Die Jagd dieser Eule gilt fast ausschließlich kleinen Säugethieren und namentlich den Mäusen und Spitzmäusen. Ein täppisches Vögelchen wird freilich auch nicht verschont und ein krankes oder ermattetes Rebhuhn unter Umständen mitgenommen: diese Uebergriffe aber sind kaum der Erwäh- nung werth. Die Waldeule nützt, so lange sie lebt.
Alte verlassene Nester einer Krähe, einer Ringeltaube, der Bau eines Eichhörnchens oder der Horst eines Tagraubvogels muß der Waldeule zur Wiege der Jungen dienen. An eine Auf- besserung des vorgefundenen Nestes denkt sie nicht. Sie legt im März ihre vier runden weißen Eier, ohne jegliche Vorbereitung auf dem Boden des vorgefundenen Nestes ab und bebrütet sie drei Wochen lang sehr eifrig, während dem sie sich vom Männchen äzen läßt. Dieses hat vorher seiner Liebesbegeisterung durch lautes Geschrei, den Silben "Huihui" und "Wump" vergleichbar, oder durch klatschendes Schlagen mit den Flügeln Ausdruck gegeben und hält sich, so lange das Weibchen brütet, in nächster Nähe desselben auf. Die Jungen werden von beiden Eltern ernährt und äußerst zärtlich geliebt. Sie bedürfen, wie alle wachsenden Vögel, viele Nahrung, kreischen und pfeifen fortwährend, als ob ihr Hunger niemals gestillt würde und treiben die zärtlichen Eltern zu einer ununterbrochenen Mäusejagd an, machen sich also schon in den ersten Tagen ihrer Kindheit sehr nützlich. Leider ver- rathen sie sich böswilligen oder dummen Menschen durch ihr heftiges Schreien nur zu oft und finden dann häufig ein schmähliges Ende. Hebt man sie aus dem Horste, wenn sie noch mit Wollflaum bedeckt sind und gibt sich dann viel mit ihnen ab, so werden sie nach kurzer Pflege ungemein zahm und ergötzen ihren Herrn und Gebieter weidlich.
Auch die Ohreule ist dem gesammten Tagesgeflügel sehr verhaßt und wird geneckt und gesoppt, sobald sie sich sehen läßt. Der verständige Mensch hingegen läßt sie unbehelligt und thut sehr wohl daran, weil jeder Schutz, welchen man einer Waldeule gewährt, uns zu gute kommt. Der Unverständige freilich, der, welcher keine Lehren annehmen will, schießt sie vom Baume herab, wenn er ihrer ansichtig wird, nagelt sie zum Merkmal seiner Thorheit mit ausgebreiteten Flügeln an das Hof- thor und rühmt sich auch wohl noch seiner Heldenthat.
Neben der Waldeule kommt noch eine Verwandte in Deutschland vor und nicht blos hier allein, sondern auf der ganzen übrigen Erde, mit alleiniger Ausnahme Neuhollands. Die Sumpf-, Moor-, Rohr-, Bruch-, Wiesen-, Schnepfen-, Brand- oder Kohleule (Otus brachyotos) ähnelt der Waldeule so, daß sie oft mit ihr verwechselt worden ist. Jhr Kopf ist aber kleiner oder scheint es wenigstens zu sein; die kurzen Federohren bestehen nur aus zwei bis vier Federn; die Flügel sind verhältnißmäßig lang und reichen weit über den Schwanz hinaus; die Färbung endlich ist eine andere. Die Grundfarbe ist ein angenehmes Blaßgelb, die Kopf- und Rumpffedern sind mit schwarzen Schaftstrichen gezeichnet, welche bis zur Brust herabreichen, auf dem Bauche aber schmal und lang sind; die Flügeldeckfedern sind an der Außenseite gelb, an der Jnnenseite und an der Spitze aber schwarz; die Schwingen und der Schwanz sind graubraun gebändert. Der Schleier ist weißlich- grau, der Schnabel hornschwarz, das Auge nicht dunkel-, sondern lichtgelb. Junge Vögel sind dunkler, als die alten. Die Länge beträgt 14 bis 16 Zoll, die Breite 40 bis 42 Zoll.
