einfarbig braun, nur der Schwanz durch drei große und mehrere kleine braune Binden gezeichnet; der Kopf pflegt dann bei dem Männchen graublau zu sein. Oft wieder ist der Oberkörper braun, der Unterkörper hingegen mehr oder weniger weiß gefleckt oder weiß und durch braune Querflecken und Schaftstriche gezeichnet. Junge Vögel sind gewöhnlich braun oder gelbbraun, die Federn dunkler geschäftet, die des Nackens heller. Außer den angegebenen Farbenverschiedenheiten kommen eine Menge anderer vor. Das Auge ist silberweiß bis goldgelb, der Schnabel schwarz, die Wachshaut goldgelb, der Fuß citronengelb.
Ganz Europa mit Ausnahme der nördlichsten Länder sind als Heimat des Wespenbussards anzu- sehen. Auf seinem Zuge berührt er Westafrika, während er in Nordosten zu fehlen scheint, wenigstens haben ihn weder Heuglin noch ich jemals hier gesehen, und Rüppell's Augabe, daß er häufig in Egypten und Arabien vorkomme, bedarf also jedenfalls einer Berichtigung. Jn Deutschland kommt er überall vor, ist jedoch nur in gewissen Gegenden häufig. Behrends erwähnt, daß er den Wespen- bussard etwa zwanzig Jahre in der Nähe Koburgs in jedem Feldholze horstend angetroffen habe, wäh- rend er schon bei Gotha selten ist. Jn Norddeutschland scheint er häufiger zu sein, als im Süden; nirgends aber tritt er so zahlreich auf wie sein Verwandter, der Mäusebussard.
"Der Wespenbussard", sagt Naumann, "ist ein sehr unedler, seiger Vogel und übertrifft in dieser Hinsicht alle anderen einheimischen Raubvögel. Gutmüthigkeit und Furchtsamkeit, auch dummer Trotz sind Grundzüge seines Charakters. Er ist scheu und fliegt langsam und schwerfällig, auch meistentheils nur niedrig über dem Boden dahin." Mein Vater behauptet das Gegentheil. Er sagt, daß der Flug äußerst leicht, schön und schwimmend sei, daß der Vogel oft sehr hoch steige und in der Luft weite Kreise beschreibe. "Jn seinem Betragen", fährt Naumann fort, "verräth er die größte Trägheit. Man sieht ihn stundenlang auf einem Flecke, mehrentheils auf Grenzsteinen und einzelnen Feldbäumen sitzen und auf seinen Raub lauern. Gegen die Gewohnheit anderer Raubvögel geht er ziemlich gut, er verfolgt auch die Kerbthiere sehr oft zu Fuße. Die Stimme ist ein hastiges, oft wieder- holtes "Kikikik", welches zuweilen mehrere Minuten in einem Zuge fortdauert."
Hinsichtlich seiner Nahrung unterscheidet sich der Wespenbussard von allen übrigen Raubvögeln Europas. Er trägt nicht umsonst seinen Namen; denn die Wespen bilden in der That einen Haupt- theil seiner Mahlzeiten. Er frißt aber nur Wespen, deren Ausbildung noch nicht vollendet ist, nie- mals ausgeflogene, vor deren Giftstachel er sich zu fürchten scheint. "Jn den Morgenstunden eines Julitages", erzählt Behrends, "bemerkte ein Feldarbeiter einen Wespenfalk, welcher mit dem Aus- scharren eines Wespennestes beschäftigt war. Obgleich der Vogel zu wiederholten Malen von dem Arbeiter aufgescheucht wurde, erschien er doch immer bald wieder, seine Arbeit eifrig fortsetzend. Mittags erlegte ich den Vogel, noch bevor er seinen Zweck, zur Wespenbrut zu gelangen, erreicht hatte. Jn seinem Körper und Magen fand ich Nichts als Käferreste, keine Spur von Wespen, welche doch während seiner sechsstündigen Arbeit seinen Kopf zu Hunderten umschwärmten, von ihm aber durch Kopfschütteln abgewehrt wurden. Diese Beobachtung erregte natürlich meine Aufmerksamkeit, und es war mir sehr erwünscht, daß ich bald darauf ein leicht verwundetes altes Weibchen erhielt und an diesem Versuche anstellen konnte. Hielt ich diesem Vogel eine Wespe vor, so fraß er sie nicht nur nicht, sondern wich sogar vor derselben zurück oder biß im günstigsten Falle endlich nach ihr, schnellte sie aber weg. So oft ich auch meine Versuche wiederholte, das Ergebniß war immer dasselbe. Nie- mals war er zu bewegen, eine Wespe zu fressen." Aus den ferneren Beobachtungen von Behrends geht hervor, daß der Wespenbussard den Wespen, welche er verschluckt, nicht erst den Stachel abbeißt, wie u. A. von meinem Vater angegeben worden ist, daß er bei dem Ausscharren der Wespennester die größte Ausdauer beweist und außer den Wespen vorzugsweise Heuschrecken, Käfer, Raupen, Frösche und Eidechsen frißt. Reste von warmblütigen Thieren fand Behrends nur selten, Hummeln nie- mals, auch keine Blüthenkätzchen von Birken und Nadelhölzern, wie Naumann es angibt, wohl aber Blätter der Heidelbeerstaude. Naumann betrachtet ihn als einen argen Nestplünderer und gibt ihm außerdem schuld, neben Mäusen, Ratten, Hamstern und dgl. auch wohl einen jungen Hasen abzu-
Weſvenbuſſard.
