Jn seiner Haltung ist der Mönchsgeier ein sehr schmucker Vogel und ein echter Geier. Selbst wenn er fliegt, hält es manchmal schwer, ihn von den übrigen großen Verwandten zu unterscheiden, während sein Vetter, der Schmuzgeier, sich schon von weitem durch seine spitzen Flügel und den keilför- migen Schwanz auszeichnet. Die lebhaft gefärbte Kopf- und Kehlhaut verleiht jenen noch einen besonderen Schmuck; denn während des Lebens zeigen die nackten Theile alle die Farbenschat- tirungen, welche wir an der Kullerhaut des Truthahns beobachten können.
Die Dreistigkeit des Vogels macht es dem Forscher leicht, jede seiner Bewegungen und sein ganzes Wesen zu studiren; man braucht ihm nur etwas Nahrung vorzuwerfen und sich ruhig hinzu- setzen, dann kommt er so weit, als man nur wünschen kann, zu dem Beobachter heran.
Abweichend von seinen großen Verwandten ist der Mönchsgeier schon sehr früh am Tage thätig. Er verläßt seinen Schlafplatz mit der Sonne und fliegt ihm erst mit einbrechender Nacht wieder zu. Für die Nachtruhe wählt er sich immer solche Bäume, welche möglichst weit von allem menschlichen Treiben entfernt stehen. Bei Massaua schläft er entweder auf einzelstehenden Mimosen in einsamen Thälern der Samchara oder auf dem dichten Schoragebüsch der Jnseln. Ueber solchen Schlasplätzen führt er erst einen kurzen Flugreigen auf, dann schießt er mit zusammengelegten Flügeln nach unten und setzt sich in Gesellschaft von anderen auf den gewohnten Baum.
Auch er liebt die Gesellschaft von Seinesgleichen mehr, als die andern Geier; so streng aber, wie Heuglin angibt, meidet er die Genossenschaft mit dem ihm in vieler Hinsicht verwandten Schmuzgeier doch nicht; man sieht ihn auch nach der Mahlzeit oft mit diesem verkehren.
Jn den ersten Monaten unseres Jahres verläßt er die Ortschaften und wendet sich geeigneten Wäldern zu, um hier zu horsten. Jn einem hochstämmigen Mimoseuwald am blauen Flusse fand ich im Januar eine förmliche Ansiedlung dieser Vögel. Die Horste standen alle auf den hohen Mimosen, theils in Gabel-, theils auf stärkeren Aesten am Stamme. Sie sind verhältnißmäßig klein, kaum einen Fuß im Durchmesser, flach, fest zusammengefügt und bestehen aus dickeren und dünneren Reisern, welche zur Auskleidung der Nestmulde sorgfältiger gewählt werden. Letztere ist so klein, daß höchstens ein Junges Platz hat. Jch habe wohl zwanzig Horste erstiegen und ersteigen lassen und in allen nur ein einziges Ei gefunden. Dasselbe ist rundlich, grobkörnig und grauweiß von Farbe, am dicken Ende stark lehmroth besprengt; doch gibt es viele Abweichungen. Beide Geschlechter brüten, die Männchen, wie es scheint, in den Mittagstunden, zu welcher Zeit wir mehrere von ihnen beim Abstreichen vom Horste erlegten. Beim Zerstören des einen Horstes fand ich zwischen den unteren Reisern unzählbare Scharen von Scharben und Wanzen und ganz zu unterst zwischen den stärkeren Reisern eine Schlafmaus, welche hier Herberge genommen hatte. An der abissinischen Küste wurden von uns und Heuglin viele Horste auf niedrigen Schoragebüschen beobachtet: eine Jnsel unweit Massauas war geradezu mit ihnen bedeckt. Jn jedem Horste fanden wir im April halb erwachsene Junge. Die Brutzeit scheint also lange zu währen und die Jungen können also nur langsam wachsen. Heuglin theilt uns mit, daß die Jungen den Horst verlassen, ehe sie eigentlich fliegen können und sich dann einige Zeit lang am Meeresstrande herumtreiben, von ausgeworfenen Krabben, Fischen und Ratten u. s. w. sich nährend.
