beobachtete zuerst, daß sie Fische frißt; Jerdon fand, daß sie Krabben vielleicht noch bevorzugt. Die Eingebornen versichern, daß sie auch Katzen angreife und tödte. "Jhre Stimme", bemerkt Bernstein, "welche sie besonders in mondhellen Nächten und zur Paarungszeit fleißig hören läßt, klingt wie "Huhi, huhuhi, huhu". Das Nest habe ich bis jetzt nur einmal gefunden. Es befand sich in ziemlicher Höhe im Gipfel eines alten Durengbaumes, an der Stelle, wo ein dicker, mit Mos, Farrn, Orchideen und dergl. dicht bedeckter Ast sich vom Stamme trennte. Jn dieses Schma- rotzerpolster hatten die Vögel eine Vertiefung gemacht, oder vielleicht auch nur eine schon vorhandene Spalte noch etwas vertieft und vergrößert. Diese Vertiefung bildete das ganze Nest, in dem ohne weitere Unterlage ein mattglänzendes, rein weißes Ei lag, das, wie in der Regel die Euleneier, eine auffallend kurze, beinahe rundliche Gestalt hat. Jn einem andern Neste hat einer meiner Jäger ein schon völlig flügges Junge gefunden, so daß es hiernach scheint, daß diese Eule für gewöhnlich nur ein einziges Ei legt."
Unsere Waldeule (Otus sylvestris), hier und da auch Ohr-, Horn-, Katzen-, Fuchs-, Kapp-, Uhr- und Ranzeule genannt, ist ein Uhu im Kleinen, unterscheidet sich aber von diesem durch den schlankeren Leibesbau, die längeren Flügel, in denen die zweite Schwinge die andern über- ragt, die kurzen Füße, die längeren Federohren und durch die sehr ausgebildeten Gehörmuscheln, wes- halb bei ihr der Schleier sehr deutlich ist. Jn der Färbung hat die Waldenle mit dem Uhu viel Aehn- lichkeit; ihr Gefieder ist aber lichter, weil die rostgelbe Grundfarbe weniger von den schwarzen Schaft- strichen und Querstreifen der Federn verdeckt wird. Die Oberseite ist auf trüb rostgelblicher Grund- farbe dunkel graubraun gefleckt, gepunktet, gewellt und gebändert, die lichtere Unterseite mit dunkel- braunen, auf der Brustgegend quer verästelten Längsflecken gezeichnet. Die Ohrmuschel ist an der Spitze und auf der Außenseite schwarz, auf der Jnnenseite weißlich; der Gesichtskreis ist graulich rost- gelb; Schwingen und Schwanz sind gebändert; der Schnabel ist schwärzlich, das Auge hochgelb. Die Weibchen sind etwas dunkler, die Jungen minder lebhaft gefärbt als das Männchen. Die Länge beträgt 13 bis 14 Zoll, die Breite 35 bis 38 Zoll.
Die Waldeule verbreitet sich über ganz Europa und ist besonders häufig in der Mitte des Erd- theils; in den Atlasländern kommt sie ebenfalls vor, in Mittelasien ist sie ebenso gemein, wie in Europa, und erst auf dem Himalaya erreicht sie ihre Südgrenze. Jn Nordamerika wird sie durch eine ihr täuschend ähnliche Art vertreten, welche man lange Zeit für dieselbe hielt. Sie verdient ihren Namen; denn sie findet sich regelmäßig nur im Walde. Nachts kommt sie zwar bis in die Nähe der Ortschaften heran, und während ihrer Strichzeit nimmt sie wohl auch in einem dicht bestandenen Obstgarten während des Tages Herberge; Dies aber sind Ausnahmen. Ob sie den Nadel- oder ob sie den Laubwald bevorzuge, ist schwer zu sagen: man findet sie ebenso häufig hier, wie dort. Jn ihrer Lebensweise und ihrem Betragen unterscheidet sie sich nicht unwesentlich von dem Uhu. Sie benimmt sich bei Tage allerdings ganz ähnlich wie dieser; sie fliegt ungefähr zu derselben Zeit und ungefähr in gleicher Weise zur Jagd aus; aber sie ist weit geselliger und viel weniger wüthend und ärgerlich als ihr großer Verwandter. Nur während der Brutzeit hält sie sich paarweise; sobald ihre Jungen groß geworden sind, schlägt sie sich mit andern ihrer Art in Flüge zusammen, welche zuweilen recht zahlreich werden können. Gegen den Herbst hin streichen diese Gesellschaften im Lande auf und nieder, ohne jedoch eigentlich zu wandern, und man trifft sie dann an passenden Orten zuweilen sehr häufig an. Jch habe Trupps von einigen zwanzig und mehr gesehen, welche beinahe auf ein und demselben Baume Platz genommen hatten. Die Waldeule ist, obgleich sie von unwissenden Menschen noch immer viel mehr als recht, verfolgt wird, wenig scheu und läßt sich, wenn sie bei Tage aufgebäumt hat, ohne an Flucht zu denken, unterlaufen; ja, es ist mir vorgekommen, daß ich sie erst durch Schütteln am Baume zum Auffliegen habe bewegen können.
