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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Caraucho.
sind bräunlichgelb, der Schnabel ist blaßhellbläulich, der Fuß orangengelb. Das etwas größere
Weibchen unterscheidet sich von dem Männchen unbedeutend durch blässere Färbung. Bei dem jungen
Vogel sind die Federn der oberen Theile hell gerandet und zugespitzt, die Scheitelfedern fahl bräunlich-
schwarz und alle übrigen Farben blaß und verloschen. Die Wachshaut ist blaßröthlich, der Fuß blaß
graulichhellblau.

Durch Azara, den Prinz von Wied, Darwin, d'Orbigny, Audubon, Schomburgk,
Tschudi, Boeck
und andere Forscher haben wir so ausführliche Beschreibungen über Aufenthalt,
Lebensweise und Betragen des Carancho erhalten, wie wir nur wünschen können. Unser Raubvogel
bewohnt paarweise nicht selten alle ebenen Gegenden Südamerikas, am häufigsten die Steppen und
dünn bestandene Waldungen. Jn den Urwaldungen fehlt er eben so gut, wie im Gebirge. Besonders
häufig tritt er in sumpfigen Gegenden auf; hier sieht man ihn oft zu großen Gesellschaften vereinigt.
"Man erblickt", sagt der Prinz, "viele dieser schönen Raubvögel, wie sie auf den Triften umher-
schreiten oder mit niedrigem Fluge, stark mit den Flügeln schlagend, von einem Gebüsch zu dem
andern eilen. Auf der Erde nehmen sich die bunten und stolzen Thiere besonders schön aus. Sie
gehen aufgerichtet und schreiten geschickt, da ihre hohen Fersen, ziemlich kurzen Zehen und wenig
gekrümmten Klauen zum Gauge ganz vorzüglich geeignet sind." Jhr Federbusch gibt ihnen nach
Boeck ein majestätisches Aussehen, und ihre Kühnheit oder richtiger Dreistigkeit entspricht der Meinung,
welche man sich von ihnen bildet, wenn man sie zuerst erblickt.

Jhre Nahrung besteht aus thierischen Stoffen aller Art. Jn den Steppen jagen sie nach Art
unserer Bussarde auf Mäuse, kleine Vögel, Lurche, Schnecken und Kerbthiere; am Meeresgestade
lesen sie Das auf, was die Flut an den Strand warf. Der Prinz fand die Ueberreste von Kerb-
thieren und besonders Heuschrecken, deren es in den brasilianischen Triften sehr viele gibt, in ihrem
Magen; Boeck sah sie häufig in Gesellschaft der den Boden aufwühlenden Schweine, mit denen sie
gemeinschaftlich Maden und Würmer verzehrten; Azara lernte sie als Verfolger des amerikanischen
Straußes, der Lämmer und Hirschkälber kennen. "Jst eine Schafherde", sagt er, "nicht von einem
guten Hunde bewacht, so kann es vorkommen, daß sich der Carancho über die neugebornen Lämmer
hermacht, sie bei lebendigem Leibe anfrißt und ihnen die Därme aus der Leibeshöhle herausreißt.
Traut sich Einer nicht, über einen Raub Meister zu werden, so ruft er vier oder fünf andere herbei,
und dann wird er zu einem gefährlichen Räuber." Auf dem Aase ist er ein regelmäßiger Gast. "Wenn
ein Thier", sagt Darwin, "auf der Ebene stirbt, so beginnt der Gallinazo das Fest, und der
Carancho pickt dann die Knochen rein. Längs der Straßen in den Wüstenebenen Patagoniens sieht
man oft eine große Anzahl der Vögel, um die Leichen von Thieren zu verzehren, welche aus Hunger
oder Durst gestorben waren." Dem Landvolk ist unser Raubvogel sehr verhaßt, weil er das zum
Trocknen bestimmte Fleisch mit der größten Frechheit wegstiehlt, sich aber zur Abwechslung auch sehr
gern junge Hühner raubt oder andere schwache oder stärkere Hausthiere belästigt. Nach Darwin
soll der Carancho auch eine große Menge Eier stehlen. Oft sieht man ihn auf dem Rücken der Pferde
und Maulthiere stehen und hier die Schmarotzer zusammenlesen oder den Grind von den Wunden
aufpicken, wobei das arme Thier mit gesenktem Ohr und gewölbtem Rücken ruhig dasteht, weil es sich
des Vogels doch nicht entwehren kann. Daß sich der Carancho auch ohne Umstände an menschlichen
Leichnamen sättigt, wenn er Dies haben kann, unterliegt kaum einem Zweifel; man kann Dies aus
dem Betragen der Vögel schließen, wenn man sich auf einer jener öden Ebenen zum Schlafe hinlegt.
"Beim Erwachen", sagt Darwin, "bemerkt man auf jedem benachbarten Hügel einen oder mehrere
dieser Vögel und sieht sich von ihnen geduldig mit üblem Auge bewacht." Jagdgesellschaften, welche
mit Hunden und Pferden ausziehen, werden während des Tages immer von einigen Caranchos begleitet,
und oft nehmen sie dem Schützen den erlegten Vogel vor dem Auge weg. Auch andern Räubern fliegt
unser Vogel eifrig nach, in der Absicht, ihnen eine eben gefangene Beute abzunehmen. Er verfolgt
die großen Störche, welche ein Stück Fleisch verschlungen häben und quält sie so lange, bis sie dasselbe
wieder von sich und ihm zur Beute geben. Dagegen wird auch er wieder von allerlei Vögeln verfolgt,