Der Mönchsgeier wird ebenso wenig verfolgt, als seine übrigen Verwandten. Seine Jagd verursacht keine Schwierigkeiten; denn da, wo er vorkommt, vertraut er dem Menschen. Auch der Fang ist einfach genug. Jch habe einen dieser Vögel längere Zeit lebend besessen und mich wirklich mit ihm befreundet. Abgesehen von seiner natürlichen Hinneigung zu unreinlichen Dingen, war er ein schmucker und netter Gesell, welcher mich bald kennen lernte und bei meinem Erscheinen stets eine große Freude an den Tag legte. Er entflog mir zu meinem Leidwesen in Egypten. Andere Gefangene habe ich nirgends gesehen.
Die Fänger. Raubvögel. Geier.
Jn ſeiner Haltung iſt der Mönchsgeier ein ſehr ſchmucker Vogel und ein echter Geier. Selbſt wenn er fliegt, hält es manchmal ſchwer, ihn von den übrigen großen Verwandten zu unterſcheiden, während ſein Vetter, der Schmuzgeier, ſich ſchon von weitem durch ſeine ſpitzen Flügel und den keilför- migen Schwanz auszeichnet. Die lebhaft gefärbte Kopf- und Kehlhaut verleiht jenen noch einen beſonderen Schmuck; denn während des Lebens zeigen die nackten Theile alle die Farbenſchat- tirungen, welche wir an der Kullerhaut des Truthahns beobachten können.
Die Dreiſtigkeit des Vogels macht es dem Forſcher leicht, jede ſeiner Bewegungen und ſein ganzes Weſen zu ſtudiren; man braucht ihm nur etwas Nahrung vorzuwerfen und ſich ruhig hinzu- ſetzen, dann kommt er ſo weit, als man nur wünſchen kann, zu dem Beobachter heran.
Abweichend von ſeinen großen Verwandten iſt der Mönchsgeier ſchon ſehr früh am Tage thätig. Er verläßt ſeinen Schlafplatz mit der Sonne und fliegt ihm erſt mit einbrechender Nacht wieder zu. Für die Nachtruhe wählt er ſich immer ſolche Bäume, welche möglichſt weit von allem menſchlichen Treiben entfernt ſtehen. Bei Maſſaua ſchläft er entweder auf einzelſtehenden Mimoſen in einſamen Thälern der Samchara oder auf dem dichten Schoragebüſch der Jnſeln. Ueber ſolchen Schlaſplätzen führt er erſt einen kurzen Flugreigen auf, dann ſchießt er mit zuſammengelegten Flügeln nach unten und ſetzt ſich in Geſellſchaft von anderen auf den gewohnten Baum.
Auch er liebt die Geſellſchaft von Seinesgleichen mehr, als die andern Geier; ſo ſtreng aber, wie Heuglin angibt, meidet er die Genoſſenſchaft mit dem ihm in vieler Hinſicht verwandten Schmuzgeier doch nicht; man ſieht ihn auch nach der Mahlzeit oft mit dieſem verkehren.
