Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

Bild:
<< vorherige Seite

Rauchfuß- und Mäusebussard.
zuge verweilen sie gern einige Tage an einem Nahrung versprechenden Orte, wandern dann ein Stück
weiter und werden nun wieder durch andere ersetzt, welche ihnen nachrücken. Zum Standorte wählt
sich der Bussard Waldungen aller Art, am liebsten aber doch solche, welche mit Feld und Wiesen
abwechseln, aus dem ganz einfachen Grunde, weil solche Gegenden ihm eine sichere Nahrung
versprechen. Er fehlt aber auch in den großen, ausgedehnten Forsten nicht und steigt hoch im
Gebirge empor.

Der Geübte erkennt den Bussard auf den ersten Blick, derselbe mag sitzen oder fliegen. Er ist
langsam und ungeschickt. Gewöhnlich sitzt er zusammengedrückt, mit wenig anliegenden Federn, gern
auf einem Fuße, den andern zusammengebogen zwischen den Federn versteckt. So kann er stunden-
lang verharren, ohne sich zu rühren; doch ist er deshalb keineswegs unthätig. Der Stein, der Erd-

[Abbildung] Der Mäusebussard (Buteo vulgaris).
hügel oder der Baum, welchen er zum Ruhesitze erwählt hat, dient ihm als Warte, von welcher aus er
sein Gebiet überschaut, und auch während der tiefsten Ruhe schweift sein Auge über dieses Gebiet
dahin. Der Flug ist langsam, aber leicht, fast geräuschlos und auf große Strecken hin schwebend.
Bei gewöhnlicher Jagd erhebt sich der Bussard seltener in bedeutende Höhe; im Frühjahre aber und
namentlich zur Zeit seiner Liebe steigt er ungemein hoch empor und entfaltet dabei Künste, welche man
ihm kaum zutrauen möchte. Seine Stimme ähnelt dem Miauen einer Katze, und ihr verdankt er
seinen Namen, da das Wort Buse soviel als Katze bedeutet, der Bussard also Katzenaar genannt
worden ist. Unter den Sinnen steht das Gesicht obenan; aber auch das Gehör ist sehr scharf, das
Gefühl sehr fein, der Geschmack wenigstens nicht verkümmert und der Geruch vielleicht ausgebildeter,
als wir glauben.

Brehm, Thierleben. III. 33

Rauchfuß- und Mäuſebuſſard.
zuge verweilen ſie gern einige Tage an einem Nahrung verſprechenden Orte, wandern dann ein Stück
weiter und werden nun wieder durch andere erſetzt, welche ihnen nachrücken. Zum Standorte wählt
ſich der Buſſard Waldungen aller Art, am liebſten aber doch ſolche, welche mit Feld und Wieſen
abwechſeln, aus dem ganz einfachen Grunde, weil ſolche Gegenden ihm eine ſichere Nahrung
verſprechen. Er fehlt aber auch in den großen, ausgedehnten Forſten nicht und ſteigt hoch im
Gebirge empor.

Der Geübte erkennt den Buſſard auf den erſten Blick, derſelbe mag ſitzen oder fliegen. Er iſt
langſam und ungeſchickt. Gewöhnlich ſitzt er zuſammengedrückt, mit wenig anliegenden Federn, gern
auf einem Fuße, den andern zuſammengebogen zwiſchen den Federn verſteckt. So kann er ſtunden-
lang verharren, ohne ſich zu rühren; doch iſt er deshalb keineswegs unthätig. Der Stein, der Erd-

[Abbildung] Der Mäuſebuſſard (Buteo vulgaris).
hügel oder der Baum, welchen er zum Ruheſitze erwählt hat, dient ihm als Warte, von welcher aus er
ſein Gebiet überſchaut, und auch während der tiefſten Ruhe ſchweift ſein Auge über dieſes Gebiet
dahin. Der Flug iſt langſam, aber leicht, faſt geräuſchlos und auf große Strecken hin ſchwebend.
Bei gewöhnlicher Jagd erhebt ſich der Buſſard ſeltener in bedeutende Höhe; im Frühjahre aber und
namentlich zur Zeit ſeiner Liebe ſteigt er ungemein hoch empor und entfaltet dabei Künſte, welche man
ihm kaum zutrauen möchte. Seine Stimme ähnelt dem Miauen einer Katze, und ihr verdankt er
ſeinen Namen, da das Wort Buſe ſoviel als Katze bedeutet, der Buſſard alſo Katzenaar genannt
worden iſt. Unter den Sinnen ſteht das Geſicht obenan; aber auch das Gehör iſt ſehr ſcharf, das
Gefühl ſehr fein, der Geſchmack wenigſtens nicht verkümmert und der Geruch vielleicht ausgebildeter,
als wir glauben.

