Dutzenden dem Pfluge folgen, und auch an der Meeresküste findet er sich regelmäßig ein. Jm Gebirge hingegen kommt er nur bis zu einem gewissen Höhengürtel vor. Sein Gang auf dem Boden ist sicher, sein Blick stolz, gar nicht mit der geier- oder rabenartigen Lebensweise übereinstimmend. Der Flug ist nicht sehr schnell; das Schweben wird durch ziemlich viele Flügelschläge unterbrochen. Der Vogel erhebt sich aber nie hoch in die Luft, wie die edeln Arten seiner Zunft, und beschreibt auch niemals Kreise in ihr. "Man sieht ihn", sagt der Prinz, "nur geradeaus von einer Stelle zur andern fliegen, öfters paarweise, oft allein, aber nie in Flügen oder Gesellschaften." Er ist ein sehr streitsüchtiger und zänkischer Vogel, welcher mit Seinesgleichen und Verwandten sich fortwährend herumstreitet, mit andern, nicht zu seiner Ordnung gehörigen Vögeln aber in leidlich gutem Ein- vernehmen lebt.
Kaum ein anderer Raubvogel noch nährt sich von so verschiedenen Stoffen, wie der Chimango. Er frißt, wie Darwin behauptet, Alles, selbst das Brod, welches mit dem Kehricht aus dem Hause geworfen worden ist, oder rohe Kartoffeln, welche er nicht blos bei den Häusern wegstiehlt, sondern sogar ausscharrt, kurz nachdem sie gepflanzt worden sind. Er ist der letzte Vogel, welcher das Gerippe eines Aases verläßt; man sieht ihn oft innerhalb der Bauchhöhle einer Kuh oder eines Pferdes, wie einen Vogel in einem Käfige. Würmer und Kerbthierlarven bilden zeitweilig ein leckeres Gericht für ihn, und auf den Hausthieren findet er sich regelmäßig ein, um Läuse und andere Kerb- thiere oder deren Maden von ihnen abzulesen. Jn den Sümpfen sucht er sich Schnecken und Lurche zusammen, an der Meeresküste klaubt er Seethiere aller Art auf, welche die Flut an den Strand warf. Vögel und Säugethiere scheint er nicht zu jagen. Alle Forscher fanden in dem Magen der von ihnen getödteten nur weiße Maden und Würmer, Schnecken und Fische, niemals aber Spuren von gefressenen Vögeln. Er wird lästig durch seine diebische Frechheit, noch viel lästiger aber durch sein Geschrei. Die Stimme ist ein feiner, hellschreiender, oft wiederholter Pfiff, welcher in den Dörfern, wo sich die Vögel scharenweise einfinden, geradezu betäubend wirken kann.
Jm September und Oktober beginnt die Zeit der Liebe des Chimango. Er entfernt sich jetzt ein wenig von den Wohnungen, um auf einem passenden Baum seinen Horst zu gründen. Dieser ist ein großer, aber niedriger und oben platter Bau aus Reisern und Wurzeln. Das Gelege besteht nach d'Orbigny aus fünf bis sechs sehr rundlichen Eiern, welche auf röthlichem oder lichtgraulichem Grunde mit rothen und dunkelbraunen Flecken und Tupfen bedeckt sind, am dicken Ende gewöhnlich etwas dichter, als an der Spitze, im ganzen aber sehr unregelmäßig. Während der Brutzeit macht sich die Selbstsucht des Chimango etwas weniger bemerklich, als sonst: er ist geselliger und verträglicher gegen andere seiner Art und zeigt sich seinen Jungen gegenüber sehr zärtlich. Sobald dieselben aber sich selbst erhalten können, kehrt er alle Rauhigkeiten seines Wesens wieder heraus.
Ueber das Gefangenleben weiß ich Nichts zu berichten.
Eine andere Art der Sippe, der Geierbussard (Milvago australis oder M. Novae-Zelandiae), bewohnt das südlichere Amerika und ist besonders häufig auf den Falklandsinseln, welche der Mittel- punkt seines Verbreitungskreises zu sein scheinen. Jn der Größe gleicht dieser Falkengeier unserm Schreiadler. Das Gefieder des alten Vogels ist tiefschwarz, nur auf den Federn des Halses, des Rückens und der Brust weißlich in die Länge gestreift; die Hosen sind lebhaft rostroth, die Wurzeln der Schwungfedern und die Spitzen der Schwanzfedern weiß. Der Schnabel ist lichthornfarben, die Wachshaut wie der Fuß pommerangengelb. Die Jungen unterscheiden sich von den Alten durch den Mangel der lichten Streifen an Hals und Brust. Die Federn sind hier rostroth und röthlichweiß gefleckt. Die Wurzel der Schwungfedern ist rostfarben, der Schwanz schwärzlichbraun ohne weiße Spitzen, der Schnabel ist dunkler, der Fuß braungelb.