Caraucho.
ſind bräunlichgelb, der Schnabel iſt blaßhellbläulich, der Fuß orangengelb. Das etwas größere
Weibchen unterſcheidet ſich von dem Männchen unbedeutend durch bläſſere Färbung. Bei dem jungen
Vogel ſind die Federn der oberen Theile hell gerandet und zugeſpitzt, die Scheitelfedern fahl bräunlich-
ſchwarz und alle übrigen Farben blaß und verloſchen. Die Wachshaut iſt blaßröthlich, der Fuß blaß
graulichhellblau.

Durch Azara, den Prinz von Wied, Darwin, d’Orbigny, Audubon, Schomburgk,
Tſchudi, Boeck
und andere Forſcher haben wir ſo ausführliche Beſchreibungen über Aufenthalt,
Lebensweiſe und Betragen des Carancho erhalten, wie wir nur wünſchen können. Unſer Raubvogel
bewohnt paarweiſe nicht ſelten alle ebenen Gegenden Südamerikas, am häufigſten die Steppen und
dünn beſtandene Waldungen. Jn den Urwaldungen fehlt er eben ſo gut, wie im Gebirge. Beſonders
häufig tritt er in ſumpfigen Gegenden auf; hier ſieht man ihn oft zu großen Geſellſchaften vereinigt.
„Man erblickt‟, ſagt der Prinz, „viele dieſer ſchönen Raubvögel, wie ſie auf den Triften umher-
ſchreiten oder mit niedrigem Fluge, ſtark mit den Flügeln ſchlagend, von einem Gebüſch zu dem
andern eilen. Auf der Erde nehmen ſich die bunten und ſtolzen Thiere beſonders ſchön aus. Sie
gehen aufgerichtet und ſchreiten geſchickt, da ihre hohen Ferſen, ziemlich kurzen Zehen und wenig
gekrümmten Klauen zum Gauge ganz vorzüglich geeignet ſind.‟ Jhr Federbuſch gibt ihnen nach
Boeck ein majeſtätiſches Ausſehen, und ihre Kühnheit oder richtiger Dreiſtigkeit entſpricht der Meinung,
welche man ſich von ihnen bildet, wenn man ſie zuerſt erblickt.