Die Fänger. Raubvögel. Ohreulen.
beobachtete zuerſt, daß ſie Fiſche frißt; Jerdon fand, daß ſie Krabben vielleicht noch bevorzugt. Die Eingebornen verſichern, daß ſie auch Katzen angreife und tödte. „Jhre Stimme‟, bemerkt Bernſtein, „welche ſie beſonders in mondhellen Nächten und zur Paarungszeit fleißig hören läßt, klingt wie „Huhi, huhuhi, huhu‟. Das Neſt habe ich bis jetzt nur einmal gefunden. Es befand ſich in ziemlicher Höhe im Gipfel eines alten Durengbaumes, an der Stelle, wo ein dicker, mit Mos, Farrn, Orchideen und dergl. dicht bedeckter Aſt ſich vom Stamme trennte. Jn dieſes Schma- rotzerpolſter hatten die Vögel eine Vertiefung gemacht, oder vielleicht auch nur eine ſchon vorhandene Spalte noch etwas vertieft und vergrößert. Dieſe Vertiefung bildete das ganze Neſt, in dem ohne weitere Unterlage ein mattglänzendes, rein weißes Ei lag, das, wie in der Regel die Euleneier, eine auffallend kurze, beinahe rundliche Geſtalt hat. Jn einem andern Neſte hat einer meiner Jäger ein ſchon völlig flügges Junge gefunden, ſo daß es hiernach ſcheint, daß dieſe Eule für gewöhnlich nur ein einziges Ei legt.‟
Unſere Waldeule (Otus sylvestris), hier und da auch Ohr-, Horn-, Katzen-, Fuchs-, Kapp-, Uhr- und Ranzeule genannt, iſt ein Uhu im Kleinen, unterſcheidet ſich aber von dieſem durch den ſchlankeren Leibesbau, die längeren Flügel, in denen die zweite Schwinge die andern über- ragt, die kurzen Füße, die längeren Federohren und durch die ſehr ausgebildeten Gehörmuſcheln, wes- halb bei ihr der Schleier ſehr deutlich iſt. Jn der Färbung hat die Waldenle mit dem Uhu viel Aehn- lichkeit; ihr Gefieder iſt aber lichter, weil die roſtgelbe Grundfarbe weniger von den ſchwarzen Schaft- ſtrichen und Querſtreifen der Federn verdeckt wird. Die Oberſeite iſt auf trüb roſtgelblicher Grund- farbe dunkel graubraun gefleckt, gepunktet, gewellt und gebändert, die lichtere Unterſeite mit dunkel- braunen, auf der Bruſtgegend quer veräſtelten Längsflecken gezeichnet. Die Ohrmuſchel iſt an der Spitze und auf der Außenſeite ſchwarz, auf der Jnnenſeite weißlich; der Geſichtskreis iſt graulich roſt- gelb; Schwingen und Schwanz ſind gebändert; der Schnabel iſt ſchwärzlich, das Auge hochgelb. Die Weibchen ſind etwas dunkler, die Jungen minder lebhaft gefärbt als das Männchen. Die Länge beträgt 13 bis 14 Zoll, die Breite 35 bis 38 Zoll.