Ueber die Lebensweise des Geierbussard haben Darwin und Abbott berichtet. "Diese Raub- vögel", sagt Darwin, "kommen mit andern Arten ihrer Familie in vieler Hinsicht überein. Sie leben von
Die Fänger. Raubvögel. Geierfalken.
Dutzenden dem Pfluge folgen, und auch an der Meeresküſte findet er ſich regelmäßig ein. Jm Gebirge hingegen kommt er nur bis zu einem gewiſſen Höhengürtel vor. Sein Gang auf dem Boden iſt ſicher, ſein Blick ſtolz, gar nicht mit der geier- oder rabenartigen Lebensweiſe übereinſtimmend. Der Flug iſt nicht ſehr ſchnell; das Schweben wird durch ziemlich viele Flügelſchläge unterbrochen. Der Vogel erhebt ſich aber nie hoch in die Luft, wie die edeln Arten ſeiner Zunft, und beſchreibt auch niemals Kreiſe in ihr. „Man ſieht ihn‟, ſagt der Prinz, „nur geradeaus von einer Stelle zur andern fliegen, öfters paarweiſe, oft allein, aber nie in Flügen oder Geſellſchaften.‟ Er iſt ein ſehr ſtreitſüchtiger und zänkiſcher Vogel, welcher mit Seinesgleichen und Verwandten ſich fortwährend herumſtreitet, mit andern, nicht zu ſeiner Ordnung gehörigen Vögeln aber in leidlich gutem Ein- vernehmen lebt.
Kaum ein anderer Raubvogel noch nährt ſich von ſo verſchiedenen Stoffen, wie der Chimango. Er frißt, wie Darwin behauptet, Alles, ſelbſt das Brod, welches mit dem Kehricht aus dem Hauſe geworfen worden iſt, oder rohe Kartoffeln, welche er nicht blos bei den Häuſern wegſtiehlt, ſondern ſogar ausſcharrt, kurz nachdem ſie gepflanzt worden ſind. Er iſt der letzte Vogel, welcher das Gerippe eines Aaſes verläßt; man ſieht ihn oft innerhalb der Bauchhöhle einer Kuh oder eines Pferdes, wie einen Vogel in einem Käfige. Würmer und Kerbthierlarven bilden zeitweilig ein leckeres Gericht für ihn, und auf den Hausthieren findet er ſich regelmäßig ein, um Läuſe und andere Kerb- thiere oder deren Maden von ihnen abzuleſen. Jn den Sümpfen ſucht er ſich Schnecken und Lurche zuſammen, an der Meeresküſte klaubt er Seethiere aller Art auf, welche die Flut an den Strand warf. Vögel und Säugethiere ſcheint er nicht zu jagen. Alle Forſcher fanden in dem Magen der von ihnen getödteten nur weiße Maden und Würmer, Schnecken und Fiſche, niemals aber Spuren von gefreſſenen Vögeln. Er wird läſtig durch ſeine diebiſche Frechheit, noch viel läſtiger aber durch ſein Geſchrei. Die Stimme iſt ein feiner, hellſchreiender, oft wiederholter Pfiff, welcher in den Dörfern, wo ſich die Vögel ſcharenweiſe einfinden, geradezu betäubend wirken kann.
Jm September und Oktober beginnt die Zeit der Liebe des Chimango. Er entfernt ſich jetzt ein wenig von den Wohnungen, um auf einem paſſenden Baum ſeinen Horſt zu gründen. Dieſer iſt ein großer, aber niedriger und oben platter Bau aus Reiſern und Wurzeln. Das Gelege beſteht nach d’Orbigny aus fünf bis ſechs ſehr rundlichen Eiern, welche auf röthlichem oder lichtgraulichem Grunde mit rothen und dunkelbraunen Flecken und Tupfen bedeckt ſind, am dicken Ende gewöhnlich etwas dichter, als an der Spitze, im ganzen aber ſehr unregelmäßig. Während der Brutzeit macht ſich die Selbſtſucht des Chimango etwas weniger bemerklich, als ſonſt: er iſt geſelliger und verträglicher gegen andere ſeiner Art und zeigt ſich ſeinen Jungen gegenüber ſehr zärtlich. Sobald dieſelben aber ſich ſelbſt erhalten können, kehrt er alle Rauhigkeiten ſeines Weſens wieder heraus.
Ueber das Gefangenleben weiß ich Nichts zu berichten.