einfarbig braun, nur der Schwanz durch drei große und mehrere kleine braune Binden gezeichnet; der Kopf pflegt dann bei dem Männchen graublau zu ſein. Oft wieder iſt der Oberkörper braun, der Unterkörper hingegen mehr oder weniger weiß gefleckt oder weiß und durch braune Querflecken und Schaftſtriche gezeichnet. Junge Vögel ſind gewöhnlich braun oder gelbbraun, die Federn dunkler geſchäftet, die des Nackens heller. Außer den angegebenen Farbenverſchiedenheiten kommen eine Menge anderer vor. Das Auge iſt ſilberweiß bis goldgelb, der Schnabel ſchwarz, die Wachshaut goldgelb, der Fuß citronengelb.
Ganz Europa mit Ausnahme der nördlichſten Länder ſind als Heimat des Weſpenbuſſards anzu- ſehen. Auf ſeinem Zuge berührt er Weſtafrika, während er in Nordoſten zu fehlen ſcheint, wenigſtens haben ihn weder Heuglin noch ich jemals hier geſehen, und Rüppell’s Augabe, daß er häufig in Egypten und Arabien vorkomme, bedarf alſo jedenfalls einer Berichtigung. Jn Deutſchland kommt er überall vor, iſt jedoch nur in gewiſſen Gegenden häufig. Behrends erwähnt, daß er den Weſpen- buſſard etwa zwanzig Jahre in der Nähe Koburgs in jedem Feldholze horſtend angetroffen habe, wäh- rend er ſchon bei Gotha ſelten iſt. Jn Norddeutſchland ſcheint er häufiger zu ſein, als im Süden; nirgends aber tritt er ſo zahlreich auf wie ſein Verwandter, der Mäuſebuſſard.
„Der Weſpenbuſſard‟, ſagt Naumann, „iſt ein ſehr unedler, ſeiger Vogel und übertrifft in dieſer Hinſicht alle anderen einheimiſchen Raubvögel. Gutmüthigkeit und Furchtſamkeit, auch dummer Trotz ſind Grundzüge ſeines Charakters. Er iſt ſcheu und fliegt langſam und ſchwerfällig, auch meiſtentheils nur niedrig über dem Boden dahin.‟ Mein Vater behauptet das Gegentheil. Er ſagt, daß der Flug äußerſt leicht, ſchön und ſchwimmend ſei, daß der Vogel oft ſehr hoch ſteige und in der Luft weite Kreiſe beſchreibe. „Jn ſeinem Betragen‟, fährt Naumann fort, „verräth er die größte Trägheit. Man ſieht ihn ſtundenlang auf einem Flecke, mehrentheils auf Grenzſteinen und einzelnen Feldbäumen ſitzen und auf ſeinen Raub lauern. Gegen die Gewohnheit anderer Raubvögel geht er ziemlich gut, er verfolgt auch die Kerbthiere ſehr oft zu Fuße. Die Stimme iſt ein haſtiges, oft wieder- holtes „Kikikik‟, welches zuweilen mehrere Minuten in einem Zuge fortdauert.‟
Hinſichtlich ſeiner Nahrung unterſcheidet ſich der Weſpenbuſſard von allen übrigen Raubvögeln Europas. Er trägt nicht umſonſt ſeinen Namen; denn die Weſpen bilden in der That einen Haupt- theil ſeiner Mahlzeiten. Er frißt aber nur Weſpen, deren Ausbildung noch nicht vollendet iſt, nie- mals ausgeflogene, vor deren Giftſtachel er ſich zu fürchten ſcheint. „Jn den Morgenſtunden eines Julitages‟, erzählt Behrends, „bemerkte ein Feldarbeiter einen Weſpenfalk, welcher mit dem Aus- ſcharren eines Weſpenneſtes beſchäftigt war. Obgleich der Vogel zu wiederholten Malen von dem Arbeiter aufgeſcheucht wurde, erſchien er doch immer bald wieder, ſeine Arbeit eifrig fortſetzend. Mittags