Jhre Nahrung beſteht aus thieriſchen Stoffen aller Art. Jn den Steppen jagen ſie nach Art
unſerer Buſſarde auf Mäuſe, kleine Vögel, Lurche, Schnecken und Kerbthiere; am Meeresgeſtade
leſen ſie Das auf, was die Flut an den Strand warf. Der Prinz fand die Ueberreſte von Kerb-
thieren und beſonders Heuſchrecken, deren es in den braſilianiſchen Triften ſehr viele gibt, in ihrem
Magen; Boeck ſah ſie häufig in Geſellſchaft der den Boden aufwühlenden Schweine, mit denen ſie
gemeinſchaftlich Maden und Würmer verzehrten; Azara lernte ſie als Verfolger des amerikaniſchen
Straußes, der Lämmer und Hirſchkälber kennen. „Jſt eine Schafherde‟, ſagt er, „nicht von einem
guten Hunde bewacht, ſo kann es vorkommen, daß ſich der Carancho über die neugebornen Lämmer
hermacht, ſie bei lebendigem Leibe anfrißt und ihnen die Därme aus der Leibeshöhle herausreißt.
Traut ſich Einer nicht, über einen Raub Meiſter zu werden, ſo ruft er vier oder fünf andere herbei,
und dann wird er zu einem gefährlichen Räuber.‟ Auf dem Aaſe iſt er ein regelmäßiger Gaſt. „Wenn
ein Thier‟, ſagt Darwin, „auf der Ebene ſtirbt, ſo beginnt der Gallinazo das Feſt, und der
Carancho pickt dann die Knochen rein. Längs der Straßen in den Wüſtenebenen Patagoniens ſieht
man oft eine große Anzahl der Vögel, um die Leichen von Thieren zu verzehren, welche aus Hunger
oder Durſt geſtorben waren.‟ Dem Landvolk iſt unſer Raubvogel ſehr verhaßt, weil er das zum
Trocknen beſtimmte Fleiſch mit der größten Frechheit wegſtiehlt, ſich aber zur Abwechslung auch ſehr
gern junge Hühner raubt oder andere ſchwache oder ſtärkere Hausthiere beläſtigt. Nach Darwin
ſoll der Carancho auch eine große Menge Eier ſtehlen. Oft ſieht man ihn auf dem Rücken der Pferde
und Maulthiere ſtehen und hier die Schmarotzer zuſammenleſen oder den Grind von den Wunden
aufpicken, wobei das arme Thier mit geſenktem Ohr und gewölbtem Rücken ruhig daſteht, weil es ſich
des Vogels doch nicht entwehren kann. Daß ſich der Carancho auch ohne Umſtände an menſchlichen
Leichnamen ſättigt, wenn er Dies haben kann, unterliegt kaum einem Zweifel; man kann Dies aus
dem Betragen der Vögel ſchließen, wenn man ſich auf einer jener öden Ebenen zum Schlafe hinlegt.
„Beim Erwachen‟, ſagt Darwin, „bemerkt man auf jedem benachbarten Hügel einen oder mehrere
dieſer Vögel und ſieht ſich von ihnen geduldig mit üblem Auge bewacht.‟ Jagdgeſellſchaften, welche
mit Hunden und Pferden ausziehen, werden während des Tages immer von einigen Caranchos begleitet,
und oft nehmen ſie dem Schützen den erlegten Vogel vor dem Auge weg. Auch andern Räubern fliegt
unſer Vogel eifrig nach, in der Abſicht, ihnen eine eben gefangene Beute abzunehmen. Er verfolgt
die großen Störche, welche ein Stück Fleiſch verſchlungen häben und quält ſie ſo lange, bis ſie daſſelbe
wieder von ſich und ihm zur Beute geben. Dagegen wird auch er wieder von allerlei Vögeln verfolgt,

