wild aus einander und rauschte mit den großen Flügeln an mir vorüber, bis alle soweit sich erhoben hatten, daß sie außer dem Bereich der Gefahr zu sein glaubten. Dann kreisten sie wieder in ihren gewohnten Bogen langsam, ohne Flügelschlag hin und her durch die Luft, den Gegner beobachtend, so lange ihr scharfes Auge noch die Entfernung des Feindes erkennen konnte. Hernach sammelte sich die gefräßige Schar von neuem über dem Aase und ließ sich langsam auf die werthvolle Beute herab, hier einer den andern von der Stelle drängend oder mit Schnabel und Flügel die Lieblingsstätte ver- theidigend. Einen Ton hört man dabei nicht, sie sind bei allen ihren Bewegungen stumm."
Außer dem Menschen ärgern oder belästigen auch Thiere und namentlich andere Raubvögel beide Geierarten. Von der Herrschaft, welche der Königsgeier über sie ausübt, habe ich bereits gesprochen; aber nicht blos er, sondern auch der Caracara und der Chimango fallen über die Geier her, namentlich wenn sie ihren Kropf gut gefüllt hatten, und quälen sie so lange, bis sie die bereits geborgene Nahrung wieder ausgebrochen, worauf jene solche sich zu Nutze machen.
Nach Tschudi horstet der Gallinazo auf Hausdächern, Kirchen, Ruinen und auf abgelegenen hohen Mauern und zwar im Februar und März. Das Gelege soll aus drei weißlichbraunen Eiern bestehen. Der Urubu soll nach demselben Berichterstatter sandige Felsrücken der Seeküste oder die kleinen Jnseln in deren Nähe zur Anlage des Horstes wählen und hier zu derselben Zeit drei bis vier Eier legen, welche rundlicher und heller sind, als die des Gallinazos. Alle übrigen Berichterstatter geben übereinstimmend an, daß beide Vögel nur zwei Eier legen und zwar auf die bloße Erde, entweder in Felsspalten oder unter einen halb umgefallenen Baumstamm, welcher der Brut etwas Schutz gegen die Witterung gewährt, auch wohl in eine Baumhöhle selbst und bezüglich unter Höhlungen im Gewurzel. Jn den südlichen Staaten Nordamerikas, in Tejas und Mejiko, wählen sich die Geier am liebsten sumpfige Strecken, suchen sich hier einen Hügel, welcher bei Hochwasser nicht überschwemmt wird, und kratzen sich unter einem Gebüsche eine seichte Höhlung aus, dort ihre Eier niederlegend. Sehr häufig brüten sie mitten unter Reihern und andern Sumpfvögeln. Gosse theilte eine etwas auffallende Beobachtung mit, welche von glaubwürdigen Leuten gemacht sein soll. Der Urubu nämlich soll sich öfters mit schwarzen Haus- oder dunkeln Truthennen paaren und sie betreten, ohne ihnen sonst ein Leides anzuthun. Die Hennen aber sollen in Folge dieser unnatürlichen Vermischung nach kurzer Zeit an Krankheiten der Geschlechtswerkzeuge zu Grunde gehen. Es braucht wohl kaum gesagt zu werden, daß diese Angabe einstweilen noch als eine müßige Sage betrachtet werden muß! Beide Eltern brüten nach Audubon abwechselnd 32 Tage lang, und einer der Gatten füttert dabei den andern, indem er ihm das im Kropfe aufgespeicherte Aas vorwürgt. Die Jungen werden genau in derselben Weise geäzt, zuerst jedoch mit halb verdautem, fein zerstückelten Aase, später mit größeren Bissen. Die Jungen sollen dann hauptsächlich mit jungen Reihern ernährt werden.