Die Waldeule verbreitet ſich über ganz Europa und iſt beſonders häufig in der Mitte des Erd- theils; in den Atlasländern kommt ſie ebenfalls vor, in Mittelaſien iſt ſie ebenſo gemein, wie in Europa, und erſt auf dem Himalaya erreicht ſie ihre Südgrenze. Jn Nordamerika wird ſie durch eine ihr täuſchend ähnliche Art vertreten, welche man lange Zeit für dieſelbe hielt. Sie verdient ihren Namen; denn ſie findet ſich regelmäßig nur im Walde. Nachts kommt ſie zwar bis in die Nähe der Ortſchaften heran, und während ihrer Strichzeit nimmt ſie wohl auch in einem dicht beſtandenen Obſtgarten während des Tages Herberge; Dies aber ſind Ausnahmen. Ob ſie den Nadel- oder ob ſie den Laubwald bevorzuge, iſt ſchwer zu ſagen: man findet ſie ebenſo häufig hier, wie dort. Jn ihrer Lebensweiſe und ihrem Betragen unterſcheidet ſie ſich nicht unweſentlich von dem Uhu. Sie benimmt ſich bei Tage allerdings ganz ähnlich wie dieſer; ſie fliegt ungefähr zu derſelben Zeit und ungefähr in gleicher Weiſe zur Jagd aus; aber ſie iſt weit geſelliger und viel weniger wüthend und ärgerlich als ihr großer Verwandter. Nur während der Brutzeit hält ſie ſich paarweiſe; ſobald ihre Jungen groß geworden ſind, ſchlägt ſie ſich mit andern ihrer Art in Flüge zuſammen, welche zuweilen recht zahlreich werden können. Gegen den Herbſt hin ſtreichen dieſe Geſellſchaften im Lande auf und nieder, ohne jedoch eigentlich zu wandern, und man trifft ſie dann an paſſenden Orten zuweilen ſehr häufig an. Jch habe Trupps von einigen zwanzig und mehr geſehen, welche beinahe auf ein und demſelben Baume Platz genommen hatten. Die Waldeule iſt, obgleich ſie von unwiſſenden Menſchen noch immer viel mehr als recht, verfolgt wird, wenig ſcheu und läßt ſich, wenn ſie bei Tage aufgebäumt hat, ohne an Flucht zu denken, unterlaufen; ja, es iſt mir vorgekommen, daß ich ſie erſt durch Schütteln am Baume zum Auffliegen habe bewegen können.
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[612/0648]
Die Fänger. Raubvögel. Ohreulen.
beobachtete zuerſt, daß ſie Fiſche frißt; Jerdon fand, daß ſie Krabben vielleicht noch bevorzugt.
Die Eingebornen verſichern, daß ſie auch Katzen angreife und tödte. „Jhre Stimme‟, bemerkt
Bernſtein, „welche ſie beſonders in mondhellen Nächten und zur Paarungszeit fleißig hören läßt,
klingt wie „Huhi, huhuhi, huhu‟. Das Neſt habe ich bis jetzt nur einmal gefunden. Es befand ſich
in ziemlicher Höhe im Gipfel eines alten Durengbaumes, an der Stelle, wo ein dicker, mit Mos,
Farrn, Orchideen und dergl. dicht bedeckter Aſt ſich vom Stamme trennte. Jn dieſes Schma-
rotzerpolſter hatten die Vögel eine Vertiefung gemacht, oder vielleicht auch nur eine ſchon vorhandene
Spalte noch etwas vertieft und vergrößert. Dieſe Vertiefung bildete das ganze Neſt, in dem ohne
weitere Unterlage ein mattglänzendes, rein weißes Ei lag, das, wie in der Regel die Euleneier, eine
auffallend kurze, beinahe rundliche Geſtalt hat. Jn einem andern Neſte hat einer meiner Jäger ein
ſchon völlig flügges Junge gefunden, ſo daß es hiernach ſcheint, daß dieſe Eule für gewöhnlich nur
ein einziges Ei legt.‟
Unſere Waldeule (Otus sylvestris), hier und da auch Ohr-, Horn-, Katzen-, Fuchs-,