Eine andere Art der Sippe, der Geierbuſſard (Milvago australis oder M. Novae-Zelandiae), bewohnt das ſüdlichere Amerika und iſt beſonders häufig auf den Falklandsinſeln, welche der Mittel- punkt ſeines Verbreitungskreiſes zu ſein ſcheinen. Jn der Größe gleicht dieſer Falkengeier unſerm Schreiadler. Das Gefieder des alten Vogels iſt tiefſchwarz, nur auf den Federn des Halſes, des Rückens und der Bruſt weißlich in die Länge geſtreift; die Hoſen ſind lebhaft roſtroth, die Wurzeln der Schwungfedern und die Spitzen der Schwanzfedern weiß. Der Schnabel iſt lichthornfarben, die Wachshaut wie der Fuß pommerangengelb. Die Jungen unterſcheiden ſich von den Alten durch den Mangel der lichten Streifen an Hals und Bruſt. Die Federn ſind hier roſtroth und röthlichweiß gefleckt. Die Wurzel der Schwungfedern iſt roſtfarben, der Schwanz ſchwärzlichbraun ohne weiße Spitzen, der Schnabel iſt dunkler, der Fuß braungelb.
Ueber die Lebensweiſe des Geierbuſſard haben Darwin und Abbott berichtet. „Dieſe Raub- vögel‟, ſagt Darwin, „kommen mit andern Arten ihrer Familie in vieler Hinſicht überein. Sie leben von
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0556"n="524"/><fwplace="top"type="header">Die Fänger. Raubvögel. Geierfalken.</fw><lb/>
Dutzenden dem Pfluge folgen, und auch an der Meeresküſte findet er ſich regelmäßig ein. Jm<lb/>
Gebirge hingegen kommt er nur bis zu einem gewiſſen Höhengürtel vor. Sein Gang auf dem Boden<lb/>
iſt ſicher, ſein Blick ſtolz, gar nicht mit der geier- oder rabenartigen Lebensweiſe übereinſtimmend.<lb/>
Der Flug iſt nicht ſehr ſchnell; das Schweben wird durch ziemlich viele Flügelſchläge unterbrochen.<lb/>
Der Vogel erhebt ſich aber nie hoch in die Luft, wie die edeln Arten ſeiner Zunft, und beſchreibt auch<lb/>
niemals Kreiſe in ihr. „Man ſieht ihn‟, ſagt der <hirendition="#g">Prinz,</hi>„nur geradeaus von einer Stelle zur<lb/>
andern fliegen, öfters paarweiſe, oft allein, aber nie in Flügen oder Geſellſchaften.‟ Er iſt ein ſehr<lb/>ſtreitſüchtiger und zänkiſcher Vogel, welcher mit Seinesgleichen und Verwandten ſich fortwährend<lb/>
herumſtreitet, mit andern, nicht zu ſeiner Ordnung gehörigen Vögeln aber in leidlich gutem Ein-<lb/>
vernehmen lebt.</p><lb/><p>Kaum ein anderer Raubvogel noch nährt ſich von ſo verſchiedenen Stoffen, wie der Chimango.<lb/>
Er frißt, wie <hirendition="#g">Darwin</hi> behauptet, Alles, ſelbſt das Brod, welches mit dem Kehricht aus dem<lb/>
Hauſe geworfen worden iſt, oder rohe Kartoffeln, welche er nicht blos bei den Häuſern wegſtiehlt,<lb/>ſondern ſogar ausſcharrt, kurz nachdem ſie gepflanzt worden ſind. Er iſt der letzte Vogel, welcher das<lb/>
Gerippe eines Aaſes verläßt; man ſieht ihn oft innerhalb der Bauchhöhle einer Kuh oder eines<lb/>
Pferdes, wie einen Vogel in einem Käfige. Würmer und Kerbthierlarven bilden zeitweilig ein leckeres<lb/>
Gericht für ihn, und auf den Hausthieren findet er ſich regelmäßig ein, um Läuſe und andere Kerb-<lb/>
thiere oder deren Maden von ihnen abzuleſen. Jn den Sümpfen ſucht er ſich Schnecken und Lurche<lb/>
zuſammen, an der Meeresküſte klaubt er Seethiere aller Art auf, welche die Flut an den Strand<lb/>
warf. Vögel und Säugethiere ſcheint er nicht zu jagen. Alle Forſcher fanden in dem Magen der<lb/>
von ihnen getödteten nur weiße Maden und Würmer, Schnecken und Fiſche, niemals aber Spuren<lb/>
von gefreſſenen Vögeln. Er wird läſtig durch ſeine diebiſche Frechheit, noch viel läſtiger aber durch<lb/>ſein Geſchrei. Die Stimme iſt ein feiner, hellſchreiender, oft wiederholter Pfiff, welcher in den<lb/>
