbeutet, ſind uns vollkommen unbekannt. Die Verdauung der Schwalbe geht ſo raſch von ſtatten, daß uns auch die Unterſuchung des Magens einer getödteten Mehlſchwalbe hierüber keinen Aufſchluß gibt. Stechende Kerbthiere fängt die Mehlſchwalbe nicht; der Giftſtachel würde ihr tödtlich ſein. „Einer ſehr rüſtigen, hungernden, flugbaren, jungen Schwalbe dieſer Art‟, erzählt Naumann, „hielt ich eine lebende Honigbiene vor, aber kaum hatte ſie ſelbige in dem Schnabel, als ſie auch ſchon in die Kehle geſtochen war, die Biene von ſich ſchleuderte, traurig ward und in weniger denn zwei Minuten ſchon ihren Geiſt aufgab.‟ Bei uns zu Lande niſtet die Mehlſchwalbe faſt ausſchließlich an den Gebäuden der Städte und Dörfer; in weniger bewohnten Ländern ſiedelt ſie ſich maſſenhaft an Felswänden an, ſo nach eigenen Beobachtungen in Spanien und nach der Angabe von Schinz an geeigneten Felswänden der ſchweizer Alpen. Unter allen Umſtänden wählt ſie ſich eine Stelle, an welcher das Neſt von oben her geſchützt iſt, ſo daß es vom Regen nicht getroffen werden kann, am liebſten alſo die Frieſe unter Geſimſen und Säulen, Fenſter- und Thürniſchen, Dachkränze, Wetterbretter und ähnliche Stellen. Zuweilen bezieht ſie auch eine Höhlung in der Wand und mauert den Eingang bis auf ein Flugloch zu. Das Neſt unterſcheidet ſich von dem der Rauchſchwalbe dadurch, daß es ſtets bis auf ein Eingangsloch zugebaut wird, von oben alſo nicht offen iſt. Die Geſtalt einer Halbkugel iſt vorherrſchend; doch ändert das Neſt nach Ort und Gelegenheit vielfach ab. Der Bau deſſelben wird eifrig ausgeführt, iſt aber eine lange Arbeit; ſie wird ſelten unter zwölf bis vierzehn Tagen vollendet. Nur ausnahms- weiſe ſieht man ein einziges dieſer Neſter; gewöhnlich werden möglichſt viele dicht neben und an einander gebaut. Das Pärchen benutzt das einmal fertige Neſt nicht nur zu den zwei Bruten, welche es in einem Sommer macht, ſondern auch in nachfolgenden Jahren. Es fegt dann den Unrath aus dem- ſelben und trägt neue Niſtſtoffe ein. Schadhafte Stellen werden geſchickt wieder ausgebeſſert, ſogar Löcher im Boden wieder ausgeflickt. Das Gelege beſteht aus vier bis ſechs zartſchaligen ſchneeweißen Eiern, welche nach zwölf bis dreizehn Tagen von dem allein brütenden Weibchen gezeitigt werden. Das Männchen verſorgt ſeine Gattin bei gutem Wetter mit genügender Nahrung; bei ſchlechtem Wetter hingegen iſt das Weibchen genöthigt, zeitweiſe die Eier zu verlaſſen, und dadurch verlängert ſich dann die Brütezeit. Auch das Wachsthum der Jungen hängt weſentlich von der Wit- terung ab. Jn trockenen Sommern fällt es den Eltern nicht ſchwer, die nöthige Kerbthiermenge herbeizuſchaffen, während in ungünſtigen Jahren der Maugel und die Noth oft recht groß wird. Bei frühzeitig eintretendem kalten Herbſtwetter geſchieht es, daß die Eltern ihre Jungen verhungern laſſen und ohne ſie die Winterreiſe antreten müſſen. Dies wird namentlich in Nordeuropa beobachtet. Malm fand Neſter, in denen die halberwachſenen Jungen todt in derſelben Ordnung lagen, welche ſie, als ſie noch lebten, eingehalten hatten. Unter günſtigen Umſtänden verlaſſen die Jungen nach ungefähr ſechszehn Tagen das Neſt und üben nun unter Aufſicht der Alten ihre Glieder, bis ſie kräftig und geſchickt genug ſind, ſelbſt für ihre Unterhaltung zu ſorgen. Anfangs kehren ſie allabendlich noch nach dem Neſte zurück, welches auch den Eltern bisher zur Rachtruhe diente. „Vater, Mutter und Kinder‟, berichtet Naumann, „drängen ſich darin zuſammen, oft ſieben bis acht Köpfe ſtark, und der Raum wird dann alle Abende ſo beengt, daß es lange währt, ehe ſie in Ordnung kommen und man ſich oft wundern muß, wie das Neſt, ohne herab zu fallen oder zu berſten, die vielen Bal- gereien von ihnen aushält. Der Streit wird oft ſehr ernſtlich, wenn die Jungen, wie es in großen Siedelungen oft vorkommt, ſich in ein fremdes Neſt verirren, aus welchem ſie von den brütenden

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 636. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/672>, abgerufen am 22.11.2024.