Zweierlei ist es, welches die Sumpfeule besonders auszeichnet: die Wahl des flachen Bodens zum Ruheorte und ihre unglaubliche Wanderlust. Jm ganzen Norden der Erde ist sie ein mehr oder weniger häufiger Vogel. Auf den Mooren Nordeuropas und Sibiriens lebt sie in so großer Menge, daß man sie gemein nennen darf; im nördlichen Deutschland und in Holland ist sie wenigstens allge- mein bekannt: aber sie wird auch regelmäßig in Jndien, in ganz Mittelafrika und in ganz Amerika gefunden, im Süden allerdings nur als Zugvogel, welcher im Oktober einwandert und gegen den März hin wieder verschwindet. Burmeister beobachtete eine dieser Eulen auf hohem Meere westlich von der Jnsel des grünen Vorgebirges: sie setzte sich anscheinend ermüdet auf das Schiff, wurde von einem Matrosen lebend ergriffen, durch gedachten Naturforscher genau untersucht und erkannt; ich traf sie häufig in den Steppen am obern Nil an, und Jerdon erwähnt, daß sie in Jndien allwinterlich
Wald- und Sumpfeule.
Die Jagd dieſer Eule gilt faſt ausſchließlich kleinen Säugethieren und namentlich den Mäuſen und Spitzmäuſen. Ein täppiſches Vögelchen wird freilich auch nicht verſchont und ein krankes oder ermattetes Rebhuhn unter Umſtänden mitgenommen: dieſe Uebergriffe aber ſind kaum der Erwäh- nung werth. Die Waldeule nützt, ſo lange ſie lebt.
Alte verlaſſene Neſter einer Krähe, einer Ringeltaube, der Bau eines Eichhörnchens oder der Horſt eines Tagraubvogels muß der Waldeule zur Wiege der Jungen dienen. An eine Auf- beſſerung des vorgefundenen Neſtes denkt ſie nicht. Sie legt im März ihre vier runden weißen Eier, ohne jegliche Vorbereitung auf dem Boden des vorgefundenen Neſtes ab und bebrütet ſie drei Wochen lang ſehr eifrig, während dem ſie ſich vom Männchen äzen läßt. Dieſes hat vorher ſeiner Liebesbegeiſterung durch lautes Geſchrei, den Silben „Huihui‟ und „Wump‟ vergleichbar, oder durch klatſchendes Schlagen mit den Flügeln Ausdruck gegeben und hält ſich, ſo lange das Weibchen brütet, in nächſter Nähe deſſelben auf. Die Jungen werden von beiden Eltern ernährt und äußerſt zärtlich geliebt. Sie bedürfen, wie alle wachſenden Vögel, viele Nahrung, kreiſchen und pfeifen fortwährend, als ob ihr Hunger niemals geſtillt würde und treiben die zärtlichen Eltern zu einer ununterbrochenen Mäuſejagd an, machen ſich alſo ſchon in den erſten Tagen ihrer Kindheit ſehr nützlich. Leider ver- rathen ſie ſich böswilligen oder dummen Menſchen durch ihr heftiges Schreien nur zu oft und finden dann häufig ein ſchmähliges Ende. Hebt man ſie aus dem Horſte, wenn ſie noch mit Wollflaum bedeckt ſind und gibt ſich dann viel mit ihnen ab, ſo werden ſie nach kurzer Pflege ungemein zahm und ergötzen ihren Herrn und Gebieter weidlich.
Auch die Ohreule iſt dem geſammten Tagesgeflügel ſehr verhaßt und wird geneckt und geſoppt, ſobald ſie ſich ſehen läßt. Der verſtändige Menſch hingegen läßt ſie unbehelligt und thut ſehr wohl daran, weil jeder Schutz, welchen man einer Waldeule gewährt, uns zu gute kommt. Der Unverſtändige freilich, der, welcher keine Lehren annehmen will, ſchießt ſie vom Baume herab, wenn er ihrer anſichtig wird, nagelt ſie zum Merkmal ſeiner Thorheit mit ausgebreiteten Flügeln an das Hof- thor und rühmt ſich auch wohl noch ſeiner Heldenthat.