Auch diese Geier werden nur von Naturforschern, welche Beobachtungen mit ihnen anstellen wollen, in der Gefangenschaft gehalten, und Dies mag der Grund sein, daß auch sie höchst selten nach Europa gelangen. Jn allen Thiergärten, welche ich besuchte, habe ich nur zwei von ihnen gesehen. Durch Azara erfahren wir, daß die Gallinazos außerordentlich zahm, ja zu wirklichen Hausthieren werden können. Ein Freund dieses Forschers besaß einen, welcher aus- und einflog und seinen Herrn bei Spaziergängen oder Jagden im Felde, ja sogar bei größeren Reisen begleitete. Er folgte wie ein folgsamer Hund auf den Ruf. Am besten ließ er sich aus der Hand füttern; seine Nahrung mußte ihm aber in kleine Stücken zerschnitten sein: denn größere rührte er nicht an. Ein anderer Vogel dieser Art begleitete seinen Herrn auf Reisen über funfzig Meilen weit. Er hielt sich stets zu dem Wagen und ruhete, wenn er müde war, auf dem Dache desselben aus. Sah er aber, daß es heim- wärts ging, so flog er voraus und kündigte hier die Rückkunft des Hausherrn an.
Urubu. Gallinazo.
wild aus einander und rauſchte mit den großen Flügeln an mir vorüber, bis alle ſoweit ſich erhoben hatten, daß ſie außer dem Bereich der Gefahr zu ſein glaubten. Dann kreiſten ſie wieder in ihren gewohnten Bogen langſam, ohne Flügelſchlag hin und her durch die Luft, den Gegner beobachtend, ſo lange ihr ſcharfes Auge noch die Entfernung des Feindes erkennen konnte. Hernach ſammelte ſich die gefräßige Schar von neuem über dem Aaſe und ließ ſich langſam auf die werthvolle Beute herab, hier einer den andern von der Stelle drängend oder mit Schnabel und Flügel die Lieblingsſtätte ver- theidigend. Einen Ton hört man dabei nicht, ſie ſind bei allen ihren Bewegungen ſtumm.‟
Außer dem Menſchen ärgern oder beläſtigen auch Thiere und namentlich andere Raubvögel beide Geierarten. Von der Herrſchaft, welche der Königsgeier über ſie ausübt, habe ich bereits geſprochen; aber nicht blos er, ſondern auch der Caracara und der Chimango fallen über die Geier her, namentlich wenn ſie ihren Kropf gut gefüllt hatten, und quälen ſie ſo lange, bis ſie die bereits geborgene Nahrung wieder ausgebrochen, worauf jene ſolche ſich zu Nutze machen.
Nach Tſchudi horſtet der Gallinazo auf Hausdächern, Kirchen, Ruinen und auf abgelegenen hohen Mauern und zwar im Februar und März. Das Gelege ſoll aus drei weißlichbraunen Eiern beſtehen. Der Urubu ſoll nach demſelben Berichterſtatter ſandige Felsrücken der Seeküſte oder die kleinen Jnſeln in deren Nähe zur Anlage des Horſtes wählen und hier zu derſelben Zeit drei bis vier Eier legen, welche rundlicher und heller ſind, als die des Gallinazos. Alle übrigen Berichterſtatter geben übereinſtimmend an, daß beide Vögel nur zwei Eier legen und zwar auf die bloße Erde, entweder in Felsſpalten oder unter einen halb umgefallenen Baumſtamm, welcher der Brut etwas Schutz gegen die Witterung gewährt, auch wohl in eine Baumhöhle ſelbſt und bezüglich unter Höhlungen im Gewurzel. Jn den ſüdlichen Staaten Nordamerikas, in Tejas und Mejiko, wählen ſich die Geier am liebſten ſumpfige Strecken, ſuchen ſich hier einen Hügel, welcher bei Hochwaſſer nicht überſchwemmt wird, und kratzen ſich unter einem Gebüſche eine ſeichte Höhlung aus, dort ihre Eier niederlegend. Sehr häufig brüten ſie mitten unter Reihern und andern Sumpfvögeln. Goſſe theilte eine etwas auffallende Beobachtung mit, welche von glaubwürdigen Leuten gemacht ſein ſoll. Der Urubu nämlich ſoll ſich öfters mit ſchwarzen Haus- oder dunkeln Truthennen paaren und ſie betreten, ohne ihnen ſonſt ein Leides anzuthun. Die Hennen aber ſollen in Folge dieſer unnatürlichen Vermiſchung nach kurzer Zeit an Krankheiten der Geſchlechtswerkzeuge zu Grunde gehen. Es braucht wohl kaum geſagt zu werden, daß dieſe Angabe einſtweilen noch als eine müßige Sage betrachtet werden muß! Beide Eltern brüten nach Audubon abwechſelnd 32 Tage lang, und einer der Gatten füttert dabei den andern, indem er ihm das im Kropfe aufgeſpeicherte Aas vorwürgt. Die Jungen werden genau in derſelben Weiſe geäzt, zuerſt jedoch mit halb verdautem, fein zerſtückelten Aaſe, ſpäter mit größeren Biſſen. Die Jungen ſollen dann hauptſächlich mit jungen Reihern ernährt werden.