Dörfern, wo ſich die Vögel ſcharenweiſe einfinden, geradezu betäubend wirken kann.</p><lb/><p>Jm September und Oktober beginnt die Zeit der Liebe des Chimango. Er entfernt ſich jetzt<lb/>
ein wenig von den Wohnungen, um auf einem paſſenden Baum ſeinen Horſt zu gründen. Dieſer<lb/>
iſt ein großer, aber niedriger und oben platter Bau aus Reiſern und Wurzeln. Das Gelege beſteht<lb/>
nach <hirendition="#g">d’Orbigny</hi> aus fünf bis ſechs ſehr rundlichen Eiern, welche auf röthlichem oder lichtgraulichem<lb/>
Grunde mit rothen und dunkelbraunen Flecken und Tupfen bedeckt ſind, am dicken Ende gewöhnlich<lb/>
etwas dichter, als an der Spitze, im ganzen aber ſehr unregelmäßig. Während der Brutzeit macht<lb/>ſich die Selbſtſucht des Chimango etwas weniger bemerklich, als ſonſt: er iſt geſelliger und verträglicher<lb/>
gegen andere ſeiner Art und zeigt ſich ſeinen Jungen gegenüber ſehr zärtlich. Sobald dieſelben aber<lb/>ſich ſelbſt erhalten können, kehrt er alle Rauhigkeiten ſeines Weſens wieder heraus.</p><lb/><p>Ueber das Gefangenleben weiß ich Nichts zu berichten.</p><lb/><p>Eine andere Art der Sippe, der <hirendition="#g">Geierbuſſard</hi> (<hirendition="#aq">Milvago australis</hi> oder <hirendition="#aq">M. Novae-Zelandiae</hi>),<lb/>
bewohnt das ſüdlichere Amerika und iſt beſonders häufig auf den Falklandsinſeln, welche der Mittel-<lb/>
punkt ſeines Verbreitungskreiſes zu ſein ſcheinen. Jn der Größe gleicht dieſer Falkengeier unſerm<lb/><hirendition="#g">Schreiadler.</hi> Das Gefieder des alten Vogels iſt tiefſchwarz, nur auf den Federn des Halſes, des<lb/>
Rückens und der Bruſt weißlich in die Länge geſtreift; die Hoſen ſind lebhaft roſtroth, die Wurzeln<lb/>
der Schwungfedern und die Spitzen der Schwanzfedern weiß. Der Schnabel iſt lichthornfarben, die<lb/>
Wachshaut wie der Fuß pommerangengelb. Die Jungen unterſcheiden ſich von den Alten durch den<lb/>
Mangel der lichten Streifen an Hals und Bruſt. Die Federn ſind hier roſtroth und röthlichweiß<lb/>
gefleckt. Die Wurzel der Schwungfedern iſt roſtfarben, der Schwanz ſchwärzlichbraun ohne weiße<lb/>
Spitzen, der Schnabel iſt dunkler, der Fuß braungelb.</p><lb/><p>Ueber die Lebensweiſe des Geierbuſſard haben <hirendition="#g">Darwin</hi> und <hirendition="#g">Abbott</hi> berichtet. „Dieſe Raub-<lb/>
vögel‟, ſagt <hirendition="#g">Darwin,</hi>„kommen mit andern Arten ihrer Familie in vieler Hinſicht überein. Sie leben von<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[524/0556]
Die Fänger. Raubvögel. Geierfalken.
Dutzenden dem Pfluge folgen, und auch an der Meeresküſte findet er ſich regelmäßig ein. Jm
Gebirge hingegen kommt er nur bis zu einem gewiſſen Höhengürtel vor. Sein Gang auf dem Boden
iſt ſicher, ſein Blick ſtolz, gar nicht mit der geier- oder rabenartigen Lebensweiſe übereinſtimmend.
Der Flug iſt nicht ſehr ſchnell; das Schweben wird durch ziemlich viele Flügelſchläge unterbrochen.
Der Vogel erhebt ſich aber nie hoch in die Luft, wie die edeln Arten ſeiner Zunft, und beſchreibt auch
niemals Kreiſe in ihr. „Man ſieht ihn‟, ſagt der Prinz, „nur geradeaus von einer Stelle zur
andern fliegen, öfters paarweiſe, oft allein, aber nie in Flügen oder Geſellſchaften.‟ Er iſt ein ſehr
ſtreitſüchtiger und zänkiſcher Vogel, welcher mit Seinesgleichen und Verwandten ſich fortwährend
herumſtreitet, mit andern, nicht zu ſeiner Ordnung gehörigen Vögeln aber in leidlich gutem Ein-
vernehmen lebt.