Neben der Waldeule kommt noch eine Verwandte in Deutſchland vor und nicht blos hier allein, ſondern auf der ganzen übrigen Erde, mit alleiniger Ausnahme Neuhollands. Die Sumpf-, Moor-, Rohr-, Bruch-, Wieſen-, Schnepfen-, Brand- oder Kohleule (Otus brachyotos) ähnelt der Waldeule ſo, daß ſie oft mit ihr verwechſelt worden iſt. Jhr Kopf iſt aber kleiner oder ſcheint es wenigſtens zu ſein; die kurzen Federohren beſtehen nur aus zwei bis vier Federn; die Flügel ſind verhältnißmäßig lang und reichen weit über den Schwanz hinaus; die Färbung endlich iſt eine andere. Die Grundfarbe iſt ein angenehmes Blaßgelb, die Kopf- und Rumpffedern ſind mit ſchwarzen Schaftſtrichen gezeichnet, welche bis zur Bruſt herabreichen, auf dem Bauche aber ſchmal und lang ſind; die Flügeldeckfedern ſind an der Außenſeite gelb, an der Jnnenſeite und an der Spitze aber ſchwarz; die Schwingen und der Schwanz ſind graubraun gebändert. Der Schleier iſt weißlich- grau, der Schnabel hornſchwarz, das Auge nicht dunkel-, ſondern lichtgelb. Junge Vögel ſind dunkler, als die alten. Die Länge beträgt 14 bis 16 Zoll, die Breite 40 bis 42 Zoll.
Zweierlei iſt es, welches die Sumpfeule beſonders auszeichnet: die Wahl des flachen Bodens zum Ruheorte und ihre unglaubliche Wanderluſt. Jm ganzen Norden der Erde iſt ſie ein mehr oder weniger häufiger Vogel. Auf den Mooren Nordeuropas und Sibiriens lebt ſie in ſo großer Menge, daß man ſie gemein nennen darf; im nördlichen Deutſchland und in Holland iſt ſie wenigſtens allge- mein bekannt: aber ſie wird auch regelmäßig in Jndien, in ganz Mittelafrika und in ganz Amerika gefunden, im Süden allerdings nur als Zugvogel, welcher im Oktober einwandert und gegen den März hin wieder verſchwindet. Burmeiſter beobachtete eine dieſer Eulen auf hohem Meere weſtlich von der Jnſel des grünen Vorgebirges: ſie ſetzte ſich anſcheinend ermüdet auf das Schiff, wurde von einem Matroſen lebend ergriffen, durch gedachten Naturforſcher genau unterſucht und erkannt; ich traf ſie häufig in den Steppen am obern Nil an, und Jerdon erwähnt, daß ſie in Jndien allwinterlich
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[613/0649]
Wald- und Sumpfeule.
Die Jagd dieſer Eule gilt faſt ausſchließlich kleinen Säugethieren und namentlich den Mäuſen
und Spitzmäuſen. Ein täppiſches Vögelchen wird freilich auch nicht verſchont und ein krankes oder
ermattetes Rebhuhn unter Umſtänden mitgenommen: dieſe Uebergriffe aber ſind kaum der Erwäh-
nung werth. Die Waldeule nützt, ſo lange ſie lebt.
Alte verlaſſene Neſter einer Krähe, einer Ringeltaube, der Bau eines Eichhörnchens oder
der Horſt eines Tagraubvogels muß der Waldeule zur Wiege der Jungen dienen. An eine Auf-
beſſerung des vorgefundenen Neſtes denkt ſie nicht. Sie legt im März ihre vier runden weißen
Eier, ohne jegliche Vorbereitung auf dem Boden des vorgefundenen Neſtes ab und bebrütet ſie
drei Wochen lang ſehr eifrig, während dem ſie ſich vom Männchen äzen läßt. Dieſes hat vorher ſeiner
Liebesbegeiſterung durch lautes Geſchrei, den Silben „Huihui‟ und „Wump‟ vergleichbar, oder durch
klatſchendes Schlagen mit den Flügeln Ausdruck gegeben und hält ſich, ſo lange das Weibchen brütet,
in nächſter Nähe deſſelben auf. Die Jungen werden von beiden Eltern ernährt und äußerſt zärtlich
geliebt. Sie bedürfen, wie alle wachſenden Vögel, viele Nahrung, kreiſchen und pfeifen fortwährend,
als ob ihr Hunger niemals geſtillt würde und treiben die zärtlichen Eltern zu einer ununterbrochenen
Mäuſejagd an, machen ſich alſo ſchon in den erſten Tagen ihrer Kindheit ſehr nützlich. Leider ver-
rathen ſie ſich böswilligen oder dummen Menſchen durch ihr heftiges Schreien nur zu oft und finden
dann häufig ein ſchmähliges Ende. Hebt man ſie aus dem Horſte, wenn ſie noch mit Wollflaum
bedeckt ſind und gibt ſich dann viel mit ihnen ab, ſo werden ſie nach kurzer Pflege ungemein zahm und
ergötzen ihren Herrn und Gebieter weidlich.