Jn den erſten Monaten unſeres Jahres verläßt er die Ortſchaften und wendet ſich geeigneten Wäldern zu, um hier zu horſten. Jn einem hochſtämmigen Mimoſeuwald am blauen Fluſſe fand ich im Januar eine förmliche Anſiedlung dieſer Vögel. Die Horſte ſtanden alle auf den hohen Mimoſen, theils in Gabel-, theils auf ſtärkeren Aeſten am Stamme. Sie ſind verhältnißmäßig klein, kaum einen Fuß im Durchmeſſer, flach, feſt zuſammengefügt und beſtehen aus dickeren und dünneren Reiſern, welche zur Auskleidung der Neſtmulde ſorgfältiger gewählt werden. Letztere iſt ſo klein, daß höchſtens ein Junges Platz hat. Jch habe wohl zwanzig Horſte erſtiegen und erſteigen laſſen und in allen nur ein einziges Ei gefunden. Daſſelbe iſt rundlich, grobkörnig und grauweiß von Farbe, am dicken Ende ſtark lehmroth beſprengt; doch gibt es viele Abweichungen. Beide Geſchlechter brüten, die Männchen, wie es ſcheint, in den Mittagſtunden, zu welcher Zeit wir mehrere von ihnen beim Abſtreichen vom Horſte erlegten. Beim Zerſtören des einen Horſtes fand ich zwiſchen den unteren Reiſern unzählbare Scharen von Scharben und Wanzen und ganz zu unterſt zwiſchen den ſtärkeren Reiſern eine Schlafmaus, welche hier Herberge genommen hatte. An der abiſſiniſchen Küſte wurden von uns und Heuglin viele Horſte auf niedrigen Schoragebüſchen beobachtet: eine Jnſel unweit Maſſauas war geradezu mit ihnen bedeckt. Jn jedem Horſte fanden wir im April halb erwachſene Junge. Die Brutzeit ſcheint alſo lange zu währen und die Jungen können alſo nur langſam wachſen. Heuglin theilt uns mit, daß die Jungen den Horſt verlaſſen, ehe ſie eigentlich fliegen können und ſich dann einige Zeit lang am Meeresſtrande herumtreiben, von ausgeworfenen Krabben, Fiſchen und Ratten u. ſ. w. ſich nährend.
Der Mönchsgeier wird ebenſo wenig verfolgt, als ſeine übrigen Verwandten. Seine Jagd verurſacht keine Schwierigkeiten; denn da, wo er vorkommt, vertraut er dem Menſchen. Auch der Fang iſt einfach genug. Jch habe einen dieſer Vögel längere Zeit lebend beſeſſen und mich wirklich mit ihm befreundet. Abgeſehen von ſeiner natürlichen Hinneigung zu unreinlichen Dingen, war er ein ſchmucker und netter Geſell, welcher mich bald kennen lernte und bei meinem Erſcheinen ſtets eine große Freude an den Tag legte. Er entflog mir zu meinem Leidweſen in Egypten. Andere Gefangene habe ich nirgends geſehen.
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Die Fänger. Raubvögel. Geier.
Jn ſeiner Haltung iſt der Mönchsgeier ein ſehr ſchmucker Vogel und ein echter Geier. Selbſt
wenn er fliegt, hält es manchmal ſchwer, ihn von den übrigen großen Verwandten zu unterſcheiden,
während ſein Vetter, der Schmuzgeier, ſich ſchon von weitem durch ſeine ſpitzen Flügel und den keilför-
migen Schwanz auszeichnet. Die lebhaft gefärbte Kopf- und Kehlhaut verleiht jenen noch einen
beſonderen Schmuck; denn während des Lebens zeigen die nackten Theile alle die Farbenſchat-
tirungen, welche wir an der Kullerhaut des Truthahns beobachten können.
Die Dreiſtigkeit des Vogels macht es dem Forſcher leicht, jede ſeiner Bewegungen und ſein
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ſetzen, dann kommt er ſo weit, als man nur wünſchen kann, zu dem Beobachter heran.
Abweichend von ſeinen großen Verwandten iſt der Mönchsgeier ſchon ſehr früh am Tage thätig.
Er verläßt ſeinen Schlafplatz mit der Sonne und fliegt ihm erſt mit einbrechender Nacht wieder zu.