Auch dieſe Geier werden nur von Naturforſchern, welche Beobachtungen mit ihnen anſtellen wollen, in der Gefangenſchaft gehalten, und Dies mag der Grund ſein, daß auch ſie höchſt ſelten nach Europa gelangen. Jn allen Thiergärten, welche ich beſuchte, habe ich nur zwei von ihnen geſehen. Durch Azara erfahren wir, daß die Gallinazos außerordentlich zahm, ja zu wirklichen Hausthieren werden können. Ein Freund dieſes Forſchers beſaß einen, welcher aus- und einflog und ſeinen Herrn bei Spaziergängen oder Jagden im Felde, ja ſogar bei größeren Reiſen begleitete. Er folgte wie ein folgſamer Hund auf den Ruf. Am beſten ließ er ſich aus der Hand füttern; ſeine Nahrung mußte ihm aber in kleine Stücken zerſchnitten ſein: denn größere rührte er nicht an. Ein anderer Vogel dieſer Art begleitete ſeinen Herrn auf Reiſen über funfzig Meilen weit. Er hielt ſich ſtets zu dem Wagen und ruhete, wenn er müde war, auf dem Dache deſſelben aus. Sah er aber, daß es heim- wärts ging, ſo flog er voraus und kündigte hier die Rückkunft des Hausherrn an.
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Urubu. Gallinazo.
wild aus einander und rauſchte mit den großen Flügeln an mir vorüber, bis alle ſoweit ſich erhoben
hatten, daß ſie außer dem Bereich der Gefahr zu ſein glaubten. Dann kreiſten ſie wieder in ihren
gewohnten Bogen langſam, ohne Flügelſchlag hin und her durch die Luft, den Gegner beobachtend, ſo
lange ihr ſcharfes Auge noch die Entfernung des Feindes erkennen konnte. Hernach ſammelte ſich
die gefräßige Schar von neuem über dem Aaſe und ließ ſich langſam auf die werthvolle Beute herab,
hier einer den andern von der Stelle drängend oder mit Schnabel und Flügel die Lieblingsſtätte ver-
theidigend. Einen Ton hört man dabei nicht, ſie ſind bei allen ihren Bewegungen ſtumm.‟
Außer dem Menſchen ärgern oder beläſtigen auch Thiere und namentlich andere Raubvögel beide
Geierarten. Von der Herrſchaft, welche der Königsgeier über ſie ausübt, habe ich bereits geſprochen;
aber nicht blos er, ſondern auch der Caracara und der Chimango fallen über die Geier her,
namentlich wenn ſie ihren Kropf gut gefüllt hatten, und quälen ſie ſo lange, bis ſie die bereits
geborgene Nahrung wieder ausgebrochen, worauf jene ſolche ſich zu Nutze machen.