erlegte ich den Vogel, noch bevor er ſeinen Zweck, zur Weſpenbrut zu gelangen, erreicht hatte. Jn ſeinem Körper und Magen fand ich Nichts als Käferreſte, keine Spur von Weſpen, welche doch während ſeiner ſechsſtündigen Arbeit ſeinen Kopf zu Hunderten umſchwärmten, von ihm aber durch Kopfſchütteln abgewehrt wurden. Dieſe Beobachtung erregte natürlich meine Aufmerkſamkeit, und es war mir ſehr erwünſcht, daß ich bald darauf ein leicht verwundetes altes Weibchen erhielt und an dieſem Verſuche anſtellen konnte. Hielt ich dieſem Vogel eine Weſpe vor, ſo fraß er ſie nicht nur nicht, ſondern wich ſogar vor derſelben zurück oder biß im günſtigſten Falle endlich nach ihr, ſchnellte ſie aber weg. So oft ich auch meine Verſuche wiederholte, das Ergebniß war immer daſſelbe. Nie- mals war er zu bewegen, eine Weſpe zu freſſen.‟ Aus den ferneren Beobachtungen von Behrends geht hervor, daß der Weſpenbuſſard den Weſpen, welche er verſchluckt, nicht erſt den Stachel abbeißt, wie u. A. von meinem Vater angegeben worden iſt, daß er bei dem Ausſcharren der Weſpenneſter die größte Ausdauer beweiſt und außer den Weſpen vorzugsweiſe Heuſchrecken, Käfer, Raupen, Fröſche und Eidechſen frißt. Reſte von warmblütigen Thieren fand Behrends nur ſelten, Hummeln nie- mals, auch keine Blüthenkätzchen von Birken und Nadelhölzern, wie Naumann es angibt, wohl aber Blätter der Heidelbeerſtaude. Naumann betrachtet ihn als einen argen Neſtplünderer und gibt ihm außerdem ſchuld, neben Mäuſen, Ratten, Hamſtern und dgl. auch wohl einen jungen Haſen abzu-
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[509/0541]
Weſvenbuſſard.
einfarbig braun, nur der Schwanz durch drei große und mehrere kleine braune Binden gezeichnet;
der Kopf pflegt dann bei dem Männchen graublau zu ſein. Oft wieder iſt der Oberkörper braun, der
Unterkörper hingegen mehr oder weniger weiß gefleckt oder weiß und durch braune Querflecken und
Schaftſtriche gezeichnet. Junge Vögel ſind gewöhnlich braun oder gelbbraun, die Federn dunkler
geſchäftet, die des Nackens heller. Außer den angegebenen Farbenverſchiedenheiten kommen eine
Menge anderer vor. Das Auge iſt ſilberweiß bis goldgelb, der Schnabel ſchwarz, die Wachshaut
goldgelb, der Fuß citronengelb.
Ganz Europa mit Ausnahme der nördlichſten Länder ſind als Heimat des Weſpenbuſſards anzu-
ſehen. Auf ſeinem Zuge berührt er Weſtafrika, während er in Nordoſten zu fehlen ſcheint, wenigſtens
haben ihn weder Heuglin noch ich jemals hier geſehen, und Rüppell’s Augabe, daß er häufig in
Egypten und Arabien vorkomme, bedarf alſo jedenfalls einer Berichtigung. Jn Deutſchland kommt
er überall vor, iſt jedoch nur in gewiſſen Gegenden häufig. Behrends erwähnt, daß er den Weſpen-
buſſard etwa zwanzig Jahre in der Nähe Koburgs in jedem Feldholze horſtend angetroffen habe, wäh-
rend er ſchon bei Gotha ſelten iſt. Jn Norddeutſchland ſcheint er häufiger zu ſein, als im Süden;
nirgends aber tritt er ſo zahlreich auf wie ſein Verwandter, der Mäuſebuſſard.