Kaum ein anderer Raubvogel noch nährt ſich von ſo verſchiedenen Stoffen, wie der Chimango.
Er frißt, wie Darwin behauptet, Alles, ſelbſt das Brod, welches mit dem Kehricht aus dem
Hauſe geworfen worden iſt, oder rohe Kartoffeln, welche er nicht blos bei den Häuſern wegſtiehlt,
ſondern ſogar ausſcharrt, kurz nachdem ſie gepflanzt worden ſind. Er iſt der letzte Vogel, welcher das
Gerippe eines Aaſes verläßt; man ſieht ihn oft innerhalb der Bauchhöhle einer Kuh oder eines
Pferdes, wie einen Vogel in einem Käfige. Würmer und Kerbthierlarven bilden zeitweilig ein leckeres
Gericht für ihn, und auf den Hausthieren findet er ſich regelmäßig ein, um Läuſe und andere Kerb-
thiere oder deren Maden von ihnen abzuleſen. Jn den Sümpfen ſucht er ſich Schnecken und Lurche
zuſammen, an der Meeresküſte klaubt er Seethiere aller Art auf, welche die Flut an den Strand
warf. Vögel und Säugethiere ſcheint er nicht zu jagen. Alle Forſcher fanden in dem Magen der
von ihnen getödteten nur weiße Maden und Würmer, Schnecken und Fiſche, niemals aber Spuren
von gefreſſenen Vögeln. Er wird läſtig durch ſeine diebiſche Frechheit, noch viel läſtiger aber durch
ſein Geſchrei. Die Stimme iſt ein feiner, hellſchreiender, oft wiederholter Pfiff, welcher in den
Dörfern, wo ſich die Vögel ſcharenweiſe einfinden, geradezu betäubend wirken kann.
Jm September und Oktober beginnt die Zeit der Liebe des Chimango. Er entfernt ſich jetzt
ein wenig von den Wohnungen, um auf einem paſſenden Baum ſeinen Horſt zu gründen. Dieſer
iſt ein großer, aber niedriger und oben platter Bau aus Reiſern und Wurzeln. Das Gelege beſteht
nach d’Orbigny aus fünf bis ſechs ſehr rundlichen Eiern, welche auf röthlichem oder lichtgraulichem
Grunde mit rothen und dunkelbraunen Flecken und Tupfen bedeckt ſind, am dicken Ende gewöhnlich
etwas dichter, als an der Spitze, im ganzen aber ſehr unregelmäßig. Während der Brutzeit macht
ſich die Selbſtſucht des Chimango etwas weniger bemerklich, als ſonſt: er iſt geſelliger und verträglicher
gegen andere ſeiner Art und zeigt ſich ſeinen Jungen gegenüber ſehr zärtlich. Sobald dieſelben aber
ſich ſelbſt erhalten können, kehrt er alle Rauhigkeiten ſeines Weſens wieder heraus.
Ueber das Gefangenleben weiß ich Nichts zu berichten.
Eine andere Art der Sippe, der Geierbuſſard (Milvago australis oder M. Novae-Zelandiae),
bewohnt das ſüdlichere Amerika und iſt beſonders häufig auf den Falklandsinſeln, welche der Mittel-
punkt ſeines Verbreitungskreiſes zu ſein ſcheinen. Jn der Größe gleicht dieſer Falkengeier unſerm
Schreiadler. Das Gefieder des alten Vogels iſt tiefſchwarz, nur auf den Federn des Halſes, des
Rückens und der Bruſt weißlich in die Länge geſtreift; die Hoſen ſind lebhaft roſtroth, die Wurzeln
der Schwungfedern und die Spitzen der Schwanzfedern weiß. Der Schnabel iſt lichthornfarben, die
Wachshaut wie der Fuß pommerangengelb. Die Jungen unterſcheiden ſich von den Alten durch den
Mangel der lichten Streifen an Hals und Bruſt. Die Federn ſind hier roſtroth und röthlichweiß
gefleckt. Die Wurzel der Schwungfedern iſt roſtfarben, der Schwanz ſchwärzlichbraun ohne weiße
Spitzen, der Schnabel iſt dunkler, der Fuß braungelb.
Ueber die Lebensweiſe des Geierbuſſard haben Darwin und Abbott berichtet. „Dieſe Raub-
vögel‟, ſagt Darwin, „kommen mit andern Arten ihrer Familie in vieler Hinſicht überein. Sie leben von
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 524. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/556>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.