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[527/0559] Caraucho. ſind bräunlichgelb, der Schnabel iſt blaßhellbläulich, der Fuß orangengelb. Das etwas größere Weibchen unterſcheidet ſich von dem Männchen unbedeutend durch bläſſere Färbung. Bei dem jungen Vogel ſind die Federn der oberen Theile hell gerandet und zugeſpitzt, die Scheitelfedern fahl bräunlich- ſchwarz und alle übrigen Farben blaß und verloſchen. Die Wachshaut iſt blaßröthlich, der Fuß blaß graulichhellblau. Durch Azara, den Prinz von Wied, Darwin, d’Orbigny, Audubon, Schomburgk, Tſchudi, Boeck und andere Forſcher haben wir ſo ausführliche Beſchreibungen über Aufenthalt, Lebensweiſe und Betragen des Carancho erhalten, wie wir nur wünſchen können. Unſer Raubvogel bewohnt paarweiſe nicht ſelten alle ebenen Gegenden Südamerikas, am häufigſten die Steppen und dünn beſtandene Waldungen. Jn den Urwaldungen fehlt er eben ſo gut, wie im Gebirge. Beſonders häufig tritt er in ſumpfigen Gegenden auf; hier ſieht man ihn oft zu großen Geſellſchaften vereinigt. „Man erblickt‟, ſagt der Prinz, „viele dieſer ſchönen Raubvögel, wie ſie auf den Triften umher- ſchreiten oder mit niedrigem Fluge, ſtark mit den Flügeln ſchlagend, von einem Gebüſch zu dem andern eilen. Auf der Erde nehmen ſich die bunten und ſtolzen Thiere beſonders ſchön aus. Sie gehen aufgerichtet und ſchreiten geſchickt, da ihre hohen Ferſen, ziemlich kurzen Zehen und wenig gekrümmten Klauen zum Gauge ganz vorzüglich geeignet ſind.‟ Jhr Federbuſch gibt ihnen nach Boeck ein majeſtätiſches Ausſehen, und ihre Kühnheit oder richtiger Dreiſtigkeit entſpricht der Meinung, welche man ſich von ihnen bildet, wenn man ſie zuerſt erblickt. Jhre Nahrung beſteht aus thieriſchen Stoffen aller Art. Jn den Steppen jagen ſie nach Art unſerer Buſſarde auf Mäuſe, kleine Vögel, Lurche, Schnecken und Kerbthiere; am Meeresgeſtade leſen ſie Das auf, was die Flut an den Strand warf. Der Prinz fand die Ueberreſte von Kerb- thieren und beſonders Heuſchrecken, deren es in den braſilianiſchen Triften ſehr viele gibt, in ihrem Magen; Boeck ſah ſie häufig in Geſellſchaft der den Boden aufwühlenden Schweine, mit denen ſie gemeinſchaftlich Maden und Würmer verzehrten; Azara lernte ſie als Verfolger des amerikaniſchen Straußes, der Lämmer und Hirſchkälber kennen. „Jſt eine Schafherde‟, ſagt er, „nicht von einem guten Hunde bewacht, ſo kann es vorkommen, daß ſich der Carancho über die neugebornen Lämmer hermacht, ſie bei lebendigem Leibe anfrißt und ihnen die Därme aus der Leibeshöhle herausreißt. Traut ſich Einer nicht, über einen Raub Meiſter zu werden, ſo ruft er vier oder fünf andere herbei, und dann wird er zu einem gefährlichen Räuber.‟ Auf dem Aaſe iſt er ein regelmäßiger Gaſt. „Wenn ein Thier‟, ſagt Darwin, „auf der Ebene ſtirbt, ſo beginnt der Gallinazo das Feſt, und der Carancho pickt dann die Knochen rein. Längs der Straßen in den Wüſtenebenen Patagoniens ſieht man oft eine große Anzahl der Vögel, um die Leichen von Thieren zu verzehren, welche aus Hunger oder Durſt geſtorben waren.‟ Dem Landvolk iſt unſer Raubvogel ſehr verhaßt, weil er das zum Trocknen beſtimmte Fleiſch mit der größten Frechheit wegſtiehlt, ſich aber zur Abwechslung auch ſehr gern junge Hühner raubt oder andere ſchwache oder ſtärkere Hausthiere beläſtigt. Nach Darwin ſoll der Carancho auch eine große Menge Eier ſtehlen. Oft ſieht man ihn auf dem Rücken der Pferde und Maulthiere ſtehen und hier die Schmarotzer zuſammenleſen oder den Grind von den Wunden aufpicken, wobei das arme Thier mit geſenktem Ohr und gewölbtem Rücken ruhig daſteht, weil es ſich des Vogels doch nicht entwehren kann. Daß ſich der Carancho auch ohne Umſtände an menſchlichen Leichnamen ſättigt, wenn er Dies haben kann, unterliegt kaum einem Zweifel; man kann Dies aus dem Betragen der Vögel ſchließen, wenn man ſich auf einer jener öden Ebenen zum Schlafe hinlegt. „Beim Erwachen‟, ſagt Darwin, „bemerkt man auf jedem benachbarten Hügel einen oder mehrere dieſer Vögel und ſieht ſich von ihnen geduldig mit üblem Auge bewacht.‟ Jagdgeſellſchaften, welche mit Hunden und Pferden ausziehen, werden während des Tages immer von einigen Caranchos begleitet, und oft nehmen ſie dem Schützen den erlegten Vogel vor dem Auge weg. Auch andern Räubern fliegt unſer Vogel eifrig nach, in der Abſicht, ihnen eine eben gefangene Beute abzunehmen. Er verfolgt die großen Störche, welche ein Stück Fleiſch verſchlungen häben und quält ſie ſo lange, bis ſie daſſelbe wieder von ſich und ihm zur Beute geben. Dagegen wird auch er wieder von allerlei Vögeln verfolgt,

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 527. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/559>, abgerufen am 22.11.2024.