„Der Weſpenbuſſard‟, ſagt Naumann, „iſt ein ſehr unedler, ſeiger Vogel und übertrifft in
dieſer Hinſicht alle anderen einheimiſchen Raubvögel. Gutmüthigkeit und Furchtſamkeit, auch dummer
Trotz ſind Grundzüge ſeines Charakters. Er iſt ſcheu und fliegt langſam und ſchwerfällig, auch
meiſtentheils nur niedrig über dem Boden dahin.‟ Mein Vater behauptet das Gegentheil. Er ſagt,
daß der Flug äußerſt leicht, ſchön und ſchwimmend ſei, daß der Vogel oft ſehr hoch ſteige und in der
Luft weite Kreiſe beſchreibe. „Jn ſeinem Betragen‟, fährt Naumann fort, „verräth er die größte
Trägheit. Man ſieht ihn ſtundenlang auf einem Flecke, mehrentheils auf Grenzſteinen und einzelnen
Feldbäumen ſitzen und auf ſeinen Raub lauern. Gegen die Gewohnheit anderer Raubvögel geht er
ziemlich gut, er verfolgt auch die Kerbthiere ſehr oft zu Fuße. Die Stimme iſt ein haſtiges, oft wieder-
holtes „Kikikik‟, welches zuweilen mehrere Minuten in einem Zuge fortdauert.‟
Hinſichtlich ſeiner Nahrung unterſcheidet ſich der Weſpenbuſſard von allen übrigen Raubvögeln
Europas. Er trägt nicht umſonſt ſeinen Namen; denn die Weſpen bilden in der That einen Haupt-
theil ſeiner Mahlzeiten. Er frißt aber nur Weſpen, deren Ausbildung noch nicht vollendet iſt, nie-
mals ausgeflogene, vor deren Giftſtachel er ſich zu fürchten ſcheint. „Jn den Morgenſtunden eines
Julitages‟, erzählt Behrends, „bemerkte ein Feldarbeiter einen Weſpenfalk, welcher mit dem Aus-
ſcharren eines Weſpenneſtes beſchäftigt war. Obgleich der Vogel zu wiederholten Malen von dem
Arbeiter aufgeſcheucht wurde, erſchien er doch immer bald wieder, ſeine Arbeit eifrig fortſetzend.
Mittags erlegte ich den Vogel, noch bevor er ſeinen Zweck, zur Weſpenbrut zu gelangen, erreicht hatte.
Jn ſeinem Körper und Magen fand ich Nichts als Käferreſte, keine Spur von Weſpen, welche doch
während ſeiner ſechsſtündigen Arbeit ſeinen Kopf zu Hunderten umſchwärmten, von ihm aber durch
Kopfſchütteln abgewehrt wurden. Dieſe Beobachtung erregte natürlich meine Aufmerkſamkeit, und
es war mir ſehr erwünſcht, daß ich bald darauf ein leicht verwundetes altes Weibchen erhielt und an
dieſem Verſuche anſtellen konnte. Hielt ich dieſem Vogel eine Weſpe vor, ſo fraß er ſie nicht nur
nicht, ſondern wich ſogar vor derſelben zurück oder biß im günſtigſten Falle endlich nach ihr, ſchnellte
ſie aber weg. So oft ich auch meine Verſuche wiederholte, das Ergebniß war immer daſſelbe. Nie-
mals war er zu bewegen, eine Weſpe zu freſſen.‟ Aus den ferneren Beobachtungen von Behrends
geht hervor, daß der Weſpenbuſſard den Weſpen, welche er verſchluckt, nicht erſt den Stachel abbeißt,
wie u. A. von meinem Vater angegeben worden iſt, daß er bei dem Ausſcharren der Weſpenneſter die
größte Ausdauer beweiſt und außer den Weſpen vorzugsweiſe Heuſchrecken, Käfer, Raupen, Fröſche
und Eidechſen frißt. Reſte von warmblütigen Thieren fand Behrends nur ſelten, Hummeln nie-
mals, auch keine Blüthenkätzchen von Birken und Nadelhölzern, wie Naumann es angibt, wohl aber
Blätter der Heidelbeerſtaude. Naumann betrachtet ihn als einen argen Neſtplünderer und gibt ihm
außerdem ſchuld, neben Mäuſen, Ratten, Hamſtern und dgl. auch wohl einen jungen Haſen abzu-
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 509. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/541>, abgerufen am 22.11.2024.
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