Auch die Ohreule iſt dem geſammten Tagesgeflügel ſehr verhaßt und wird geneckt und geſoppt,
ſobald ſie ſich ſehen läßt. Der verſtändige Menſch hingegen läßt ſie unbehelligt und thut ſehr wohl
daran, weil jeder Schutz, welchen man einer Waldeule gewährt, uns zu gute kommt. Der
Unverſtändige freilich, der, welcher keine Lehren annehmen will, ſchießt ſie vom Baume herab, wenn er
ihrer anſichtig wird, nagelt ſie zum Merkmal ſeiner Thorheit mit ausgebreiteten Flügeln an das Hof-
thor und rühmt ſich auch wohl noch ſeiner Heldenthat.
Neben der Waldeule kommt noch eine Verwandte in Deutſchland vor und nicht blos hier allein,
ſondern auf der ganzen übrigen Erde, mit alleiniger Ausnahme Neuhollands. Die Sumpf-,
Moor-, Rohr-, Bruch-, Wieſen-, Schnepfen-, Brand- oder Kohleule (Otus brachyotos)
ähnelt der Waldeule ſo, daß ſie oft mit ihr verwechſelt worden iſt. Jhr Kopf iſt aber kleiner oder
ſcheint es wenigſtens zu ſein; die kurzen Federohren beſtehen nur aus zwei bis vier Federn; die Flügel
ſind verhältnißmäßig lang und reichen weit über den Schwanz hinaus; die Färbung endlich iſt eine
andere. Die Grundfarbe iſt ein angenehmes Blaßgelb, die Kopf- und Rumpffedern ſind mit
ſchwarzen Schaftſtrichen gezeichnet, welche bis zur Bruſt herabreichen, auf dem Bauche aber ſchmal
und lang ſind; die Flügeldeckfedern ſind an der Außenſeite gelb, an der Jnnenſeite und an der Spitze
aber ſchwarz; die Schwingen und der Schwanz ſind graubraun gebändert. Der Schleier iſt weißlich-
grau, der Schnabel hornſchwarz, das Auge nicht dunkel-, ſondern lichtgelb. Junge Vögel ſind dunkler,
als die alten. Die Länge beträgt 14 bis 16 Zoll, die Breite 40 bis 42 Zoll.
Zweierlei iſt es, welches die Sumpfeule beſonders auszeichnet: die Wahl des flachen Bodens
zum Ruheorte und ihre unglaubliche Wanderluſt. Jm ganzen Norden der Erde iſt ſie ein mehr oder
weniger häufiger Vogel. Auf den Mooren Nordeuropas und Sibiriens lebt ſie in ſo großer Menge,
daß man ſie gemein nennen darf; im nördlichen Deutſchland und in Holland iſt ſie wenigſtens allge-
mein bekannt: aber ſie wird auch regelmäßig in Jndien, in ganz Mittelafrika und in ganz Amerika
gefunden, im Süden allerdings nur als Zugvogel, welcher im Oktober einwandert und gegen den
März hin wieder verſchwindet. Burmeiſter beobachtete eine dieſer Eulen auf hohem Meere weſtlich
von der Jnſel des grünen Vorgebirges: ſie ſetzte ſich anſcheinend ermüdet auf das Schiff, wurde von
einem Matroſen lebend ergriffen, durch gedachten Naturforſcher genau unterſucht und erkannt; ich traf
ſie häufig in den Steppen am obern Nil an, und Jerdon erwähnt, daß ſie in Jndien allwinterlich
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 613. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/649>, abgerufen am 22.11.2024.
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