Brehm, Thierleben. III. 33
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0545" n="513"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Rauchfuß- und Mäu&#x017F;ebu&#x017F;&#x017F;ard.</hi></fw><lb/>
zuge verweilen &#x017F;ie gern einige Tage an einem Nahrung ver&#x017F;prechenden Orte, wandern dann ein Stück<lb/>
weiter und werden nun wieder durch andere er&#x017F;etzt, welche ihnen nachrücken. Zum Standorte wählt<lb/>
&#x017F;ich der Bu&#x017F;&#x017F;ard Waldungen aller Art, am lieb&#x017F;ten aber doch &#x017F;olche, welche mit Feld und Wie&#x017F;en<lb/>
abwech&#x017F;eln, aus dem ganz einfachen Grunde, weil &#x017F;olche Gegenden ihm eine &#x017F;ichere Nahrung<lb/>
ver&#x017F;prechen. Er fehlt aber auch in den großen, ausgedehnten For&#x017F;ten nicht und &#x017F;teigt hoch im<lb/>
Gebirge empor.</p><lb/>
          <p>Der Geübte erkennt den Bu&#x017F;&#x017F;ard auf den er&#x017F;ten Blick, der&#x017F;elbe mag &#x017F;itzen oder fliegen. Er i&#x017F;t<lb/>
lang&#x017F;am und unge&#x017F;chickt. Gewöhnlich &#x017F;itzt er zu&#x017F;ammengedrückt, mit wenig anliegenden Federn, gern<lb/>
auf einem Fuße, den andern zu&#x017F;ammengebogen zwi&#x017F;chen den Federn ver&#x017F;teckt. So kann er &#x017F;tunden-<lb/>
lang verharren, ohne &#x017F;ich zu rühren; doch i&#x017F;t er deshalb keineswegs unthätig. Der Stein, der Erd-<lb/><figure><head><hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Der Mäu&#x017F;ebu&#x017F;&#x017F;ard</hi> (<hi rendition="#aq">Buteo vulgaris</hi>).</hi></head></figure><lb/>
hügel oder der Baum, welchen er zum Ruhe&#x017F;itze erwählt hat, dient ihm als Warte, von welcher aus er<lb/>
&#x017F;ein Gebiet über&#x017F;chaut, und auch während der tief&#x017F;ten Ruhe &#x017F;chweift &#x017F;ein Auge über die&#x017F;es Gebiet<lb/>
dahin. Der Flug i&#x017F;t lang&#x017F;am, aber leicht, fa&#x017F;t geräu&#x017F;chlos und auf große Strecken hin &#x017F;chwebend.<lb/>
Bei gewöhnlicher Jagd erhebt &#x017F;ich der Bu&#x017F;&#x017F;ard &#x017F;eltener in bedeutende Höhe; im Frühjahre aber und<lb/>
namentlich zur Zeit &#x017F;einer Liebe &#x017F;teigt er ungemein hoch empor und entfaltet dabei Kün&#x017F;te, welche man<lb/>
ihm kaum zutrauen möchte. Seine Stimme ähnelt dem Miauen einer Katze, und ihr verdankt er<lb/>
&#x017F;einen Namen, da das Wort <hi rendition="#g">Bu&#x017F;e</hi> &#x017F;oviel als Katze bedeutet, der Bu&#x017F;&#x017F;ard al&#x017F;o Katzenaar genannt<lb/>
worden i&#x017F;t. Unter den Sinnen &#x017F;teht das Ge&#x017F;icht obenan; aber auch das Gehör i&#x017F;t &#x017F;ehr &#x017F;charf, das<lb/>
Gefühl &#x017F;ehr fein, der Ge&#x017F;chmack wenig&#x017F;tens nicht verkümmert und der Geruch vielleicht ausgebildeter,<lb/>
als wir glauben.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Brehm,</hi> Thierleben. <hi rendition="#aq">III.</hi> 33</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[513/0545] Rauchfuß- und Mäuſebuſſard. zuge verweilen ſie gern einige Tage an einem Nahrung verſprechenden Orte, wandern dann ein Stück weiter und werden nun wieder durch andere erſetzt, welche ihnen nachrücken. Zum Standorte wählt ſich der Buſſard Waldungen aller Art, am liebſten aber doch ſolche, welche mit Feld und Wieſen abwechſeln, aus dem ganz einfachen Grunde, weil ſolche Gegenden ihm eine ſichere Nahrung verſprechen. Er fehlt aber auch in den großen, ausgedehnten Forſten nicht und ſteigt hoch im Gebirge empor. Der Geübte erkennt den Buſſard auf den erſten Blick, derſelbe mag ſitzen oder fliegen. Er iſt langſam und ungeſchickt. Gewöhnlich ſitzt er zuſammengedrückt, mit wenig anliegenden Federn, gern auf einem Fuße, den andern zuſammengebogen zwiſchen den Federn verſteckt. So kann er ſtunden- lang verharren, ohne ſich zu rühren; doch iſt er deshalb keineswegs unthätig. Der Stein, der Erd- [Abbildung Der Mäuſebuſſard (Buteo vulgaris).] hügel oder der Baum, welchen er zum Ruheſitze erwählt hat, dient ihm als Warte, von welcher aus er ſein Gebiet überſchaut, und auch während der tiefſten Ruhe ſchweift ſein Auge über dieſes Gebiet dahin. Der Flug iſt langſam, aber leicht, faſt geräuſchlos und auf große Strecken hin ſchwebend. Bei gewöhnlicher Jagd erhebt ſich der Buſſard ſeltener in bedeutende Höhe; im Frühjahre aber und namentlich zur Zeit ſeiner Liebe ſteigt er ungemein hoch empor und entfaltet dabei Künſte, welche man ihm kaum zutrauen möchte. Seine Stimme ähnelt dem Miauen einer Katze, und ihr verdankt er ſeinen Namen, da das Wort Buſe ſoviel als Katze bedeutet, der Buſſard alſo Katzenaar genannt worden iſt. Unter den Sinnen ſteht das Geſicht obenan; aber auch das Gehör iſt ſehr ſcharf, das Gefühl ſehr fein, der Geſchmack wenigſtens nicht verkümmert und der Geruch vielleicht ausgebildeter, als wir glauben. Brehm, Thierleben. III. 33

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/545
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 513. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/545>, abgerufen am 20.05.2024.