Nach Tſchudi horſtet der Gallinazo auf Hausdächern, Kirchen, Ruinen und auf abgelegenen
hohen Mauern und zwar im Februar und März. Das Gelege ſoll aus drei weißlichbraunen Eiern
beſtehen. Der Urubu ſoll nach demſelben Berichterſtatter ſandige Felsrücken der Seeküſte oder die
kleinen Jnſeln in deren Nähe zur Anlage des Horſtes wählen und hier zu derſelben Zeit drei bis vier
Eier legen, welche rundlicher und heller ſind, als die des Gallinazos. Alle übrigen Berichterſtatter
geben übereinſtimmend an, daß beide Vögel nur zwei Eier legen und zwar auf die bloße Erde,
entweder in Felsſpalten oder unter einen halb umgefallenen Baumſtamm, welcher der Brut etwas
Schutz gegen die Witterung gewährt, auch wohl in eine Baumhöhle ſelbſt und bezüglich unter
Höhlungen im Gewurzel. Jn den ſüdlichen Staaten Nordamerikas, in Tejas und Mejiko, wählen
ſich die Geier am liebſten ſumpfige Strecken, ſuchen ſich hier einen Hügel, welcher bei Hochwaſſer nicht
überſchwemmt wird, und kratzen ſich unter einem Gebüſche eine ſeichte Höhlung aus, dort ihre Eier
niederlegend. Sehr häufig brüten ſie mitten unter Reihern und andern Sumpfvögeln. Goſſe
theilte eine etwas auffallende Beobachtung mit, welche von glaubwürdigen Leuten gemacht ſein ſoll.
Der Urubu nämlich ſoll ſich öfters mit ſchwarzen Haus- oder dunkeln Truthennen paaren und ſie
betreten, ohne ihnen ſonſt ein Leides anzuthun. Die Hennen aber ſollen in Folge dieſer unnatürlichen
Vermiſchung nach kurzer Zeit an Krankheiten der Geſchlechtswerkzeuge zu Grunde gehen. Es braucht
wohl kaum geſagt zu werden, daß dieſe Angabe einſtweilen noch als eine müßige Sage betrachtet
werden muß! Beide Eltern brüten nach Audubon abwechſelnd 32 Tage lang, und einer der Gatten
füttert dabei den andern, indem er ihm das im Kropfe aufgeſpeicherte Aas vorwürgt. Die Jungen
werden genau in derſelben Weiſe geäzt, zuerſt jedoch mit halb verdautem, fein zerſtückelten Aaſe, ſpäter
mit größeren Biſſen. Die Jungen ſollen dann hauptſächlich mit jungen Reihern ernährt werden.
Auch dieſe Geier werden nur von Naturforſchern, welche Beobachtungen mit ihnen anſtellen
wollen, in der Gefangenſchaft gehalten, und Dies mag der Grund ſein, daß auch ſie höchſt ſelten nach
Europa gelangen. Jn allen Thiergärten, welche ich beſuchte, habe ich nur zwei von ihnen geſehen.
Durch Azara erfahren wir, daß die Gallinazos außerordentlich zahm, ja zu wirklichen Hausthieren
werden können. Ein Freund dieſes Forſchers beſaß einen, welcher aus- und einflog und ſeinen Herrn
bei Spaziergängen oder Jagden im Felde, ja ſogar bei größeren Reiſen begleitete. Er folgte wie ein
folgſamer Hund auf den Ruf. Am beſten ließ er ſich aus der Hand füttern; ſeine Nahrung mußte
ihm aber in kleine Stücken zerſchnitten ſein: denn größere rührte er nicht an. Ein anderer Vogel
dieſer Art begleitete ſeinen Herrn auf Reiſen über funfzig Meilen weit. Er hielt ſich ſtets zu dem
Wagen und ruhete, wenn er müde war, auf dem Dache deſſelben aus. Sah er aber, daß es heim-
wärts ging, ſo flog er voraus und kündigte hier die Rückkunft des Hausherrn an.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 585. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/619>, abgerufen am 22.11.2024.
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