Kapp-, Uhr- und Ranzeule genannt, iſt ein Uhu im Kleinen, unterſcheidet ſich aber von dieſem
durch den ſchlankeren Leibesbau, die längeren Flügel, in denen die zweite Schwinge die andern über-
ragt, die kurzen Füße, die längeren Federohren und durch die ſehr ausgebildeten Gehörmuſcheln, wes-
halb bei ihr der Schleier ſehr deutlich iſt. Jn der Färbung hat die Waldenle mit dem Uhu viel Aehn-
lichkeit; ihr Gefieder iſt aber lichter, weil die roſtgelbe Grundfarbe weniger von den ſchwarzen Schaft-
ſtrichen und Querſtreifen der Federn verdeckt wird. Die Oberſeite iſt auf trüb roſtgelblicher Grund-
farbe dunkel graubraun gefleckt, gepunktet, gewellt und gebändert, die lichtere Unterſeite mit dunkel-
braunen, auf der Bruſtgegend quer veräſtelten Längsflecken gezeichnet. Die Ohrmuſchel iſt an der
Spitze und auf der Außenſeite ſchwarz, auf der Jnnenſeite weißlich; der Geſichtskreis iſt graulich roſt-
gelb; Schwingen und Schwanz ſind gebändert; der Schnabel iſt ſchwärzlich, das Auge hochgelb. Die
Weibchen ſind etwas dunkler, die Jungen minder lebhaft gefärbt als das Männchen. Die Länge
beträgt 13 bis 14 Zoll, die Breite 35 bis 38 Zoll.
Die Waldeule verbreitet ſich über ganz Europa und iſt beſonders häufig in der Mitte des Erd-
theils; in den Atlasländern kommt ſie ebenfalls vor, in Mittelaſien iſt ſie ebenſo gemein, wie in
Europa, und erſt auf dem Himalaya erreicht ſie ihre Südgrenze. Jn Nordamerika wird ſie durch eine
ihr täuſchend ähnliche Art vertreten, welche man lange Zeit für dieſelbe hielt. Sie verdient ihren
Namen; denn ſie findet ſich regelmäßig nur im Walde. Nachts kommt ſie zwar bis in die Nähe der
Ortſchaften heran, und während ihrer Strichzeit nimmt ſie wohl auch in einem dicht beſtandenen
Obſtgarten während des Tages Herberge; Dies aber ſind Ausnahmen. Ob ſie den Nadel- oder ob
ſie den Laubwald bevorzuge, iſt ſchwer zu ſagen: man findet ſie ebenſo häufig hier, wie dort. Jn ihrer
Lebensweiſe und ihrem Betragen unterſcheidet ſie ſich nicht unweſentlich von dem Uhu. Sie benimmt
ſich bei Tage allerdings ganz ähnlich wie dieſer; ſie fliegt ungefähr zu derſelben Zeit und ungefähr in
gleicher Weiſe zur Jagd aus; aber ſie iſt weit geſelliger und viel weniger wüthend und ärgerlich als
ihr großer Verwandter. Nur während der Brutzeit hält ſie ſich paarweiſe; ſobald ihre Jungen groß
geworden ſind, ſchlägt ſie ſich mit andern ihrer Art in Flüge zuſammen, welche zuweilen recht zahlreich
werden können. Gegen den Herbſt hin ſtreichen dieſe Geſellſchaften im Lande auf und nieder, ohne
jedoch eigentlich zu wandern, und man trifft ſie dann an paſſenden Orten zuweilen ſehr häufig an.
Jch habe Trupps von einigen zwanzig und mehr geſehen, welche beinahe auf ein und demſelben Baume
Platz genommen hatten. Die Waldeule iſt, obgleich ſie von unwiſſenden Menſchen noch immer viel
mehr als recht, verfolgt wird, wenig ſcheu und läßt ſich, wenn ſie bei Tage aufgebäumt hat, ohne an
Flucht zu denken, unterlaufen; ja, es iſt mir vorgekommen, daß ich ſie erſt durch Schütteln am Baume
zum Auffliegen habe bewegen können.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 612. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/648>, abgerufen am 22.11.2024.
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