Für die Nachtruhe wählt er ſich immer ſolche Bäume, welche möglichſt weit von allem menſchlichen
Treiben entfernt ſtehen. Bei Maſſaua ſchläft er entweder auf einzelſtehenden Mimoſen in einſamen
Thälern der Samchara oder auf dem dichten Schoragebüſch der Jnſeln. Ueber ſolchen Schlaſplätzen
führt er erſt einen kurzen Flugreigen auf, dann ſchießt er mit zuſammengelegten Flügeln nach unten
und ſetzt ſich in Geſellſchaft von anderen auf den gewohnten Baum.
Auch er liebt die Geſellſchaft von Seinesgleichen mehr, als die andern Geier; ſo ſtreng aber,
wie Heuglin angibt, meidet er die Genoſſenſchaft mit dem ihm in vieler Hinſicht verwandten
Schmuzgeier doch nicht; man ſieht ihn auch nach der Mahlzeit oft mit dieſem verkehren.
Jn den erſten Monaten unſeres Jahres verläßt er die Ortſchaften und wendet ſich geeigneten
Wäldern zu, um hier zu horſten. Jn einem hochſtämmigen Mimoſeuwald am blauen Fluſſe fand ich
im Januar eine förmliche Anſiedlung dieſer Vögel. Die Horſte ſtanden alle auf den hohen Mimoſen,
theils in Gabel-, theils auf ſtärkeren Aeſten am Stamme. Sie ſind verhältnißmäßig klein, kaum
einen Fuß im Durchmeſſer, flach, feſt zuſammengefügt und beſtehen aus dickeren und dünneren
Reiſern, welche zur Auskleidung der Neſtmulde ſorgfältiger gewählt werden. Letztere iſt ſo klein, daß
höchſtens ein Junges Platz hat. Jch habe wohl zwanzig Horſte erſtiegen und erſteigen laſſen und in
allen nur ein einziges Ei gefunden. Daſſelbe iſt rundlich, grobkörnig und grauweiß von Farbe, am
dicken Ende ſtark lehmroth beſprengt; doch gibt es viele Abweichungen. Beide Geſchlechter brüten,
die Männchen, wie es ſcheint, in den Mittagſtunden, zu welcher Zeit wir mehrere von ihnen beim
Abſtreichen vom Horſte erlegten. Beim Zerſtören des einen Horſtes fand ich zwiſchen den unteren
Reiſern unzählbare Scharen von Scharben und Wanzen und ganz zu unterſt zwiſchen den ſtärkeren
Reiſern eine Schlafmaus, welche hier Herberge genommen hatte. An der abiſſiniſchen Küſte wurden
von uns und Heuglin viele Horſte auf niedrigen Schoragebüſchen beobachtet: eine Jnſel unweit
Maſſauas war geradezu mit ihnen bedeckt. Jn jedem Horſte fanden wir im April halb erwachſene
Junge. Die Brutzeit ſcheint alſo lange zu währen und die Jungen können alſo nur langſam wachſen.
Heuglin theilt uns mit, daß die Jungen den Horſt verlaſſen, ehe ſie eigentlich fliegen können und ſich
dann einige Zeit lang am Meeresſtrande herumtreiben, von ausgeworfenen Krabben, Fiſchen und
Ratten u. ſ. w. ſich nährend.
Der Mönchsgeier wird ebenſo wenig verfolgt, als ſeine übrigen Verwandten. Seine Jagd
verurſacht keine Schwierigkeiten; denn da, wo er vorkommt, vertraut er dem Menſchen. Auch der
Fang iſt einfach genug. Jch habe einen dieſer Vögel längere Zeit lebend beſeſſen und mich wirklich
mit ihm befreundet. Abgeſehen von ſeiner natürlichen Hinneigung zu unreinlichen Dingen, war er
ein ſchmucker und netter Geſell, welcher mich bald kennen lernte und bei meinem Erſcheinen ſtets eine
große Freude an den Tag legte. Er entflog mir zu meinem Leidweſen in Egypten. Andere
Gefangene habe ich nirgends geſehen.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 580. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/614>, abgerufen am 22.11.2024.
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